Teenage Love von Puppenspieler ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Es war eine Schnapsidee gewesen.   Also nein, eigentlich war es eine gute Idee. Etwas zu kochen, das sie Kurasame in Form einer Lunchbox in die Hand drücken konnte, gab ihr nicht nur einen klaren Grund, mit ihm zu reden – das Essen verdarb sonst nur, und ernsthaft, dafür rackerte sie sich bestimmt nicht ab! –, sondern dem ganzen Gespräch direkt auch einen unkomplizierten Aufhänger. In ihrer Vorstellung lief das Ganze wirklich gut: Ihn irgendwann nach dem Unterricht aufsuchen zum Abend hin, ihm die Lunchbox geben und fragen, ob sie nicht gemeinsam zu Abend essen wollten. Kein Problem. Ein gemeinsames Essen war noch keine Liebeserklärung, also sollte sie das wohl hinbekommen, ohne über ihre Zunge zu stolpern.   Und zugegeben, sie hatte auch nicht mehr vor, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Das war jetzt bereits zweimal schief gegangen, also war eine Planänderung wohl nicht verkehrt. Also wollte sie versuchen, Zeit mit ihm zu verbringen. Privat, außerhalb des Unterrichts. Unverbindlich. Vielleicht noch einmal eine Lunchbox zubereiten. Oder ein paar Mal. Und über die ungezwungenen Gespräche, die sie beim Essen führen würden, würde sie dann auch den Mut finden, ihm von ihren Gefühlen zu erzählen. Es war ein guter Plan.   Es war eine Schnapsidee.   Es war eine Schnapsidee, weil die ganze Sache an einem winzigen, unwichtigen Detail scheiterte: Sie konnte nicht kochen.   Sie konnte nicht kochen, und auch wenn die Lunchbox, die gerade gefüllt vor ihr auf dem Tisch stand, wirklich appetitlich aussah, war sie alles andere als zufrieden. Ihr Anteil daran war mickrig gewesen. Gemüse waschen. Zutaten kleinschneiden. In einem Topf rühren. Alles nach Anleitung von Seven, bei der sie Hilfe gesucht hatte, weil sie haargenau gewusst hatte, alleine hätte sie höchstens etwas hinbekommen, das selbst Nines Magen aus Stahl verätzen würde.   Die Vorstellung, das noch öfter zu machen… Jedes Mal ihren Stolz runterschlucken und Seven um Hilfe bitten zu müssen… – es war keine besonders erquickliche Aussicht. Und eigentlich war das ja nicht einmal das Schlimmste. Sie seufzte schwer, frustriert. Sah hinunter auf ihre Finger, von denen mehr als die Hälfte von Pflastern geziert waren. „Das ist so lahm“, sprach sie ihren unzufriedenen Gedanken eher unabsichtlich laut aus. Sie drehte die Hände, betrachtete die lädierten Finger von allen Seiten. „Ich seh aus wie ein kleines Kind, das die Messerschublade gefunden hat.“ Es war peinlich. Für Sice, deren Stolz schlussendlich den größten Teil ihres Lebens definierte, war es eine verdammte Schmach, dass sie nicht einmal ein Abendessen zustande bekam, ohne dass sie danach aussah wie – ja. Wie ein kleines Kind, das zu dumm war, mit scharfen Gegenständen zu hantieren.   „Sei nicht so streng mit dir. Als ich angefangen habe, kochen zu lernen, sah ich nicht besser aus.“ Seven meine ihre aufmunternden Worte ohne Zweifel nur lieb, aber sie halfen nicht dabei, das Gefühl von kleinkindlicher Unfähigkeit abzuschütteln. Dass das andere Mädchen obendrein mit einer solchen Selbstverständlichkeit am Herd herumfuhrwerkte, dass der Gedanke, es könne je anders gewesen sein, absolut unglaublich war, half da auch nicht. „Und?“, gab Sice mit einem abweisenden Schulterzucken zurück, „Ich bin nicht du.“ Sie schnaubte ihren Frust heraus, ballte die gepflasterten Hände zu Fäusten. „Außerdem ist das zweierlei. Ist natürlich scheißegal, wenn du aussiehst wie der letzte Trottel, wenn’s dir nur darum geht, ein Essen auf den Tisch zu kriegen. Aber ich–“ Mit einem Kopfschütteln brach sie ab. „Ach vergiss es.“ „Nein. Ich verstehe schon.