Stop Doing This! von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 1: ----------- ...Warum tust du das? Du dämlicher Vollidiot! Hör auf damit! ...Findest du das etwa lustig? Glaub mir, das ist es nicht! ...Gott, du bist so ein Volltrottel! Was ist denn dein Problem? Hältst dich wohl für ganz toll, was? Ich sag's noch mal! Das ist! Nicht! Witzig! ...Du...du musst wirklich immer übertreiben, oder? Dramaqueen! Auf was wartest du denn? Was willst du denn von mir hören? ...Eine Entschuldigung? Ist es das, was du willst? Ist das dein Ernst? ...Ach du...du kannst mich mal! Willst du mir jetzt wirklich sagen, dass das hier meine Schuld ist? Ich meine...okay, ich bin manchmal gemein. Ich weiß. Aber...das interessiert dich doch gar nicht! Du lachst doch immer über meine Sprüche! Nimmst meine Sticheleien gar nicht ernst! Das prallt doch alles an dir ab...oder...etwa nicht? ...Hör zu...man...manchmal kann ich halt nicht anders! Geschwister sagen solche Sachen eben zueinander! Das ist doch lange noch kein Grund...so überzureagieren! ...Du...du hörst mir nicht mal richtig zu, oder? Soll ich mich vielleicht gleich mit der Wand unterhalten? Wirklich, du kannst mich mal, du Trottel! ...Okay, das war schon wieder gemein! Ich gebs zu, okay? Es...es tut mir leid! Da, da hast du deine Entschuldigung! Es! Tut! Mir! Leid! Bist du jetzt glücklich? Hörst du jetzt endlich auf? ...Wirklich? Was willst du denn noch? Soll ich mich auf die Knie fallen lassen und um Verzeihung betteln? Es reicht langsam wirklich, okay? Warum tust du das? Was willst du damit erreichen? ...Glaubst du vielleicht...glaubst du vielleicht, dass ich dich hasse? Kam das so rüber mit meinem Verhalten? Oh bitte, das ist doch ein schlechter Scherz, oder? Das glaubst du nicht wirklich! Du...du bist mein kleiner Bruder...ich hab dich doch lieb...wir alle haben dich lieb! Auch Mama! Ja, ich weiß wie sie dich behandelt. Als wärst du irgendwie nicht gut genug. Aber...das...das stimmt doch nicht. Ich weiß doch auch nicht, was ihr Problem ist. Vielleicht ist sie unfair, ja, aber...ich bin mir sicher, dass sie es nicht wirklich so meint! Ist das der Grund für...für das hier? Wenn ja dann...dann werd ich ihr das sagen. Okay? Ich sags ihr, wenn du endlich aufhörst; wir können darüber reden, alle zusammen, wenn dich das alles so verletzt; hör einfach auf...bitte...du...du machst mir Angst. …Scheiße, ich glaubs nicht, dass ich das wirklich gesagt hab! Aber es stimmt, okay? Du machst mir Angst. Also hör auf. Bitte. ...Hörst du mir immer noch nicht zu? Oder ignorierst du mich bloß? Hör auf damit! Hör auf! Hör auf! ...Es tut weh! Es schmerzt, kapierst du das nicht? Also hör auf, verdammt noch mal! ...Ich dachte doch wirklich, dass es dir egal ist! Du...du hast nie reagiert...bist nie wütend geworden oder hast geweint...woher sollte ich denn wissen...Es tut mir leid! Wie oft soll ich das denn noch sagen? Es tut mir leid, dass ich dich so oft beleidigt habe! Es tut mir leid, dass ich dich so oft ausgelacht habe! Es tut mir leid, dass ich so oft über dich gelästert habe! Es tut mir leid, dass ich dir so oft ein Bein gestellt oder dich geschubst habe. Es tut mir leid, okay? Also hör auf! Komm schon, was soll ich denn noch sagen? Ich war eine Idiotin! Ich war ungerecht! Hab das nicht mal wirklich gemerkt...Wenn ich nach Hause gekommen bin, aus der Schule, dann war ich immer total erledigt von den ewigen Sticheleien meiner Mitschüler...ich musste meinen Frust an irgendjemandem auslassen! Und dieser Jemand warst irgendwie...immer du… Ich habs nie wirklich böse gemeint! Wirklich nicht! Ich hab einfach...nicht weiter darüber nachgedacht...das war dumm! Das war bescheuert! Du hast recht! Ich bin eine furchtbare große Schwester! Kein Stück besser als meine Mitschüler. Kannst du jetzt bitte aufhören? Bitte. Du...du kannst dir meine Comics