Sie nervt ihn von Goetterspeise (Heiji und Kazuha) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Heiji! Heiji!“, rief Kazuha hinter ihm und er konnte ihre Schritte im Schnee schnell näher kommen hören. Genervt, weil sie ihn keine Minute in Ruhe lassen konnte, ignorierte er sie und ging einfach weiter. „Heiji!“, ertönte ihre empörte und nach Luft ringende Stimme schließlich neben ihm. Sie zog an seiner braunen Winterjacke und nötigte ihn so, stehen zu bleiben. „Was?“, fragte er und drehte sich zu ihr. Kazuhas Wangen waren gerötet und viele kleine Atemwölkchen erschienen vor ihrem Mund, wenn sie ausatmete. „Deine Mama meinte doch, ich solle mitkommen“, erklärte sie ihm und sah ihn böse an. „Das war gemein, einfach ohne mich loszulaufen.“ Es war erstaunlich wie gut sie sich den vorwurfsvollen Blick seiner Mutter abgeschaut hatte, doch Heiji Hattori würde sich von einer neunjährigen sicher keine Standpauke abholen. „Wenn du so langsam bist“, sagte er deshalb und ging weiter. Er konnte hinter sich hören, wie Kazuha scharf die Luft einzog und geräuschvoll wieder nach außen blies, bevor ihre Schritte im Schnee erneut zu hören waren. „Von wegen zu langsam. Du warst so schnell draußen, das deine Mama dir das Geld gar nicht mehr geben konnte“, wies sie ihn zurecht. Heiji verdrehte nur seine Augen. „Für was habe ich denn dich sonst, du Schlaumeier?“ Er war schließlich extra langsam gelaufen, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihn vor der nächsten Ecke einzuholen. Kazuha blies erneut die Luft zwischen ihren Wangen nach außen, ignorierte ihn aber ansonsten. Wahrscheinlich war sie jetzt beleidigt. Mädchen konnten wirklich anstrengend sein – und Kazuha Toyama war da ein besonders schlimmes Exemplar. Sie bogen auf eine belebte Straße ab und Heiji musste ein paar Mal blinzeln, als er die grellen Lichter der Weihnachtsbeleuchtungen sah. Diese blöden Geschäfte mussten es auch immer übertreiben. Von den Dächern der Gebäude hingen Girlanden teilweise metertief nach unten, an einigen Fassaden kletterte zudem ein Weihnachtsmann nach oben und die Schaufenster waren voll von blinkenden und bunten Lichterketten. „Oh. Immer wieder schön“, säuselte Kazuha leise neben ihm. „Das ist einfach nur Geldverschwendung. Und sinnlos. Weißt du überhaupt woher Weihnachten kommt? Wahrscheinlich nicht“, erwiderte er mürrisch und warf ihr einen genervten Blick zu. Sie nervte ihn wirklich oft und dass sie heute Abend mit ihrer Familie zum Essen da war, machte es nicht besser. Immer rannte sie ihm hinterher und widersprach ihm, wenn er etwas sagte. „Mama hat erzählt, es ist das Fest der Liebe. Sie und Papa haben während der Universität immer einen romantischen Abend verbracht“, antwortete Kazuha aufgebracht. „An diesem Tag ist eigentlich das Kind Gottes geboren, du Dumpfbacke. Und weil ein König deswegen Angst hatte, hat es jedes neugeborene Kind töten lassen“, klärte er sie auf. Kazuhas Augen weiteten sie geschockt und sie starrte ihn einen endlos langen Augenblick mit ihren großen, grünen Augen an. „D-das stimmt nicht!“, rief sie schließlich. „Dann glaubs mir nicht.“ Heiji zuckte mit den Schultern und lief in Richtung des Supermarkts, indem sie die Zutaten für das Curry besorgen sollten, dass seine Mutter heute Abend kochen wollte. Der Gehweg war hier vom Schnee geräumt und so knirschten nur die verteilten Kieselsteine unter seinen Sohlen. Er mochte das Geräusch nicht sonderlich, aber besser als auszurutschen und hinzufallen, so wie es ihm am Vortag auf dem Weg zur Schule passiert war. Zum Glück hatte das niemand gesehen – vor allem Kazuha nicht. Wahrscheinlich hätte sie ihn den ganzen Tag damit genervt, zur Schulkrankenschwester zu gehen, um sich sicherheitshalber untersuchen zu lassen. Als ob er dafür einen Erwachsenen brauchte. Bis auf einen blauen Fleck an seinem Hintern war da gar nichts. „Du, Heiji“, riss Kazuha ihn zaghaft aus seinen Gedanken und er sah sie an. Unsicher biss sie auf ihrer Unterlippe herum und rieb ihre behandschuhten Hände gegeneinander. „Wieso … feiern wir es dann? Also wenn so viele Kinder sterben mussten?