“ Gar nichts verstehst du, dachte Sice säuerlich. Seven lächelte trotzdem, und sie sah aus, als würde sie verstehen. Mit misstrauischem Blick verfolgte wie, wie die junge Frau von ihrem Platz am Tisch aufstand und zu ihr hinüberkam. Schlanke Finger hoben eine ihrer Hände an, strichen liebevoll über die Pflaster.   „Es ist erbärmlich, wenn du ihm in diesem Zustand eine Lunchbox bringst, nicht wahr? Was soll er denken, wenn er all die Pflaster sieht? Dass du nicht einmal kochen kannst in deinem Alter. Kein guter Ansatz, um ihn von deiner Attraktivität zu überzeugen.“ Sice öffnete den Mund zu einem Protest, presste dann aber nur die Lippen aufeinander und wandte ertappt den Blick ab. Ihre Ohren brannten. Natürlich hatte Seven recht. Und das machte sie wütend. Warum musste dieses blöde Weib auch noch ernsthaft mitkriegen, was in ihr vorging?! Es war auch so schon peinlich genug! „Aber.“ Sanfte Finger tippten auf ein Pflaster, nicht fest genug, um Schmerz zu provozieren, aber auch nicht unnötig behutsam – zum Glück. Sice war kein Porzellanpüppchen! „Ich finde das beeindruckend.“ „Beeindruckend“, echote sie, schnaubend, „Beeindruckend, wie schlecht man sein kann?“   Seven schüttelte den Kopf. „Beeindruckend, zu sehen, wie viel Mühe ein Mensch sich machen kann für einen anderen. Niemand fordert von dir, dir selbst aus dem Weg zu gehen und neue Dinge auszuprobieren, um ihm zu imponieren – und du tust es trotzdem. Weil es dir so wichtig ist. Weil er dir so wichtig ist. Ist das nicht schmeichelhaft? Schmeichelhafter vielleicht sogar noch als ein Abendessen von jemandem, dem der Herd sowieso schon zweite Heimat ist.“ Sice zog unzufrieden die Nase kraus, achtete penibel darauf, bloß nicht mehr in Sevens Richtung zu schauen, weil sie einfach gar nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Das war das dämlichste Lob, das sie je gehört hatte.   Es freute sie trotzdem, insgeheim. Dass zumindest Seven ihre Bemühungen anerkennen konnte, egal, wie wenig perfekt sie waren. Vielleicht konnte Kurasame es also auch.   „In Sachen Liebe… da geht es mehr um den Weg als das Ziel“, fuhr sie schließlich nach einer kurzen Pause fort. Sice hob fragend die Augenbrauen, warf einen kurzen Seitenblick zu ihrer Kameradin hinauf. Das klang ihr jetzt schon ein bisschen zu Trey für ihren Geschmack. Zu sehr nach endlos langer Erklärung, die sie nicht verstehen würde – oder nicht verstehen wollte. „Die Bereitschaft, verstehst du? Die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Kompromisse einzugehen. Das gehört alles zu einer Beziehung dazu. Und zu wissen, dass diese Bereitschaft da ist, ist viel mehr wert als ein perfektes Abendessen oder ein makelloses Image.“   Es wurde keine endlose Predigt – verstehen konnte Sice es trotzdem nicht, wenn sie ehrlich war. Aber Sevens Worte waren voller Zuversicht und Wärme, und ihr Lächeln so überzeugt, dass sie kaum anders konnte, als es trotzdem zu glauben. Und für den Moment war das genug.   „… Danke.“       ***       Mit Sevens gutem Zuspruch war ihr gekränktes Ego schließlich wieder beruhigt genug, dass sie sich doch dazu aufraffen konnte, trotz Pflaster an viel zu vielen Fingern die Lunchbox zu nehmen und sich aufzumachen, um Kurasame zu finden.   Das für sich war nicht schwer: Treys Information von der Himmelsterrasse erwies sich wirklich als Gold wert, denn der Mann stand wieder einmal da draußen, sah stoisch hinaus in die Ferne – zumindest vermutete Sice es; ihr Gesicht konnte sie von ihrer Position aus nicht sehen. Schwer war dann nur der Punkt, sich tatsächlich zu überwinden, die letzten Schritte zu tun, um hinaus auf die Terrasse zu kommen und ihm dann das Essen anzubieten. Was sollte sie sagen? Was würde sie überhaupt über die Lippen bringen?   