Neujahrsgrüße von Sydney (25. Kalendertürchen 2018) ================================================================================ Kapitel 1: Neujahrsgrüße ------------------------   Neujahrsgrüße     Ein Knall riss ihn aus seinem oberflächlichen Schlaf. Es war nicht das erste Mal, dass er auf diese Art geweckt wurde. Er wusste nicht wie lange er geschlafen hatte. Die Nacht war dunkel und bewölkt. Zu dieser Jahreszeit fiel es schon untertags schwer die Zeit abzuschätzen. Nachts war es nahezu unmöglich, Wie schon in den vorigen Nächten herrschte auch in diesen Stunden Kriegsstimmung. Immer wieder kam es auf dem sonst so friedlichen Flecken Land zu heftigen Explosionen. Er hatte schon längst aufgehört zu zählen, wie viele der lautstarken Entladungen bereits stattgefunden hatten. Dafür hatte er längst keine Kraft mehr.   Vor einigen Tagen hatte es begonnen. Plötzlich. Unvorhersehbar. Seitdem war der Terror immer schlimmer geworden. Zuerst hatte er es für das entfernte Donnern eines Gewitters gehalten. Doch der Himmel war nicht erleuchtet worden. Zwar hatte es manchmal helles Leuchten gegeben, doch wenn dann immer in Bodennähe. Auch die Jahreszeit war untypisch. Es lag dichter Schnee auf dem Land, eine Zeit in der es für gewöhnlich nicht gewitterte. Als es dann auch in der nächsten Nacht geknallt hatte, auch viel näher, hatte er nicht mehr an eine natürliche Ursache geglaubt.   Welche Macht hinter den Ereignissen stand wusste er nicht. Er interessierte sich nicht für solche Dinge. Doch selbst wenn er danach gefragt hätte, hätte es ihm niemand verraten können. Er wollte nur in Frieden leben. Überleben zumindest. Etwas, das zu dieser Zeit sowieso schon schwer genug war. Es war hart von dem kalten kargen Land zu leben. Genauso erging es seiner Gefährtin. Das junge Glück wurde auf die Probe gestellt. Ihrer Natur entsprechend waren sie beide keine großen Helden. Weder waren sie besonders stark, noch hatten sie Waffen oder wussten, wie man kämpfte. Sie konnten nichts gegen das Unheil tun. Gegen den Feind mit den Bomben. So taten sie das einzige, das sie tun konnten. Sie harrten aus. Versteckt. So weit weg wie möglich.   Seit Tagen hatte er keine Nacht mehr durchschlafen können. Der Schlafmangel hatte schon seine Spuren hinterlassen. Untertags fiel alles schwerer. Es gelang ihm kaum noch seinen Alltag zu überstehen. Er war schreckhaft, fahrig. Und seiner Gefährtin erging es ebenso. Auch sie war von der lauten Explosion aus dem Schlaf gerissen worden. Panisch versuchte sie die Quelle der Entladung zu finden. Doch im Dunkel der Nacht, noch geblendet von dem gleißenden Licht, hätten auch die besten Augen nichts gesehen. Weitere Explosionen erleuchteten den Nachthimmel. Immer mehr. Immer näher. Er konnte es nicht mehr aushalten. Es war zu viel. Zu viel. Zu lange schon. Zu nah. Er konnte nicht anderes. Er floh. Kopflos. Überstürzt. Ohne nachzudenken in welche Richtung. Einfach fort. So schnell er konnte.                                                                                              *   Erst als die Sonne am nächsten Morgen aufging konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen. Er wusste nicht, wie lange er geflohen war. Er wusste nicht, wo er war. Er wusste nicht, wo seine Gefährtin war. Seine Glieder schmerzten. Von der Anstrengung und den kleinen Ästen und Dornen, an denen er hängen geblieben war. Sein Weg hatte ihn von einem Dickicht ins nächste getrieben. Immer auf der Suche nach einem sicheren Ort. Seine Lungen brannten. Sein Herz raste. Er konnte jeden Schlag spüren, als wollte es ihm aus der Brust springen. Die kalte Morgenluft war immer noch erfüllt von einem stinkenden Nebel. Er suchte sich einen Winkel, geschützt von den Ästen einer alten Tanne. Die dichten Äste verbargen ihn vor neugierigen Augen. Es war kaum ein Geräusch zu vernehmen. Er wartete, bis sich sein Atem normalisiert hatte. Bis sein Herzschlag wieder einen normalen Rhythmus hatte. Als er sich wieder gefangen hatte, erklomm er den alten, hohen Baum. Er musste sich einen Überblick schaffen. Oben angekommen bot sich ihm ein verstörendes