Das Blut der Mana-i von Elnaro (Der König von Kalaß) ================================================================================ Kapitel 3: Himmel und Erde -------------------------- Bereits zum Frühstück des nächsten Tages, bei dem die fünf beieinander sitzen, verkündet Nico seinen Vorschlag von der Reise der Kinder durch die Königreiche. Siva ist begeistert von dieser Idee, denn es spielt ihrem Plan, die vier Siegel zu suchen, genau in die Karten. Ihr Wunsch auch Nomi mit dabei zu haben, wird zu ihrem Leidwesen allerdings abgelehnt, was sie nicht so richtig verstehen kann. Wenn ihr Vater etwas entschieden hat, ist es jedoch unmöglich ihn von etwas anderem zu überzeugen. Aiven ist zwar überrascht über die fast schon euphorische Zustimmung Sivas, was er als Kompliment für sich selbst auffasst, hat aber selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden mit seiner Angebeteten so lange allein zu sein. Zu seiner großen Freude ist sie nicht mehr so kratzbürstig zu ihm, seit er sie im Kampf besiegt hat. Er glaubt, dass er sie auf einer gemeinsamen Reise definitiv vollständig auf seine Seite bringen kann. Aufgrund des hohen Besuches, wird Siva nun auch offiziell von ihrem Unterricht freigestellt. Sie verbringt ihren Tag mit dem jungen Prinzen. Er weiß genau, dass sie das vor ihrer Niederlage gegen ihn nicht getan hätte. Tatsächlich versucht sie abzuklopfen, ob er ihrem Vorhaben im Wege stehen könnte. Dann müsste sie ihn möglichst schnell loswerden. Wenn er sich jedoch als nützlich erweist, ist sie gern bereit ihn an ihrem Abenteuer teilhaben zu lassen. Sie überredet ihn zu einem Ausflug zu Nalitas Kathedrale. Kurz nach dem Mittag brechen sie auf. Zu Fuß ist sie etwa eine Dreiviertelstunde entfernt, denn sie müssen quer durch die riesige Stadt. Den Weg dort hin zu finden ist einfach. Sie können die ganze Zeit nur der Hauptstraße folgen, denn das Schloss ist mit der Kathedrale verbunden. Die Häuser sind, wie auch das Schloss, aus dem grauen Stein des Bugatgebirges gebaut, der die Hitzte ein wenig davon abhält draußen zu bleiben. Blaue Häuserdächer und blaue Rosheanische Flaggen mit einem Hirsch als Wappentier hängen stolz an vielen der Häuser und vermitteln durch ihre kühlen Farben merkwürdigerweise den Eindruck eines gemäßgiteren Klimas. Dass Flaggen in diesem größenmaß aufgehängt werden wie jetzt, ist eine Entwicklung der letzten zehn bis fünfzehn Jahre. Die Bevölkerung wird unter König Nico immer wohlhabender, da er den Handel mit den Nachbarländern wieder angekurbelt und die Menschen dazu ermutigt hat, innovativer zu sein. Als ein Zeichen, um ihre Zufriedenheit und Anerkennung auszudrücken, sind das Wappentier und die blaue Farbe der Flagge nun allgegenwärtig. Selbstverständlich ist die Prinzessin überall bekannt und sie wird von nahezu der gesamten Bevölkerung freundlich begrüßt: „Einen wunderschönen Guten Tag, Eure Hoheit.