Hallo! Ich dachte, wir könnten zusammen zu Abend essen? Nein. Vielleicht war das zu aufdringlich. Zu lässig, zu respektlos. Zu kumpelhaft. Guten Abend. Würden Sie mit mir zu Abend essen? Viel zu gestelzt – und überhaupt nicht Sices Stil. Solche Worte würde sie nicht überzeugend über die Lippen bringen, selbst wenn man sie dafür bezahlte. Ich hab zu viel gekocht. Würden Sie mir beim Essen Gesellschaft leisten? Das war doch schon fast besser. Gut, es war nicht ganz die Wahrheit, aber damit klang es immerhin auch nicht ganz so aufdringlich. Auch wenn sie in dem Fall auch jeden anderen hätte fragen können. Was, wenn Kurasame dieser Gedanke auch kam? Hatte sie eine Ausrede? „Du solltest es ihm direkt sagen“, erinnerte Sevens Stimme sie. Direkt, ehrlich, ohne Umwege. Für jemanden wie Seven war das leicht zu sagen.   Ich möchte aber mit Ihnen zu Abend essen.   Sice war aber nicht Seven. Vielleicht brauchte sie trotzdem keine Ausrede. Sie konnte es zumindest darauf ankommen lassen. Im besten Fall hinterfragte Kurasame schließlich gar nicht erst.   Entschlossen holte sie tief Luft. Straffte die Schultern. Zupfte mit der Hand, die nicht die Lunchbox hielt, ihre Kleidung noch einmal zurecht, völlig überflüssigerweise. „Ich hab zu viel gekocht. W-würden Sie mir beim Essen Gesellschaft leisten?“ Nein. Nein, so nicht! Viel zu zimperlich. Stammelei ging gar nicht. Sie schüttelte energisch den Kopf. Reiß dich zusammen, Sice! Sie wurde doch auch nur nervöser, je länger sie hier stand. Entschlossen setzte sie einen Fuß vor den Anderen, steuerte auf den Torbogen zu, der sie von ihrem Ziel trennte. Es könnte kein günstigerer Zeitpunkt sein:  Die Terrasse war leer bis auf Kurasame und seinen Tonberry. Niemand, der sie stören könnte. Keine Seven, die zu unangenehmen Missverständnissen führen konnte.   Das laue Abendrot, das den Himmel langsam dunkler färbte, war auch nicht übel. Sice war definitiv nicht romantisch genug, um das wirklich zu wertschätzen, aber es war in jedem Fall ein guter Anblick. Besser, als es graue Sturmwolken gewesen wären.   „Kommandant Kurasame.“   Für einen Moment blieb ihr Herz stehen, als der Mann sich umdrehte, und sie vergaß zu atmen. Sice. Reden! Jetzt! Sie hatte eine Chance. Eine Chance, nicht wie ein Idiot dazustehen, von niemandem boykottiert zu werden, ohne Missverständnisse und Möglichkeiten von Fehlinterpretation. Sie zwang sich dazu, das Atmen wieder aufzunehmen, und öffnete dann den Mund–   „Hier versteckst du dich also wieder.“   Sofort klappte ihr Mund wieder zu. Ihre ganze Körperhaltung schrie Enttäuschung, doch Kurasame schien es – zum Glück? – gar nicht zu bemerken, denn der Neuankömmling zog all seine Aufmerksamkeit auf sich. Sice hatte ihn schon ein paar Mal gesehen. Ein Kerl aus der Forschungsabteilung, aus dem Rüstungslabor, wenn sie sich recht erinnerte. Seinen Namen hatte sie sich nicht gemerkt. Brille. Schmierige Frisur. Nach dem Unterricht war er ihr hin und wieder im Gang aufgefallen.   Ohne überhaupt Notiz von ihr zu nehmen marschierte der Kerl auf Kurasame zu, legte einen Arm um seine Schultern und lachte. „Wird dir das nicht irgendwann einsam? Du weißt doch, du kannst jederzeit zu mir runter in mein Labor kommen.