Das Schweigen hat ein Ende von lulubluelau (Ein Hiwatari hält sein Wort) ================================================================================ Kapitel 5: Kaltes Land, kalte Menschen -------------------------------------- «Liebe Fluggäste, wir beginnen nun mit dem Landeanflug. Wir bitten Sie sich auf Ihre Plätze zu begeben, die Sicherheitsgurte umzuschnallen und Ihre Sitzlehnen in eine aufrechte Position zu bringen. Stellen Sie sicher, dass all Ihre mobilen Geräte sich ab jetzt im Flugmodus befinden und Ihr Handgepäck ordnungsgemäss unter dem Sitzplatz vor Ihnen verstaut ist.»   Reis Augenlieder flackerten leicht, als die Durchsage der weiblichen Chef de Cabine an seine Ohren drang. Er seufzte, versuchte sich trotz der beengten Sitzverhältnisse einmal kurz zu strecken und tastete mit noch immer geschlossenen Augen nach den beiden Enden seines Sicherheitsgurts.   Klackend rasterten beide Teile der Schnalle ineinander, woraufhin Rei den Umfang des Gürtels durch das Ziehen am Seitenband routiniert verkleinerte und die Hände danach ineinander gefaltet auf seinem Schoss ruhen liess.   Schon seit dem Boarding, vor rund 8 Stunden, pochten seine Schläfen dumpf und schmerzhaft. Plausibel, wenn er bedachte dass er seit gestern Vormittag nicht mehr wirklich geschlafen hatte. Keine einzige Sekunde lang.   Den gestrigen Tag hatte er vollends damit verbracht, von den Bergen aus bis nach Peking zu gelangen.   Die lange und beschwerliche Reise hatte ihn mehr als einfach nur ausgelaugt und dennoch realisierte er immer wieder, dass er von Glück reden konnte, dass Takao ihn überhaupt erreicht hatte. Denn in einem chinesischen Dorf ohne wirklichen Medienzugang, wäre die Nachricht über Kais schweren Unfall wohlmöglich einfach so an ihm vorbeigegangen. Der blosse Gedanke daran liess ihn frösteln, weshalb er ihn schnell wieder von sich abschüttelte. Er erinnerte sich gut und gerne an die Zeit, als er und die Blade Breakers inmitten des Beyblade Hypes gestanden hatten. Die vielen Reisen, die Erlebnisse und die Freundschaften – ja vor allem die Freundschaften waren was besonderes gewesen.   Sie alle hatten sich sehr schnell mit den Mechanismen des Profisports arrangiert und wohl vor allem durch Takaos und Max’ guten Draht zueinander, hatten sich seine und Kais Wege bereits sehr früh gekreuzt. Denn hätten die beiden Youngsters nicht schon von Beginn an wie Pech und Schwefel aneinander geklebt, wäre es wohlmöglich gar nie zu ihrer altbewährten Zimmereinteilung gekommen. Ja sogar bei ihren jährlichen Treffen, weit über die Zeit des Profisports hinaus, hatte sich das alte Muster weitgehend fortgesetzt. Vom ersten Tag an hatte Kai ihm dazumal deutlich zu verstehen gegeben, dass er keinen Bock auf Teamwork hatte und viel lieber für sich alleine hatte sein wollen. Nichtsdestotrotz hatte sich, nach dem ersten Jahr und der ersten gewonnenen Weltmeisterschaft, eine echte Freundschaft zwischen ihm und dem Russen etabliert.   Kurz und ohne Ankündigung legte sich ein amüsiertes Lächeln auf Reis Lippen. Gott, was sie als Team nur alles erlebt und durchgestanden hatten. Gutes sowie weniger Gutes.   Im ersten Jahr hatte sich die Spirale vor allem um Kai gedreht. Die Abtei, Russland und dieser schwarze Höllenvogel hätten das Team beinahe auseinandergerissen noch bevor es sich überhaupt richtig hatte formen können. Noch bis heute liefen Rei kühle Schauer über den Rücken, wenn er sich an Black Dranzer erinnerte.   Das Flugzeug rumpelte leicht, als es durch die dicken, mit Schnee gefüllten Wolken sackte und eine starke Böe die Unterseite des Rumpfs erfasste.   