“ hören die beiden aus allen Ecken. Es ist anstrengend für sie durch die Stadt zu gehen. Hin und wieder wird Aiven sogar als Prinz von Yoken erkannt, was ihm gut gefällt. Im Gegensatz zu Siva, der ihr Rang völlig egal ist, ist er sehr bedacht darauf und auch ungeheuer stolz auf seine Herkunft. Es mag Frühling sein, aber es ist ein heißer Tag. Die Mittagssonne brennt auf Aivens heller Haut. Vermutlich wird er sich heute einen Sonnenbrand holen. Das ist dem eitlen jungen Mann zwar nicht so recht, doch was würde er nicht alles für einen Ausflug mit der wunderbaren Siva tun? Er bittet sie die Straßenseiten zu wechseln, um etwas mehr Schatten abezubekommen, was ihr auch ganz recht ist. Nach einem etwas belanglosen Gespräch stellt sie ihm nach einiger Zeit nun eine Frage, die sie wirklich interessiert: „Glaubst du an Götter?“ Diese kurze und recht einfache Frage hat es in sich, doch Aiven scheut sich nicht sie zu beantworten: „Mutter hat mir als Kind immer die ‚Antatia Mande‘, die Göttermythologie vorgelesen. Von Klein auf bin ich damit vertraut. Ich glaube daran, dass es die vier Elementargötter wirklich einmal gegeben hat, doch ich glaube auch, dass sie diese Welt verlassen haben.“ „Verlassen?“ Diese Antwort gefällt der intelligenten Prinzessin, doch sie verwundert sie auch. „Wie kommst du darauf?“ „Nun, zu antiken Zeiten hat man häufig von Göttersichtungen berichtet, doch heute ist das nicht mehr der Fall. Ich glaube nicht, dass die alten Quellen lügen. Eher glaube ich, dass sich die Götter aus irgend einem Grund von uns abgewandt haben. Zu der Zeit als die vier Kathedralen erbaut wurden, lebte der Glaube wieder etwas auf und die Menschen behaupteten die wahrhaftigen Götter in den Kathedralen getroffen zu haben. Ich denke ja, dass das nur ein Trick war um den Glauben neu anzufachen.“ Während seiner Erklärung begannen Sivas Augen immer mehr zu leuchten. Sie hat sich bisher nur intensiv mit ihren eigenen Vorfahren befasst, aber nicht mit der Göttermythologie. Davon Aiven an ihrer Seite zu behalten, verspricht sie sich nun nicht mehr nur Schutz, sondern auch echte Hilfe. Erwartungsvoll stellt sie ihre nächste Frage: „Hast du schon einmal etwas von den vier Kalaßer Elementarsiegeln gehört?“ Er nickt selbstbewusst. „Du meinst die vier Juwelen, die in die Reliefs der Kathedralen eingearbeitet wurden? Klar kenne ich die. Was ist denn damit?“ Siva macht ein ernstes Gesicht. Sie sind gerade mitten in der Stadt auf einem Fußweg. Sie packt den jungen Mann am Arm und sieht ihn forsch in eine Seitengasse. „Oh, Siva. Wie stürmisch du auf einmal bist! Das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“ stammelt er überrascht. „Psst, halt den Mund“, flüstert sie, „ich möchte nicht, dass uns jemand hört.“ Sie gehen ein kleines Stück weiter in die Gasse hinein, bis das Mädchen denkt, dass man die beiden auf der belebten Hauptstraße nicht mehr hören kann. Dann überrumpelt sie ihn mit immer noch gedämpfter Stimme mit ihrem Anliegen: „Pass jetzt gut auf, Prinz, denn ich werde dir diese Frage nur ein einziges Mal stellen. Ich habe vor alle vier Siegel an mich zu bringen, um das Rätsel meiner Herkunft ein für alle Mal zu lösen. Vielleicht muss ich eines oder mehrere stehlen und vielleicht wird es gefährlich. Ich weiß es nicht. Ich werde diese Sache mit oder ohne dich durchführen. Also, wie sieht es aus? Machst du mit?“ Von der raubeinigen Siva so herrisch angeraunt zu werden, kratzt an seinem Stolz, doch er wird sich nicht die Blöße geben ihr das zu sagen. Wenn er ihr Angebot ablehnt, verliert er jede Chance bei ihr zu landen. Zudem ist es das erste mal, dass sie ihn einläd etwas mit ihr gemeinsam zu unternehmen. Er lächelt sie frech an. „So lieblich wie mich Fräulein Prinzessin um meine Hilfe bittet, kann ich doch unmöglich ablehnen, oder? Ohne mich bist du ohnehin auf verlorenem Posten. Du wirst dich mir noch dankend in die Arme werfen.