Weihnachtsgeschichten von lula-chan (OS-Sammlung) ================================================================================ 01 Weihnachten bei Ouma [Guilty Crown] -------------------------------------- „Was hast du, Shu?”, fragt Ayase, während sie zu ihm hochblickt. Auf ihrem Schoß liegt ein Stapel mit Tellern. „Ich habe nachgedacht”, meint Shu lediglich. Sein Blick ist aus reiner Gewohnheit aus dem Fenster gerichtet. Es ist bereits sechs Jahre her seit er sein Augenlicht verloren hat. „Lost Christmas?” „Ja.” „Du solltest dir nicht mehr so viele Gedanken machen. Was passiert ist, ist passiert. Wir können daran nichts mehr ändern”, sagt sie mit einer gewissen Bitterkeit in der Stimme. „Ich weiß”, erwidert er. „Es macht dir dennoch zu schaffen”, stellt Ayase fest. Shu schweigt, gibt ihr keine Antwort. Ein trauriges Lächeln schleicht sich auf Ayases Lippen. Mit ihrem Rollstuhl fährt sie näher an ihn heran. Vorsichtig umfasst sie seine linke Hand. „Wir haben damals viele Kameraden und Freunde verloren. Der Verlust von Gai macht auch mir immer noch zu schaffen, auch wenn es bereits sechs Jahre her ist”, erzählt Ayase. Nun schweigt auch sie. „Hör mal, Shu”, meint sie dann. „Du darfst dir daran nicht die Schuld geben. Du konntest ihren Tod nicht verhindern. Das konnte niemand.” Ayase senkt ihren Kopf. „Das konnte niemand”, wiederholt sie sich leise, kaum hörbar. „Vielleicht hast du Recht, Ayase, dennoch kann ich nicht damit aufhören mir Vorwürfe zu machen. Ich denke mir immer wieder, dass ich sie irgendwie hätte retten können”, sagt Shu, schluckt einmal. „Solche Gedanken bringen nichts. Du machst dich damit nur verrückt und zurück bringt es sie auch nicht”, rügt Ayase ihn leicht erbost. „Ich weiß”, erwidert Shu, wiederholt damit seine eigenen Worte. Ayase lässt Shus Hand los. „Ich muss den Tisch decken, sonst schimpft Tsugumi mit mir”, meint sie lachend und rollt mit ihrem Rollstuhl zum Esszimmertisch, um nun endlich den Tisch einzudecken. Shu ist wieder mit seinen Gedanken allein. Unweigerlich muss er an all diejenigen denken, die sie verloren haben. Die Bilder von Lost Christmas und die von vor sechs Jahren kommen wieder hoch… „Es fängt an zu schneien”, bemerkt Souta. Er lächelt vor sich hin. Schnee hat er schon immer gemocht. Yahiro dagegen bekommt das gar nicht richtig mit. Seine Hände hat er in seinen Taschen vergraben. Sein Blick ist auf die Straße gerichtet. „Was?”, fragt er nach. Er hat zwar gemerkt, dass Souta etwas gesagt hat, hat aber nicht richtig zugehört. „Es fängt an zu schneien”, wiederholt Souta sich. „Stimmt”, erwidert Yahiro abwesend. Er hat noch nicht mal hingesehen. „Was ist mit dir los? Du bist schon die ganze Zeit so komisch”, möchte Souta besorgt wissen. „Es ist nichts.” Souta zieht die Stirn kraus, dann lächelt er breit. “Denkst du an deinen Bruder?”, fragt er Yahiro neugierig. Yahiro schaut ertappt hoch. Er seufzt. „Du wirst wohl nicht locker lassen, was? Um deine Frage zu beantworten: Ja, ich denke an Yun”, antwortet er ihm. Beide verfallen wieder in Schweigen. „Wir sind da!”, ruft Souta plötzlich. Nebeneinander gehen sie die Treppe hoch. Vor der Tür bleiben sie stehen. Souta schaut abwartend zu Yahiro, der nach einigen Sekunden seine Hand hebt und klopft. „Ich komme!”, hören sie eine weibliche Stimme aus dem Inneren der Wohnung rufen. Kurz darauf öffnet Haruka die Wohnungstür. Sie trägt ein Weihnachtsfraukostüm und hat ein breites Lächeln aufgesetzt. Ohne weitere Worte drückt sie Yahiro einen Jutebeutel in die Hand. Vorsichtig schaut Yahiro hinein und entdeckt roten Stoff. „Oh, nein! Da mach ich nicht mit”, meint er bestimmt und will Haruka den Beutel zurückgeben, doch diese schüttelt den Kopf und drückt den Beutel wieder zu ihm. Sie dreht sich ohne ein weiteres Wort um und geht zurück in die Wohnung. „Macht die Tür hinter euch zu!”, ruft sie den beiden über ihre Schulter zu. Yahiro kommt der Aufforderung nach