Havoc von Rhynn (Die Rückkehr der Digimon) ================================================================================ Kapitel 1: Uncertainty ---------------------- Uncertainty Englisch, Nomen 1.Unsicherheit, Ungewissheit 2.Verunsicherung „Komm schon“, murmelte Morgan sich selbst zu und versuchte seinen Schritt ein wenig zu beschleunigen. Schon auf der anderen Straßenseite war der Bus zu sehen, mit dem er zurück zur Schule fahren musste, aber er war schon fast den halben Weg hierher gerannt und konnte vor Anstrengungen kaum noch richtig atmen. Er hetzte über die Straße, ignorierte dabei das Hupen von vorbeifahrenden Autos und hoffte und betete, dass der Bus doch noch ein paar Minuten warten möge. Wäre ein menschlicher Busfahrer am Steuer gesessen, wäre das an sich ja kein Problem. Der hätte ihn längst gesehen und noch ein bisschen gewartet. Während Autos zur Sicherheitskontrolle noch einen Fahrer benötigten, kamen Busse seit dem neusten Update der Digiwelt jedoch auch ohne aus. Viele hatten sich darüber zunächst beschwert, ihre Stimmen waren allerdings sofort verstummt, als die Unfallrate tief hinunterging und Busse sich kaum mehr verspäteten. Jetzt allerdings wünschte sich Morgan er hätte mehr Interesse an dem Thema gezeigt und mit abgestimmt. Gerade als er keuchend vor der Tür des Busses stehenblieb und auf den Knopf drückte, ging dessen Blinker an. Direkt vor seiner Nase setzte sich der Bus in Bewegung und fuhr davon. „Ernsthaft?“, jammerte Morgan frustriert und ließ sich auf eine nahe gelegene Bank fallen. Sein Herz pochte schmerzhaft gegen seine Brust und er musste kurz die Augen schließen und den Kopf in den Nacken legen, um wieder zu Atem zu kommen. Morgan hasste Sport. In allen Variationen. Da war das Rennen zu einer Bushaltestelle auch keine Ausnahme. Normalerweise war er nie zu spät. Morgan achtete wirklich peinlich genau darauf, dass er keine Minute zu früh und keine Minute zu spät erschien. Heute war nur ein sehr seltsamer Tag gewesen… Schon seit etwa 2 Jahren besuchte er die Lincoln Academy in Newcastle, Maine. Außerhalb der Unterrichtszeiten war es Schülern gestattet die Schule zu verlassen und so hatte Morgan beschlossen heute mal einen kleinen Rundgang zu machen. Morgan war nicht gern in der Stadt und das obwohl Newcastle verglichen mit anderen Städten Amerikas ein relativ kleines Örtchen war. Es war ihm zu laut, zu voll und zu stressig. Er besuchte die Stadt wirklich nur, wenn er wirklich musste, ansonsten hielt er sich lieber in der Nähe vom Strand auf. Heute jedoch war einer dieser Tage… Er hatte ein paar neue Hefter für seinen Algebra-Kurs gebraucht und außerdem hatte er bald alle seine Bücher durchgelesen und musste sich in der Bücherei Nachschub besorgen. Allein das genügte schon, um seinen Tag zu ruinieren, doch der heutige Tag war wieder ganz anders gewesen. So schlimm war es wirklich noch nie und Morgan konnte nur schlaff die Schultern hängen lassen, während er weitere 15 Minuten auf den Bus wartete. Jedes Mal, wenn er ein Geschäft betreten hatte, war der Sicherheitsalarm losgegangen und jedes Mal hatte ihn ein Ladendetektiv zur Seite gezogen und scannen lassen. Er hatte nichts bei sich – woher denn auch, er hatte den Laden schließlich gerade erst betreten – aber der Computer zeigte dem Detektiv trotzdem an, dass Morgan eine Gefahr darstellte. Ein paar Spezialisten hatten sich um das Problem gekümmert und versucht herauszufinden, was der Computer denn mit dieser seltsamen Fehlermeldung meinte. Drei Läden hatten Morgen schließlich aufgefordert zu gehen, die anderen hatten ihn in Ruhe einkaufen lassen und sich für das Problem entschuldigt. So etwas sei bisher in ihrer gesamten Laufbahn noch nie vorgekommen. Morgan war ein geduldiger Mensch. Erst nach dem vierten Mal riss ihm der Geduldsfaden und er ließ seine schlechte Laune allmählich auch an seinen Mitmenschen aus – was ihm im Nachhinein wirklich peinlich war und wofür er sich wieder und wieder ohrfeigen könnte. Das