Mord im Weihnachtsexpress von lula-chan (Dreiundzwanzigstes Türchen des animexx-Adventskalenders 2018 (Originale) [Joker]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Thabea seufzt. So hatte sie sich diesen Sonntag nicht vorgestellt. Natürlich hätte sie absagen können, aber das kam ihr falsch vor, und so steht sie nun in der bitteren Kälte an dem kleinen Bahnhof in Dornum und wartet darauf, dass sie endlich los können. Ein Seufzen verlässt ihre Lippen. Sie hat jetzt schon keine Lust. Warum sie nicht mit Autos nach Norden fahren können, versteht sie nicht so Recht. Das einzige, was ihre miese Stimmung in Moment aufheitern kann, ist der Gedanke an die Schöfelbahn, die jedes Jahr neben den Buden des Norder Weihnachtsmarktes, ihrem Ziel für den heutigen Tag, aufgebaut wird. Thabea freut sich schon darauf ein paar Runden auf dem Eis zu drehen. Nach zehn weiteren Minuten auf dem zugigen Bahnsteig sind dann auch endlich die letzten eingetrudelt und die Gruppe kann in den Zug steigen. Thabea ist überrascht, wie viele mitkommen. Aus allen Gruppen finden sich Mannschaftsmitglieder - von Sechsjährigen bis zu Achtzigjährigen. Vor allem erstaunt es Thabea so viele aus ihrer Altersgruppe - den Frauen und Herren eins im Alter zwischen 18 und 44 - zu sehen. Sie hatte gedacht, dass sich besonders hier mehr Leute drücken würden. Thabea macht es sich im vorletzten Wagen bequem. Neben sie setzt sich Niels, ein junger Mann aus der Herren eins, und gegenüber lassen sich Franziska und Melanie nieder, zwei Mädchen aus der A-Jugend - den Sechzehn- und Siebzehnjährigen. Nächstes Jahr würden sie dann auch in der Frauen eins werfen. “Freut ihr euch auch schon so sehr auf diesen Ausflug wie wir?”, fragt Melanie, rollt dabei mit ihren Augen. “Ja, mega”, meint Thabea sarkastisch, “Mal ernsthaft. Der einzige Grund, warum ich mitkomme, ist die Schöfelbahn. Auf die Fahrt mit der Museumseisenbahn hätte ich jedoch gut und gerne verzichten können.” “Geht uns genauso”, sagt Franziska. Sie verschränkt ihre Arme vor ihrer Brust. “Torben hat eine Holzkugel mitgenommen. Ratet mal, was er damit vorhat”, meldet sich Niels plötzlich vollkommen unpassend zu Wort. “Der Typ hat doch einen Knall”, meint Thabea genervt. Sie kann sich schon denken, was Torben mit der Kugel vorhat. “Auf dem Eis? Ist das sein Ernst?”, will Melanie wissen. “Doch, ist …”, beginnt Niels, wird jedoch unterbrochen. “Hey, Leute! Willkommen im Weihnachtsexpress!”, grölt Keno durch das Abteil. Man merkt, dass bei ihm schon einiges an Alkohol geflossen ist - und das wohlgemerkt um 11 Uhr morgens. Thabea gibt auf seine Begrüßung nur ein Schnauben von sich. “Was hast du denn, Thabbi?”, fragt Keno nach. “Welches Läuschen ist dir denn über die Leber gelaufen?” “Du!”, gibt “Thabbi” barsch zurück. “Warum bist nur immer so gemein zu mir?”, jammert Keno. “Weil du sie nicht mehr alle hast”, denkt Thabea sich, doch das sagt sie nicht, stattdessen meint sie zu ihm: “Weil dass hier kein ‘Weihnachtsexpress’ ist, sondern eine alte Museumseisenbahn.” Keno zieht eine Schnute. “Du hast eben keine Vorstellungskraft”, gibt er zurück. “Vorstellungskraft?”, will Thabea verdattert wissen. “Ja, Vorstellungskraft!”, wiederholt sich Keno absolut überzeugt. “Hast du dir jetzt auch deine letzten Synapsen weggesoffen?”, fragt Niels seinen Mannschaftskollegen zweifelnd. Erneut verzieht Keno seinen Mund zu einer Schnute. “Ihr seid gemein”, jammert er. “Wie wär's, wenn du dich dann endlich mal erklären würdest”, meint Franziska mittlerweile ziemlich genervt. Zu Anfang fand sie das noch ziemlich amüsierend. “Ach, ihr Süßen seid ja auch da”, stellt Keno fest. “Bist du eigentlich bescheuert?”, will Melanie wissen. Ihr geht Keno gerade extrem auf den Keks. “Warum seid ihr alle nur so gemein zu mir?”, jammert Keno wieder rum. Thabea, Niels, Franziska und Melanie verdrehen daraufhin synchron ihre Augen. Keno zieht eine Schnute. “Dann suche ich mir eben andere Freunde”, meint er geknickt und macht sich auf den Weg in den letzten Wagen. Franziska schüttelt genervt ihren Kopf. “Was ist bei dem Typen eigentlich falsch gelaufen?”, will sie wissen, doch erhält nur drei Schulterzucken als Antwort. Mit einem Rucken setzt sich die Museumseisenbahn plötzlich in Bewegung. Es geht los Richtung Norden. Eine 42-minütige Fahrt liegt ihnen nun bevor. Thabea lehnt sich entspannt zurück und versucht es wenigstens etwas zu genießen. “...bea. Thabea. Thabea!” Jemand rüttelt unsanft an ihrer Schulter. “THABEA!”, erklingt es erneut. "Was’n