SANTA kills (Adventskalendergeschichte) von ellenchain ================================================================================ Kapitel 21: Notfallplan ----------------------- Auch wenn ich am Anfang gegen eine Planänderung war, so fand ich mich schnell in der erquickenden Vorfreude wieder, Alexej in ein paar Minuten wiederzusehen. Seit meiner Entscheidung, ihm zu folgen und ihm damit mein Leben anzuvertrauen, stach es förmlich in meiner Brust, ihn aus den Augen zu lassen. Das Gefühl, dass er jeden Augenblick wieder gehen könnte, lähmte mich. Die wenigen Momente, die wir in Zweisamkeit verbracht hatten, waren die, an denen ich mich nun klammerte. Meine Konstanten hatten sich verschoben. Alexej und Ethan waren nun meine Konstanten, die mit mir in eine sehr instabile Umwelt eindrangen. Schließlich kam seine SMS, dass er da sei und auf dem Parkplatz auf uns wartete. Schnell griffen wir nach unseren Sachen und stapften wieder raus in den Schnee. Ich wusste nicht ganz, nach welchem Auto ich suchen sollte, doch als ich einen großen, schwarzen SUV inmitten von Kleinwagen parken sah, dachte ich mir schon, dass es Alexej war. Tatsächlich saß er hinter dem Steuer und beobachtete uns durch schmale Augen. »Oh Gott«, murmelte Ethan neben mir, als wir uns dem SUV näherten. »Ich werde gleich zu Alexej Wolkow ins Auto steigen. Ich muss verrückt sein.« »Ethan, bitte beruhige dich«, raunte ich etwas genervt und verdrehte die Augen. »Er ist nicht so, wie ihr ihn immer darstellt. Nur, wenn es sein muss. Und solange du ihm nicht drohst oder ihm in den nächsten Minuten vorhältst, dass wir beide Sex hatten, wird er auch nichts Schlimmes machen.« »Du hast es ihm nicht erzählt?«, posaunte Ethan auf einmal auf und blieb stehen. Ich zerrte ihn sofort wieder mit mir mit. »Nein«, murmelte ich, als könne Alexej uns aus der Distanz im geschlossenen Fahrzeug hören. »Irgendwann werde ich es ihm sagen. Aber im Moment bist du einfach mein guter Freund aus der Arbeit, der uns hilft, Pässe zu besorgen, okay?« Ethan gab einen Laut von sich, den ich nicht ganz einschätzen konnte, ob er leidend oder akzeptierend war. Vermutlich beides. Als wir am Auto ankamen, stieg Alexej aus. Er hatte wie immer keine Verkleidung an – geschweige denn überhaupt eine Mütze oder einen Schal. Sofort ging ich auf ihn zu und griff nach seiner Kapuze, um sie ihm überzuziehen. »Was habe ich dir über das Tarnen in der Öffentlichkeit erzählt«, zischte ich ihm zu, behielt aber ein Lächeln auf den Lippen. Ich war zu glücklich, ihn wiederzusehen. Er schien eine Weile lang zu überlegen, als es in seinem Kopf klickte. »Habe ich vergessen«, gab er schamlos zu. »Ich dachte, im Auto wird mich schon keine Kamera erkennen.« »Da würdest du dich wundern«, seufzte ich und zog die Kapuze noch ein Stück weiter runter. Als ich Ethan im Schnee stapfen hörte, drehte ich mich endlich zu ihm um. »Das ist Ethan. Ethan, das ist Alexej.« Ethan kam einen nervösen Schritt auf uns zu und hielt Alexej freundlich, aber leicht zitternd die Hand hin. »Freut mich sehr«, murmelte er viel zu höflich und hoffte vermutlich, dass Alexej ihm nicht die Hand oder gar den Arm brechen würde. Der stand noch bewegungslos neben uns und starrte Ethan eine Weile lang an. Schließlich zuckten seine Mundwinkel, doch es war kein Lächeln. »Es freut mich auch«, knurrte er durch geschlossene Zähne, »solange es keine Probleme mit dir geben wird.