Die Mauern von Satunsat von Ixtli ================================================================================ Kapitel 1: Der blaue Elefant in Raum und Zeit --------------------------------------------- "Guten Morgen, Doctor", murmelte die junge Frau, während sie sich mit einem erschöpften Seufzen auf der Sitzbank gegenüber des Mannes niederließ, der sie bereits seit ihrem Eintreffen in dem Café aufmerksam beobachtete, ohne die Begrüßung sofort zu erwidern. Ihr Anblick gefiel ihm nicht. Martha war todmüde, so jedenfalls sein Eindruck. Der Kragen des Wollmantels, den sie trug, war auf der linken Seite achtlos nach innen geschlagen und der Riemen ihrer Handtasche hatte sich mehrmals um die eigene Achse verdreht. Kleine Dinge, die aber nicht in das Gesamtbild der organisierten Medizinstudentin passten. Die letzten Schneeflocken, die sie von draußen mit hinein gebracht hatte, schmolzen in der Wärme und hinterließen kleine glänzende Wassertröpfchen auf ihrem zum Pferdeschwanz gebundenen Haar. Einige Strähnen hatten sich daraus gelöst und hingen ihr in die Augen, um die ungewohnte tiefe Schatten lagen. "Guten Morgen, Martha Jones, Sie heute ausnahmsweise mal nicht ganz so hell strahlende Sonne Londons. Was ist los? Was hat Sie wachgehalten?" "Nachtschicht." Diese zwei Silben schienen Martha schon Mühe zu kosten. Ihr Kopf, den sie auf eine Hand gestützt hatte, neigte sich immer weiter zur Seite. "War das gerade eine Beleidigung?" Sie war heute nicht die schnellste, musste sie zugeben, und ihre belebte Umgebung tat ihr übriges dazu. Die Geräusche des Cafés dröhnten in ihrem Schädel. Klirrendes Geschirr schnitt in ihren Gehörgang. Und selbst das Umrühren mit dem Löffel in der Tasse erzeugte mit jeder Umdrehung, die der Löffel tat und dabei über das Porzellan kratzte, eine sich endlos dahinziehende Qual. "Beleidigung?" Der Doctor setzte sich etwas auf. Er verschränkte die Hände vor sich auf der Tischplatte und versuchte vergeblich, das Schmunzeln zu unterdrücken, das in seinen Mundwinkeln zu zucken begann. "Sie meinen das mit der Sonne?" Sein Schmunzeln verschwand mit ihrem Nicken. "Das war keine Beleidigung, das war Besorgnis." "Auch egal." Martha nahm ihre Tasche, die sie achtlos neben sich auf die Sitzbank hatte fallen lassen, und kramte eine Weile stumm darin herum, bis sie schließlich ein Päckchen von der Größe eines Buchs daraus hervorzog. "Alles Gute zum Geburtstag." Sie legte das in buntes Papier eingeschlagene Geschenk auf den Tisch und versuchte heimlich ein Gähnen zu unterdrücken. "Vielen Dank!" Der Doctor, der die Geste der jungen Frau sehr wohl bemerkt hatte, griff nach dem Päckchen und begann eifrig damit, das Papier aufzureißen. Menschen... Martha sah sich nach der Bedienung um. "Warum haben Sie die Einladung im Krankenhaus abgegeben, statt sie an meine Adresse zu schicken?" "Ich war gerade in der Nähe." Das Päckchen war wirklich gut eingepackt. Diese ganzen Schnüre und Klebestreifen... "Außerdem war es ein spontaner Einfall und die Post hätte zu lange gedauert." "Seit wann sind Geburtstage denn spontan?" Martha legte die Speisekarte beiseite und wandte sich dem Kellner zu, der gerade neben ihr stehengeblieben war und sie nun mit gezücktem Stift und Schreibblock in den Händen abwartend ansah. "Oh, bitte bestellen Sie nichts", unterbrach der Doctor Martha in dem Augenblick, in dem sie den Mund öffnete, um dem Kellner ihren Wunsch mitzuteilen. "Ich habe bereits eine Kleinigkeit für uns beide vorbestellt." "Schön, es ist ja schließlich Ihr Geburtstag." Martha zuckte bedauernd mit den Schultern und der Kellner rauschte davon. Das folgende Gähnen konnte sie nicht mehr unterdrücken. "Ihr wievielter Geburtstag ist es denn?" Wenn Martha gehofft hatte, dass er ihren Zustand vergessen hatte, dann hatte sie sich getäuscht. Aber so was von getäuscht. "Genaugenommen ist es nur mein Zwischengeburtstag." "Ihr was?" Marthas Müdigkeit war kurzzeitig weg und ihre gewohnte Neugierde flackerte durch. "Mein Zwischengeburtstag", murmelte der Doctor abgelenkt, während er das Geschenkband, das zusammen mit dem Klebestreifen und dem Papierknäuel eine heimtückische Allianz eingegangen war, von einem seiner Jackenknöpfe zu entfernen versuchte. Kleine verfluchte Erdendinge. Immer mussten sie sich an einen dran heften... "Was, bitteschön, ist denn ein Zwischengeburtstag", hakte Martha mit Nachdruck nach. Der Klebestreifen war endlich weg. "Ist es nicht schrecklich langweilig immer nur einmal im Jahr Geburtstag zu feiern? Erst recht, wenn man so wenige zur Verfügung hat, wie ihr Menschen?" "Na Sie verstehen es ja, einen aufzumuntern..." Martha verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Den Satz hätte sich der Doctor sparen können. Er hatte ja gut reden mit seinen waswusstesie wie vielen Geburtstagen, die er noch feiern konnte. Ohne sie. Und ohne alle, die sie kannte. Das Grinsen konnte sie sich trotzdem nicht lange verkneifen. "Denken Sie mal darüber nach", empfahl der Doctor der Frau gegenüber großzügig, die sich endlich erbarmte und ihm dabei half, das verhedderte Geschenkband zu lösen. "Und vergesst bitte nicht, auch Karten dafür zu drucken. Sie versäumen sonst ein richtig lukratives Geschäft."     "Wie viele Zwischengeburtstage feiern Sie denn so im Jahr?" Ihr Magen meldete sich. Sie hatte seit zehn Stunden nichts mehr gegessen. Die einzige Pause, die sie sich gegönnt hatte, war kurz nachdem sie endlich in der Kantine Platz genommen hatte, auch schon wieder von einem Notfall unterbrochen worden. "Ich feiere immer dann, wenn mir gerade danach ist", war die schlichte Antwort auf ihre Frage. So einfach war das in der Welt des Doctors... "Manchmal mehrmals pro Jahr, manchmal nur einen." Auch wenn Martha davon ausging, der Doctor hatte nicht aufgehört, sein Gegenüber zu analysieren. Mit jeder Minute, die verstrich, war die junge Frau wacher geworden. Da passte es gut, dass gerade ihr Essen im Anmarsch war. "Ich hoffe, Sie haben großen Appetit." Staunend sah Martha zu, wie zwei Kellner das Essen servierten, das der Doctor für sie bestellt hatte. Die Masse war schier unglaublich. Ihr Tisch brach unter der Last des ganzen Essens fast zusammen, und von der Tischplatte selbst war kaum noch ein freies Stückchen zu sehen. "Full English Breakfast", lobte der Doctor seine Auswahl und es klang wie ein Heiratsantrag an diese Monstrosität aus Kohlenhydraten und schlechten Fetten. Der Bacon knisterte leise kleine Fettbläschen vor sich hin. "Ich bleibe dann lieber bei schlichtem Toast und Marmelade", lachte Martha, während der Doctor sich bereits den Teller voll lud. "Was ihr Menschen euch immer einfallen lässt! Hier sind alle Grundnahrungsmittel vertreten, ist das nicht toll?", pries der Doctor sein mehr als gehaltvolles Frühstück an. Nacheinander tippte er mit der Gabel die fetttriefenden Würstchen, die glänzenden Bohnen und das – wirklich gut aussehende – Spiegelei an. "Das hier ist mein absolutes Lieblingsessen", sprach's und schob sich eine viertel Tomate in den Mund.     "Ich bin vollkommen satt!" Tatsächlich hatte er nur eine halbe Tomate gegessen... Es hatte wieder zu schneien begonnen, doch auf den belebten Straßen hatte das Weiß nicht die geringste Chance, länger als bis zum nächsten Reifenpaar durchzuhalten, das es sogleich wieder in eine matschige braune Pfütze verwandelte, die einem Tsunami gleich gegen den Rinnstein schwappte. Martha spürte, wie sich das gespannte Kribbeln in ihrem Bauch auszubreiten begann, als sie die blaue Polizeibox sah, die sich unauffällig in die Umgebung einfügte. Sie trug eine niedrige weiße Kappe aus Schnee und an den Rändern des Daches hingen aufgereihte Eiszapfen. Der blaue Elefant in Raum und Zeit. Die Erschöpfung, die Marthas Kopf mit tiefhängenden Nebelschwaden umgeben hatte, löste sich auf und sie beschleunigte ihre Schritte, die seltsam heiter und leicht wurden, mit jedem Meter, den sie sich der TARDIS näherten. Sie fühlte sich wieder wie ein Kind, das von der Schule heimkommt, die Schultasche in die Ecke feuert und sich dann dem wirklich wichtigen widmete, womit man seine viel zu begrenzte Kindheit verbrachte: dem Entdecken. Und die TARDIS war wie eine überdimensionale Spielzeugkiste. Voller Wunder und Geheimnisse, die sich hinter allen ihren unzähligen Funktionsweisen versteckten, die Martha nicht im geringsten zu verstehen im Stande war. Öffne eine Tür und etwas fantastisches ist dahinter. Öffne sie wieder und etwas anderes fantastisches offenbart sich dir. An Bord war sie tatsächlich wieder das Kind, das alleine durch seine eigene Fantasie Welten erschuf, ohne ihren Zweck zu hinterfragen. Alles ergab sowieso irgendwann seinen ganz eigenen Sinn in jeder noch so komplexen Verflechtung. Mit nur einem Unterschied: niemand rief einen bei Anbruch der Dunkelheit ins Haus, damit man sich die Hände wusch und brav am Abendbrottisch Platz nahm. Die Dunkelheit gehörte zum Entdecken mit der TARDIS dazu, inklusive aller Konsequenzen, die sich dabei auftaten. Und das war die erwachsene Seite an diesen Kindheitsabenteuern.     "Haben Sie einen Wunsch, wo Sie gerne hin möchten?" Er hatte seine Hände in den Taschen seines Trenchcoats vergraben und wippte gespannt auf seinen Füßen auf und ab. "Es ist doch Ihr Geburtstag", warf Martha verblüfft ein. "Zwischengeburtstag, um genau zu sein." Er zog seinen Schlüssel aus der Tasche, warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf. "Na?" Der Schlüssel glänzte verheißungsvoll in der Hand seines Besitzers und weckte den Forscherdrang in der gerade wieder acht Jahre alt gewordenen jungen Frau. Komm, öffne die nächste Tür! Wer weiß, was dieses Mal dahinter ist? Martha blickte den Doctor nachdenklich an. Dann fiel ihr etwas ein und ihre Mundwinkel bogen sich zu einem zufriedenen Lächeln. "Gibt es einen Planeten, auf dem man für, sagen wir mal, 72 Stunden einfach seine Ruhe hat?" Der Schlüssel fand seinen Weg ins Schloss. Der metallene Riegel immer Inneren schnappte auf. "Und ob es den gibt!" Der Doctor hielt Martha die Tür auf. "Und ich kann Ihnen sagen, dass es dort wirklich ruhig ist. Vielleicht ein bisschen zu ruhig. Aber wenn man sich erst Mal daran gewöhnt hat, geht es. Sie sollten sich nur von manchen Stellen dort fernhalten – erst recht, wenn sie sagen, Sie sollen näher kommen." Er hatte sich in Fahrt geredet und bemerkte dabei nicht einmal den entsetzten Gesichtsausdruck seiner hoffentlich bald–Begleiterin. "Meinen letzten Besuch dort habe ich nur knapp überlebt. Lustigerweise war das auch an einem meiner Zwischengeburtstage. Was für ein Zufall, oder?" Der Doctor lachte kurz auf. "Noch ein Grund mehr, zu feiern, finden Sie nicht?" Martha stand zögernd im Türrahmen. Ihre Hand umklammerte haltsuchend den Schulterriemen ihrer Handtasche und sie wirkte, als wolle sie gleich davonlaufen. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich mitkommen möchte." "Gute Entscheidung! Ich möchte, ehrlich gesagt, auch nicht mehr dorthin. Also-" Der Doctor machte eine einladende Kopfbewegung ins Innere der TARDIS, "reisen wir einfach irgendwo anders hin, was meinen Sie?" Martha atmete innerlich auf. "Einverstanden", verkündete sie und betrat die TARDIS. Kapitel 2: Das Ende des Universums & ein Doggy-Bag -------------------------------------------------- "Ich bin gespannt, wo es hingeht." Mit einer lässigen Handbewegung des Doctors startete sein treues Gefährt. Das etwas gequält klingende Rauschen brandete auf und erstreckte sich in einem langgezogenen Säuseln, das wie Singen klang. Schräges Singen. Schräges Singen von einer völlig unbegabten Person. Beinahe hätte Martha vor lauter Freude in die Hände geklatscht, als die TARDIS ihre Reise, von der sie noch nicht wusste, wohin sie sie führen sollte, begann. Der sanfte Schub, der ihren Körper ergriff, ließ eine Horde wildgewordener Schmetterlinge in ihrem Bauch frei, und die Spannung kribbelte elektrisierend auf ihrer Haut. Wo sie wohl landen wür- "Hören Sie das auch?" Der Doctor hatte seinen Kopf etwas zur Seite geneigt und lauschte angestrengt einem neu aufgetretenen Geräusch, das die TARDIS erfüllte. "Irgendetwas piept hier." Martha, die unwillkürlich den Atem angehalten hatte, flüsterte, als würde zu lautes Reden das Signal verscheuchen. "Und es wird wird schneller, oder?" Der Doctor nickte langsam, während das helle Piepen an Geschwindigkeit zulegte und in seinem immer schneller werdenden Takt eine gewisse Nervosität unter den beiden Reisenden erzeugte. "Ein Defekt?" Ihre Augenbrauen hatten sich etwas zusammengezogen. Dieses Geräusch übertönte mittlerweile die normalen Fahrtgeräusche der getarnten Raum-Zeit-Maschine. "Es klingt ein bisschen wie eine Warnung." Ein nichtssagendes "Hm..." war alles, was der Doctor Martha antwortete. Er war schon längst zu einem der Monitore gehechtet und sah gebannt auf die Laufschrift, die wie ein Wasserfall über das Display floss. "Ich sehe hier nichts, was auf einen Defekt hindeutet." Ein anderer Monitor, auf dem geometrische Zeichen tanzten, wurde geprüft. "Auch nichts. Seltsam." Er beugte sich unter das Schaltpult und rüttelte dort an einigen Drähten. "Es scheint alles in Ordnung zu sein. Keine Erklärung für diesen Tumult", klang es dumpf unter dem Schaltpult hervor. Der Doctor tauchte wieder auf, wischte sich energisch imaginären Staub von der Hose und sah mit verkniffenem Mund vor sich auf die Steuerungseinheit. Er wirkte mittlerweile dezent genervt. Das monotone Piepen war nun so schnell, dass es wie ein einziger anhaltender Ton klang. Der schrille Ton schmerzte in den Ohren, doch gerade in dem Moment, in dem Martha die Hände hob, um ihre Ohren zu bedecken, ging ein heftiger Ruck durch die TARDIS und das Gefährt stoppte. Die junge Frau verlor den Halt. Sie taumelte gegen eine der Säulen, die die Steuerungseinheit der TARDIS umgaben, und fiel davor auf die Knie.     "Ist bei Ihnen alles in Ordnung?", hörte sie die besorgte Stimme des Doctors, als sich ihre Umgebung wieder beruhigt hatte, doch sehen konnte sie ihn nicht. "Mit mir schon. Und bei Ihnen, Doctor?" Sein Kopf tauchte auf der gegenüberliegenden Seite auf, dann seine Schultern und dann der Rest. "Hören Sie das, Martha?" Vorsichtig rappelte sich die Angesprochene auf. Ihr linker Fußknöchel schmerzte zwar etwas, aber sonst war alles gut. "Hören Sie das?", wiederholte der Doctor noch einmal. Martha verneinte. Alles war- "Still, ja, genau darauf wollte ich hinaus", ergänzte der Doctor ihre unausgesprochenen Gedanken. "Sind wir gelandet?", fragte Martha in die bedrückende, tonlose Ruhe hinein, die ihre Stimme wie in einer Echokammer absorbierte, kaum dass sie die Worte ausgesprochen hatte. Es war absolut nichts mehr zu hören. Die Motoren der TARDIS standen still und auch das neu aufgetretene Piepen war verstummt. "Oh, wir sind gar nicht gelandet, jedenfalls nicht laut dieser Anzeige hier." Der Doctor deutete auf ein Display, dessen kryptische Zeichen ein Rätsel für die junge Frau waren. Ihr ratloses Gesicht nötigte den Doctor zu einer weiter ausholenderen Erklärung. "Es scheint, als wären wir mit etwas zusammengestoßen, aber-", sein Tonfall wurde lauernder, "da draußen ist nichts, womit wir zusammenstoßen könnten." Martha spürte ihr Herz, das ihr bis zum Hals hoch klopfte und ihr die Luft zum Atmen nehmen wollte. Alle möglichen Dinge fielen ihr ein, was ihre Situation betraf und keines davon gefiel ihr. "War doch nur Spaß!", rief der Doctor unvermittelt und fing lauthals an zu lachen. Gutgelaunt sprang er zum Schaltpult, zog an einem Hebel und pfefferte seine Faust auf einen Knopf hinab. Die Motoren der TARDIS brummten und sie nahmen wieder Fahrt auf. "Ich habe wohl einfach nur die Kupplung zu schnell kommen lassen und Sie wissen ja, was dann passiert..." "Die Kupplung?" Martha wusste nicht, ob sie lachen oder lieber den Doctor fragen sollte, ob er es tatsächlich so lustig fand, ihr einen Schrecken einzujagen. Sie entschied sich für Letzteres. "Wissen Sie, Doctor-" Er unterbrach sie schon wieder, indem er eine Hand hob und ihr bedeutete, still zu sein. Wie sie diese Geste verabscheute! Doch dieses Mal würde sie sich nicht von seinem nachdenklichen Gesichtsausdruck und den angespannten Blicken, die von einer Ecke der TARDIS in die andere huschten, verunsichern lassen. Sie würde ihm den Kopf waschen. Und zwar ordentlich! "Es ist schon wieder da." "Ich schwöre Ihnen, Doctor, wenn Sie sich wieder über mich lustig machen-" Ihr fiel keine darauf folgende Tat ein. Aber jetzt nahm sie es auch wahr. Das Piepen, das wenige Minuten zuvor schon einmal zu hören war, erfüllte schon wieder das Innere der TARDIS. Martha stand neben dem Doctor und warf einen Blick über die Schulter des Mannes auf den Monitor, den dieser etwas näher zu sich hin zog. Er setzte seine Brille auf, kippte den Monitor zuerst etwas nach links und dann nach rechts, drehte an einem – wie es schien – Schärferegulator, und war wohl trotzdem nicht mit dem Ergebnis zufrieden, das ihm daraufhin geliefert wurde. "Machen Sie es doch nicht so spannend." Martha kniff die Augen zusammen und versuchte etwas mehr als schwankende Wellenlinien und nicht menschliche Zahlenreihen zu erkennen. "Haben Sie den Grund für das Geräusch gefunden?" Sie rückte etwas von ihrem Nebenmann ab und sah ihn abschätzend an. "Oder ist es wieder die Kupplung?" Der Doctor schwieg eine ganze Weile lang. Dann stieß er den Atem aus, schob sich die Brille hoch auf den Kopf, wo sie nun wie eine Tiara zwischen seinen wirren Haaren thronte, und setzte das unechteste Lächeln auf, das sie je bei ihm gesehen hatte. "Alles in Ordnung, Martha", stieß er zwischen seinem Raubtiergrinsen hervor. Das Piepen wurde erneut hektischer und seine Blicke huschten kurz zu dem Monitor hinüber und dann wieder zurück zu Martha, auf deren Stirn sich eine tiefe Falte zwischen ihren Augen gebildet hatte. "Ihnen ist echt nicht mehr zu helfen." Sie klang beleidigt. Oder wütend. Er konnte den Unterschied momentan nicht herauslesen. Er hatte auch andere Probleme, wenn er ehrlich war. Dieses unerklärliche Piepen zum Beispiel. Welchen Zweck hatte es? Ein weiterer Ruck, der die TARDIS auf der Stelle stoppte, stoppte auch seine rasenden Gedanken. Martha warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. "Nicht die Kupplung", murmelte er nachdenklich. "Ich weiß, ich kann die Motoren der TARDIS nämlich noch hören." Sie hatte Recht. Schlaue, aufmerksame Martha Jones. Ihr konnte er nur schwer etwas vormachen. Er umfasste einen der Regler auf dem Steuerpult und gab mehr Schub, doch außer einem gequälten Geräusch, das aus dem tiefsten Inneren der TARDIS kam, passierte nichts. "Als hätten wir uns festgefahren." In den Augen der jungen Frau blitzte es amüsiert auf. "Unmöglich", warf er ein. "Wo sollen wir uns denn hier festfahren?" "Galaktischer Schneematsch?", witzelte Martha und er überlegte, ob ihm eine wütende Martha nicht lieber war als eine, die ihn nicht ernst nahm. Er legte den Rückwärtsgang ein – jedenfalls hätte er es seinen Begleitern so erklärt – und gab wieder Schub. Endlich kamen sie frei, doch die Freude darüber war nur kurz. Das verhasste Piepen erklang, wurde schneller, je weiter die TARDIS ihren Kurs hielt, ehe ihm dann zum dritten Mal ein Ruck folgte, der das Gefährt