Adventskranz von SamAzo (2017) ================================================================================ Kapitel 4: Heilige Nacht ------------------------ Es war schon erstaunlich, wie viel Schnee in nur drei Tagen vom Himmel fallen konnte. Autos fuhren keine mehr. Keiner wollte seinen Wagen aus dem Berg befreien, unter dem der Winterdienst sie zurückgelassen hatte und selbst die hatten irgendwann gestern wohl aufgegeben, denn noch war nichts auf den Straßen passiert. Wenn sich jemand hinaus traute, dann nur bis zu einem der nahegelegenen Läden, wenn denn dessen Besitzer oder einer der Mitarbeiter den Weg dorthin geschafft hatte, um zu öffnen. Sam hatte Glück gehabt. Der Besitzer des Food Market hatte sich einfach im Pausenraum ein Schlafzimmer eingerichtet, um die eingeschneiten Tage hier verbringen zu können – wie er allen Kunden erzählte, die hereinkamen. Sam durfte sich die Geschichte drei mal anhören, während er sich mit dem Nötigsten für die nächsten Tage eindeckte. Er kaufte vor allem etwas zu Essen, was bei Neal oft Mangelware war. Manchmal fragte er sich schon, wovon sich sein Freund ernährte, wenn er nicht gerade dort war. Wieder nahm er sich vor eine der unbeschrifteten, silbernen Dosen genauer in Augenschein zu nehmen, von denen Neal zu verschiedenen Tageszeiten gerne mal eine trank. Manchmal, wenn er über diese Tatsache und auch die besonders gute Heilung seines Freundes nachdachte, kam er auf die fantastischsten Ideen. Neal könnte ein Vampir sein. Auch wenn er problemlos ins Sonnenlicht konnte und Knoblauch viel zu gerne aß. Es war also vollkommen abwegig das zu glauben. Außerdem: Vampire gab es nicht! Allerdings hatte Sam das auch von einigen anderen Dingen und Wesen angenommen, bis er ihnen begegnet war. Trotzdem redete er sich ein, das es unmöglich war und auch Neal hatte diese Vermutung mit einem Kopfschütteln und einem Schmunzeln abgetan. „Meine Familie ist vielleicht merkwürdig und ungewöhnlich, aber ganz sicher nicht untot“, war der einzige Kommentar, den Sam bekam, als er ein weiteres Mal nachgefragt hatte. Damit war es für ihn erledigt. Schließlich glaubte er Neal. Nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, gab es keinen Grund an seinem Freund zu zweifeln. Und doch wusste Sam einfach, das da noch etwas war. Er spürte es mit jeder Faser seines Körpers und konnte es doch nicht erklären. Es gab ein Geheimnis, das Neal umgab und das dieser sehr gut zu schützen wusste. Vollgepackt mit Einkaufstüten, deren Inhalt auch reichen dürfte, wenn sie noch eine ganze Woche eingeschneit sein sollten, stapfte Sam den Flur zu Neals Wohnung entlang. Er hatte den Schlüssel zum Glück mitgenommen und musste sich keine weiteren Gedanken dazu machen, ob Neal noch schlief oder nicht. Vorsichtig stellte Sam die Tüten im Flur ab, um erneut einen Schritt hinaus zu machen, damit er die Jacke ausziehen und ausschütteln konnte. Erst als er das erledigt hatte, schloss er die Wohnungstür, entledigte sich auch noch seiner Schuhe und konnte sich dem Einkauf widmen. Die Wohnung war still, was ihn glauben ließ Neal wäre tatsächlich noch im Bett. Seine Arbeitsmoral hatte verlangt jede der vergangenen Nächte arbeiten zu gehen und so war er erst vor wenigen Stunden ins Bett gefallen. Möglichst leise räumte Sam die verschiedenen Zutaten, Kaffee und andere Getränke in die Schränke, als er einen merkwürdigen Geruch bemerkte. Obwohl es ungewöhnlich war, erzeugte die Duftnote keine Panik in ihm. Es war kein Rauch, der seine Aufmerksamkeit in Form von einem Eimer Wasser oder des Feuerlöschers brauchte. Dennoch musste er wissen was es war und folgte dem Geruch durch die kleine Wohnung. Seine Nase brachte ihn raus aus der Küche, durch das Wohnzimmer und bis vor die Tür des Schlafzimmers. Durch den Spalt konnte er erkennen, das ein flackerndes Licht den ansonsten stockdunklen Raum schwach erhellte und seine Neugierde war geweckt. Mit einem leichten Stupsen, schob er die Tür weiter auf, um hinein sehen zu können. Geräuschlos glitt sie in ihre neue Position und Sam konnte einen Schritt hinein machen. Das Licht kam von einer großen Kerze, die dort nicht gewesen war, als Sam das letzte Mal das Zimmer betreten hatte. Neben der Kerze stand ein kleines Stövchen, mit dem etwas verbrannt wurde, das Sam nicht benennen konnte. Neal kniete davor. Mit dem Rücken zu Sam, so das er nicht erkennen konnte, was genau dort gerade passierte. „Neal?“, fragte Sam leise und machte einen weiteren Schritt ins Schlafzimmer. Der Angesprochene reagierte nicht und so ging Sam noch weiter hinein, um zu sehen was hier passierte. Sam musste halb auf das Bett, bevor er sehen konnte, das Neal die Augen geschlossen hatte. Er atmete tief ein und aus und reagierte auch auf ein leichtes anstupsen nicht. Dieses Verhalten kannte Sam noch nicht und er fragte sich, wofür es gut sein sollte. Das würde er wohl erfragen, sobald Neal wieder ansprechbar war. Erst einmal entschloss sich Sam dazu den Raum wieder zu verlassen und den anderen erst einmal seine Ruhe zu geben. Doch bevor er seine Hand an den Türknauf legen konnte, hörte er ein leises Räuspern von Neal. „Die längste Nacht des Jahres ist ein wichtiger Zeitpunkt für mich. Die heiligste aller Nächte… und ich bin spät dran.“ „Erzähl es mir später. Ich will dich nicht stören.“ Irgendwann würde er das alles schon noch verstehen, auch wenn jetzt erst einmal wieder die Vampir-Geschichte in seinem Kopf Formen annahm. Sam schüttelte für sich den Kopf. Es gab sicher noch andere, die die Nacht anbeteten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)