“ „Was fragst du mich das?“ Bei dem traurigen Gesicht, das sie nun machte, bekam Heiji fast ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte er nicht so gemein sein sollen, aber diese Nervensäge sollte nicht mit irgendwelchen Flausen im Kopf durch den Tag rennen. Sie erreichten den 24-Stunden-Supermarkt und die Glastür öffnete sich automatisch, als sie nah genug davor standen. Im Laden war es stickig und gerammelt voll, aber dank seiner Größe konnte Heiji sich gut durch das Getümmel hindurchschlängeln. Hie und da musste er eine Jacke zur Seite schieben oder sich vor einem Regenschirm in Sicherheit bringen, aber er gelangte schnell zur Gemüseabteilung, in der er sich aus den Kisten die gewünschten Zutaten nahm, die seine Mutter ihm vorgesagt hatte, als sie den Zettel für den Einkauf geschrieben hatte – also ob er so etwas benötigte. „Kazuha, kannst du mir mal die Karotten abnehmen?“, fragte er, erhielt aber keine Antwort. „Kazuha?“ Heiji drehte sich um, doch das Mädchen stand nicht neben ihm. Er war der festen Überzeugung gewesen, sie wäre direkt hinter ihm. Vorsichtig, um nichts fallen zu lassen, ging er zurück und sah sich nach seiner Schulkameradin um. Der Laden war nicht sonderlich groß, aber die Regalreihen standen eng aneinander und die Masse an Menschen erleichterte ihm das Suchen nicht wirklich. Kazuha konnte ihn manchmal wirklich wütend machen. Wieso war sie nicht direkt hinter ihm geblieben? Dann müsste er jetzt nich- „D-da bist du ja“, ertönte ihre Stimme plötzlich neben ihm. Sie strahlte ihn an und hielt ihm einen roten Plastikkorb entgegen. „Schau mal. Da kannst du die Sachen rein tun“, erklärte sie ihm überflüssigerweise. Heiji starrte sie einen Augenblick lang fassungslos an, bevor er den Mund öffnete: „Spinnst du? Du kannst doch nicht einfach so abhauen.“ „Wa-?“, begann sie überrascht, ihre Miene veränderte sich aber noch während des Wortes und nun sah sie sauer an. „Du bist einfach losgerannt und hast mich nicht mehr gehört. Eher müsste ich dich fragen, ob du … spinnst!“ Das letzte Wort kam nur mit einem kurzen Stocken heraus. Anscheinend war es ihr unangenehm, so etwas laut auszusprechen. Heiji suchte fieberhaft nach einer passenden Erwiderung, aber ihm wollte nichts einfallen, also warf er einfach die Sachen in den Korb. „Wir müssen noch Fleisch holen“, sagte er und wartete darauf, dass sie vor ihm losging, damit sie sich in dem Trubel nicht schon wieder verloren. Kazuha lächelte zufrieden mit sich selbst und lief voran zur Fleischtheke, wo sie nach zwei Packungen Hähnchenbrust griff. „Haben wir es dann?“, fragte Heiji ungeduldig, obwohl er die Antwort bereits kannte. Kazuha hingegen holte den Einkaufszettel aus ihrer Jackentasche und las noch einmal alles genau durch, wobei sie nach jedem Wort kurz unterbrach, in den Korb schaute und nickte, wenn sie den gewünschten Gegenstand ausfindig gemacht hatte. Noch langsamer konnte man eine Liste nicht überprüfen, oder? Als sie sich schließlich – und vor allem endlich – an die Schlange vor den Kassen anstellten, konnte Heiji nicht anders als Kazuha aus den Augenwinkeln zu beobachten, die gedankenverloren in den Korb starrte. Hing ihr das mit Weihnachten noch immer nach oder überlegte sie nur, welche Farbe ihre nächste Haarschleife haben sollte? Wenn es nach ihm ginge, würde zu ihren braunen Haaren eine gelbe passen. Aber was ging ihn das überhaupt an? Da er ihr trauriges Gesicht von vorhin allerdings nicht aus dem Kopf bekam, öffnete er schließlich den Mund: „Weißt du warum wir Weihnachten feiern?“ Kazuha sah auf und einen kurzen Moment konnte Heiji sehen wie ertappt sie sich fühlte. „Warum? Um einem bösen Menschen zu huldigen?