abrupt abbremste. Und zwar so abrupt, dass er langsam Angst bekam, dass diese dauernden Kollisionen der TARDIS irgendwann schaden könnten. "Haben wir vielleicht das Ende des Universums erreicht?" Das erste Mal horchte er auf. Der Witz an Marthas Witz war, dass er für einen winzigen Moment nicht nach einem Witz klang. Von ihrer Seite aus vermutlich schon, aber nicht von seiner. "Das wäre irgendwie lustig, richtig?" Das wäre es nicht. "Ich hoffe, wir haben genug Vorräte dabei für den Fall, dass das hier noch länger dauert." Martha dachte nicht daran, sich ihre gute Laune verderben zu lassen. Es war ja nicht ihre erste Reise. "Bereuen Sie es nun, dass Sie sich Ihr Frühstück doch nicht in ein Doggy Bag haben packen lassen?" Der Kopf des Doctors schnellte in die Höhe. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er gerade die Erkenntnis seines Lebens hatte. "Ach, das ist also der Sinn eines Doggy Bags?!" Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Ich hatte das ja völlig falsch verstanden!", rief er und musste über sich selbst lachen. "Jetzt verstehe ich auch die Reaktionen. Wissen Sie, Martha, die TARDIS ist ja eher ungeeignet für Haustiere, aber-" "Könnten Sie das erzählen, während Sie Ihre blaue Box wenden? Danke."     Als würde er eine Bombe entschärfen, gab er unter den wachsamen Blicken seiner Begleiterin, die jeden Handgriff mit Argusaugen beobachtete, vorsichtig Schub. Die TARDIS summte fröhlich vor sich hin. Es war doch alles in Ordnung, nicht wahr?! Gebanntes Luftanhalten und mentales Daumendrücken. Die TARDIS nahm ungehindert Fahrt auf. "Allons-y!", rief der Doctor erfreut auf und reckte die Arme in die Höhe. Die Erleichterung, die gerade von ihm abfiel, war immens. Nerviges Piepen, schneller werdendes nerviges Piepen und ein grober Halt, der die TARDIS ächzen ließ. Armes Ding. "Doch nicht Allons-y?" Mit verschränkten Armen und einem süffisanten Lächeln auf den Lippen sah Martha dem Doctor nach, der von einem Teil der Steuerungseinheit zum anderen hin und her hetzte und immer ratloser wurde. "Was gibt es da zu grinsen, Martha?", fragte er, ohne von den Monitoren und den blinkenden Lichtern aufzusehen. Ganz, ganz langsam irritierte ihn ihre gute Laune. Sie wusste etwas. Etwas entscheidendes, was er die ganze Zeit schon übersah, weil sein Hirn scheinbar kurz vor der Kernschmelze stand. Irgendeinen Zusammenhang musste es doch zwischen dem Piepen und den anschließenden Kollisionen geben. Nur welchen? Es war zum Haareraufen! Martha holte Luft. "Ich weiß, woher dieses ominöse Geräusch kommt." Der Doctor hob eine Augenbraue leicht an und lächelte milde. "Würden Sie es mir verraten, Miss Jones?" "Gerne doch, Doctor." Sie genoss ihr schnödes Menschen-Wissen, das seinem Timelord-Horizont gerade haushoch überlegen war, richtiggehend. Doch allzu lange wollte sie ihn auch nicht zappeln lassen, der TARDIS zuliebe, ehe er sie am Ende tatsächlich noch zu Schrott fuhr. "Bevor ich es Ihnen sage, könnten Sie bitte das letzte Manöver wiederholen? Nur bitte nicht ganz so viel Schub, das arme Ding hat schon genug gelitten." Er tat, was sie verlangte. Mit dem gleichen Ergebnis. "Ich habe keine Ahnung, was das sollte." "Ich wollte mir nur sichergehen." Martha schlenderte gemächlich zur Tür hinüber, wohin ihr der Doctor mit ratlosen Blicken folgte. "Ihr geliebtes Raum-Zeit-Gefährt hat eine Einparkhilfe", ließ Martha schließlich die Bombe platzen. "Eine was?" Der Doctor neigte den Kopf in Marthas Richtung. Irgendwas von ihrem Gerede musste auf dem Weg aus ihrem Mund bis zu ihm hinüber zwischen den Säulen und Kuppeln der TARDIS verlorengegangen sein. Oder die automatische Übersetzungshilfe der TARDIS hatte einen Schaden bekommen und übersetzte Marthas Worte nun in Kauderwelsch. Oder seine Ohren waren kaputt. Vielleicht durch das andauernde Anfahren und gestoppt werden. "Eine Einparkhilfe", wiederholte Martha großzügig. Sie hätte gerne laut gelacht, so sehr freute sie sich über den eigentlich nichtigen Grund, doch der arme Doctor hätte das vermutlich falsch aufgefasst. "Wie bei einem Auto. Je weiter Sie sich beim Einparken einem Hindernis nähern, umso schneller und eindringlicher wird das Warnsignal." "Aber-aber ich wollte doch gar nicht einparken." Martha bekam Mitleid mit dem Mann. "Sie können es gerne noch einmal probieren..." Der Doctor schüttelte energisch den Kopf. "Ich denke, wir einigen uns darauf, dass Sie Recht haben." Seine Worte waren wie eine Auszeichnung. "Da wir nun schon mal irgendwo eingeparkt haben, könnten wir ja auch mal nachsehen, wo, meinen Sie nicht?" Martha deutete zur Tür. "Überredet!" Auf dem Weg zur Tür warf sich der Doctor seinen Trenchcoat über. "Aber-", warf er ein, während er sich die Brille vom Kopf nahm, sie zusammenfaltete und in die obere Tasche seiner blauen Weste