und schließt die Tür hinter sich und Souta, nachdem die beiden die Wohnung betreten haben. Im Wohnbereich angekommen, warten bereits Ayase und Tsugumi. Lächelnd deuten die beiden auf eine Zimmertür. Yahiro stöhnt, fügt sich dann aber in sein Schicksal. Grummelnd verschwindet er in dem Raum und lässt einen verwirrten Souta zurück. „Was habt ihr mit Yahiro vor?”, will er wissen. „Siehst du gleich”, antwortet ihm Tsugumi kichernd. Souta zieht skeptisch eine Augenbraue hoch, dann entdeckt er jedoch Shu und wendet sich lieber ihm zu. „Hallo, Shu!”, ruft er winkend und tritt an das Fenster heran. „Ah. Hallo, Souta. Wie geht es dir?”, möchte Shu wissen, als sich der eben Angesprochene zu ihm gesellt hat. „Gut. Und selbst?” „In letzter Zeit war es ziemlich stressig. Ich bin froh, wenigstens heute Ruhe zu haben”, meint Shu. „Wie läuft es denn?”, will Souta interessiert wissen. „Wir sind auf einem guten Weg”, antwortet Haruka, die gerade eine Schüssel mit Kartoffeln auf den Tisch stellt. „Ist doch toll!”, meint Souta erfreut. „Ja, allerdings”, teilt Haruka seine Meinung. Sie verschwindet wieder Richtung Küche. „Sag mal, Shu”, wendet sich Souta nun verschwörerisch an seinen Freund, „weißt du, was die Mädels mit Yahiro vorhaben?” Shu lächelt. „Du weißt es also”, stellt Souta fest. Bevor Shu jedoch etwas darauf sagen kann, betritt Yahiro bereits, verkleidet als Weihnachtsmann, den Wohnbereich. „Das ist doch lächerlich”, meint er genervt. „Steht dir”, kommt es kichernd von Ayase. „Klar, doch”, erwidert Yahiro mit einem Augenrollen. Souta fängt an zu lachen, was Yahiro mit einem genervten Stöhnen kommentiert. „Es ist Weihnachten, also hab dich nicht so”, meint Haruka lächelnd. Yahiro stöhnt erneut auf und lässt seinen Blick schweifen. Ihm fällt auch Shu ins Auge, der zwar lächelt, aber ansonsten ziemlich abwesend wirkt, so als wäre er mit den Gedanken ganz woanders. „Essen ist fertig! Setzt euch”, verkündet Haruka plötzlich. Keinem ist aufgefallen, dass sie in der Zwischenzeit den Tisch fertig gedeckt hat. „Ja, Mama Haruka!”, ruft Tsugumi, streckt ihren rechten Arm nach oben. Sie geht zu Shu, um ihn an seinen Platz zu führen. Shu bedankt sich bei ihr, nachdem er sich gesetzt hat. „Kein Problem”, erwidert sie lächelnd, auch wenn sie weiß, dass Shu ihr Lächeln nicht sehen kann. Sie setzt sich nun ebenfalls, direkt auf den Platz neben Shu. „Kanon fehlt noch”, stellt Souta mit einem Blick über die versammelte Runde fest. Passend zu dieser Aussage klopft es bereits an der Tür. Haruka steht auf, um zu öffnen. „Tut mir leid, dass ich zu spät bin”, entschuldigt sich Kanon. „Das macht doch nichts. Setzt dich”, meint Ayase lächelnd. Kanon kommt dieser Aufforderung sofort nach und setzt sich auf den letzten freien Platz. „Dann können wir jetzt anfangen. Greift zu”, fordert Haruka die anderen auf. Das lässt sich niemand zweimal sagen und die Schüsseln beginnen ihre Runde über den Tisch zu drehen. Wie selbstverständlich hilft Tsugumi Shu und legt ihm das Essen auf den Teller. Anschließend drückt sie ihm noch das Besteck in die Hand. „Vielen Dank.“ „Keine Ursache“, erwidert sie. Kanon sieht sich in der Runde um, nachdem sie sich ihren Teller mit Essen bepackt hat. Ihr Blick bleibt sowohl an Haruka als auch an Yahiro jeweils kurz hängen. „Wie seht ihr eigentlich aus?“, möchte sie verwundert wissen. „Das sind der Weihnachtsmann und seine Frau“, antwortet ihr Ayase kichernd, worauf Yahiro seine Augen verdreht. „Also der Herr Weihnachtsmann“, meint Kanon mit einem breiten Lächeln Richtung Yahiro. „Könnt ihr es nicht einfach dabei belassen?“, fragt er genervt nach. Shu beginnt zu lachen. Nach einem kurzen Moment der Verwunderung stimmen auch die anderen in das Lachen mit ein. Selbst Yahiro kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Plötzlich macht es ihm gar nichts mehr aus hier in dieser Verkleidung zu sitzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)