“, fragte sie tonlos. Es musste sie wirklich sehr getroffen haben. Sein fast schlechtes Gewissen, wurde noch ein bisschen größer. „Nein, du Du-“, er räusperte sich. „Nein. Weil das Kind Gottes das überlebt hat. Und da es sein Geburtstag ist, dürfen alle Menschen mitfeiern. Obwohl ich daran zweifel, dass er wirklich das Kind eines Gottes ist“, fügte er noch hinzu. Diese ganze Geschichte, die sein Vater ihm einmal erzählt hatte, passte so gar nicht zu den religiösen Traditionen, die sie hier in Osaka hatten. „U-und was ist mit den ganzen Kindern?“ Wieso musste sie so neugierig sein? Das nervte wirklich. Da wollte er sie einmal aufmuntern und sie machte es ihm so unnötig schwer. „Na-natürlich hat der Gott … sie wieder zum Leben erweckt“, antwortete er und versuchte eine ernste Miene aufzusetzen. Das glaubte sie ihm niemals. „Wirklich? Das ist ja großartig! Auch wenn du das gleich hättest sagen können!“, erwiderte Kazuha, aber ihre nachdenkliche Miene war nun endgültig verschwunden. Mittlerweile waren sie in der Schlange ein gutes Stück vorangekommen und hatten nur noch zwei andere Kunden vor sich. Heiji freute sich schon, wenn sie endlich wieder nachhause kamen und er in seinem Zimmer wieder Kendo üben konnte. Er wollte auf jeden Fall irgendwann einmal so gut wie seine Mutter werden, aber da die werte Dame ständig Aufgaben im Haushalt für ihn hatte, war es schwer, in seiner Freizeit zu üben – manchmal glaubte er, sie machte das mit Absicht. Kazuha reichte der netten Frau an der Kasse ihren Korb und holte anschließend ihren Geldbeutel heraus, während alles gescannt und in eine große Plastiktasche gepackt wurde. Heiji nahm diese entgegen, während Kazuha bezahlte und sie verabschiedeten sich mit einem freundlichen Lächeln. Als sich die Tür vor ihnen wieder öffnete, wurden ein paar Schneeflocken nach innen getragen. Draußen hatte es begonnen, heftig zu schneien. „Ich habe gar keine Mütze dabei“, sagte Kazuha und sah besorgt auf die Straße. „Zieh einfach die Kapuze drüber“, antwortete Heiji und tat im gleichen Augenblick genau das. Kazuha folgte seinem Beispiel und gemeinsam betraten sie den Gehsteig und gingen nach links. Auf der Straße blieben die Schneeflocken aufgrund der vielen Autos nicht liegen, aber auf dem Weg vor ihnen hatte sich bereits eine dünne Schicht angesammelt, die den Kies unter sich begraben hatte. „Wir sollten uns beeilen“, sagte Heiji zu Kazuha und beide beschleunigten ihren Schritt, wobei Kazuha stolperte und beinahe hinfiel. Sie fing sich gerade noch auf und ging, ohne darauf einzugehen, weiter. Der Wind frischte ein wenig auf und Kazuha griff mit beiden Händen an die Seite ihrer Kapuze, um diese über ihrem Kopf festzuhalten. Sie waren nicht die einzigen Menschen, die sich beeilten, nachhause zu kommen, aber mit Abstand die kleinsten. Die anderen achteten kaum auf sie und Heiji konnte Kazuha gerade noch rechtzeitig zur Seite ziehen, bevor ein großgewachsener Mann mit hochgeschlagenem Kragen, gegen sie lief. Anscheinend war dieser Schneesturm für alle überraschend gekommen. Heiji konnte sich zumindest nicht daran erinnern, dass er im Wetterbericht angekündigt worden war. Sie bogen um die nächste Ecke und konnten so endlich den größten Trubel hinter sich lassen. Der Wind, den die hohen Gebäude gerade noch abgehalten hatte, zu fest um sie herumzublasen, erwischte sie nun mit aller Wucht. Er pfiff zwischen den Einfamilienhäusern hindurch und wehte ihnen so die dicken Schneeflocken in die Augen. „Bleib hinter mir“, befahl Heiji Kazuha und diese nickte kurz, bevor sie einen Schritt zur Seite machte und sich dicht hinter ihn stellte. Es war kein langer Weg nachhause, aber für ihre kleinen Körper stellte dieses Wetter eine nicht unerhebliche Herausforderung dar, bei der Heiji ein kalter Schauer über den Rücken lief – und dieser hatte nichts mit den Temperaturen zu tun. Mittlerweile konnten sie kaum noch fünf Meter sehen und dass das Grundstück zu ihrer rechten Seite nur eine Wiese war, machte es nicht besser. Heiji erinnerte sich allerdings an die Mauer, die das Nachbargrundstück abgrenzte und er lotste Kazuha mühselig in diese Richtung. Direkt davor stand ein Baum, hinter dem sie sich versteckten und kurz durchatmen konnten. Heiji zitterte am ganzen Körper und er bereute es nun, keine Mütze aufgesetzt zu haben, denn die Kapuze seiner Jacke konnte dem Wind kaum standhalten und war schon lange wieder von seinem Kopf geweht worden. Ein Glück das die Träger der Tüte nicht gerissen waren. Kazuha erging es nicht anders, wenn er sie so ansah. „W-was machen … wir d-denn je-jetzt?