steckte. Marthas Hand, die bereits den Türknauf umfasste und ihn schon eine viertel Drehung hatte machen lassen, hielt inne. Sie wandte sich dem Doctor zu, der neben ihr stand und verlegen auf seine Fußspitzen hinabsah. "Zuerst schauen wir nach, ob die TARDIS irgendwo beschädigt wurde." "Na klar, Doctor." Die Tür schwang auf und ein frischer Stoß warmer duftender Frühlingsluft schlug ihnen entgegen. Kapitel 3: Ausgerechnet ein Engel ---------------------------------   "Nichts zu sehen." Der Doctor beendete seinen Rundgang um die TARDIS und gesellte sich wieder zu Martha, die den Vorderteil der blauen Kiste inspiziert hatte. "Wir hatten mehr Glück als Verstand, oder wie man das bei euch nennt." "Bei Ihrer Fahrweise ist das eher ein Wunder, würde ich meinen." Martha hob den Blick und sah sich um. Auf drei Seiten war die TARDIS von hohen Mauern umgeben, die über und über mit einem dichten Pelz aus Moos bedeckt waren. Bis auf die Stellen, wo die TARDIS bei ihren Wendemanövern dagegen geprallt sein musste. An diesen Stellen zogen sich tiefe Kratzer durch den grünen Wandbelag. An einer Ecke war der Riss im Moos sogar so tief, dass man darunter die Steinmauer hindurchsehen konnte, die ebenfalls eine frische, tiefe Kerbe aufwies. "Hoffentlich ist das hier kein kulturelles Erbe, das Sie beschädigt haben, sonst gibt es Ärger." Als sie sich zum Doctor umwandte, merkte Martha, dass sie, wer weiß wie lange schon, mit sich selbst gesprochen hatte. Dieser Mann brauchte so etwas wie GPS...   "Hey, Martha, das müssen Sie sich unbedingt ansehen!", tönte es von irgendwo hinter der Mauer zu ihr hinüber. "Natürlich muss ich", murmelte die junge Frau vor sich hin, während sie zur einzigen freien Seite dieses Gebildes ging. Sie kam an eine Gabelung und sah sich in alle möglichen Richtungen nach dem Doctor um, doch statt eines freien Platzes, stand sie nun in einem weiteren Gang, der in einigen Metern wieder eine Biegung machte. "Perfekt..." Martha seufzte. Von allen Orten, an denen sie hätten landen können, musste es ausgerechnet ein Labyrinth sein? "Doctor?" Ihre vorsichtige Frage blieb ohne Antwort. Martha legte den Kopf in den Nacken. Alles, was sie sehen konnte, war das Stück blauen Himmels, der sich über ihr befand. Schade, dass die Mauern so hoch waren, sonst hätte sich daran hochziehen können. Wenigstens war das Wetter gut. Und zwar so gut, dass sie ihren dicken Mantel ausziehen konnte, was sie dann auch tat. Martha sah sich um, entdeckte einen etwas hervorstehenden Stein in der Wand, der scheinbar dazu gedient hatte, eine Fackel zu halten, und hängte ihren Mantel kurzerhand dort auf. Zum ersten Mal nahm sie auch die Geräusche um sich herum wahr. Hier schien irgendwo ein Wald zu sein. Auf jeden Fall hörte sie Vögel rufen. Etwas größere Vögel vermutlich. Papageien? Martha kniff die Augen zusammen und lauschte konzentriert. Und je mehr sie sich auf das, was sie nicht sehen konnte, einließ, umso mehr filterte sie heraus. Da war noch mehrstimmiges helles Zirpen zu hören, kehliges schnarren und etwas, das nach einem Schrei klang. "DOCTOR?" Martha bekam es nun doch mit der Angst zu tun. Sie beschleunigte ihre Schritte und schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel. Das aufwallende Gefühl, ihren Begleiter hier endgültig aus den Augen verloren zu haben, schnürte ihr den Hals zu.   "Da sind Sie ja endlich!", wurde Martha fröhlich begrüßt, als sie um die nächste Biegung kam und dort beinahe mit dem Timelord zusammenstieß, der sich gerade seinen Schallschrauber ans Ohr hielt. "Ich habe nach Ihnen gerufen." Ihr Satz war gleichzeitig Vorwurf und Erleichterung, auch wenn sie letzteres niemals zugeben würde. Der Doctor sah sie entschuldigend an. "Ich habe Sie gar nicht gehört." Es klang so aufrichtig, dass Martha ihre erste Wut darüber, dass er sie einfach hatte stehenlassen, vergaß. "Mein Schallschrauber scheint defekt zu sein", setzte er hinzu und schüttelte das kleine Gerät wie ein Thermometer, ehe er es sich wieder an sein Ohr hielt. "Sehen Sie?" Er hielt Martha den blinkenden Apparat vor die Nase, als ginge er davon aus, dass sie des Rätsels Lösung fand. "Was davon sollte er denn nicht tun?" Er sah aus wie immer, fand Martha. Sie zuckte mit den Schultern. "Ich sehe keinen Unterschied zu sonst." "Dann schauen Sie mal bitte dorthin." Marthas Blicke folgten dem ausgestreckten Zeigefinger des Doctors zu einer Ecke des Gangs hinüber, wo der Weg vor einer Steinmauer endete. "Ähm, Doctor, dort ist nichts", wies Martha ihren scheinbar übergeschnappten Begleiter auf seine vermeintliche Entdeckung hin. "Ja eben!" Der Doctor zielte mit dem Schallschrauber in die Ecke und drückte einen Knopf. Ein Lichtstrahl begleitet von einem hellen Summen erklang. Der Lichtkreis fiel auf die Mauer und beschien dort das Moos. "Normalerweise