“ Siva versteht den wenig dezenten Hinweis auf ihr zu forsches Herangehen. Sein letzter Satz hätte trotzdem nicht sein müssen. Da seine Antwort positiv war, wird sie es ausnahmsweise einmal überhören. „Ist angekommen. Danke für deine Hilfe.“ Dass sie einlenkt, bestärkt ihn in seiner Entscheidung. „Ich schlage vor wir reden später darüber was du damit vorhast. Jetzt beraten wir erst einmal wie wir an das Juwel der Erdgöttin kommen. In der Kathedrale der Göttin Ahanani sind ausschließlich unverheiratete, junge Frauen beschäftigt. Glaubst du sie werden es dir als Prinzessin dieses Landes einfach aushändigen?“ Siva lacht kurz auf. „Wohl kaum. Nico würden sie es vielleicht geben, aber mir doch nicht. Es einfach aus dem Relief heraus zu nehmen und damit hinaus zu spazieren, wird aber auch nicht klappen. Am besten sondieren wir erst einmal die Lage.“ Der junge Prinz ist einverstanden und die beiden machen sich wieder auf den Weg. Die Kathedrale steht am Rande der Stadt. Sie ist ein riesiges Bauwerk mit vielen Säulen und einer großen Kuppel. Alle vier Kathedralen wurden im selben Baustil errichtet, nur die Symbole an den Kapitellen der Säulen und den Reliefs der Torbögen unterscheiden sich. Zudem trägt jede Kuppel die Farbe ihres jeweiligen Gottes. Diese hier ist gelb. Die Königskinder betreten die Kathedrale durch das Haupttor. Im Inneren gehen sie an hölzernen Stelen vorbei, welche die attraktive und leicht bekleidete Erdgöttin Ahanani mit offenem, wehendem Haar zeigen. Jede Statue ist einer anderen Pflanze gewidmet. Sie sehen zum Relief hinter dem Altar, in dem eine leere Kerbe ist. Das Juwel fehlt. Eine junge Priesterin in einem kurzen luftigen Seidenkleid und einer Schärpe um den mädchenhaften Körper, kommt freudestrahlend auf die zwei zu. „Willkommen ihr beiden. Schaut ihr euch die Kirche an, weil ihr hier heiraten wollt?“ Siva prustet ungehalten los: „Heiraten? Den?“ Es hallt in dem großen Hauptschiff des Kathedrale wider. Während sie noch lacht, sieht Aiven finster zu ihr hinüber. „Musste das jetzt sein?“ Nach wie vor lachend antwortet sie gar nicht erst, sondern wirft ihm einen erheiterten Blick zu. Die eher verunsicherte junge Priesterin ist erstaunt: „Entschuldigt bitte meine Unhöflichkeit. Womit kann ich euch denn dann dienen?“ Sie fixiert vor allem den ungewöhnlich aussehenden Aiven interessiert. Der junge Mann mit dem eindringlichen Blick lenkt sie von der Prinzessin ab, die sie eigentlich erkennen müsste. Aiven ist auf Zack. Er weiß was es bedeutet, wenn ein Mädchen ihn so ansieht. Sie ist in seinem Bann und er beginnt mit ihr zu flirten. Dass Siva sich so daneben benommen hat, kann er nun zu seinem Vorteil nutzen. „Ich wollte mir so gern das Erdjuwel anschauen. Ich bin extra aus Yoken angereist, um es zu sehen.“ Betroffen antwortet sie: „Es tut mir außerordentlich Leid für dich, aber der Stein wird gerade restauriert und ist nicht öffentlich zugänglich.“ „Dann habe ich die Reise völlig umsonst unternommen? Gibt es denn keine Möglichkeit es wenigstens mal kurz zu sehen?“ Sie schaut traurig zu Boden: „Nein, das geht leider nicht.