“, fragte sie bibbernd. „Warten“, erwiderte Heiji als wäre diese Antwort das naheliegendste auf der Welt. „A-aber …“, versuchte Kazuha ihm zu widersprechen, wurde jedoch sofort von ihm unterbrochen: „Du kannst ruhig mal auf mich hören.“ Seine Stimme klang selbst für ihn ungewöhnlich scharf und so nickte das Mädchen nur. Sie hatte die Arme vor ihrer Brust verschränkt und rieb mit den Handinnenflächen über ihre Arme. Etwas sinnlos, wie Heiji fand, allerdings war er einfach froh, dass sie nichts mehr sagte. Es vergingen einige Minuten, in denen sie nicht sprachen und der Schnee weiterhin in Massen nach unten auf den Boden fiel. Ewig konnten sie hier nicht stehen bleiben, so kalt wie es war. Außerdem war es nicht mehr weit. Drei Häuser noch, dann einmal um die Ecke, ungefähr fünfzig Meter laufen und sie wären da. Vielleicht konnten sie sich von Mauer zu Mauer durchkämpfen? Oder sie rannten einfach? Heiji versuchte sich fieberhaft einen Plan zu überlegen, was mit einer zitternden Kazuha neben sich verdammt schwer war. Er konnte sich kaum konzentrieren und erwischte sich ständig dabei, wie er in Gedanken dieses Wetter verfluchte. Irgendeine Lösung musste es doch geben. Er sah zur Straße vor und fragte sich gerade wie lange sie brauchen würden, um die nächste Mauer zu erreichen, als er verschwommen Schatten wahrnahm, die näher kamen. „Ich hab sie!“, rief plötzlich eine tiefe Stimme und ein paar Sekunden später stand Kazuhas Vater vor ihnen. Auf seiner grauen Mütze hatten sich einige Schneeflocken verfangen und seine Wangen waren rot von der Kälte. „P-papa“, flüsterte Kazuha und umarmte ihn. Dicht hinter ihm tauchte Heijis Mutter auf, die ihren Sohn besorgt musterte. „Ein Glück habt ihr euch hinter dem Baum versteckt“, sagte sie und nahm Heiji die Tüte mit den Einkäufen hab. „Wenn ich vorher gewusst hätte, dass es so einen schrecklichen Sturm gibt, hätte ich euch nicht losgeschickt.“ Sie streckte Heiji ihre Hand entgegen, die er zögernd annahm. Es war total uncool mit neun Jahren noch an der Hand der Mutter zu laufen, aber das hier war eindeutig eine Ausnahmesituation und außerdem konnte ihr Körper ihn so besser vor dem Wind und dem Schnee schützen. Und wofür war sie seine Mutter, wenn nicht für diese Momente? Kazuhas Vater tat das gleiche mit seiner Tochter und gemeinsam gingen sie den restlichen Weg zum Anwesen der Hattoris. Es war zwar noch immer ein schwerer Weg, aber dank der Erwachsenen, die sie nun begleiteten, konnten sie sich besser durchkämpfen – das würde Heiji seiner Mutter aber ganz sicher nicht sagen. Als sie schließlich völlig verfroren im Haus ankamen und sich die Wintersachen ausgezogen hatten, scheuchte seine Mutter sie sofort in die Küche, wo sie Tee für die beiden aufsetzte. „Wenn ihr den getrunken habt, könnt ihr mir beim Schneiden des Gemüses helfen“, schlug sie vor und stellte die Tassen vor die beiden Kinder. Heiji wollte gerade erwidern, dass er eigentlich hochgehen und mit seinem Kendoschwert trainieren wolle, als Kazuha schon sagte: „Oh ja. Gerne. Nicht wahr, Heiji?“ Sie strahlte ihn über beide Ohren an – das Gespräch von vorhin war wohl endgültig Geschichte. „Ja“, stimmte er zu, ohne zu verstehen, warum er ihr nicht erklärt hatte, dass sie nicht für ihn mitreden sollte. Das nervte ihn in der Schule schon immer, wenn sie seine Antwort gleich mit übernahm. Aber irgendwie hatte er sich wohl daran gewöhnt, sie das so machen zu lassen. Es war schließlich nicht das Gleiche, wenn Kazuha nicht da war und ihn nervte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)