wäre dort jetzt ein Loch", erläuterte der Doctor und wartete einen Moment, bis diese Erkenntnis in Marthas Verstand ankam. "Dann sollten Sie vielleicht mal die Batterien an Ihrem Zauberstab wechseln", war die lakonische Entgegnung. "Sie scheinen den Ernst unserer Lage nicht zu erkennen", tadelte der Doctor die junge Frau, die ihn belustigt ansah. "Das einzige, was ich erkenne, ist, dass ich langsam wieder Hunger bekomme." "Wir sind eben erst aus dem Café gekommen." Der Doctor sah Martha von oben bis unten an. "Und warum knurrt dann mein Magen?" Jetzt hörte er es auch. Ein leises Rumpeln. "Ich wette, wir waren länger unterwegs, als Sie denken. Ich werde mir jedenfalls jetzt etwas zu Essen besorgen." Martha ließ den Doctor stehen und machte sich auf den Weg zurück zur TARDIS. "Ich hoffe, Sie haben einen Kühlschrank an Bord. Und ich hoffe, er ist gut gefüllt." "Habe ich tatsächlich. Und ja, ist er. Aber lassen Sie bitte das obere Fach geschlossen", rief er der jungen Frau nach, ehe er sich ebenfalls in Bewegung setzte. "Ich werde dann in der Zwischenzeit den Schallschrauber untersuchen." Er konnte gerade noch abbremsen, ehe er mit Martha zusammenstieß, die mitten im Weg stehengeblieben war. "Haben Sie es sich anders überlegt, Martha?" "Eigentlich nicht." Ihre ungläubigen Blicke glitten über die massive Steinmauer vor sich, wo zuvor noch ein offener Gang gewesen war.   "Wir müssen wohl falsch abgebogen sein." Der Doctor sah sich um. "Und das ist der Grund, weshalb ich Labyrinthe absolut nicht leiden kann." Martha schüttelte langsam den Kopf. Sie starrte noch immer die Wand an. "Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass wir nicht falsch abgebogen sind." "Und weshalb sind Sie sich da so sicher?" "Da." Martha deutete zur Mauer hin. Ein Stück Stoff klemmte in der Ecke, wo zuvor noch keine Wand gewesen war. "Das ist mein Mantel, den ich an an einen Mauervorsprung gehangen habe, bevor ich mich auf die Suche nach Ihnen machte." Der Doctor zupfte an dem Ärmel, der zwischen den beiden Wänden feststeckte und von dem nur das untere Drittel auf ihrer Seite zu sehen war. "Und der Rest des Mantels ist dann auf der anderen Seite dieser Mauer?" Er schob sich an Martha vorbei, die noch immer starr dastand und die Wand nicht aus den Augen ließ. Das Licht des Schallschraubers glitt mit leisem Brummen über die Mauer, doch wieder ohne Ergebnis. "Vielleicht kann man sie schieben", fiel es ihm ein. "Oder es gibt einen versteckten Mechanismus, den man bedienen muss." Der Doctor drückte nacheinander auf jeden einzelnen Stein, an den er drankam. "Helfen Sie doch mal ein bisschen mit, Martha, sonst sind wir in zwei Wochen noch hier", forderte er die junge Frau auf, die noch immer zu erfassen versuchte, was der Sinn dieses Labyrinths war. "Außerdem brauchen Sie Ihren Mantel wieder. Und ich meine TARDIS." "Es ist eine Falle." Beinahe hätte der Doctor Marthas Worte überhört, so sehr war er damit beschäftigt, einen geheimen Mechanismus zum Bewegen der Wände zu finden, doch der Tonfall, mit dem sie ihre Vermutung äußerte, ließ ihn in seinem Tun innehalten und aufhorchen.   "Es ist eine Falle", wiederholte Martha noch einmal in diesem abgeklärten Tonfall, der einem eine Gänsehaut über die Arme laufen ließ. "Das hier ist kein Labyrinth." Der Doctor lachte ungläubig auf. "Das ist doch absurd. Die TARDIS würde uns nicht absichtlich in Gefahr bringen. Sie hat sogar einen Alarm und der blieb still. Ich werde sie einfach auf unsere Seite der Mauer teleportieren lassen. Sehen Sie?!" Er hob den Schallschrauber in die Höhe und aktivierte ihn. Die Luft vor ihnen begann zu flirren und die ersten Konturen materialisierten sich. "Hatte wohl doch nur einen Wackelkontakt", freute sich der Doctor, der den Schallschrauber in seiner Hand mit dem gleichen Stolz ansah, mit dem Eltern die erste Schulaufführung ihrer Kinder verfolgten. "Doctor, bitte gehen Sie ein paar Schritte zurück." Martha zupfte ihn am Trenchcoat und zog ihn in ihre Richtung. "Sind Sie sicher, dass Sie die TARDIS teleportiert haben?" "Das ist das, was ich hoffe", lachte er über seinen eigenen Scherz. "Es ist viel zu klein", flüsterte Martha mit stockendem Atem. "Und sieht aus wie ein Mensch." Der Doctor wandte sich von Martha ab und dem sich materialisierenden Wesen zu. Dann könnten wir ja nach dem Weg fragen, hatte er sagen wollen, wenn ihm die Erscheinung nicht die Sprache verschlagen hätte. Der einzige Punkt, mit dem Martha Recht gehabt hatte, war, dass es wie ein Mensch aussah, aber alles andere als menschlich war. "Martha, hören Sie mir zu." Seine Stimme klang ruhig, aber beschwörend. Er tastete nach ihrer Hand, die noch immer seinen Trenchcoat umklammert hielt, und nahm sie in seine. Ohne die Frau anzusehen machte er einen Schritt zurück und schob Martha somit in die Richtung, aus der sie eben erst gekommen waren. "Wir gehen wieder dorthin, wo wir uns getroffen haben und bitte, Martha, seien Sie ehrlich, haben Sie unseren neuen Freund angesehen?" "Ja, habe ich." Ihre Stimme zitterte. "Dann lassen Sie ihn ab jetzt nicht mehr aus den Augen, nicht einmal eine Sekunde, bis ich Ihnen sage, dass Sie es dürfen, in Ordnung?" Der Schemen vor ihnen war nun vollkommen materialisiert. "Warum ausgerechnet ein Engel?"     "Warum gehen Sie nicht weiter, Martha?" "Weil ich nicht kann." "Vor Angst?" "Vor Mauer." "Bitte?" "Hier ist jetzt auch eine Mauer." "Bitte nicht..." Fieberhaft versuchte der Doctor seine Gedanken zu sammeln, die beim Anblick des Weinenden Engels allesamt aus seinem Kopf gefallen zu sein schienen. Er fand nichts brauchbares. Der Schallschrauber in seiner Hand klickte leise, ohne dass er ihnen eine Hilfe war. Vielleicht doch leere Batterien? Schlimmer konnte es kaum noch kommen. Hoffentlich. Aber was war schon schlimmer, als mit einem Engel in einem Labyrinth eingesperrt zu sein, dessen Wände sich einfach so mal verschoben, mit einem nutzlosen Schallschrauber, der scheinbar nicht mal mehr Luft zerteilen konnte, vor sich der Engel und im Rücken eine Mauer. Und dazwischen irgendwo ein zitterndes Menschenwesen, dem noch gar nicht bewusst war, wie gefährlich diese Kombination war. "Martha, ich muss kurz etwas an meinem Schallschrauber überprüfen. Versprechen Sie mir, dass Sie den Engel nicht aus den Augen lassen, bis ich Ihnen das Okay gebe?" "Selbstverständlich." Marthas zuerst starre Blicke, die konzentriert auf die Statue vor ihnen gerichtet waren, wurden sanfter. Was auch immer der Doctor hatte, dieser Engel, der sein Gesicht mit den Händen bedeckte, machte ganz und gar nicht den Eindruck, gefährlich zu sein, dachte Martha fasziniert. Er sah aus wie die Statuen auf alten Friedhöfen, die dort standen oder auf Grabplatten liegend um die Toten trauerten. Im Grunde war er sogar richtig schön. Wer auch immer ihn erschaffen hatte, hatte an jedes Detail gedacht. Jede einzelne Falte in dem langen, wallenden Gewand war zu erkennen, jede Locke, die sich auf seinem Kopf ringelte, jede, wirklich jede Feder seiner riesigen Schwingen war bis ins Kleinste ausgearbeitet. Es hätte sie nicht gewundert, wenn unter den Händen, die das Gesicht des Engels verbargen, Tränen hervorgekommen wären. Aus welchem Material er wohl war? Sicher Marmor. "Martha-" Sie sah den Doctor an.   "Schauen Sie den Engel an, um Himmels Willen!", schrie der Doctor sie an. "Dann sprechen Sie mich doch nicht an!" "Das war ein Test!" Martha schnappte nach Luft. "Doctor, der Engel..." "Ich weiß." "Aber wie ist das möglich?" "Reicht es, wenn ich es Ihnen später ausführlich erkläre und Ihnen jetzt einfach nur sage, dass er sich nur bewegt, wenn Sie ihn nicht mehr ansehen?" "Reicht, ja." "Dann halten Sie sich bitte noch eine Weile daran, Martha, ich verspreche Ihnen auch, dass alles wieder in Ordnung kommt." Was blieb ihr schon anderes übrig, als ihm zu vertrauen? Den Beweis, dass mit diesem Engel irgendetwas doch nicht stimmte, hatte sie nun praktisch vor sich. Unter den Händen, die sich ein Stück weit von dem Gesicht gelöst hatten, offenbarte sich ein Gesicht, das ganz und gar nichts engelsgleiches mehr an sich hatte. Es war eine hässliche Fratze, die sie so wütend ansah und dabei das schrecklichste Raubtiergebiss entblößte, das sie jemals gesehen hatte. "Alles Okay, Martha, ich bin fertig." "Ich glaube Ihnen nicht, Doctor. Das ist doch wieder nur ein Test." "Und Sie haben Ihn bestanden, Miss Jones. Glückwunsch!" "Ich freue mich später darüber." Dieser Schallschrauber war zum Verzweifeln. Es funktionierte gar nichts an ihm, wie es das sollte. Momentan war er froh, dass Martha nicht sehen konnte, was dieses dämliche Ding da produzierte. Sie würde nur in Panik verfallen. So wie er kurz davor war. Ratlos sah der Doctor auf die blauen klebrigen Fäden, die statt des üblichen Lichts aus der Spitze des Schallschraubers geschossen waren und nun den Boden zu ihren Füßen bedeckten. Was sollte das sein? Eine Art Partymodus? Er drehte das Gehäuse des Schrauber etwas und drückte dann wieder auf einen Knopf. Pink? "Doctor, mir ist nicht ganz wohl dabei..." Ihm lag ein Mir auch nicht auf der Zunge, doch aus Jahrhundertelanger Erfahrung mit Menschen wusste der Doctor, dass es besser war, eine schlimme Situation nicht noch zu verschlimmern, so lange man keine Lösung dafür hatte. "Doctor, meine Augen." "Nein, Martha, mit Ihren Augen ist alles Okay, verstanden?" "Ich muss kurz-" "Müssen Sie nicht." "Doctor, sagten Sie nicht, dass er sich nur bewegt, wenn ich ihn nicht ansehe?" "Was haben Sie getan, Martha?" "Nichts. Ich sehe ihn an, aber er bewegt sich trotzdem." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)