schlimmste an der Geschichte war jedoch, dass der Alarm auch jedes Mal losging, wenn er den Laden gerade verließ. Die meisten Detektive erinnerten sich an sein Gesicht und ließen ihn gehen, manche jedoch bestanden darauf die Prozedur zu wiederholen. Er war schließlich besonders verdächtig, da seine Bankkarte bei einem Kauf mehrfach Fehler aufwies. Ein paar Verkäuferinnen dachten, die Karte sei gesperrt und er habe wohl zu viel ausgegeben, bei dem Versuch danach funktionierte die Karte jedoch wieder einwandfrei. Morgan hatte die Karte untersucht. Vielleicht hatte sie ja Kratzer oder war anderweitig beschädigt, aber egal wie gründlich er sie betrachtet hatte, er konnte nichts finden. Außerdem klingelte sein Handy fast permanent, doch jedes Mal, wenn Morgan rangehen wollte, hatte die Person aufgelegt. Mittlerweile war Morgan so genervt, dass er sein Handy ausgeschaltet und in die tiefste Ecke seines Rucksacks befördert hatte. Müde holte er sein Etui hervor und putzte die Gläser seiner Brille, die durch das Schwitzen leicht beschlagen waren. Er atmete tief durch. Es hatte keinen Sinn sich aufzuregen. Technische Probleme waren in diesem Zeitalter doch ganz normal. Er würde später einfach mal bei seinem Kreditinstitut anrufen und fragen, was das Problem verursacht hatte. Sein Hauptproblem im Moment war jedoch seinen Lehrern zu erklären, warum er zu spät kam… Bis zur zehnten Klasse mussten die Schüler um spätestens acht Uhr wieder in der Schule sein und zu seinem Leidwesen war Morgan ein ebensolcher Zehntklässler, der vor etwa einer Dreiviertelstunde zurück in der Schule sein sollte… Sein Dad würde ihn umbringen… Frustriert setzte Morgan sich die Brille wieder auf die Nase und ließ das Etui im Rucksack verschwinden. Er war doch extra auf das Internat gegangen, damit er sich nicht mehr täglich mit seinem Dad streiten würde. Konnte er nicht mal das richtig machen? Ein paar Minuten später kam der nächste Bus vor ihm zum Stehen und Morgan schulterte seinen Rucksack und klickte auf den Knopf. Er war müde von dem anstrengenden Tag und es wurde allmählich kalt. Die Tür öffnete sich und ihn begrüßte eine angenehme Wärme, während er hineintrat und seinen Schülerausweis, der einer Fahrkarte ebenbürtig war, durch den Schlitz zog. Doch anstatt dass der Riegel sich beiseiteschob, ertönte ein Warngeräusch. „Ungültig“, piepte die robotische Stimme des Busses, „Bitte verlassen Sie den Wagen oder kaufen Sie einen Fahrschein.“ Verwirrt runzelte Morgan die Stirn. Nicht das auch noch… Erneut zog er seine Karte durch den Schlitz. Vielleicht hatte er etwas falsch gemacht oder es gab nur einen kurzen Fehler. Es konnte doch nicht sein, dass… „Ungültig“, wiederholte die Stimme, „Bitte verlassen Sie den Wagen oder kaufen Sie einen Fahrschein.“ „Ich habe einen Fahrschein!“, beharrte Morgan, allmählich schon fast panisch. Er konnte nicht zu Fuß zur Schule laufen! Das würde ihn Stunden kosten! Von seinem miserablen Orientierungssinn mal abgesehen… Erneut zog er die Karte durch den Schlitz, doch das Ergebnis blieb dasselbe. „Bist du taub?“, fauchte ein junger Mann aus den hinteren Reihen, verärgert darüber, dass dieser blonde Volltrottel den ganzen Verkehr aufhielt. Peinlich berührt trat Morgan zur Seite und holte seinen Geldbeutel aus dem Rucksack. Die Bankkarte wollte er gar nicht ausprobieren, sie würde nur sowieso nicht funktionieren. Er musste doch noch ein bisschen Kleingeld dabei haben… Eine kleine 1€ Münze blitzte ihm aus dem Fach seiner Brieftasche entgegen und Morgan atmete erleichtert aus. Eine Fahrt zur Schule kostete zum Glück gerade mal 50ct und so konnte er sich am Automat neben dem Kartenschlitz eine neue Fahrkarte kaufen. Kurz nachdem er sich auf einen freien Sitzplatz fallen gelassen hatte, setzte sich der Bus in Bewegung. Von hinten konnte er den Typ von vorhin brummen hören, doch Morgan war zu scheu etwas dazu zu sagen, machte sich nur so klein wie möglich auf seinem Sitz und begann seinen Schülerausweis