los?”, nuschelt die Gerufene, “Sind wir schon da?” “Wach auf! Jetzt!”, hört sie Niels rufen. Schlagartig ist sie hellwach. Sie springt von ihrem Platz auf und schubst Niels dabei um. “Entschuldige.” Sie hilft Niels wieder auf seine Füße. “Macht nichts”, murmelt er peinlich berührt. Kurz ist es still zwischen beiden, doch plötzlich fällt Thabea wieder ein, dass Niels sie wegen irgendetwas geweckt hat. “Was ist eigentlich los?”, will sie deswegen wissen. “Oh, stimmt. Verdammt! Wir müssen hier sofort raus!”, ist Niels wieder bei der Sache. “Was? Warum?”, fragt Thabea verwirrt. “Hier treibt sich ein Mörder rum. Franzi hat ihn gesehen”, erklärt Niels, versucht dabei möglichst ruhig zu bleiben. Thabea weicht alle Farbe aus ihrem Gesicht. “Was?”, fragt sie geschockt nach. “Los, komm. Wir müssen in den letzten Wagen.” Niels greift nach ihrer Hand und zieht sie mit sich zu der Tür des Abteils. Gerade als er die Hand an den Knauf setzt, hören sie ein Geräusch aus der entgegengesetzten Richtung. Thabea und Niels fahren herum. In der Tür steht Holger - mit einem blutigen Messer in der einen und einer Pistole in der anderen Hand. Ein irres Lächeln liegt auf seinen Lippen. Thabea muss schlucken. Sie kennt Holger nur als lustigen Gesellen, der über alles seine Witze reißt und für jeden Spaß zu haben ist. Er hat jahrelang ihre Jugendgruppe trainiert. Der Schock sitzt dementsprechend tief. Dass Niels sie hinter sich schiebt, merkt sie gar nicht richtig. “Lauf”, raunt er ihr zu. Als sie nicht reagiert, wird er lauter: “Thabea, lauf!” Es braucht etwas bis die Worte zu ihr durchdringen, doch als es soweit ist, dreht sie sich schlagartig um und will in das nächste Abteil flüchten, doch ein Knall lässt sie, den Knauf der Tür immer noch in der Hand haltend, in ihrer Bewegung stocken. Etwas Schweres prallt gegen sie. Langsam dreht sich Thabea um. Das Gewicht fällt auf den Boden, doch ihr Blick gilt nicht ihm, sondern Holger. Er steckt dort. Die Pistole auf sie gerichtet. Thabea schluckt und richtet ihren Blick nun langsam nach unten. Was sie sieht, lässt ihr das Blut in den Adern gefrieren. Niels ist es, der gegen sie geprallt ist. Er liegt vor ihr auf dem Boden. Die Patronenkugel ist in seinen Kopf eingedrungen. Thabea spürt, wie Galle in ihr hoch steigt, doch sie schluckt es runter und blickt vorsichtig wieder auf. Holger steht immernoch auf der anderen Seite des Wagens. Die Pistole hält er nun jedoch gesenkt, während er das Messer vor seine Brust hält. Thabea stößt einen Schrei aus und wendet sich panisch der Tür zum nächsten Wagen zu. Verzweifelt rüttelt sie an dem Türknauf. In ihrer Panik schafft sie es jedoch nicht die Tür zu öffnen. Schwere Schritte ertönen. Thabea wirbelt herum. Holger ist ein gutes Stück näher gekommen. Ängstlich presst sich Thabea mit dem Rücken an die Tür, den Knauf immer noch in der Hand haltend. Holger kommt immer näher. Kurz vor ihr bleibt er stehen und lächelt. In seinen Augen liegt ein irrer Glanz. Holger hebt das Messer in seiner Hand, bereit zuzustechen. Thabea kneift ihre Augen zusammen. Sie will es nicht sehen. Ihre Hand verkrampft sich um den Knauf. Sekunden später spürt sie den Schmerz. Er zieht sich durch ihren gesamten Körper und sie sackt zusammen, doch den Knauf hält sie immer noch fest. Blaues Licht erhellt den Norder Bahnhof. Für den Busverkehr ist der angrenzende Busbahnhof längst gesperrt. Polizisten und Notärzte wuseln auf dem Platz umher. Sie versuchen zu retten, was zu retten ist, doch es scheint nicht so, als hätte irgendjemand das Massaker in der Museumseisenbahn überlebt. 50 Leichen wurden bereits geborgen und immer noch tragen die Einsatzkräfte Leichensäcke aus der Eisenbahn. Sie wurden schnell getötet: Entweder durch einen Schuss in den Kopf oder einen Stich ins Herz. Der Täter wurde jedoch noch nicht gefunden, noch nicht einmal die Tatwaffen. Polizisten suchen bereits die Strecke nach Hinweisen ab, doch bisher haben sie noch nichts entdecken können. Die Frage, wer zu so einer Tat überhaupt fähig ist, schwebt in den Köpfen aller Einsatzkräfte. Es ist für sie unerklärlich. Er hat sogar Kinder und Alte getötet. Vor niemandem hat er Halt gemacht. Niemanden hat er verschont. Für die Angehörigen wird es eine schwere Zeit werden, vor allem, da es so kurz vor Weihnachten gesehen ist. Auch die Polizisten werden es nicht einfach haben, da es nun darum geht den Täter zu finden und dingfest zu machen. Die Feiertage sind somit für sie gelaufen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)