Märchenschloss im Winterzauber von Emerald_Phoenix ================================================================================ Kapitel 1: Märchenschloss im Winterzauber ----------------------------------------- „Jetzt drängel doch nicht so Rubia! Am Ende sieht uns noch jemand!“ Jenias drehte sich zu seiner Freundin um und sah sie missbilligend an.   „Wenn du weiter so trödelst, sieht uns erst recht jemand!“   Rubia sah sich besorgt um. Wenn man sie hier erwischte, war alles vorüber! Vorsichtig und sich ständig nach allen Seiten umsehend liefen sie weiter die scheinbar endlosen Gänge entlang.   „Kriegen wir dafür nicht wahnsinnigen Ärger?“ flüsterte Meliana und sah sich ängstlich um. „Ach was! Stell dir nur mal vor, wie vor allem die Kleinen gucken werden!“, schwärmte Perio. „Genau! Sowas gab es hier schließlich noch nie. Und es wird ohnehin mal Zeit, dass die Bude hier entstaubt wird.“   Nach einer Weile erreichte die kleine Gruppe eine große, reich verzierte Holztür. Vorsichtig schoben sie die großen Türflügel auf. Zum Glück wurden die Angeln regelmäßig geölt, sonst hätten diese massiven Flügeltüren ordentlich Lärm machen können. Sie betraten den riesigen Raum, den noch die Sonne durch die deckenhohen Fenster in ein geheimnisvolles Licht tauchte. Vorsichtig schlossen sie die Türen wieder hinter sich.   „Also los, ich kümmere mich um die ganzen Möbel, die müssen hier raus. Rubia, du nimmst dir die Fenster vor. Meliana und Perio, ihr kümmert euch um die Wände und die Decke. Danach sehen wir weiter.“   Gesagt getan und kurze Zeit später verschwanden die Möbel durch magische Portale, nur um an anderen Orten des Schlosses wieder aufzutauchen. Natürlich nicht allzu weit entfernt und nirgendwo, wo sich jemand verletzen könnte. Es sei denn dieser jemand war Schlafwandler. Aber ein Restrisiko gab es ja immer.   Während der Raum zusehends leerer wurde, belegte Rubia die Fensterscheiben mit Froststernen, welche die üblichen Frostflächen an den Scheiben ersetzten. Im Inneren der Froststerne flimmerten winzige Feuerpartikel, die den Frost von draußen von der Scheibe fernhielten. Wenn man einen Froststern beobachtete, konnte man meinen, dass die Feuerpartikel darin tanzten. Ab und zu schienen sie die Richtung zu wechseln, wie kleine Feuerfunken, die im Wind umhergeweht werden. Meliana und Perio hatten inzwischen schon arkane Sterne und kleine Kugeln aus Feuer unter die Decke gezaubert, und hatten nun angefangen, eine der Wände mit verschiedenen Mustern aus Arkan- und Feuermagie zu verzieren. Rubia sah zur Wand und die Magie ließ langsam ein Bild von sich umkreisenden oder jagenden Magieeffekten erkennen. Immer wieder huschte ein arkaner Funke über die Wand, um sich mit einem aus der anderen Richtung kommenden Feuerfunken erst zu umkreisen und schließlich in einer gemeinsamen kleinen Explosion in ein faszinierendes Farbenspiel aus lilanen, roten, gelben und orangenen Funken zu zerplatzen.   Es dauerte nicht lange, bis Rubia die deckenhohen Fenster mit Froststernen bedeckt hatte. Nun sah es so aus, als gäbe es frostige Säulen bedeckt mit Froststernen, die nahe der Decke in Bögen übergingen. Es erinnerte an die vielen Holztorbögen im Garten des Schlosses, in dem die Königsfamilie zum ersten Mal eine Winterfeier für die Kinder der Stadt veranstaltete, die keine Eltern mehr hatten.   