unter die Lupe zu nehmen. Es war alles wie immer. Der Ausweis hatte keine Kratzer, war nirgends beschädigt oder verschmutzt. Er hatte sein Semesterticket vor drei Wochen bezahlt und in der Digiwelt war das auch schon längst angekommen, also warum hatte der Automat ihn nicht durchgelassen? Zuerst seine Kontokarte, dann sein Schülerausweis… Zum Glück hatten die Polizisten seinen Personalausweis akzeptiert, sonst wäre er aufgeschmissen gewesen. Unruhig fuhr er sich durch das blonde Haar und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Jetzt war es auch egal. In einer halben Stunde würde er an seiner Schule ankommen und konnte sich mit einem heißen Kakao in sein Zimmer zurückziehen. Morgen würde er sich um alles Weitere kümmern. Er hatte keine Lust mehr… Morgan war der einzige, der an der Bushaltestelle des Internats ausstieg. Die anderen Schüler waren entweder schon längst wieder hier oder tobten sich noch bis Mitternacht aus. Der Mann von zuvor blaffte ihn beim Aussteigen nochmal an, dass er sich das nächste Mal doch bitte klüger anstellen sollte, doch Morgan hatte keine Lust mehr auf einen Streit. Außerdem schien der Mann alkoholisiert… Er nickte ihm freundlich zu und verließ den Bus so schnell er konnte. Es war mittlerweile dunkel geworden und die kalte Herbstluft fegte ihm um die Ohren. Er hatte nicht lange wegbleiben wollen und war deswegen nur leicht bekleidet, weswegen er eilig zum Schultor rannte und seine Karte vor den Scanner hielt. „Komm schon“, bibberte er und zog den Ausweis hin und her, in der Hoffnung die Tür würde sich dadurch schneller öffnen. Doch wie auch zuvor im Bus ertönte ein Piepen. „Ungültig“, piepte dieselbe Stimme, „Identität nicht erkannt. Bitte versuchen Sie es erneut.“ Morgan stöhnte. Das konnte doch jetzt nicht passieren… Der Tag war ein absolutes Desaster. Erneut klatschte er seine Karte gegen den Scanner, drehte sie um, schob sie auf die richtige Stelle, strich sie nochmal glatt. Ohne Erfolg. Die Türen der Schule waren seit dem Amoklauf 2037 gesichert, sodass nur Schüler und Lehrer mit ihren Karten eintreten konnten. Angehörige und Besucher mussten von ihnen hereingelassen werden. Morgan mochte das System eigentlich. Das galt allerdings nur, wenn dieses dumme Ding auch funktionierte. Er versuchte es nochmal und nochmal und nochmal, doch immer wieder spuckte der Computer dieselbe Fehlermeldung aus. „Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?“, ertönte eine Stimme hinter ihm. Morgan zuckte zusammen, packte seine Karte und fuhr herum, während der Computer ihm erneut den Zugriff verweigerte. Vor ihm stand ein älterer Herr mit krausem Haar und einer runden Brille. „Professor Witherspoon“, erkannte Morgan den Lehrer und atmete erleichtert aus, „Das Tor erkennt meinen Schülerausweis nicht…“ Professor Witherspoon war der angesehenste Spanischlehrer an der Akademie und er organisierte fast jeden Tag der offenen Tür selbstständig. Selbst Morgan, der keinen einzigen Kurs bei ihm besuchte, kannte den Mann. Er bezweifelte allerdings, dass es andersherum ebenfalls der Fall war. Sowieso war Witherspoon dafür bekannt, dass er sich Namen nur sehr schwer merken konnte. „Ah ja, ich verstehe“, sagte der ältere Herr mit einem belustigten Lachen, „Den Semesterbeitrag vergessen, was? Keine Sorge, Junge.“ Er tätschelte ihm väterlich auf die Schulter und Morgan biss sich auf die Zunge, um nichts zu sagen. Wie er es hasste, wenn Leute ihn einfach so antatschten! „Genau genommen habe ich den schon vor drei Wochen gezahlt“, antwortete er kleinlaut. Er wollte sich jetzt nicht unbedingt unbeliebt machen, aber er hatte auch keine Lust als Vollidiot dazustehen. „Meine Karte spinnt schon den ganzen Tag“, fügte er schüchtern hinzu. „Ist das so?“, Professor Witherspoon wandte sich um und musterte Morgan von Kopf bis Fuß, „Wie eigenartig… Bisher hat die Digiwelt doch noch nie einen Fehler gehabt.