« Ethan zog sofort die Hand wieder weg und nickte, während er scharf die Luft einzog. »Ich werde mich sehr bemühen.« »Er ist ein guter Freund«, mischte ich mich ein, um die Stimmung etwas zu lockern. »Und er kann uns Pässe besorgen.« »Ja«, sagte er sofort aufgebracht und rang sich zu einem Lächeln durch. »Ich habe schon Bescheid gegeben. Wir müssen ihm nur Fotos und Informationen geben. Der Rest macht er.« »Und wie schnell kann er die Pässe machen?«, murrte Alexej. Wieso ließ er auf einmal den starken Russen raushängen? War das wirklich nötig? »Sofort«, antwortete Ethan und schien sich auf einmal gefasst zu haben. Immerhin war er nun am längeren Hebel. Wir brauchten ihn für Pässe – und das wusste er. »Perfekt«, nickte Alexej schließlich und drehte sich wieder zum Wagen um. Er stieg in die Fahrerkabine und deutete uns an, dass wir auch einsteigen sollten. »Ich steige vorne ein, okay?«, flüsterte ich Ethan zu, der nur noch nickte und aufgestaute Luft angespannt ausließ. Ich klopfte ihm auf die Schulter und stieg grinsend ein. Niemand wechselte ein Wort, während wir aus London rausfuhren. Nach fast einer Stunde Autofahrt, brach ich dann doch die Stille. »Wo geht’s eigentlich hin?« Alexej sah in den Rückspiegel, als wolle er überprüfen, ob Ethan zu hörte. Tatsächlich war der seit ein paar Minuten am Schlafen. »Richtung Küste«, antwortete er mir mit gedämpfter Stimme. »Dort treffen wir die anderen.« »Wegen der Pässe müssen wir vermutlich noch einmal in die Innenstadt…«, murmelte ich und sah unsicher zu Ethan. Es war klar, dass er das übernehmen musste. »Vielleicht brauchen wir auch keine neuen Pässe«, hörte ich Alexej mit einem gewissen Unterton sagen. Meine Augen weiteten sich. »Nicht?« »Wir haben ein Boot bekommen, was wir verwenden können.« »Also segeln wir nach Russland?« Er nickte. Die Vorstellung, dass wir alle auf einem kleinen Boot für mehrere Tage auf offener See sein würden, machte mich etwas nervös. Bootsfahrten waren nicht so mein Ding und vor dem Meer hatte ich immensen Respekt. »Kann denn jemand das Boot bedienen?« »Ich«, gab er die knappe Antwort. »Und notfalls auch Irina. Sie und ich sind früher öfter mal rausgefahren. Sie würde sich im Notfall sicher noch an alles erinnern.« »… Notfall?« Meine Stimme wurde so dünn, dass ich mich selbst kaum hörte. »Man weiß nie«, war dann das letzte, was ich ihn sagen hörte, bevor er wieder auf die Straße vor ihm stierte und konzentriert Auto fuhr. Nach fast drei Stunden, in denen ich mehrmals versucht hatte, die Augen zu schließen, erreichten wir endlich ein kleines Ferienhaus. Es war mit viel Grün umstellt. Weitere Ferienhäuser waren die Straße runter. »Wir sind da«, sagte er sichtlich angespannt und stieg aus. Sofort zündete er sich eine Zigarette an. Tatsächlich hatte ich ihn bisher nur wenig rauchen gesehen und selten hatte ich Rauch an ihm gerochen. Vermutlich war er ein Gelegenheitsraucher, der in manchen Situationen einfach mal etwas Nikotin brauchte. Das war wohl nun so eine Situation. Ethan und ich stiegen ebenfalls aus und begutachteten die kleine Hütte. »Sieht sehr schön aus«, murmelte ich und fing auf einmal an, mir vorzustellen, dass ich mit Alexej irgendwann in so einer Hütte leben könnte. Nur wir beide, ganz allein, weit weg von all dem Scheiß hier. »Und wer ist da jetzt noch drin? Irina Iwanowna?«, hakte Ethan leise nach, als würde er versuchen, Alexejs Aufmerksamkeit zu vermeiden. »Der Rest. Wer sonst?