“ Er klang heiter. Freundschaftlich. Auf eine Art vertraulich, die Sice bewusst machte, wie wenig sie Kurasame eigentlich kannte. „Ich bin gerne hier“, erwiderte der trocken, tonlos. Sie konnte nicht erkennen, ob er sich von der übermäßigen Vertraulichkeit des Anderen belästigt fühlte oder nicht; sein Pokerface war so undurchschaubar wie eh und je. Die Brillenschlange ließ sich von der abweisenden Antwort nicht aus dem Takt bringen. „Ich weiß doch, ich weiß doch. Aber! Selbst ein Forschungsfreak wie ich weiß, dass jeder Mensch auch mal menschliche Nähe braucht. Emina macht sich auch schon wieder Sorgen, dass du ständig alleine herumlungerst. Ach, was red ich. Die Anderen machen sich alle Sorgen. Sogar Orto ist letztens bei mir vorbeigekommen in der Hoffnung, dass ich wüsste, wo du rumhängst!“   „Sollen sie selbst herkommen, wenn sie was wollen. Es ist kein Geheimnis, dass ich hier bin.“ „Ja, aber im Gegensatz zu mir respektieren sie deine Privatsphäre.“ Der Mann lachte unbekümmert. „Du weißt doch, wie sie sind. Der kommt schon, wenn er was braucht.“ Kurasame warf ihm einen kurzen Blick zu. Hinter der Maske war es schwer zu erkennen, aber Sice glaubte, irgendetwas zwischen Zuneigung und Genervtheit in seinen Augen zu erkennen. Oder vielleicht war es auch etwas ganz anderes und sie bildete sich das alles nur ein. „Du solltest auf sie hören.“ Brillenschlange fasste sich mit einem entsetzten Keuchen ans Herz. „Aber, mein Freund! Wenn du nie da bist, um meine Liebe in Empfang zu nehmen, dann werde ich irgendwann platzen!“ „Das ist eine ziemlich unwissenschaftliche Behauptung. Und wie oft muss ich dir noch sagen, dass du endlich damit aufhören sollst?“ „Oft. Wenn es dich wirklich stören würde, du hättest doch längst etwas dagegen unternommen~“   Es gefiel Sice nicht, aber im Stillen gab sie der Brillenschlange recht.   Sie wollte nicht mehr davon hören. Es war– frustrierend. Zermürbend. Unheimlich eifersüchtig machend, wie unbekümmert und locker dieser Kerl mit Kurasame umgehen konnte, während sie selbst jedes ihrer Worte sorgsam zurechtlegen musste, damit es auch so herauskam, wie es sollte. Und wenn sie ihn so mit seinem Freund herumalbern sah, dann fühlte sie sich, als würden sie in zwei verschiedenen Welten leben.   Kein Gedanke, mit dem sie sich auseinandersetzen wollte.       ***       „Oh, du bist früh zurück.“ Ist alles in Ordnung?, fragte Sevens Blick, doch sie hatte den Anstand, die Frage auszuschweigen. Sice warf sich mit einem schweren Seufzen zu ihr aufs Bett und streckte die Beine von sich. Sie hatte einfach keinen Bock mehr. „Hast du schon gegessen?“ „Nein, ich wollte gleich los, wenn ich mit den Hausaufgaben durch bin.“ Sie stöhnte gequält. „Streberin. Egal. Hier–“, schwungvoll drückte die sie Lunchbox auf Sevens Schoß, „Iss mit mir.“   Stille. Mit einem beinahe angriffslustigen Blick beobachtete sie die Reaktionen ihres Gegenübers. Ein verdutzter Blick, der bald in Sorge umschwang, erst in ihrem Gesicht nach Antworten suchte und dann die Lunchbox ansah, als könnte sie erklären, was passiert war. „Okay“, war schließlich alles, was sie sagte.   Sie fragte nicht nach.   Sice wusste selbst nicht, ob sie wirklich dankbar dafür sein sollte, oder eher wütend, weil sie so keinen Grund bekam, ihren Ärger irgendwo rauszulassen. Vielleicht war es beides. Vielleicht war sie aber auch wirklich froh, dass sie gerade nicht darüber reden musste, sondern sich einfach nur auf das Essen konzentrieren konnte – das übrigens wirklich gut schmeckte, Seven sei Dank. Kurasame verpasste etwas.   Sie fragte sich, was er gerade tat. War sein brillenschlangiger Freund noch bei ihm? Nervte ihn mit seiner Aufdringlichkeit und wurde trotzdem nicht abgewiesen? Oder hatte er es gar inzwischen geschafft, Kurasame mit zu seinem, wie es geklungen hatte, eigentlich ziemlich großen Bekanntenkreis zu schleppen? Sice hatte ja nicht einmal eine Ahnung gehabt, dass Kurasame groß Freunde hatte.   Mit einem schweren Seufzen ließ sie ihre Essstäbchen nach ein paar Bissen schon wieder sinken. „Sag mal. Hast du dich schon mal so richtig fehl am Platze gefühlt?