“ Damit hatte er Recht. Die Digiwelt war das einzige System, das bisher noch nie auch nur einen einzigen Bug gehabt hatte. Manche Spezialisten suchten gezielt danach, aber es wurde nichts gefunden noch gab es irgendwelche Beschwerden von Usern. Nur so hatte die Digiwelt überhaupt erst global werden können. Und obwohl alles einwandfrei funktionierte brachte Genesis alle paar Monate ein neues Update raus. Schnellerer Zugriff, bessere Firewall, neue Avatare und und und. Morgan nickte dem Mann zu. „Ich weiß“, sagte er, „Vielleicht stimmt etwas mit meiner Karte nicht…“ Anders konnte er sich das nicht erklären. Wenn die Digiwelt einen Fehler hätte würde das doch sicher auch bei anderen Leuten vorkommen. Es konnte nur an seinen Karten liegen. Vielleicht waren sie im Regen nass geworden oder sein Geldbeutel lud sie elektrisch auf oder… „Lass mich mal sehen“, unterbrach Witherspoon seinen Gedankengang und streckte die knorrige Hand aus. Morgan, der einfach nur in sein Zimmer wollte, nickte enttäuscht und reichte ihm seinen Schülerausweis. „Oh, Sterling?“, bemerkte der ältere Herr verwundert, „Wie in „Robert Sterling“?“ Musste denn wirklich jeder-? Morgan knirschte verärgert mit den Zähnen, mühte sich aber zu einem Lächeln ab und nickte. „Ja, das ist mein Vater…“ Urplötzlich verfiel der Mann vor ihm in schallendes Gelächter. Morgan legte seine Stirn und Falten und wusste gar nicht, wie er darauf reagieren sollte, als der Professor ihm auch schon seinen Ausweis wieder in die Hand drückte. „Natürlich, Junge, natürlich“, lachte der Mann und wischte sich Tränen aus den Augen, „Als ob ich es nicht wüsste, wenn der Sohn von Robert Sterling an meine Schule geht!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und betrat den Hof ohne Morgan durchzulassen. „Netter Versuch, Junge“, sagte der Professor, immer noch lachend, und winkte ihm zum Abschied, „Nimm das nächste Mal einen nicht ganz so bekannten Namen.“ Morgan konnte nichts weiter tun als ihm komplett verwirrt hinterher zu starren. Das konnte nicht sein Ernst sein. Das war hier gerade nicht wirklich passiert. Er träumte! Ja, das war ein einziger Alptraum und in ein paar Minuten würde er von einem Auto überfahren werden und schweißgebadet in seinem Bett aufwachen. Das war ein Traum. Es konnte nur ein Traum sein! Geistesabwesend schleuderte Morgan seinen Rucksack gegen die kalte Steinmauer, die das Internat umzäunte und ließ sich daneben auf dem Boden nieder. Wenn sein Dad ihn so sehen würde, würde er ihn vermutlich anschreien. Ein Sterling hatte sich nicht in den Dreck zu setzen, er stand gefälligst und wartete geduldig. Wenn nötig würde er die ganze Nacht stehen und warten. Aber Morgan hatte die Nase voll. Was sollte er denn jetzt machen? Er hatte schon Glück gehabt, dass Professor Witherspoon erschienen war und dann musste er sich das natürlich auch noch verscherzen. Hätte er doch bloß seine blöde Klappe gehalten und behauptet er habe den Semesterbeitrag vergessen. Den Kopf frustriert auf die Knie gelegt kramte er in seinem Rucksack nach dem Handy und schaltete es wieder ein. Er wollte das nicht tun, aber er hatte keine andere Wahl. Morgan seufzte… Natürlich zeigte ihm das Handy weitere 18 entgangene Anrufe, was nur bewies, dass der anonyme Anrufer offenbar nichts Besseres zu tun hatte als Morgan zu trollen. Augenrollend klickte er die Meldung weg und wählte die Nummer seines Vaters. Zweimal tutete es am anderen Ende, dann ging sein Vater ran und kam ohne ein Wort der Begrüßung direkt zum Punkt. „Morgan, ich hab dir gesagt du sollst mich nicht auf der Arbeit anrufen!