«, brummte er, als er noch einen tiefen Zug nahm und den Kofferraum öffnete. Darin waren meine drei Koffer und eine große Reisetasche von ihm. Alles packte er flink aus, während Ethan und ich dumm daneben standen. »Du wirst sie gleich alle kennen lernen«, sagte ich sanft und versuchte Alexejs grobe Art zu kaschieren. Ethan schien sich wenig an ihm zu stören. Vermutlich deckte es sein Bild vom eiskalten Killer, was er jahrelang von ihm hatte. Ich nahm alle meine Koffer und hievte sie durch den Schnee. Schließlich griff Alexej nach einem und trug ihn wie ein Leichtgewicht auf seiner Schulter zum Haus. »Spielt ja ganz schön den großen starken Mann. Und sowas gefällt dir?«, fragte Ethan sichtlich verwundert über meine Männerwahl. »Ja. Sehr sogar«, sagte ich spitz und hob beide Augenbrauen, als würde ich damit meine Meinung noch unterstreichen können. Ethan seufzte daraufhin nur noch. Das Haus war übersichtlich und kleiner, als gedacht. Eine schmale Treppe führte vom sonst geräumigen Zimmer in den ersten Stock. Die Küche war offen und mit einer Kücheninsel direkt am Wohnzimmer angeschlossen. Auf dem Sofa saßen die beiden Männer vom letzten Mal, die uns nur ein kurzes Nicken schenkten. Sie waren wohl schon eingewiesen, dass wir kommen würden. Alexej stellte die Sachen an die Treppe und sah sich um. »Wo ist meine Cousine?«, fragte er und spähte in die Küche. »Draußen«, antwortete einer der beiden Männer. »Eine rauchen.« An Ethans Blick konnte ich erkennen, dass er ein ungutes Gefühl beim Anblick der wohl typischsten Russen der Welt hatte. Beide hatten extrem kurz rasierte Haare und jeweils ein Silberkettchen um. Der eine trug eine schwarze Lederjacke, die ihm irgendwie viel zu groß war, und der andere eine im Licht glänzende Bomberjacke. Beide kauten Kaugummi und hörten auf dem Fernseher irgendeinen russischen Musiksender, der Techno spielte. Alexej ließ sich nicht weiter beirren und stapfte an den beiden vorbei, um die Glastür zur Terrasse aufzuschieben. Er plärrte irgendetwas in Russisch und schob die Tür wieder zu. Ob Irina nun geantwortet hatte oder nicht, schien ihn wenig interessiert zu haben. »Setzt euch«, sagte er schließlich etwas entspannter und deutete auf den relativ großen Esstisch an, der nahe der Kücheninsel stand. Ethan und ich taten wie verlangt und saßen schließlich mit unseren Händen zwischen den Beinen genierend am Tisch. Es fühlte sich wie damals an, als ich die Eltern meiner ersten Freundin kennen gelernt hatte. Super unangenehm, alle Blicke waren auf einen gerichtet und man hatte das Gefühl, jedes Wort, was man sagte, würde gegen einen verwendet werden. Der erste Eindruck war nun mal immer noch der wichtigste. »Möchtet ihr etwas trinken?«, fragte Alexej wie ein guter Gastgeber und stolzierte in die Küche. Erst jetzt schälte er sich aus seiner Jacke. Wir taten es ihm gleich und hingen alles über die Stühle. Auf einmal fühlte ich mich extrem dämlich in meiner Jogginghose. Aber es war ja alles nur für die Tarnung gewesen. »Was auch immer ihr anzubieten habt«, antwortete Ethan und legte langsam seinen Kopf auf den Tisch. »Was Alkoholisches wäre toll.« Und als hätte Alexej nur darauf gewartet, griff er schmunzelnd in einen Schrank, holte normale Gläser raus und stellte sie mit Schwung auf den Tisch. Direkt danach griff er zu einer Glasflasche und schüttete uns jedem eine gute Menge durchsichtiger Flüssigkeit ein. Dem Geruch nach zu urteilen war es kein Wasser. »Oh Gott, Alexej, bitte nicht so viel«, jammerte ich, als er mein Glas besonders voll machte. »Das lässt dich nachher gut schlafen«, war seine einzige Antwort. Er schüttete trotzdem noch weiter. »Sollte man Alkohol nicht vermeiden, wenn man Wunden hat?