“ Aiven wittert hier eine einmalige Gelegenheit. Sobald sich der Stein wieder im Relief befindet, ist es unmöglich ihn zu stehlen. Er hat vor das Mädchen so lange zu bezirzen, bis sie ihm sagt wo die Restaurierung durchgeführt wird und sie ihn am besten hin führt. „Was bewegt denn eine so hübsche junge Frau wie dich Priesterin zu werden?“ Das Mädchen wird rot und beginnt zu stammeln. Siva glaubt ihren Ohren nicht zu trauen. Was soll das denn jetzt? Ist es eine Masche von ihm, um weitere Informationen zu kommen, oder ist er wirklich so ein Schwerenöter? Egal wie die Antwort auch aussehen mag, eine Woge von Eifersucht übermannt sie, was ihr analytisches Denken stark beeinträchtigt. Es verschlägt ihr kurz die Sprache. Die Antwort der Priesterin bekommt sie überhaupt nicht mit. Die Prinzessin brodelt geradezu. Es ist schon ein heiteres Flirtgespräch zustande gekommen, als sie endlich etwas heraus bekommt: „A-Aiven, was soll das bitte? Wenn ich euch beiden Turteltäubchen störe, dann kann ich ja auch gehen, oder?“ Der Prinz bleibt in seiner Rolle: „Ok, mach das. Bis später.“ Empört dreht sich Siva von ihm weg und beginnt zu gehen, dabei brabbelt sie: „Ich glaub es ja nicht!“ Als sie weg ist fragt die Priesterin ihren neuen Schwarm: „Wer war das?“ Er winkt ab. „Nur meine Fremdenführerin, nichts weiter. Mach dir keine Sorgen um sie, sonst bekommt dein hübsches Gesicht noch Falten.“ Er weiß nicht genau, ob seine Komplizin ihre Rolle hier einfach nur gut gespielt hat, oder ob sie wirklich eifersüchtig war? Mit beidem wäre er zufrieden. Siva hat nicht vor, vor der Kathedrale auf den liebestollen Prinzen zu warten. Wutentbrannt geht sie nach Hause. Ständig wird sie dabei von freundlichen Bürgern angesprochen, für die sie gerade überhaupt keine Zeit hat. „Hab‘s eilig.“ sind die häufigsten Worte, die sie auf ihrem Rückweg sagen muss. Was hat sie sich nur dabei gedacht ihn in ihren Plan einzuweihen? Glaubte sie, er hätte sich so schnell geändert? Er entspricht genau dem, wie sie ihn die Jahre zuvor eingeschätzt hatte. Der Kuss, seine schmeichelnden Worte, all das sind einfach nur seine Mittel, um Frauen gefügig zu machen und sie ist darauf hereingefallen. Ihre These er bekomme nur Frauen ab, weil er der Prinz sei, wäre damit allerdings widerlegt. Auf halber Wegstrecke kommen ihr Zweifel. Was ist wenn er das nur für sie getan hat, um an das Siegel zu kommen? Sie selbst wäre wohl schon an der ersten Kathedrale gescheitert. Aber trotzdem. So war das Ganze nicht geplant. Sie wollten nur erst mal die Lage sondieren, um dann gemeinsam einen Plan aus zu tüfteln . So oder so fühlt sie sich verletzt. Als selbstlos kann sie seine Tat jedenfalls nicht betrachten. Im Schloss angekommen vermeidet sie jede Begegnung. Ungesehen verschwindet sie in ihrem Zimmer. Es ist gerade einmal früher Nachmittag und sie weiß nichts mit sich anzufangen. Im Versuch sich abzulenken, schnappt sie sich eines ihrer Lehrbücher. Sie nimmt das mit dem aggressivsten Titel den sie finden kann: „Militärstrategie“. Das ist jetzt genau das richtige. Sie schlägt es auf und liest ein paar Seiten, ohne bei der Sache zu sein. Schon Sekunden nach dem sie einen Satz gelesen hat, hat sie ihn wieder vergessen. Einige Seiten beginnt sie bis zu vier mal