In einigen blutigen Konflikten hatte es vor Jahren viele Opfer gegeben und viele Kinder waren ohne Eltern geblieben. Seitdem hatte das alte, kleine Jagdschloss der Königsfamilie vor sich hingedämmert. Man hatte es nicht für angebracht gehalten, wegen der damaligen Vorkommnisse hier ein Fest zu feiern. Dieses kleine Jagdschloss war sehr verspielt was seine Architektur anging. Es gab überall Tierskulpturen aus Holz oder aus kunstvoll zurechtgeschnittenen Bäumen oder Büschen. Einen Baum hatte man so magisch beschnitten, dass im Sommer das Blätterwerk aussah wie ein kleines Haus und der Eingang des Schlosses war von einem Kunstvoll geschnitzten Tor verziert, das wie eine Zusammenkunft von Tieren aussah. Nicht umsonst hatte das Schloss den Beinamen Märchenschloss erhalten. Jetzt im Winter waren viele Bäume und Büsche kahl, aber bedeckt von Schnee. Aber immer noch konnte man hier und da durch den Schnee Immergrün sehen, das einige Bäume und Büsche das ganze Jahr zierte.   Rubia sah sich um. Jenias hatte mittlerweile die Möbel fortgeschafft und  hatte angefangen, überall ein paar Erdtiere entstehen zu lassen, während Meliana und Perio sich wieder der Decke zuwandten.   „Ein bisschen trist sehen sie hier drin schon aus zwischen all der farblichen Magie, findest du nicht? Rubia sah Jenias fragend an. „Ja, stimmt. Es ist doch ein ziemlich starker Kontrast. Das hatte ich so nicht erwartet. Wie wäre es mit etwas grünem Fell?“ Er grinste Rubia auffordernd an. „Das ist eine gute Idee!“   Rubia konzentrierte sich und ließ aus der dunklen Erde, mit der er einen Hirsch erschaffen hatte, langsam Gras wachsen, wobei sie Geweih und Augen aussparte. Bevor sie allerdings dazu kam, dem Hirsch ein paar feurige Augen zu verpassen, hatte Perio bereits seine Arkanmagie spielen lassen und die Augen des Hirschs leuchteten in einem mysteriös funkelndem lila. Gespielt beleidigt streckte ihm Rubia die Zunge raus und wollte sich schon der nächsten Figur zuwenden, als ihr eine Idee kam. Kurz darauf hatte der Hirsch eine feurig rote Nase.   „Im Ernst?“ Perio sah sie skeptisch an. „Also ich finde das sieht lustig aus. Den Kleinen wird es gefallen.“ Meliana piekte Perio in die Seite. „Ist ja gut, dann lasst es so. Er sieht mit der Nase nur etwas…betrunken aus.“   „Betrunken? Du kleiner“, Rubia brach ab, als sie ein Geräusch auf dem Flur vernahmen und alle vor Schreck erstarrten. Es hatte wie Metall geklungen, das zu Boden gefallen war. Rubia sah zu Jenias. Hatte er vielleicht irgendein Möbelstück versehentlich an einer ungünstigen Stelle gestellt und einer der Bediensteten war darüber gestolpert? Er schüttelte nur den Kopf. Die vier bleiben noch eine Weile ruhig und spürten ihren Herzschlag heftig gegen ihre Brust schlagen und ihre Ohren schienen mehr wahrzunehmen. So schien es ihnen jedenfalls. Aber es blieb ruhig.   „Vielleicht eine der Katzen“, flüsterte Perio und Meliana nickte zustimmend.   Wahrscheinlich hatte er Recht. Katzen gab es hier einige. Trotzdem verhielten sich die vier nun noch ruhiger, während sie Figuren entstehen ließen, magische Kugeln unter der Decke platzierten und noch ein paar Ranken aus Pflanzensamen an den Wänden entlang entstehen ließen.   Als sie fertig waren erschien der Raum gar kein Raum mehr zu sein sondern wirkte, als wäre man draußen mit lauter Magiefunken, die sich durch Rankentore gegenseitig zu jagen schienen um zu zerplatzen und Tieren, die das Ganze zu beobachten schienen. Sie hatten die Magie der Deckenkugeln so weit herabgedämmt, dass sie nur sehr wenig Licht von sich gaben.   „Das sieht doch gut aus finde ich“, sagte Perio schließlich und sah die anderen stolz an. „Ja, aber etwas fehlt noch.“   Rubia grinste, trat in die Mitte des Raumes und legte zwei Samenkörner auf den Boden. Sie atmete einmal tief durch und begann schließlich mit Hilfe ihrer Feuer- und Pflanzenmagie einen Fichtenbaum wachsen zu lassen. Jenias, Meliana und Perio unterstützten sie und nach kurzer Zeit reichte die Fichte bis fast unter die Decke und wurde nun mit den verschiedenen Magiearten mit bunten Kugeln, Lichterbändern und winzigen, magischen Figuren geschmückt. Auf der Spitze ließ Rubia eine Feuerblume entstehen, die durch ihr Eistalent verstärkt rot-bläulich leuchtete. Auch das Licht der Magie des Baumes dämmten sie, damit nicht zufällig jemand aufmerksam wurde, der draußen vielleicht vorbeikam.   „Gut, das reicht jetzt. Verschwinden wir und vergesst nicht, nachher Spuren hierher zu legen!“   Meliana machte mit ihren Händen eine scheuchende Geste und vorsichtig öffneten sie die großen Flügeltüren. Niemand war zu sehen. Vorsichtig liefen sie zurück in ihre Unterrichtszimmer. Sie hatten in der großen Pause gerade genug Zeit gehabt für die ganze Aktion. Das schwierigste war gewesen zu verhindern, dass ihnen jemand folgte.   Während des Winters waren die Kinder im Schloss untergebracht und wurden von verschiedenen Lehrern unterrichtet. Einige zeigten magische Begabung und wurden unter anderem von Rubia, Meliana, Perio und Jenias in den einfachsten Grundlagen geschult, da sie noch zu jung waren, um höhere Magie zu lernen. Kalian, Rubias Lehrmeister, hatte die vier schon vor einigen Tagen mit dieser Aufgabe betraut, damit sie lernten, wie man anderen etwas über Magie beibringt. Natürlich waren dennoch erfahrene Lehrer und Magier anwesend, denn auch die vier sollten lernen.   Es war schon dunkel, als die Lehrstunden beendet und zum Abendessen gerufen wurde. Die vier Freunde ließen sich zurückfallen und trennten sich schließlich, um verschiedene magische Spuren zum geschmückten Raum zu legen, bevor auch sie sich dem Abendessen anschlossen.   Es herrschte eine heitere Stimmung und die Königsfamilie nahm selbst an dem Essen teil. Später, so hatten die vier erfahren, sollten sie beim Verteilen von Geschenken helfen. Das war eigentlich der zündende Funke für ihren Plan gewesen. Das Schloss hatte seinem Namen zweifellos bisher schon alle Ehre gemacht, aber die Kinder waren dennoch immer etwas bedrückt gewesen. Daher hatte Meliana vorgeschlagen, ihnen mit magischer Hilfe eine besondere Überraschung zu bereiten. Sie wussten wo die Geschenke aufbewahrt wurden und während sie die magischen Spuren gelegt hatten, die erstmal kreuz und quer durch das kleine Schloss führten, bevor sie vor den großen Flügeltüren endeten, hatte Jenias die Geschenke unter den magischen Baum verfrachtet.   Die Nervosität der Freunde stieg, je mehr sich das Essen dem Ende neigte. Während des Essens hatte sich Velion, einer der Berater des Königs zur Königin gelehnt und ihr etwas ins Ohr geflüstert, dass sie offensichtlich sehr amüsiert hatte und das sie gleich an ihren Gemahl weitergab, der kurz lachte und seinem Berater einen verschwörerischen Blick zuwarf. Rubia fragte sich, was der Mann wohl erzählt haben mochte. Er kam viel herum und hatte immer wieder neue Geschichten zu erzählen.   Nach einer scheinbaren Ewigkeit beendeten alle das Essen und die Kinder liefen voran raus aus dem Speisesaal, vor dessen Türen sie abrupt stehen blieben.   „Hast du gesehen Lyria? Ein arkanes Kaninchen!“   „Ja, Wahnsinn! Oh, es läuft weg!“ Die beiden Kinder liefen dem magischen Geschöpf hinterher, während auch die anderen Kinder verschiedenen magischen Tieren nachliefen, die nun ihren Spuren durch das Schloss folgten, um die Kinder auf Umwege zum eigentlichen Ziel zu führen.   „Wie ich sehe, habt ihr euch ein kleines Spiel für die Kinder überlegt. Eine gute Idee.“ Kalian sah die vier lobend an. „Das ist ja noch gar nichts! Warten sie nur ab bis“, Meliana hielt Jenias den Mund zu, bevor er noch mehr sagen konnte. Kalian hob nur die Augenbrauen und schmunzelte. Es war nicht das erste Mal, dass die vier etwas ausheckten. „Vielleicht sollten wir auch mal einer der Spuren folgen, was meinst du Liebster?