«, fragte ich skeptisch und beäugelte dabei ganz genau Alexejs Torso. Doch er zuckte nur mit den Schultern und machte sich ebenfalls eine gute Menge Wodka ins Glas. »Habe ich auch mal gehört«, grinste er und schraubte die Flasche zu. Er sagte irgendetwas auf Russisch, was die beiden Männer mit einem Handzeichen ignorierten. Vermutlich war es der Hinweis, dass sie sich ihren Wodka selber holen sollen, wenn sie welchen haben wollen. Ich kicherte leise bei dem schlechten Witz und griff nach dem Glas. »Na dann…« »Auf eine gute Flucht«, flüsterte Ethan und hob auch sein Glas. »Trinkt schnell aus, bevor Irina rein kommt. Das macht ihr Gezeter wesentlich aushaltbarer«, brummte Alexej grimmig und stieß jeweils einmal mit unseren Gläsern an. Schließlich kippte er sich in zwei Zücken das Glas Wodka weg. Daher kam also die Alkoholtoleranz, die ich bei der Weihnachtsfeier so unglaublich faszinierend fand. Ethan und ich nahmen es mit dem Alkohol etwas langsamer und husteten uns beide erst einmal völlig fertig an, als die brennende Flüssigkeit unseren Rachen runterfloss. In Alexejs Gesicht bildete sich ein amüsiertes Grinsen. Schließlich ging die Tür auf und Irina kam mit ihrem Handy und einer Packung Zigaretten rein. Sie plärrte irgendetwas auf Russisch, was wir nicht verstanden, als sie innehielt und uns beobachtete. »Ich kann’s nicht fassen, dass du das tatsächlich durchziehst«, sagte sie schließlich und schüttelte den Kopf. »Die beiden gefährden die ganze Aktion. Ich will wieder zurück nach Hause – und zwar sicher!« »Und das wirst du auch«, versicherte ihr Alexej, als er sein Glas auf den Tisch abstellte und etwas unsicher neben dem Tisch stand. »Ich werde mich morgen um das Boot kümmern.« »Oh, das Ding?«, verzerrte sie angewidert ihr Gesicht. »Das ist viel zu klein für uns alle! Ich werde außerdem nicht die nächsten… was? 30 Tage? Mit einem Haufen Männer auf einem Boot verbringen. Schlimm genug, dass ich schon die ganze Zeit mit denen hier hocken muss.« Dabei zeigte sie auf die beiden Typen auf dem Sofa, die angestrengt auf ihren Handys Candy Crush spielten. »Es ist besser als alle anderen Alternativen«, sagte Alexej und legte seine Stirn in Falten. »Was denkst du, wie schwer es sein wird, durch ganz Europa mit gefälschten Pässen zu reisen? Fast unmöglich!« Irina verdrehte die Augen und verschränkte die Arme. Sie seufzte und sah resigniert aus dem Fenster. Für einen kurzen Moment dachte ich, sie finge an zu weinen. »Mrs. Iwanowna«, begann Ethan vorsichtig und sah sie eindringlich an. »Wir sind sehr dankbar, dass wir hier sein dürfen. Nach allem, was passiert ist, wären wir vermutlich längst tot oder in einer dunklen Zelle weit unter dem Boden.« »Wer sind Sie überhaupt?«, fragte sie harsch und musterte meinen Freund eindringlich. »Gehören Sie etwa auch zum MI6?« Ethan räusperte sich und duckte seinen Kopf zwischen die Schultern, als könne ihn das vor der zu erwartenden Reaktion von Irina schützen. »Ja…, aber so wie Kyle nicht mehr im aktiven Dienst.« Sie raunte laut auf und wedelte mit den Händen in der Luft. Sie plärrte irgendetwas auf Russisch, das Alexej nervös mit dem Lid zucken ließ. Auch die beiden anderen Männer sahen mit großen Augen zu uns rüber. »Ganz schön hysterisch«, flüsterte Ethan in mein Ohr und nuckelte an seinem Wodka. »Hatte sie irgendwie ganz anders eingeschätzt.