erneut zu lesen, bevor sie einsieht, dass es nichts bringt. Die Prinzessin schmeißt das Buch frustriert in die Ecke. Warum macht sie es nur so fertig, dass dieser Junge jetzt gerade in diesem Moment mit einer anderen zusammen ist? Es sollte ihr doch eigentlich egal sein. Sie schmeißt sich aufs Bett und wälzt sich hin und her. Es nützt einfach nichts. Sie geht hinaus auf den Übungsplatz, schnappt sich ein Schwert und trainiert ein paar Schwerthiebe. Quenn Beltrus, der Minister des Innern entdeckt die Prinzessin und geht zu ihr. Er hat schon im Nalitischen Schlos gearbeitet, als Nico noch kein Monarch war. Heute sind er und der König gute Freunde. Der etwa vierzigjährige Quenn ist immer noch eine aufgeweckte Frohnatur, die in der Lage ist andere Menschen mit seiner positiven Grundeinstellung anzustecken. Der verbissene Gesichtsausdruck Prinzessin Sivas erweckt in ihm den Wunsch zu helfen. „Prinzessin, was machst du hier so ganz alleine? Ist alles in Ordnung?“ Sie hat gerade überhaupt keine Lust mit irgendjemandem zu sprechen und nimmt kaum von ihm Notiz. „Ja, es ist alles in Ordnung. Ich übe nur ein wenig. Wenn du nicht mein Übungspartner sein möchtest, dann bitte ich dich zu gehen. Ich werde nicht so gern beobachtet.“ Quenn dreht sich um und geht. Siva ist erleichtert, dass ihr wenigstens einer im Schloss ihre Privatsphäre gönnt, doch sie hat sich zu früh gefreut. Mit einem Übungsschwert kommt er zurück. Er hat sein Jackett abgelegt und stellt sich der überraschten jungen Frau gegenüber. „Alles klar, dann wollen wir mal. Ich werde zwar hoffnungslos gegen dich untergehen, Prinzessin, aber es ist wohl ein notwendiges Übel, um mit dir reden zu können.“ Siva brummt anerkennend. Der Übungskampf verläuft so wie Quenn ihn sich vorgestellt hat. Siva zeigt keine Gnade. Der unbewegliche Minister landet dreimal unsanft auf dem Hosenboden. „Tja, drei zu null, würde ich sagen“ verkündet Siva stolz. Ihre Aggression wäre sie damit losgeworden.Irgendwie erleichtert reicht sie Quenn die Hand, um ihm hoch zu helfen. Er scherzt: „Du bist eine richtige Kriegerprinzessin. Pass auf, dass du damit nicht die Männer vergraulst!“ Siva fasst das ganz uns gar nicht als Scherz, sondern vielmehr als Kritik auf und spottet: „Die haben es doch gar nicht anders verdient, so primitiv wie die ticken.“ Der Minister klopft sich den Schmutz von der Kleidung. „Moment mal, Prinzessin, das beleidigt auch mich.“ „Nichts für ungut, Quenn, aber beweise mir doch erst mal das Gegenteil!“ Die Prinzessin ist verzogen wie ein typisches Einzelkind. Ein kleiner oder ein großer Bruder hätten ihr sicher gut getan. Er denkt kurz nach. „Von deinem Vater hast du doch bestimmt eine bessere Meinung, oder?“ Siva holt sein Schwert, das sie bei seiner Entwaffnung ein paar Meter weg geschleudert hat. Muss er jetzt ausgerechnet auf ihn zu sprechen kommen? Sie vermeidet Blickkontakt. „Von Nico?...“ Sie schweigt sich über die Antwort aus, denn der König ist der einzige Mann auf der Welt, dem sie wirklich vertraut. Sie schafft die Übungsschwerter zum Waffenständer, wohin sie ihr Gesprächspartner verfolgt. „Prinzessin Siva, wo ist Prinz Aiven?“ Siva reinigt die Schwerter und stellt sie sorgfältig ab, dabei antwortet sie beiläufig: „Er kommt später nach. Er hatte in der Stadt noch etwas... zu erledigen“ „Der Prinz ist ein guter Junge. Ich mag ihn. Ich glaube der ganze Hof mag ihn.