Two Couples - Two Christmas Lovestories von Aphrodi ================================================================================ 22. Dezember ------------ Belleville, 22. Dezember 2016, 18:15 Uhr   „Es ist alles so bunt!“, stellte Aguri begeistert fest, als er aus dem Autofenster die in allen möglichen Farben erhellten Häuser, Bäume und Brücken bestaunte. Überall – aber ganz besonders an so manchem Wohnhaus waren Lichterketten in verschiedenen Farben angebracht. Manche komplett bunt, manche rot, blau, grün oder gelb. Alles zusammen mischte sich in ein unglaublich verstörendes Bild von Weihnachtsbeleuchtung zusammen, das man so wohl kaum woanders auf der Welt fand. Es hatte keine Ordnung, keinen Sinn für Ästhetik. Wild sah es aus, auf eine unangenehm hässliche Art. Für Henri war es ein altbekanntes Bild, schließlich war er damit groß geworden, doch eigentlich mochte er einfarbige Weihnachtsdeko lieber – ganz besonders die in warmweiß. Dass Aguri Begeisterung für dieses Augenkrebs erzeugende Dekospektakel aufbringen konnte, verwunderte ihn aber nicht. Das mit dem Geschmack war nicht gerade seine Paradedisziplin.   „Henri, schau doch mal hin! Du siehst ja gar nichts davon!“   „Vielleicht will ich es ja auch gar nicht sehen.“   „Aber die Weihnachtsbeleuchtung!“   Henri seufzte, startete aber nicht einmal einen Versuch aus dem Fenster zu sehen. „... sieht nicht anders aus als jedes Jahr. Wenn ich Augenkrebs will, kann ich genau so gut dich ansehen“, stellte er trocken fest, denn wie immer war sein Outfit modisch als ebenso wild einzuordnen wie die bunten Lichter. Böse Zungen würden sagen, dass die Kombination von pink, rot und blaukarriert ein Anschlag auf jedermanns Sehnerv war. Aber Lynn war nicht da.   „Das ist gemein“, beklagte sich Aguri, zog eine Schnute und griff an Henris Ärmel. „Wenn du das denkst, warum hast du mir das nicht vor dem Abflug gesagt?“   „Als ob du auf mich gehört hättest...“ Mal ehrlich, so naiv war er jawohl nicht. Natürlich machte Aguri was er wollte, dazu gehörte auch die Auswahl seiner Kleidung. Kleidung, die Henri niemals anziehen und gar nicht erst kaufen würde. Und obwohl er sie nicht mochte, trug der Japaner sie trotzdem immer noch. Was sagte das darüber aus, wie sehr sich Aguri von ihm reinreden ließ? Alles.   „Wir treffen doch aber gleich deine Eltern!“   Henri hob eine Augenbraue, sah ihn an. Es war wirklich ein Segen, dass es im Taxi so dunkel war. „Na und?“   „Was, wenn sie genau so denken wie du?“   „Ist ja niedlich, dass du einen guten Eindruck machen willst“, spöttelte Henri ein wenig, zuckte dann aber mit den Schultern. „Glaubst du, Leute, die ihr Haus so schmücken, haben ein Problem mit deinem Outfit?“   Dass keine Antwort kam, gab Henri zu verstehen, dass Aguri ihm nicht folgen konnte. Stattdessen wurde er nur angesehen mit einem Blick, den er schon viel zu oft gesehen hatte, wenn der Japaner ihn nicht verstanden hatte – sei es nur wegen fehlender Englischkenntnisse oder weil er angeblich in Rätseln sprach. Ziemlich simple Rätsel, wenn man ihn fragte. Für Aguris Gehirn offenbar nicht simpel genug. „Du wirst es schon noch verstehen.“ Oder auch nicht.   Als das Taxi schließlich an der beschriebenen Adresse hielt, stiegen sie aus und standen vor einem bunt geschmückten Einfamilienhaus. Unter dem Dach hingen viele blaue Lichter herunter, um die Fenster herum leuchtete es bunt. Auch die Bäume und Büsche im Garten waren voll behangen mit Lichtern, manche in grün, manche rot, andere völlig bunt. Dazu standen beleuchtete Figuren im Vorgarten. Aus jedem Fenster heraus leuchtete es, so als wäre jeder Raum betreten – eigentlich war das aber nur Dekoration auf der Fensterbank. Um das ganze würdig abzurunden, hingen leuchtende Kränze in den Fenstern. Henri stellte ernüchtert fest, dass das ganze Dach dieses Mal immerhin nicht beleuchtet war. Schade fand er das allerdings nicht.   „Woah!“, brach es erst einmal aus Aguri heraus. Henri drückte ihm seinen Koffer in die Arme, doch der Blick vom Japaner blieb weiter auf dem Haus, das mit seinen Augen um die Wette strahlte. Also bezahlte Henri den Taxifahrer...   „Nun komm endlich, es ist kalt“, forderte Henri ihn auf, denn er hatte keine Lust, länger draußen zu stehen, um das Grauen zu bestaunen, wo die kanadischen Außentemperaturen nochmal deutlich kälter waren als in Tennessee. Ein Grund mehr übrigens, warum er im Winter nicht gerne in Japan war. In Kanada war es zwar sehr kalt, er konnte sich aber wenigstens ins warme Haus verkriechen und dort ausharren. Bei Aguris Familie dürfte es im Haus nicht viel wärmer sein als draußen... Ein schrecklicher Gedanke.   „Komme!“, bestätigte Aguri freudig und eilte los – er war eben ein Idiot.   „Vorsicht, der Weg ist-“ Weiter kam er nicht, da spürte er einen Ruck und zwei klammernde Hände an seinen Schultern, die nach Halt suchten. Beinahe hätten sie ihn selbst umgerempelt. „...vereist...“ Aguri lachte verlegen, nutzte aber die Chance, um seine Arme von hinten vollends um den Kleineren zu schlingen. Zu Henris Unmut blieben sie so stehen – aber immerhin war es nicht ganz so kalt mit diesem Idioten an seinem Rücken.   „Was ist neuerdings mit dir los?“, fragte Henri verständnislos. Und wie lange wollte er noch so vor dem Haus herumstehen?   „Denkst du, sie werden mich mögen?“   Eine Frage, die so überraschend kam, dass Henri kurz selbst die Worte fehlten. Deshalb standen sie hier rum? Weil er Angst hatte? Angst davor, was hinter dieser Tür lauern würde? Weil er die Ablehnung seiner Eltern fürchtete? Seit wann machte er sich überhaupt solche Gedanken? „Daran hast du bei mir doch auch nie gezweifelt – völlig zu unrecht übrigens. Also fang jetzt nicht damit an.“   „Bei dir hatte ich aber auch Recht, immerhin magst du mich mehr, als du gerade zugibst. Du liebst mich.“ Unter Knuddeln begann Henri zu grummeln. Bestätigen würde er das jetzt nicht. Aguris Kopf sank schwer auf Schulter. „Aber wenn deine Eltern mich nicht mögen, wie soll ich dann bei ihnen um deine Hand anhalten?“, sprach er ruhig, leiser und so ernst, wie Henri es selten von ihm gehört hatte. Offenbar machte er sich wirklich Sorgen deswegen. So wichtig war ihm der elterliche Segen?   „Unglaublich, dass ich das mal sagen würde... „“, begann Henri, seufzte schwer, als würde eine tragische Pause alles besser machen. „Du solltest ehrlich weniger denken.“   „...Eh?“   „Sei einfach der fröhliche, dumm vor sich hin grinsende Kerl – wie immer. Benutz nicht dein Gehirn, aber dein großes Herz. Unmöglich, dass sie dich dann nicht mögen werden.“ Bevor er Aguri etwas erwidern hörte oder er selbst noch anmerken konnte, dass sie doch jetzt endlich zur Tür gehen sollten, spürte er eine Hand an seiner Wange, die bestimmend seinen Kopf zur Seite drückte – nur um dort auf ein warmes, weiches Lippenpaar zu treffen. Dieser Idiot.   „Geht's dir jetzt besser?“, fragte Henri unnötig, nachdem er den Kuss – der länger ausgefallen war als geplant – gelöst hatte.   „Ja!“, antwortete Aguri sofort, breit grinsend.   „Dann können wir ja jetzt endlich“, merkte Henri an und deutete zur Tür. Die von ihm zu Aguri ausgestreckte Hand wurde erst einmal wie ein Autounfall ungläubig angesehen, dann aber sofort ergriffen. „Ach... und noch was.“   „Ja?“   „Keine Heiratsanträge.“   „...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)