« »Ist sie vermutlich auch«, nahm ich sie in Schutz und sah, wie sie in die Küche rannte, um sich Alkohol einzuschenken. »Die Situation verändert uns alle zurzeit in andere Personen.« »Aha?«, hob Ethan eine Augenbraue und sah zu Alexej. »Dann hoffen wir mal, dass sich dein weißer Ritter nicht wieder zurückverwandelt.« Ich warf ihm einen bösen Blick zu und trank mein Glas aus. Der Wodka brannte meine Kehle herunter. Nachdem Irina sich nach zwei Gläsern Gin wieder beruhigt hatte, setzte sie sich zu ihren zwei Beschützern und schaltete den Fernseher um. Irgendeine romantische Komödie auf Russisch. »Kommt«, sagte Alexej und deutete auf das obere Stockwerk. »Ich zeige euch eure Zimmer.« Neugierig, was er uns gleich zeigen würde, trugen wir die Koffer und Taschen hoch und folgten ihm. Die obere Etage war mit Teppich ausgelegt und vermittelte ein heimisches Gefühl. Das Haus meiner Eltern hatte denselben Charme. Etwas in die Jahre gekommen, aber irgendwie gemütlich. Alexej lief den schmalen Gang entlang und öffnete eine Tür. »Hier ist das Bad«, sagte er monoton und ging direkt weiter. Danach öffnete er erneut eine Tür. »Hier könnt ihr schlafen. Es ist nicht viel, aber für ein paar Nächte wird es reichen.« »Ein paar?«, fragte ich nach und spähte in den Raum. Zwei Betten – vermutlich für Kinder einer Familie gedacht – standen sich gegenüber in einem sonst kleinen Zimmer. Ein Fenster in der Mitte ließ das fade Mondlicht eintreten. »Das Boot muss noch fertig gemacht werden«, sagte er und ging bereits wieder aus dem Raum. »Und die Pässe?«, fragte Ethan und stellte seinen Gitarrenkoffer ab. »Brauchen wir wohl nicht mehr«, murmelte ich und hob die Schultern. »Aber das klären wir noch.« Alexej antwortete darauf nicht, sondern ging einfach wieder wortlos runter. Er ließ uns alleine im Zimmer stehen. »Dein Freund ist ja nicht gerade herzlich«, seufzte Ethan, als ich die Tür geschlossen hatte. »Ein ganz schöner Grobmotoriker.« Ich sah etwas missmutig auf meine drei Koffer. Vielleicht sollte ich wirklich etwas aussortieren. Da war viel Zeug drin, von dem ich nun wusste, dass ich es nie brauchen werde. Jedenfalls nicht auf der Flucht vor dem Geheimdienst. Langsam öffnete ich eine Tasche, leerte sie aus und sortierte die Dinge, die mir wichtig waren und die ich dalassen konnte. Darunter meine Nagelpflege. Tschüss, schöne Hände. »Wenn er mit mir alleine ist, ist er ganz anders«, murmelte ich und packte weiter meine Sachen aus. Ethan schälte sich aus seinen Trainingssachen und stand in Unterhose im Raum. »Was auch immer«, sagte er und legte sich in ein Bett. »Gehst du schon schlafen?«, fragte ich verwundert und sah ihn mit großen Augen an. »Ich bin müde… das heute war sehr anstrengend und wenn ich ehrlich sein soll: ich habe gerade keine Lust mich mit den Russen zu unterhalten.« Ich verdrehte die Augen und schob meinen gepackten Koffer beiseite. Die anderen beiden halbleeren Koffer würde ich wohl dalassen. »Du weißt, dass du die nächsten Wochen, wenn nicht Monate, mit den Menschen unten verbringen wirst?« »Weiß ich, Kyle«, gähnte Ethan und drehte sich auf die Seite, sodass ich nur noch seinen Rücken sehen konnte. »Ich will einfach nur weg.