“ Quenn weiß natürlich schon von dem gestrigen Kuss zwischen den beiden, denn es ist DAS Schlossgespräch. Er hat einfach das Gefühl er müsse seiner Prinzessin einen Schubs in die richtige Richtung geben, ihr zeigen, dass sie alle hinter ihr stehen. Kalt wie ein Fisch geht sie auf die Aussage ein: „Das freut mich für den Hof.“ Quenn kommt bei diesem pubertären Mädchen nicht weiter, aber das ist auch nicht schlimm, denn er hat getan was er tun wollte. Sie ihre Aggressionen losgeworden und er seine positiven Worte über den Yokener Prinzen. Natürlich wird er seinem König von diesem Gespräch berichten, er hat sich schließlich ihm verpflichtet und nicht der Prinzessin. Siva geht zurück in ihr Zimmer. Setzt sich ans Fenster und starrt hinaus auf den Innenhof, den Aiven bei seiner Rückkehr passieren muss. Da er auch zum Abendessen noch nicht zurückgekehrt ist, erscheint sie ebenfalls nicht beim Essen. Kara, Nico und auch Hendryk, die Quenns Bericht inzwischen erhalten haben, lassen ihr dieses Verhalten durchgehen. Ihre Eltern sind der Meinung, dass sie sich selbst klar werden muss was sie möchte und ihr niemand dabei helfen kann. Um Aiven Sorgen sie sich nicht, denn Nalitas Straßen sind sicher. An das Schlosspersonal haben sie durchgegeben ihm ausnahmsweise Zutritt zu den Privatgemächern der Königsfamilie zu gestatten. Erst nach Einbruch der Dunkelheit kehrt der junge Prinz zurück. Von einer der Nachtwachen erhält er die Informationen Siva besuchen zu dürfen. Da er vermutet, dass diese Anweisung von der Prinzessin selbst stammt, nimmt er das Angebot gern an. Im Westflügel angekommen klopft er vorsichtig an ihrer Tür. So vorsichtig und überhörbar wie dieses zarte Klopfen war, erwartet sie ihre Mutter hinter der Tür, weshalb sie es mit einem „Herein“ beantwortet. Sie ist bereits nur noch mit einem knappen Nachthemd bekleidet. Niemals hätte sie erwartet, dass Aiven sie hier aufsuchen würde. In ihrem Zimmer brennt nur eine niedrig eingestellt Öllampe, die nur sehr wenig Licht bietet. Noch immer saß sie am Fenster, doch sie hat ihn nicht kommen sehen. Sie muss ihn anscheinend in der Dunkelheit übersehen haben. Geschockt steht sie auf. „Was um alles in der Welt machst du hier?“ Freudig erregt antwortet er: „Ich habe es geschafft, Siva!“ Sie hebt die Augenbrauen. „Was hast du geschafft? Die Priesterin flach zulegen? Na dann herzlichen Glückwunsch!“ Er schließt hastig die Tür hinter sich, als er die Situation begreift und reagiert unüberhörbar enttäuscht. „Hast du denn überhaupt kein Vertrauen in mich?“ Nun zuckt sie mit den Schultern. „Woher auch?“ Er nimmt etwas Schimmerndes aus einer Umhängetasche, die er vorhin noch nicht hatte, wirft es entnervt aufs Bett und verschränkt im Anschluss die Arme. Im schwachen Licht der Öllampe auf ihrem Schreibtisch konnte Siva nicht genau erkennen was es war. Ihr Herz hämmert ihr plötzlich bis zum Hals. Ihre Augen werden riesig und beginnen zu funkeln. Nur langsam traut sie sich hinzugehen. Keinen Ton bekommt sie mehr heraus. Aiven schaut nun von ihr weg und schüttelt den Kopf. „Hast du gedacht ich wäre wegen dem Mädchen dort geblieben?