“ Die Königin sah ihren Gemahl aufmunternd an. „Hervorragende Idee. Folgen wir doch der kleinen Katze, die ist noch nicht weit.“   Mit einem Nicken in Kalians Richtung folgte das Königspaar der magischen Spur, die nur langsam verblasste. Überall konnte man die Kinder fröhlich durch die Gegend laufen sehen bei ihrem Versuch, die Tiere einzuholen.   Es dauerte aber gar nicht so lange, bis die Kinder und auch das Königspaar vor den großen Flügeltüren standen. Meliana, Jenias, Rubia und Perio hatten mit Velion aufgeschlossen und auf ein unsichtbares Kommando sprangen die magischen Tiere gegen die großen Flügeltüren und ließen sie so sanft aufschwingen und langsam leuchteten die magischen Kugeln im Raum stärker auf, bis sie alles in buntes Licht hüllten, nur leicht vom Licht des Baumes überstrahlt, um den eine Menge Geschenke lagen.   Staunend betraten die Kinder den großen Raum und bestaunten die Wände, Fenster, Decke und all die Figuren und den Baum in all ihrer magischen Pracht.   „Sieht so aus, als hätte jemand Geschenke für euch hier gelassen“, verkündete die Königin schließlich und sah zunächst in überraschte und dann vor Glück strahlende Gesichter. Die Kinder stürzten sich auf die Geschenke.   „Da habt ihr ja einen schönen Winterzauber gewirkt.“ Die vier Freunde zuckten erschrocken zusammen, als sie Velions Stimme hinter sich hörten. „Woher…“ Perio brach ab.   „Woher ich das weiß? Na hör mal, wenn ihr vier versucht euch heimlich aus dem Unterrichtsraum zu schleichen und nicht gesehen werden wollt, dann fällt das schon auf.“ Der Berater grinste amüsiert. Rubia musterte ihn kurz und dann fiel ihr sein Schlüsselbund am Gürtel auf. „Sie waren das! Das metallische Geräusch von vorhin, das waren die Schlüssel!“   „Nun, mir könnte vorhin wegen eines vorher nicht an der Stelle stehenden Tisches etwas runtergefallen sein.“ In seinen Augen konnte man den Schalk funkeln sehen. Der Mann hatte gerade jede Menge Spaß dabei zu genießen, dass er die vier bei ihrem Tun beobachtet hatte.   „Sie sind nicht überrascht, dass alles hier zu sehen, oder?“ Meliana sah ihn fragend an. „Nein. Wisst ihr, ein Spiegelzauber an der richtigen Stelle kann manchmal recht nützlich sein.“ Er schmunzelte und zwinkerte nun der Königin zu.   „Aber…Spiegelzauber sieht man. Sie wirken wie echte Spiegel, nur dass man auch von der anderen Seite hindurchsehen kann!“ Jenias war verwirrt. Er hatte Perio und Meliana immer wieder bei der Dekoration der Wände beobachtet aber keinen Spiegel gesehen.   „Es sei denn man ist mit Pflanzenmagie ganz gut. Dann kann man Illusionszauber wie den Spiegelzauber zum Beispiel mit einer Tür verschmelzen lassen.“ Der König lächelte seinem Berater vielsagend zu. „Ihr seid voller Geheimnisse, Meister Velion“, grinste Rubia. Wie viele Geheimnisse er wohl noch hatte? „Wer weiß, vielleicht entdeckt ihr ja noch ein paar.“ Er zwinkerte ihr noch zu, bevor er zu den Kindern ging die nun eifrig Geschenke untereinander tauschten oder ausprobierten.   „Das ist wirklich eine sehr schöne Idee. Ich finde, dass sollten wir jetzt immer zum Winterfest so machen. Wer weiß, vielleicht sind die magisch begabten unter ihnen nächstes Jahr so weit, dass sie selber ein bisschen mit dekorieren können.“ Die Königin zwinkerte den vieren aufmunternd zu und stolz betrachteten sie die Szene vor sich. „Ja, das wäre toll.“   Der Vollmond, der nun durch die hohen Fenster schien, sorgte mit seinem Licht für ein geheimnisvolles rotes Glitzern auf dem Boden, als die Lichtstrahlen durch Rubias Froststerne fielen und das Licht der Feuerfunken brachen. Ja, wenn die Kleinen selber erst ein bisschen besser zaubern konnten, würde es bestimmt schön sein, mit ihnen gemeinsam den Raum zu schmücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)