Bild. Zertrampelter Schnee verriet ihm, dass noch viele andere in dieser Nacht nach einem sicheren Ort gesucht hatten. Tote Körper verrieten ihm, dass es nicht alle geschafft hatten. Was war mit seiner Gefährtin geschehen? Er konnte und wollte nicht darüber nachdenken. Zuerst musste er nachhause finden. Bei Tageslicht, von seinem erhöhten Aussichtspunkt, konnte er sich orientieren. Jetzt, wo er wieder klare Gedanken fassen konnte, merkte er, dass er weit weniger Distanz zwischen sich und sein zuhause gebracht hatte, als er angenommen hatte. Er musste sich in Kreisen und Bögen bewegt haben. Doch in gerader Luftlinie konnte er sogar den großen Baum erspähen, der sein zuhause kennzeichnete. Er verharrte noch für einen kurzen Moment. Sammelte Kraft, sah sich um. Die gespenstische Stille hielt an. Kaum ein Laut erklang. Keine Explosionen. Kein Knall. Er machte sich auf den Weg.   Vorsichtig rief er nach seiner Gefährtin, als er sich ihrem zuhause näherte. Während die Sonne höher stieg bemerkte er nun andere, die das gleiche taten, sich aus ihren Verstecken wagten, nach ihren Familien und Partnern suchten. Ihre Stimmen bildeten ein verstörendes Konzert. Hie und da ertönten Ausrufe des Glücks, wenn sich Getrennte wieder gefunden hatten. Dazwischen die Rufe der Suchenden.   Sie war nicht da, als er ankam. Seine Rufe blieben unbeantwortet. Er suchte und suchte. Verzweifelt. Tausende Gedanken schossen durch seinen Kopf. War sie geflohen? So wie er? Hatte sie sich verirrt? Oder war irgendwo im Gestrüpp gefangen? Wo konnte sie geblieben sein? Schnee haftete an seinen Beinen, doch er spürte die Kälte nicht. Er war ausgehungert, doch er fühlte nicht, wie sein Magen knurrte und sein Körper nach Energie verlangte. Sein Hals war rau vom vielen Rufen in der eisigen Luft, doch er rief und rief.                                                                                              *   Die Sonne stand hoch, als seine Fragen beantwortet wurden. Er fand sie. Unter der hohen Fichte, die ihr zuhause überragte. Sie lag im Schnee unter dem Baum. Friedlich, als würde sie schlafen, wären da nicht die geöffneten Augen gewesen, die leer in den kalten Winterhimmel starrten. Das braune Gefieder, das ihren dünnen Körper bedeckte, leicht im Wind wehend.   Eine wunderschöne junge Amsel.   Ein weiteres Opfer der Silvesternacht.         --------------------------------------------       So oder so ähnlich spielt es sich leider jedes Jahr ab. Unzählige Wildtiere werden durch den Silvesterwahnsinn geschwächt. Für einige endet es tödlich. Gerade Wildvögel sind extrem stressanfällig. Sie können vor Schreck sterben, wenn es rund um sie herum knallt. Sie können in Panik gegen Gebäude oder Autos fliegen. Aber neben diesen drastischen, direken Todesfolgen, gibt es noch ein weiteres Problem: Wenn die hart erarbeiteten Reserven für den Winter verloren gehen, weil die Tiere ihre Energie in Fluchtversuche stecken müssen.   Neben den Wildtieren gibt es auch jedes Jahr tragische Fälle in denen Haus- und Nutztiere verletzt werden oder sterben. Pferde, die sich in Panik Knochen brechen, Hunde und Katzen die vor Autos laufen. Das örtliche Tierheim bekommt dieses Jahr Polizeischutz, weil im letzten Jahr massiv auf dem Gelände geböllert wurde.   Während früher wenigstens nur am Silvesterabend herumgeknallt wurde, wird heute wochenlang mehr oder weniger herumgekracht. Das muss einfach nicht sein. Niemand hat etwas gegen ein geordnetes Neujahrsfeuerwerk, von Profis an einem geeigneten Ort abgehalten. Aber stupides herumknallen, unprofessionelles Herumhantieren an Rakteten, billigst und schlecht produzierte, illegale Pyrotechnik - das braucht kein Mensch. Ganz im Gegenteil, unbeteiligte die Verletzt werden, oder deren Wohnunge abgefackelt werden gibt es nämlich auch jedes Jahr. Also wer es nicht für die Tiere bleiben lassen will, der sollte an seine Finger und seine Mitmenschen denken.   Macht lieber etwas, das Sinn hat. Kauft euch für das Geld etwas Schönes. Oder tut etwas Gutes und spendet. #FutterStattBöller, etc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)