« Da verstummte ich und musterte seinen Rücken. Was auch immer mit Ethan passiert war, er war sich seiner wohl sicher. Auch wenn seine Bereitschaft England zu verlassen mehr nach einer Verzweiflungstat roch. Noch immer flüsterte mir ein kleiner Teil in die Ohren, dass er vielleicht noch für Freya arbeitete und uns alle im letzten Moment auffliegen lassen würde. Aber die Einsatzkräfte haben auch auf ihn geschossen. Wie weit würde er tatsächlich gehen, sollte er mir verraten wollen? Ich entschied mich gegen das Bett und verließ den Raum. Langsam schloss ich die Tür und ließ Ethan schlafen. Mit vorsichtigen Schritten ging ich wieder runter ins Wohnzimmer. Alle unterhielten sich auf Russisch. Da konnte ich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mitreden. Ohne Augenkontakt mit irgendjemandem aufzunehmen, schlich ich in die Küche und holte mir ein neues Glas aus dem Schrank, um es mit Leitungswasser zu füllen. Vorsichtig nahm ich einen Schluck. Dann noch einen. Mein Blick war auf dem Wasserhahn festgeklebt. »Alles in Ordnung?«, hörte ich Alexej hinter mir fragen. Schnell drehte ich mich um und lächelte ihn an. »Ja, ich denke schon«, säuselte ich und erhaschte dann doch einen kurzen Blick zu Irina und den anderen beiden. Sie sah durchdringend zu uns beiden und beobachtete wohl, wie wir uns verhalten würden. Mein Puls wurde schneller und ich hatte erneut das Gefühl von den Eltern meiner ersten Freundin beobachtet zu werden. »Du denkst? Ist es wegen Ethan?«, fragte mein Freund und kam noch ein Stück auf mich zu. Er küsste mich sanft auf die Wange, als ich nicht sofort antwortete. »Oder wegen Irina?«, flüsterte er zusätzlich in mein Ohr. Ich schmunzelte und drehte meinen Kopf, sodass meine Nase an seinen Bartstoppeln entlangrieb. »Ein bisschen von beidem… Und einfach die Unsicherheit, die vor uns liegt. Ich habe ein ungutes Gefühl bei allem.« »Nicht nur du«, murmelte er und drückte mir einen schnellen Kuss auf die Lippen. Irinas Blick blieb weiterhin auf mir haften. Schließlich entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie sah wieder zum Fernseher. War das nun das Zeichen der Zustimmung? Oder der Toleranz? Akzeptanz? »Schläft Ethan schon?«, fragte Alexej, während er sich erneut ein halbes Glas Wodka einschenkte. »Ja, er war müde«, bestätigte ich und sah dabei zu, wie Alexej auch mir etwas Wodka in das Wasserglas kippte. Er grummelte irgendetwas vor sich hin, was ein Ja oder Aha hätte sein können, und trank dann seinen Alkohol. Ich seufzte leise und nippte an meinem Glas. Nach wenigen Momenten führte er mich zu den anderen, sodass wir alle auf dem Sofa saßen und fernsehen schauten. Es hatte etwas vertrautes, dass ich dabei sein durfte. Umso mehr fühlte ich mich schlecht für Ethan, dass er das fünfte Rad am Wagen war. Immer wieder unterhielten sie sich auf Russisch, sodass ich weder den Fernseher noch die Leute um mich herum verstand. Irgendwann legte Alexej einen Arm um mich und drückte mich an sich. »Auf unserer Reise wirst du etwas Russisch lernen«, verkündete er und lächelte mich mit einer gewissen Selbstzufriedenheit an. »Nicht viele Russen können gutes Englisch. Jedenfalls nicht da, wo wir viel unterwegs sein werden.« »Oh je«, seufzte ich und presste die Lippen aufeinander. »So schwierig ist das nicht«, brachte sich auf einmal Irina ein. Sie hatte ihre Beine an die Brust gezogen und lehnte in ein großes Kissen. »Die einfachen Umgangsformen wirst du schnell lernen.