“ Die Prinzessin ist nun nah genug, um das gelbe Siegel der Erdgöttin zu erkennen. Es hat die Form einer Blume oder auch einer Sonne, je nachdem wie man es betrachten möchte. Eine Replik kann es nicht sein. Zweifellos ist es das Original, denn Siva spürt eine merkwürdige Kraft in sich einströmen. Ihre Knie werden weich und sie setzt sich auf das Bett neben das strahlende Juwel. „Was hast du dafür tun müssen?“ Er glaubt einfach nicht was er da hört. „Echt jetzt, Siva. Das ist deine Frage? Wie wäre es mal zur Abwechslung mit einem Dank oder einer Entschuldigung? Gern auch beidem.“ Sie wiederholt es noch einmal lauter, aber diesmal sieht sie ihn dabei an. „Was hast du dafür tun müssen!?“ Ihre Augen sind glasig geworden. Sie meint es ernst, er muss es ihr offenbar wirklich sagen. „Was denkst du denn? Ich habe es mir zeigen lassen, mich bedankt und bin dann nach Einbruch der Dunkelheit in das Haus eingestiegen, um es zu klauen. Die Kriminalitätsrate ist anscheinend so niedrig, dass sich niemand einen Kopf darüber macht so etwas wertvolles vor Diebstahl zu schützen.“ Der Prinzessin laufen inzwischen Tränen über die Wangen. Peinlich berührt vor einem Jungen zu weinen, schluchzt sie: „Das ist alles? Mit der kleinen Priesterin ist nichts gelaufen?“ Auf einmal wird ihm alles klar. Nicht das Symbol steht gerade im Vordergrund, sondern ER. Die Prinzessin war eifersüchtig. Das besänftigt seinen Ärger auf einen Schlag. Er löst die Verschränkung seiner Arme und geht auf sie zu. „Ich wusste nicht, dass du auch weinen kannst, kleiner Drachen.“ Aiven nimmt das Juwel vom Bett und setzt sich, es in der Hand haltend, neben sie. Auf ihn hat es kaum eine Wirkung. Wenn er es hält spürt er ein leichtes Kribbeln, das ist alles. Er sagt sanft zu ihr: „Nun habe ich das Gefühl, dass ich mich entschuldigen müsste.“ Darauf entgegnet sie nichts. Nach einer Weile bittet sie ihn fordernd: „Wenn du mich wirklich magst, dann mach so etwas nie wieder!“ Er lächelt selbstbewusst. „Was denn? Auf Menschen zugehen? Das ist nun mal meine Art, Siva. Das kann ich nicht ablegen. Das Problem ist, dass du mir nicht vertraust.“ „Kannst du-“ sie stockt „Kannst du mir versprechen, dass du keine andere anfasst, solange wir unterwegs sind?“ Ihm fallen gleich mehrere Sprüche ein, die gerade ziemlich unangebracht sind. Er schluckt sie herunter und antwortet ganz gelassen: „Das kann ich.“ Sie lehnt sich an seine Schulter und berührt das auf seinem Schoß in seinen beiden Händen liegende Siegel. Das warme Gefühl durchströmt sie nun vollständig, das sich von dem frischen und freien Gefühl des Windsiegels unterscheidet. Es ist das erste Mal, dass sie eines dieser Juwele direkt berührt. So intensiv hatte sie es sich gar nicht vorgestellt. Dieses hier ist nicht irgend ein Juwel. Es steht für die Erdgöttin Ahanani, die Göttin des Lebens und der Liebe und auch genau das empfindet sie gerade. Anscheinend hat sich in den größten Schwerenöter des ganzen Kontinents verliebt. Sie ist nun aus mehreren Gründen äußerst bereit sich mit ihm in ein Abenteuer zu stürzen. Aiven empfiehlt die Reise möglichst rasch anzutreten. Lange wird es nicht dauern, bis herauskommt dass er das Siegel gestohlen hat. Auch wenn er dem Priestermädchen schöne Dinge ins Ohr gesäuselt hat, was er tun wird, wenn sie nichts von ihm verrät, wird sie nicht lange dicht halten und ihn früher oder