Hinter den Masken von Naoki_Ichigo ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Die Nächte auf der Insel waren entweder zu kalt oder zu warm. Eine Mitte gab es kaum. Vielleicht ein oder zwei Nächte im Frühling oder Herbst. Im Winter war es grundsätzlich zu kalt und im Sommer war es grundsätzlich zu warm. Die Schüler im zweiten und dritten Lehrjahr hatten sich daran gewöhnt und die Schüler des Hauses Obelisk hatten Klimaanlagen in ihren Zimmern sowie gut funktionierende Heizungen. Die Sliferbaracke hingegen war eigentlich nicht zumutbaren in diesen Jahreszeiten. Im Moment war es Sommer. Somit sollte es eigentlich warm sein, dennoch zog sich eine leichte Frostschicht über die Pflanzen des Waldes, der die Insel und die dortigen Bauten umgab. Von der Sliferunterkunft über verschlungene Pfade zum Schulgebäude bis hin zum Vulkan schlängelte sich eine Spur von Frost, die sich von der Hitze noch beirren ließ. Auch noch am nächsten Tag und am Abend des nächsten Tages konnte man den Weg ganz genau erkennen – und so war eine neue Gruselgeschichte geboren. Syrus war kein tapferer Mensch. Er war ein Angsthase. Schon als er am Morgen den Forst gesehen hatte, hatte er sich gefürchtet. Für so ein Phänomen konnte es doch keine natürliche Erklärung geben, oder? Laut Bastion schon. Laut der Mehrheit der anderen Schüler nicht. Alexis Theorie, dass es mit ihren Brüdern zu tun hatte, war da auch nicht sonderlich hilfreich und auch das Verhalten der Schule, das komplette Ignorieren dieses Phänomens, war keine Hilfe. Und noch weniger hilfreich war der Besuch in Kanzler Sheppards Büro. Ein paar Tage nach dem die frostige Spur verschwunden war und man meinen konnte, dass dieses Ergebnis bereits in Vergessenheit geraten war, rief der Kanzler Jaden Yuki und dessen Freunde in sein Büro, in dem neben diesem auch noch Professor Crowler und Professor Banner auf die Schüler warteten. Im Nachhinein wünschte sich Syrus, man hätte ihm damals einfach mitgeteilt, dass er aufgrund seiner schlechten Noten, von der Schule flog. Leider war dem nicht so gewesen. Wenn das, was der Kanzler erzählt hatte, der Wahrheit entsprach, so befanden sich unter der Duell Akademie drei unsagbar wertvolle Karten, die den Untergang der Welt herbei führen konnte, wenn sie in die falschen Hände gerieten und genau diese falschen Hände waren auf den Weg hier her. Niemand konnte ihr Ankommen verhindern, aber man konnte verhindern, dass sie an die Schlüssel, die es bedurfte, um die versiegelten Karten aus ihrem Gefängnis zu befreien, kamen. Es gab sieben Schlüssel, die jeweils an einen der besten Duellanten der Schüler gegeben wurde. Syrus war keiner von ihnen, aber Alexis erhielt einen sowie Jaden. Somit war auch er in die Sachen verwickelt. Auch wenn er kein besonders guter Duellant war, so wollte er für seine Freunde da sein und ihnen helfen die Schlüssel zu beschützen – wenn die Welt unterging konnte er seinen Bruder nicht mehr finden! Und vielleicht war Alexis Theorie, dass dieser Vorfall mit ihren verschwundenen Brüdern zusammenhing ja auch richtig. Ob das nun gut oder schlecht war, war eine andere Frage. Trotz Bedrohung hieß es für alle weiterhin zum Unterricht zu gehen. Und so zogen die Tage ins Land. Morgens aufstehen, frühstücken und für die Schule herrichten. Im Unterricht aufpassen, sich von Dr. Crowler bloßstellen lassen, diverse Prüfungen und Fragen in den Sand setzen, duellieren, Mittagessen, noch mehr Schule und irgendwann in die Unterkunft zurück. Anschließend zusammen mit Alexis nach Hinweisen bezüglich Zane und Atticus suchen, Hausaufgaben erledigen, Abendessen, schlafen. Man könnte fast meinen, dass es keine Bedrohung gab, die im schlimmsten Fall den Untergang der Welt bedeutete. Selbst die Beschützer der sieben Schlüssel schienen sich dieser Bedrohung nicht weiter bewusst zu sein. Keiner von ihnen schien angepasst oder nervös zu sein. Das überließen sie wohl Syrus. War vielleicht auch besser