« »Mal schauen«, kam Alexej dazwischen und erklärte dann irgendetwas von Fällen und Vergangenheitsformen und dass es einen Unterschied machte, ob ich zu einer Frau oder einem Mann sprach. Mein Gesicht wurde bleich und ich war mir auf einmal nicht mehr sicher, ob ich einfach so mal eben eine neue Sprache und Schrift lernen würde. Doch alle waren auf einmal sehr zuversichtlich, sodass es mich am Ende etwas ansteckte. Nachdem unsere Konversation etwas aufgetaut war, fragten sie mich tatsächlich etwas aus. Wie mein Privatleben so war, wie es beim MI6 war und wieso ich jetzt hier bin. Wieso Ethan da war und wieso wir beide nun bereit waren, alles hinter uns zu lassen. Als mein Blick sehnsuchtsvoll zu Alexej ging und ich anfing mit »Ich kann nur für mich sprechen, aber« tat Irina bereits so, als würde sie erbrechen müssen. »Schon verstanden«, winkte sie ab und verdrehte die Augen. »Die ganz große Liebe. Schon klar.« Alexej warf ihr einen bösen Blick zu, doch ich musste Schmunzeln. Sie klang nicht wirklich dagegen. Vermutlich wollte sie einfach nur zum Ausdruck bringen, dass es viel zu kitschig war. Der Abend verging recht schnell, als wir uns so unterhielten. Irgendwann spürte ich doch die Müdigkeit in meinen Knochen, sodass ich in Alexejs Arm einnickte. Erst, als der Fernseher ausgeschaltet wurde und damit das einschläfernde Hintergrundgeräusch verschwand, wachte ich wieder auf. Alexej erhob sich vorsichtig vom Sofa und nahm mich an die Hand. Die beiden Männer, dessen Namen ich irgendwie noch immer nicht erfahren hatte, blieben wohl im Wohnzimmer und behielten die Lage im Auge. Irina ging zu erst ins Bad, danach huschten Alexej und ich rein. Kaum, als die Tür zu war, küssten wir uns leidenschaftlich. »Ich bin froh, dass du hier bist«, hauchte er in mein Ohr, während er an meinem Hals entlang küsste. »Und dass dir nichts passiert ist.« Er drückte mich mit seinem Gewicht gegen das Waschbecken, sodass ich bin an ihm festklammern musste, um nicht nach hinten über zu kippen. »Ich bin auch froh, hier zu sein. Es ist toll, dass Irina so langsam auftaut.« Da verdrehte er die Augen, als hätte ihr Name die gesamte Stimmung ruiniert. »Sie ist eine kleine Diva, die zickig wird, wenn sie nicht das bekommt, was sie will. Aber eigentlich ist sie eine tolle Frau. Manchmal etwas exzentrisch, aber… damit solltest du klarkommen.« Ich kicherte. »Jahrelange Übung.« Erneut vereinten wir unsere heißen Münder und spielten mit unseren Zungen. Alexej griff sofort nach meiner Hüfte und hob mich hoch. Mit einem großen Ausfallschritt stemmte er mich auf eine kleine Kommode. Noch bevor wir uns die Kleidung vom Leid reißen konnten, stoppte ich. »Soll ich mich erst um deine Wunden kümmern?«, fragte ich zwischen den heißen Küssen. Alexej negiert sofort und griff nach meinem Shirt. »Wollen wir es tatsächlich hier im Bad machen?«, säuselte ich vor Erregung. Nicht, dass wir nicht schon an sehr viel schrägeren Orten Sex gehabt hätte, aber die Anzahl an schönem Sex in einem Bett war weitaus in der Unterzahl. »Ich teile mir mit Irina ein Bett«, seufzte er schließlich gegen meine erhitzte Haut. »Da können wir nicht hin. Und in dein Bett auch nicht. Da ist dein Freund.« Ich seufzte resigniert auf und presste die Lippen aufeinander. »Na schön, dann eben hier.