später verraten. Sie wollen es gleich am nächsten Tag verkünden und am übernächsten aufbrechen. Die Königskinder verabschieden sich voneinander und gehen zu Bett. Wie geplant äußern sie beim Frühstück am nächsten Morgen vor ihren Eltern ihren Entschluss. Als Bedingung stellen sie ihre Tour selbst durchplanen und ohne Begleitung reisen zu dürfen. Die beiden Könige und die Königin sind nach dem negativen Bericht von Quenn Beltrus, dem Minister des Innern, erleichtert, dass sich ihre Kinder wieder zusammenraufen konnten. Es war anscheinend richtig Aiven Zugang zum Zimmer der Prinzessin zu gewähren und sie stimmen zu. Nico beschleicht seit gestern Nacht ein merkwürdiges Gefühl, dass er sich nicht erklären kann. Irgendetwas hat sich verändert, er kann nur einfach nicht sagen was es ist, weshalb er es für sich behält. Am Abend des letzten Tages vor der offiziellen Abreise muss Siva noch das Windsymbol besorgen. Alles ist bereits vorbereitet. Da die Prinzessin weiß, dass auch ihr Vater die Symbole spüren kann, müssen sie heute Nacht noch aufbrechen. Sie weiß ja schon, dass es im Ostturm liegen muss. Um sich besser konzentrieren zu können und bei ihrer Missionen nicht zu sehr aufzufallen, bittet sie Aiven nicht mitzugehen. Ungesehen schleicht sie in den Ostflügel und steigt den Turm hinauf. Deutlich spürt sie wie sie dem Juwel näher kommt. Wie sie schon weiß befindet sich ganz oben im Turm ein Kerker. Oberst Tom Tomsen vom Rosheanischen Militär hat ihr erzählt hier sei einmal die frühere Königin gefangen gehalten worden. Sie findet diese Vorstellung gruselig und schaudert ein wenig. Klug wie sie ist, hatte sich zuvor einen Schlüssel für das Zimmer in der Spitze des Turms besorgt. Die Tür quietscht unheimlich, als sie sie aufschiebt und der Ton halt im Turm wider. Alle Möbel sind mit Laken abgedeckt, doch der Raum ist unerwartet gemütlich eingerichtet mit allem was man zum Leben benötigt. Sie spürt das Siegel ganz nah vor sich, doch es ist nirgends zu sehen. Sie schaut unterm Bett, den Schränken und in allen Schubladen nach, doch es ist nichts zu sehen. Sie will nicht aufgeben und schließt die Augen, um nachzudenken. Als hätte sie einen sechsten Sinn, nimmt sie bei geschlossenen Augen die Quelle der Energie wahr. Sie geht ihm nach, stößt sich etwas an einer Kommode, flucht kurz und sucht dann weiter. Es muss hinter der Wand versteckt sein. Sie tastet die Steine ab, bis sie einen losen findet, den sie herausziehen kann. Wie vermutet befindet sich dahinter das strahlende Juwel des Windgottes Fuathel, aber auch ein kleines Notizbuch. Sie nimmt beides heraus verschließt das Loch wieder mit dem Stein und die Tür mit dem Schlüssel. Sie wickelt das Windsymbol in ein Laken. Es direkt zu berühren raubt ihr alle Sinne. Auch den Rückweg überwindet sie ungesehen. Zu ihrer großen Erleichterung bemerkt auch König Nico, der bereits im Bett ist, die veränderte Position des Siegels nicht. Sie läuft direkt zu den Pferdeställen, wo Aiven bereits mit fertig gesattelten Pferden auf sie wartet. „Hast du es?“ Sie nickt eilig und treibt ihn an. „Wir müssen los, bevor Nico die Veränderung bemerkt.“ Der Prinz und die Prinzessin machen sich auf nach Deskend, zur Kathedrale des Feuergottes Phantakare. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)