so. Immerhin mussten sie sich auf ihr Duell konzentrieren, wenn sie einem der Bösewichte – auch Schattenreiter genannt – gegenüberstanden, da war Nervosität oder Angespanntheit eher unpassend. Syrus aber konnte nicht so entspannt sein, wie seine Freunde. Er wusste, dass das Böse ganz nah war. Leider nahm man ihn nicht ernst. Die Untersuchung diverser Hinweise auf den Verbleib ihrer Brüder sorgte dafür, dass Alexis und Syrus oftmals bis spät in die Nacht hinein beschäftigt waren und Syrus dementsprechend erst im Dunkeln wieder zurück in seine Unterkunft kam. Der Weg vom Schulgebäude zur Sliferunterkunft war lang, dunkel und führte an einem Wald vorbei. Für einen Angsthasen wie Syrus ein Grund mehr für eine Panikattacke. Über die Wochen und Monate hinweg hatte er sich zwar mehr oder minder an den Weg gewöhnt, aber das hieß nicht, dass es ihn kalt ließ. Noch immer lief er den Weg zähneklappernd zurück, betend dass ihm nichts passieren möge. Bis jetzt war ihm auch nie etwas zugestoßen. Doch was nicht war, konnte ja noch werden. Insbesondere wenn sich ein Haufen gefährlicher Bösewichte auf der Insel herum treiben sollten. Sein Gefühlt sagte ihm auch, dass einer dieser Schattenreiter ganz nah und für den Frost verantwortlich war. Leider schien niemand diese Theorie mit ihm zu teilen. Egal wie oft er darauf hinwies, dass in der Nähe der Sliferunterkunft immer wieder Frost, der einen Weg von der Unterkunft zur Schule und dann zum Vulkan bildete, zu sehen war, interessierte sich dafür niemand und man sagte ihm immer wieder, er würde sich das nur einbilden. Der Forst kam aber immer näher. Als man es zum ersten Mal gesehen hatte, war die Spur an einer Stelle gewesen, von der man die Unterkunft gut sehen konnte, aber man war noch ein gutes Stück entfernt. Ein guter Ort für jemanden, der nur beobachten, ausspionieren wollte – für diese Aussage erntete er nur Lachen. Die nächsten Male war der Frost näher. Bis jetzt hatte sie die Unterkunft aber nicht erreicht und Syrus hoffte, dass dies auch nie der Fall sein würde. Den Glauben an Magie hatte er zwar eigentlich schon vor Jahren abgelegt, aber aufgrund dieser Schattenreitergeschichte, war es wohl Zeit diesen Glauben wieder aus der Schublade zu holen. Und wenn es Leute gab, die anderen die Seele stehlen konnten und Karten dazu nutzen wollten, die Welt in den Untergang zu stürzen, dann musste es doch auch Leute geben, die ihre Umgebung einfrieren konnten. So abwegig war das doch wirklich nicht! „Syrus! Hey, Syrus!“ Erschrocken drehte sich Syrus sich um. Sein Herz schlug gegen seine Brust und droht heraus zu springen. Wer wagte es ihn so zu erschrecken? Aufgrund der Dunkelheit dauerte es ein bisschen bis er erkennen konnte wer ihn da gerufen hatte. Jaden, zusammen mit Chumley, lief geradewegs auf Syrus zu und schien recht erfreut zu sein. „Jaden, Chumley, was macht ihr beiden denn noch so spät hier draußen?“, fragte Syrus nachdem seine Freunde vor ihm standen und er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Wir haben nach dir gesucht“, antworte Jaden. „Nach mir gesucht? Warum denn das? Ich hab euch doch gesagt, dass ich mich noch mit Alexis treffe und es daher spät werden kann.“ „Das schon, aber dieses Mal ist es doch wirklich sehr spät geworden“, begründete Jaden sein Handeln. „Außerdem hast du doch selbst gesagt, dass du dich davor fürchtest im Dunkeln von der Schule hierher zu gehen. Da wollten wir dich begleiten, aber haben dich wohl verpasst.