« Es war wie immer göttlich. Er liebkoste mich an jeder erdenklichen Stelle meines Körpers und fingerte mich ausgiebig. Mittlerweile wusste ich, dass es ihm Spaß bereitete. So lange und so viel Vorbereitung war nun wirklich nicht nötig, auch wenn er größer als der Standard war. Als er endlich in mich eindrang und wir beide uns wie in Ekstase aneinander rieben, hörte ich hin und wieder Schritte vor der Tür. Doch Alexej ließ mir wenig Spielraum zum Denken, während er in mich reinstieß. Ich krallte mich an seinen nackten Oberkörper und biss kurz vor meinem Orgasmus liebevoll in seinen Nacken. Er stöhnte tatsächlich zum ersten Mal laut auf und rammte mich fast von der Kommode. Ich stöhnte seinen Namen, als ich kam und warf dabei den Kopf nach hinten. Er küsste mich so lange und so feste auf den Hals, bis ich einen blutroten Fleck hatte. Schließlich kam auch er in mir mit einem lauten Seufzer. Wir verharrten noch einige Minuten in einer tiefen Umarmung, bis er aus mir herausrutschte und wir für weitere Minuten die Schweinerei aufwischen mussten. Dabei kicherten und lachten wir wie zwei frisch Verliebte. Es war schön. Und irgendwie war es perfekt, obwohl es das eigentlich nicht sein sollte. Als jeder von uns noch einmal auf Toilette war und wir beide uns die Zähne geputzt hatten, als wären wir schon seit Jahren zusammen gewesen, verließen wir das Bad und verabschiedeten uns mit einem intensiven Kuss für die Nacht. Doch in dem Moment, wo ich mein Zimmer betreten wollte, kam Alexej mit großen Schritten auf mich zu. Ohne ein Wort zu sagen öffnete er hektisch die Tür zu Ethans und meinem Zimmer, welches im dunkeln lag. Man sah im faden Licht von draußen meinen Freund ruhig auf dem Rücken schlafen. Im anderen Bett lag Irina. Alexej sagte irgendetwas auf Russisch. Vermutlich fluchte er gerade. »Irina?«, flüsterte ich in die Stille des Raumes. »Ich will schlafen, gebt endlich Ruhe«, murrte sie in ihr Kissen und drehte sich noch weiter in die Decke ein. Noch ehe ich ein leises Was? sagen konnte, drückte mich Alexej raus und schloss die Tür. »Das… hat sie für uns gemacht?«, fragte ich leise, als wir etwas verlegen im Flur standen. »Anscheinend«, murmelte Alexej und nahm mich an die Hand. »Gehen wir schlafen.« Natürlich musste ich sofort an die verpasste Chance denken, dass wir im Bett hätten Sex haben können, doch ehe wir die Tür geschlossen und wir beide uns komplett nackt unter die Decke gelegt hatte, begannen die heißen Küsse von vorne. Alexejs Stamina war jedenfalls enorm beeindruckend. Erneut liebten wir uns, als hätten wir das nicht vor ein paar Minuten bereits getan. Seiner Wunde schien es sehr viel besser zu gehen – jedenfalls ließ er sich dieses Mal nicht so einfach reiten. Es endete sogar fast in einem kleinen Kampf, bis ich mich endlich mal nach oben gearbeitet hatte. Über seine Angst, während des Sexes erstochen zu werden, mussten wir noch einmal reden. Denn so tief, wie er kam, wenn ich ihn ritt, kam er sonst nicht. Und es fühlte sich fantastisch an. Nachdem wir erneut intensiven Sex gehabt hatten, schliefen wir tatsächlich ein. Vermutlich verfluchte uns Irina in ihren Träumen, da wir alles andere als ruhig gewesen waren und sie vermutlich für weitere Minuten nicht einschlafen konnte. Von Ethan wusste ich, dass er schlief wie ein Stein. Die anderen beiden würden vermutlich kein Wort über schwulen Sex verlieren. Denn eigentlich – so musste ich mir eingestehen – war Russland nicht unbedingt das beste Land für eine homoerotische Beziehung. Nichtsdestotrotz konnte ich es kaum erwarten, dass mir Alexej seine Heimat zeigen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)