Intuitiv umfasste Rei mit seinen Fingern den glatten Bit Chip Driggers welchen er sich, wie eine Münze, in eine der langen, schwarzen Haarsträhnen geflochten hatte.   Rei trug seine Haare schon seit längerem offen. Lang und schwarz, wie ein stilles Gewässer bei Nacht, fiel die dicke Haarpracht über seine breiten Schultern hinab und verlor sich auf seinem Rücken, wo sie knapp über seinem Gesäss endete. Drigger ist unruhig. Das ist er nie.   Rei hatte ein ungutes Gefühl bei dieser Sache. Nebst seiner immensen Sorge um Kais Gesundheitszustand und dem völligen Unwissen über was war und was wohlmöglich noch kommen würde, hatte der kurze Kontakt mit Yuriy das Ganze nicht wirklich besser gemacht. Vielmehr hatte es ihn weiter verunsichert – und zwar ziemlich stark.   «Wenn du kommen willst, dann komm lieber schnell. Es sieht böse aus.»   Rei seufzte.   Yuriy war im Grunde immer recht kurz angebunden. Aber bei so was? Kai und der Rothaarige waren im Grunde ja mehr Brüder als Freunde.   Ganz gleich wie er es kehrte und wendete, in einer Sache war Rei sich jedoch sicher: Wenn Yuriy keine Fakten zu den Geschehnissen rund um Kais Unfall benennen wollte oder gar konnte, dann war dieses Kapitel wohl weit dunkler, als dass es ohnehin schon war. Und ganz gleich was es ihn kosten würde, wenn nötig würde er jede noch so kleine Information aus dem Rothaarigen herausquetschen – völlig egal wie.   —   Die Piloten hatten nach mehreren missglückten Versuchen zum Ende hin eine harte Ladung auf der weissen Piste des Moskauer Flughafens hingelegt.   Die Wetterbedingungen waren mehr als schlecht und beim Verlassen des Flugzeugs sah Rei nicht viel mehr, als eine weiss rauschende Wand aus Schnee.   Unwillkürlich erinnerte er sich an den Moment, als er zusammen mit den Blade Breakers zum allerersten Mal in Moskau gelandet war. Bald schon würde diese Erinnerung 10 Jahre alt sein. Sie waren Kinder gewesen und er erinnerte sich noch gut daran, dass sie alle diese albernen, hellblauen Kittel hatten tragen müssen.   Er grinste, verzog den Mund daraufhin jedoch zu einer Grimasse. Da war schon wieder die Abtei die seine Gedanken heimsuchte und Bilder vom Baikalsee aufblitzen liess, wo sie Kai bei einem waghalsigen Battle um ein Haar verloren hätten.   Der Chinese schnaubte verächtlich.   Dieses kalte Land barg für ihn eigentlich nur schlechte Erinnerungen.   —   Da er seine Reise ausschliesslich mit Handgepäck angetreten hatte, hatte er die Passkontrolle schnell hinter sich gebracht und passierte bereits zügig die Gepäckbänder.   Zu dieser nachtschlafenden Stunde war der Moskauer Flughafen weitgehend menschenleer und als Rei die Ankunftshalle mit geschulterter Sporttasche betrat, sah ihm ein einziges, müdes, lilanes Augenpaar aus den leergefegten Sitzreihen entgegen.   Der blasse Russe sass tief in der harten Sitzschale seines Stuhls, hatte die langen Beine von sich weggestreckt und lehnte mit dem Hinterkopf gegen die verputzte Wand hinter sich. Der Typ sieht einfach nur fertig aus. Dachte Rei als sich ihre Blicke kreuzten.   Ruhigens Ganges schloss Rei zu Bryan auf, und als er schliesslich vor ihm stand hatte dieser es gerade so geschafft, sich zurück auf die Sitzschale zu kämpfen.   Freundschaftlich bot Rei dem Hünen die Hand an, woraufhin Bryan dankend dessen Unterarm ergriff und sich von dem Chinesen auf die Beine ziehen liess.   «Du siehst beschissen aus.» bemerkte Rei ziemlich monoton und mustern den grossen Russen skeptischen Blickes von oben bis unten. Als Erwiderung erhielt er eines dieser kecken Grinsen, die nur Bryan Kuznetsov drauf hatte. «Ich geb’ dir 12 Stunden und glaub mir, du wirst genau so aussehen.»   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)