ausleihen, wenn du willst! Die findest du doch so toll! Und meinetwegen lasse ich dich auch mit meiner Playstation spielen! Wenn du nur endlich aufhörst...bitte...es tut so weh… Du hattest deinen Spaß! Es reicht jetzt! Wirklich! Hör auf! Hör auf! Hör auf! ...Hör auf damit... Tränen laufen ihr übers Gesicht, während sie mit geballten Fäusten auf den kalten, blanken Stein einschlägt, immer und immer wieder, dabei unkontrolliert schluchzend und wimmernd. Ihr gesamter Körper schmerzt; vom Schreien und von den heftigen Krämpfen, die sie immer wieder überkommen, und von der Kälte, die in ihre Knochen eindringt und sie zum Zittern bringt. Sie erträgt es nicht mehr. Will dass er aufhört mit diesem grausamen Spiel, das alles andere als lustig ist; er soll aufhören, bevor er sie noch zum Wahnsinn treibt… Es tut so weh. Vielleicht hat sie es verdient, sehr wahrscheinlich sogar, aber sie hat sich doch entschuldigt; und sie meint es ernst. Das muss er doch verstehen...also wieso hört er nicht auf? Donner grollt in der Ferne, doch sie registriert ihn nicht; und selbst, wenn sie es tun würde, es wäre ihr egal. Ihretwegen könnte auch die ganze Welt untergehen. Wenn er nur endlich aufhören würde... In diesem Augenblick spürt sie, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legt. Heftig zuckt sie zusammen; doch kein Schrei entweicht ihrem Mund, zu wund und heiser ist ihre Kehle. Die sanfte, ruhige Stimme, die an ihre Ohren dringt, jagt ihr einen Schauer über den Rücken und verursacht eine Gänsehaut. „Liebling, hör auf damit.  Du weißt, dass das nichts bringen wird.“ Sie dreht sich um, ein weiteres Schluchzen unterdrückend, so schwer es ihr auch fällt. „Ja, aber...er...“ Das Wort wird ihr abgeschnitten. „Ich weiß, dass es schwer ist. Aber du kannst es nicht ändern. Hast du das denn immer noch nicht verstanden?Komm jetzt. Wir gehen nach Hause...“ Sie will nicht, und lässt sich dennoch widerstandslos mitziehen, durch einen Schleier aus Tränen zurückblickend auf den Ort, dessen bloßer Anblick ihr bereits eines Stich durchs Herz jagt. Auch noch nach so langer Zeit. „Ich will doch nur, dass er aufhört!“, schreit sie beinah; ihre Stimme durchschneidet die sonstige Stille der Umgebung und nun ist es ihre Mutter, die zusammenzuckt. „Ich will, dass er aufhört, so zu tun, als wäre er...“ „Er tut nicht so, verdammt noch mal!“ Erschrocken macht sie einen Schritt zurück, ihrer Mutter dabei ins müde, angespannte Gesicht blickend. Sie kann sich nicht daran erinnern, sie jemals fluchen gehört zu haben...und nun merkt sie, wie ihr heiße, salzige Tränen übers Gesicht laufen; sie will sie wegwischen, doch ihr Körper gehorcht ihr nicht mehr. Sie fühlt sich wie gelähmt. Lässt sich einfach weiter mitziehen, unfähig, sich dem festen Griff zu entwinden. Dumpf hört sie die Stimme ihrer Mutter, die weiter auf sie einredet, doch versteht kein Wort mehr von dem, was sie sagt, zu tief ist sie in ihren Gedanken versunken; in ihrer Trauer und Verzweiflung. Es stimmt. Sie kann es nicht ändern. Doch ist es so unfassbar schwer, diese Tatsache zu akzeptieren…und sie fühlt sich so schuldig...so unfassbar schuldig... "Ich will doch bloß, dass er zurückkommt.", flüstert sie. "Ich will ihm doch nur sagen, wie Leid es mir tut..." Ihre Worte werden vom in der Ferne grollenden Donner verschluckt. Die ersten Regentropfen fallen zu Boden, der Wind frischt auf und bringt die Wipfel der hohen, sich schwarz vom dunkelblauen Nachthimmel abhebenden Bäume zum Rauschen. Es interessiert sie nicht. Sie bemerkt es nicht einmal. Folgt ihrer Mutter den Pfad entlang, an den großen Tannen und dem kleinen Gebäude vor der Backsteinmauer vorbei und durch das eiserne Tor, das um diese Uhrzeit eigentlich längst geschlossen sein sollte. Fort vom Friedhof. Fort vom Grab ihres Bruders. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)