Adventskranz von SamAzo (2017) ================================================================================ Kapitel 1: Leise rieselt das Mehl --------------------------------- Asher war ganz in seinem Element. Für einige war es unverständlich, das er neben seiner Arbeit in der Bäckerei und Konditorei noch Zuhause Tonnen an Plätzchen und Kuchen backte. Doch es steckte ihm im Blut, im wahrsten Sinne. Er wusste um sein Talent. Es war dezent und bislang hatte er nicht herausgefunden, was es auslöste oder woher er es bekommen hatte, doch was auch immer er beim backen empfand, spürte auch derjenige, der später dann sein Backwerk genoss. Aus diesem Grund war es ihm wichtig, das er niemals wütend ans Werk ging. Stress und Sorgen waren ganz zu vermeiden und an Tagen an denen er sich niedergeschlagen fühlte, ging er lieber gar nicht erst arbeiten. Sein Talent war einer der Gründe, wegen denen er leise Jazz-Weihnachtsmusik laufen hatte und ein Becher warmer Kakao neben ihm auf der Arbeitsfäche stand, auf der er soeben einen Lebkuchenteig knetete. Seine Stimmung konnte kaum besser sein und das war ihm wichtig, da alle der Plätzchen, die er an diesem Nachmittag backen wollte, von ihm in die Nahe Obdachlosenspeisung gebracht werden sollten. Sie mussten also etwas besonderes werden. Das es ausgerechnet jetzt an seiner Tür klingelte, war unpassend. Allerdings war es auch überraschend, da er allen seinen Freunden gesagt hatte, das er diesen Nachmittag zwar frei, aber keine Zeit haben würde. Normal kam ihn dann niemand besuchen. „Moment!“, rief er laut genug, das es durch die Tür zu hören sein müsste, ließ den Teig erst einmal und wusch sich schnell die Hände. Noch mit einem Handtuch die Hände abtrocknend öffnete er die Tür und sah einen jungen Mann, von dem er meinte ihn schon einmal auf dem Flur begegnet zu sein. „Hi“, grüßte er freundlich aber auch ein wenig verwirrt über den plötzlichen Besuch. „Ehm, hi.“ Der Andere schien nicht so recht zu wissen, wie er anfangen sollte, aber ihm war anzusehen, das er etwas loswerden wollte. „Kann ich helfen?“, fragte Asher also, um dem anderen so eventuell etwas Starthilfe zu geben. Das schien auch zu helfen, auch wenn der andere erst einmal unsicher den Gang auf und ab schaute. „Ja… also das hoffe ich“, erklärte dieser. „Aber erst einmal: Hi. Ich bin Oliver. Meine Wohnung ist da hinten, ganz den Gang runter. Darum ehm… ist mir aufgefallen, das es bei dir immer so gut riecht und … eh, naja… wäre es möglich, das du mir zeigst, wie man backt? Oder, wenn du keine Zeit hast, könntest du mir ein paar Plätzchen geben?“ Aufmerksam hörte Asher zu und nickte ein wenig vor sich hin, jedes Mal, wenn er zeigen wollte, das er verstanden hatte. Als Oliver zuende gesprochen hatte, grinste er jedoch kopfschüttelnd. „Einfach so, aus heiterem Himmel?“ Die Worte nahmen seinem Nachbarn wieder den Wind aus den Segeln. „Nicht so wirklich“, gab er zu. „Wir haben einen Wettbewerb, bei der Arbeit. Es geht darum, wer die besten Plätzchen macht und ich habe allen gesagt, das ich gewinnen werde. Aber ich kann nicht backen.“ „Das war nicht sehr schlau“, warf Asher ein, öffnete jedoch seine Tür noch etwas weiter, so das Oliver eintreten konnte. Mit einem Handzeichen deutete er ihm zu folgen während er zurück in seine Küche ging. „Und wie kamst du darauf, das ich dir helfen würde?“ „Gar nicht. Ich habe es nur gehofft. Sonst bin ich nämlich verloren.“ „So schlimm wird es schon nicht laufen.“ Asher legte das Tuch zur Seite und widmete sich wieder dem Teig, der auf ihn wartete. „Also, was würdest du denn gerne backen wollen? Zur Auswahl stehen Gewürzkuchen, Lebkuchen, Dominosteine und Zimtsterne. Für all das habe ich Zutaten da.“ Weil es genau die Dinge waren, die er so oder so heute noch machen wollte. Hoffentlich würde sich mit Olivers Anwesenheit nicht noch etwas Frustration in das Enderzeugnis mischen. Aber die Sorge schob Asher schnell zur Seite, schließlich war backen zu zweit sicherlich einfach nur spaßiger. „Das hier ist übrigens Lebkuchen. Ich wollte aus der Hälfte des Teiges Lebkuchen-Figuren machen und aus der anderen kleine Häuser.“ Oliver sah sich in der Küche um und war schließlich ganz fasziniert davon, wie Asher den Teig knetete. Als hätte er dergleichen noch nicht gesehen. „Alles okay bei dir?“, fragte deswegen der Bäcker auch. „Ja… ja, alles gut. Ich überlege nur, was genau gesagt wurde, für den Wettbewerb. Aber ich meine es war nur das es was gebackenes sein soll. Was genau, ist jedem selbst überlassen.“ „Okay. Dann wasch dir mal die Hände und … oh, ich bin übrigens Asher. Meine Freunde nennen mich Ash.“ Kurz sah es so aus, als wollte er Oliver die Hand reichen, doch dann ließ er es und entschuldigte sich nur mit einem Lächeln, bevor er weiter knetete. „Du kannst gleich den Teig ausrollen. Dann zeige ich dir einen kleinen Trick, wie man ihn gleichmäßig hinbekommt. Und wie wäre es, wenn du dir von allem etwas mitnehmen kannst, wo du mir bei hilfst?! Dann kannst du wenigstens ruhigen Gewissens sagen, das du selbst gebacken hast.“ Schien ja niemand etwas gegen Helfer gesagt zu haben. Vielleicht hatte Oliver das aber auch nur weggelassen. Ein wenig starr blieb Oliver stehen und sah Asher einfach nur an, bis dieser wieder seine Aufmerksamkeit auf seinen Gast richtete. „Was ist?“, wollte er wissen. Oliver lächelte und zuckte dann mit den Schultern. „Ich finde nur fantastisch, wie … offen du mich reingelassen hast, um mir zu helfen, obwohl du mich nicht einmal kennst.“ Asher zögerte etwas und sah Oliver ernst an. „Soll ich mir Sorgen machen? Bist du ein verwirrter Irrer, der mich killen will?“ „Nein… Nein! Nein...“ Oliver schüttelte den Kopf, seine Augen ein aufgerissen. Geschockt über die Vermutung, die Asher aussprach. „Ich bin einfach nur überrascht. Ich hätte wohl ein paar mehr Fragen gestellt, bevor ich dich reingelassen hätte“, erklärte er und ging Oliver sich die Hände waschen. Asher lächelte vor sich hin. Sein Talent war vielleicht beim Backen, aber er hatte auch eine gesunde Menschenkenntnis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)