“ Auch Seven hielt inne. Sice, ohne sie anzusehen, spürte ihren Blick auf sich. „Kurz, nachdem wir an die Akademie gekommen sind. Nachdem wir unser ganzes Leben nur bei Mutter verbracht haben, war das ein zu großer Kulturcrash für mich. So viele Leute, die plötzlich meine Aufmerksamkeit gefordert haben. So viele Leute, die irgendwie… wichtig waren. Schulkameraden, Clubkameraden, Lehrer – all solche Sachen.“ „Und weiter? Wie bist du damit umgegangen?“ „Tja… gute Frage. Ich denke, ich habe gelernt, dass nicht jeder Mensch, den ich kennenlerne, auch direkt so wichtig sein muss, dass ich mich um sein Schicksal kümmere. Klar ist gegenseitiger Respekt und alles wichtig, aber ich muss nicht für jeden, den ich kenne, immer und überall da sein. Das erwartet auch keiner. Aber weil ich mein ganzes Leben lang so gelebt habe, dachte ich zuerst, genau das müsste ich tun, und so hab ich mich einfach gar nicht eingefunden.“   „Zusammenfasst – du hast deine eigene Weltansicht überdenken müssen, um dich nicht mehr fehl am Platz zu fühlen.“ Seven nickte. Sice stieß ein Seufzen aus, ließ sich auf dem Bett nach hinten kippen, bis sie an die Decke starren konnte. In ihrem Fall half das nur nicht. „Wusstest du, dass Kurasame einen Haufen Freunde hat?“ „Nein.“ Sogar Seven klang ein bisschen verblüfft. Irgendwie befriedigte das Sice ungemein. Es war also nicht nur ihrer dummen Unaufmerksamkeit verschuldet, dass es sie überrascht hatte. Man traute es Kurasame einfach nicht zu, mehr als das Nötige an Bekanntschaften zu haben. Die Zufriedenheit hielt aber nicht lange, und sie seufzte noch einmal, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie spürte mehr, als dass sie es sah, wie Seven das Essen beiseite räumte, ehe sie sich so herumrückte, dass sie zu ihr hinabsehen konnte. Sice fand, sie hätte es sich sparen können, drehte demonstrativ das Gesicht weg von ihr.   „Ich hab eigentlich überhaupt keine Ahnung, was das für ein Mann ist.“   Und die Erkenntnis störte sie.   „Du kannst ihn kennenlernen“, erwiderte Seven mit einem unbekümmerten Schulterzucken. „Oder ist das für dich Argument, ihn aufzugeben?“   Sice schwieg. Klar konnte sie ihn besser kennenlernen. Ihn und seinen Freundeskreis und sein Privatleben, das ihr bisher so gar nicht bewusst gewesen war. In ihrem Kopf war Kurasame nicht mehr und nicht weniger gewesen als ihr Klassenlehrer, dieser unnahbare, coole Typ, den die halbe weibliche Schülerschaft der Akademie anschmachtete, weil er gut aussah und eine umwerfende Ausstrahlung hatte. Und so langsam musste sie einsehen, dass sie nicht besser gewesen war als diese Mädchen, die schon das Kreischen anfingen, wenn er ihnen auf dem Flur grüßend zunickte. Sie war oberflächlich gewesen. Verdammt oberflächlich.   Nine-Ausmaße oberflächlich.   Seven hatte von Bereitschaft und Kompromissen gesprochen. War sie bereit, hinzunehmen, dass Kurasame ein ganz anderer Typ Mensch sein mochte, als sie es sich vorgestellt hatte? Wollte sie so viel Energie in eine Sache stecken, von der sie gerade merkte, dass sie eigentlich keine Ahnung hatte, ob sie sie wirklich wollte? Sie kam sich unglaublich dämlich vor gerade. Und sie wusste sehr genau, dass sie das Gefühl nicht würde abschütteln können. Sie würde sich immer nur daran erinnern, wie dumm und oberflächlich sie gewesen war – und eigentlich war das Antwort genug.   War das ein Argument, aufzugeben?   Langsam und sehr bewusst stieß sie die Luft aus, drehte den Kopf dann wieder so weit, dass sie Seven ansehen konnte. Aus ihrer Perspektive war ihre violette Augenfarbe irgendwie ungewohnt faszinierend.   „Ja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)