“, knurrte er. Ein weiteres Seufzen. Sein Dad war gestresst, na suuuper… „Ich weiß, tut mir leid“, murmelte Morgan unverständlich. „Sprich deutlicher“, er konnte hören, wie sein Vater am anderen Ende durchatmete. Offensichtlich hatte er gerade wirklich keine Lust sich mit seiner Niete von Sohn zu befassen und Morgan bereute es schon wieder angerufen zu haben. Vielleicht sollte er es einfach sein lassen und sich ein Hotel suchen… Aber er hatte kein Geld… Unschlüssig biss er sich auf die Unterlippe, seine Augen fixierten die Straße, in der Hoffnung ein anderer Lehrer – einer, der ihn kannte – würde auftauchen und ihn hereinlassen. Aber es kam niemand und so musste er zum Punkt kommen. Er holte tief Luft und zählte bis drei. „Meine Kreditkarte und mein Schülerausweis werden von der Digiwelt nicht akzeptiert. Ich komme nicht in die Schule rein…“ Ein Brummen blieb vorläufig die einzige Antwort seines Vaters. Morgan schwieg – er wusste, dass er seinen Dad nicht hetzen sollte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde Morgan unruhig und schließlich hielt er es nicht länger aus. „Dad?“ „Ich überlege, Morgan“, antwortete sein Vater. Augenblicklich sank der Junge in sich zusammen und nickte. „Natürlich…“ Er konnte hören, wie sein Vater etwas mit ein paar anderen Männern besprach, dann meldete er sich wieder am Hörer. „Wo bist du gerade?“ „Vor dem Schultor.“ „Bleib wo du bist, ich hole dich ab.“ Und mit diesen Worten legte sein Vater auf. Verblüfft starrte Morgan den Bildschirm eine Sekunde lang an. Sein Dad kam ihn holen? Er blaffte ihn nicht an, was er wieder falsch gemacht hatte oder dass er sich gefälligst selbst um seinen Kram kümmern sollte? Morgan wollte es nicht so richtig wahrhaben… Er hatte gar nicht gemerkt, dass ein riesiges Grinsen sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Wie selbstverständlich erhob er sich vom Boden, klopfte sich den Staub von den Sachen und schulterte den Rucksack. Er würde kommen. Sein Dad würde tatsächlich kommen… Eine ganze Weile lang stand Morgan breit grinsend wie ein Honigkuchenpferd vor dem Schultor. Sein Dad würde noch eine Weile brauchen, bis er hier ankam, aber das war okay. Morgan würde warten. Er konnte gut warten, wenn er wusste, dass es besser wurde. War das der erste Schritt in Richtung Versöhnung? Der Klingelton seines Handys ging plötzlich los und sämtliche Vorfreude wich auf einmal aus Morgans Gedanken. Zu früh gefreut. Es war bestimmt sein Vater, der ihm sagte, dass es doch nicht klappte. Es war etwas dazwischengekommen. Er hatte wichtigeres zu tun… Für einen Moment spielte Morgan mit dem Gedanken einfach nicht dran zu gehen und seinen Dad somit zu zwingen herzukommen. Schließlich gewann aber sein Pflichtgefühl und er holte das Handy aus seiner Hosentasche. Anonym. Schon wieder. Er runzelte die Stirn, ging dann aber kopfschüttelnd ran. „Hier Morgan. Hallo?“ Keine Antwort und binnen Sekunden hatte der Anrufer wieder aufgelegt. „Wenn das ein Scherz ist, ist er nicht witzig“, brummte der Junge, konnte jedoch nicht lange wütend darüber sein, da es ja bedeutete, dass sein Dad ihm nicht absagte. Stattdessen wich die Wut seiner Neugierde. Morgan kannte ja so manche Idioten, die sich gerne einen Spaß mit ihm erlaubten, aber noch nie hatte einer von denen sich den ganzen Tag damit beschäftigt ihm auf die Nerven zu gehen. Die hatten doch auch andere Dinge zu tun. Also wer zum Teufel sollte ihn so oft anrufen, nur um dann wieder aufzulegen? Sein Handy vibrierte abermals, diesmal jedoch hatte er nur eine Nachricht empfangen. Wider besseren Wissens öffnete er sie und las sie sich durch. Es war ein seltsamer Zahlencode, der in seinen Augen überhaupt keinen Sinn ergab. Darunter stand das Wort BETA und das ASCII-Bild eines fischähnlichen Wesens. Morgan runzelte die Stirn. Sollte das überhaupt einen Fisch darstellen? Es hatte schließlich Füße… Ein Frosch? Oder eine Eidechse vielleicht? Aber viel wichtiger, was sollte das bedeuten? Im Kopf ratterte er alle Symbole herunter, die er zu Fischen, Fröschen und Eidechsen gelernt hatte. Ihm fiel nichts ein, das irgendwie Sinn ergeben konnte und so konzentrierte er sich auf den Zahlencode. Von der Neugierde gepackt, holte er einen Notizblock und einen Stift aus seinem Rucksack und begann zu rätseln. Vielleicht konnte er es ja herausfinden, bevor sein Vater ihn abholte. Er hatte ja sowieso nichts Besseres zu tun… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)