“ „Und wir haben gehört, dass sich jemand oder etwas Gruseliges im Wald herum treiben soll“, fügte Chumley hinzu, was ihm einen Stoß in den Bauch von Jadens Ellenbogen einbrachte. Während Syrus mit Alexis nach Hinweisen gesucht hatte und möglichen Hinweisen nachgegangen war, waren Jaden und Chumley in der Unterkunft gewesen und hatten sich dort ein wenig mit den anderen Schülern unterhalten und duelliert – Jaden hatte sich duelliert und Chumley hatte ihn angefeuert. In dieser Zeit hörten sie von ihren Mitschülern das Gerücht, dass irgendjemand in der vergangenen Nacht einen großen Schatten am Waldrand hat stehen sehen. Niemand wusste, ob es sich bei diesem Schatten um einen Menschen oder ein Tier gehandelt hatte und auch der Schüler, der behauptete, er hätte was gesehen, war sich nicht sicher – vielleicht hatte er auch einfach nur etwas verwechselt oder in Folge seiner Müdigkeit ein wenig fantasiert. Jaden gab sich zwar locker und scherzte herum, aber in Wirklichkeit nahm er diese Aussage sehr ernst. Zwar mochte er Syrus immer Mal wieder damit ausziehen, dass jener seltsame Spuren sah, die sonst keinem auffielen oder als nicht sonderlich außergewöhnlich erschienen – was daran lag, dass die Spuren zum Teil sehr schnell verschwanden, so dass es mehr als nur ein Mal vorgekommen war, dass Syrus die Spur entdeckt und seine Freunde darüber in Kenntnis gesetzt hatte, aber als sie dann wieder an der Fundstelle angekommen waren, war die Spur bereits wieder verschwunden –, doch das hieß nicht, dass er es einfach ignorierte. Wenn Syrus Recht hatte, dann könnte es durchaus sein, dass dieser Schatten zu einem der Schattenreiter gehörte. Als Syrus dann nicht zum Abendessen erschienen war, waren die beiden losgegangen und hatten nach ihrem Freund gesucht, dabei waren sie ziemlich rumgekommen, hatten aber leider weder Syrus noch einen Schattenreiter gefunden. Bis jetzt zumindest. „Seht ihr, ich hatte Recht. Hier ist ein Schattenreiter unterwegs und er ist für den Frost verantwortlich und er ist ganz nah! Aber ihr wolltet mir ja nicht glauben!“ „Ist ja gut, Sy. Wir wissen ja nicht mal, ob es wirklich einer ist. Vielleicht war es auch ein Bär oder ein loser Ast. Wichtig ist doch nur, dass es allen gut geht und wir sollten jetzt zur Unterkunft zurück. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin hundemüde.“ Damit machte sich Jaden auf den Weg zur Unterkunft, die nur noch wenige Meter von ihnen entfernt stand. Für ihn war die Geschichte hiermit gegessen. Selbst wenn da jemand im Wald herum schlich, es konnte eh niemand etwas dagegen unternehmen und wenn es ein Schattenreiter war, dann würde dieser früher oder später schon von selbst herauskommen. Chumley folgte Jaden sogleich. Auch wenn er sich eher zurückhielt, so hatte er mindestens genauso viel Angst wie Syrus. Deshalb mochte er es auch nicht, wenn jener wieder mit seinen Spuren und Theorien anfing. Der Gedanke, dass das alles wahr sein könnte, ließ ihn in Panik verfallen. Syrus blieb zurück. Es war wirklich jemand auf dieser Insel und schlich herum. Das war doch verantwortungslos! Was wenn dieser Schattenreiter – Syrus ging einfach davon aus, dass es einer war – sie im Schlaf überfiel und Jaden den Schlüssel klaute? Zwar hatte Kanzler Sheppard gesagt, die Schlüssel könnten nur durch ein Duell gestohlen und aktiviert werden, aber woher konnte er das wissen? Gab es schon ähnliche Vorfälle? Was wenn ihr Rektor das nur gesagt hatte, um sie zu beruhigen? Ein Knacken ließ Syrus aufschrecken und herumwirbeln. Mit einem Mal sah der Wald so viel gefährlicher aus, als er eigentlich war. Ja, es war ein Wald und ja es lebten Tiere in diesem, somit war es auch nicht ungewöhnlich, dass es mal irgendwo raschelte oder knackste, aber plötzlich schien Syrus das alles total ungewöhnlich und verdächtig zu sein. Sollten zu so später Stunde die Tiere nicht auch alle schlafen? Und dieser Schatten da, das war sicherlich der Schattenreiter! Das konnte kein Tier sein oder ein Baum oder sonst irgendein Geäst. „Syrus, jetzt komm endlich! Wir haben dir extra was vom Abendessen aufgehoben! Wenn du nicht bekommst, esse ich es!“, rief Jaden ihm aus der Ferne zu. Unter anderen Umständen, hätte Syrus jetzt wohl protestiert und Jaden gewarnt, genau das zu tun, aber dazu fehlte ihm im Moment die Kraft. Wenn er ehrlich war, hatte er auch gar keinen Hunger mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)