Wie lange hält sich eigentlich Kürbispastete? von Pureya ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Vögel zwitscherten, während sie durch den hellblauen Himmel und über die Gewächshäuser auf dem Schulgelände flogen. Die Fenster von Gewächshaus Nummer sechs waren noch beschlagener als die der Übrigen. Der Grund dafür war eine Klasse voller schwitzender Ravenclaws und Slytherins, welche im Inneren die Sonne verfluchten. Eine spätsommerliche Hitzewelle hatte ganz England überraschend Ende September überrollt und zeigte nicht die Absicht weiter zu ziehen. Professor Sprout schien von der klebrigen Hitze im Gewächshaus und der schlechten Laune ihrer Schüler nichts zu bemerken und war enthusiastisch wie immer. „Sind alle da? Sehr schön! Versammelt euch bitte um das Beet hier.“ Sie klatschte offenbar hoch erfreut in die Hände, während sich die ächzende Klasse um ein mit Holz verkleidetes Hochbeet versammelte aus dessen schwarzer Erde winzige, grüne Blätter hervor ragten. „Gut, ich habe mir etwas Lustiges überlegt, ein kleines Projekt für das baldige Halloween.“ Eine Pause folgte, vermutlich für das erwartete interessierte Gemurmel, was aber ausblieb. Professor Sprout erntete nur glasige Blicke. Und wieder schien sie es nicht zu bemerken. „Das hier sind Kürbiswandler-Gewächse. Die Samen habe ich von einer Brieffreundin aus Salem bekommen. Wie ihr seht sind sie schon vor-gekeimt und die jungen Pflanzen eingesetzt. Nun, wer kann mir sagen was Kürbiswandler sind?“ Eine Hand schnellte hoch. „Eine uralte Art der mobilen Pflanzen, wie auch die peitschende Weide eine ist. Stammt ursprünglich aus Mexiko und war lange Zeit vom Aussterben bedroht.“ „10 Punkte für Ravenclaw“, sagte Professor Sprout anerkennend und nickte beifällig. „Wie Miss de Drakemore schon richtig sagte stammen sie aus Mexiko. Zum Glück haben sie inzwischen auf der ganzen Welt Liebhaber gefunden.“ „Lass mich raten, du gehörst auch dazu?“, raunte eine Ravenclaw-Schülerin mit dunkelbraunen Haaren der gerade gelobten Miss de Drakemore zu. Diese schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich hab noch nie welche in Echt gesehen. In Großbritannien kommen sie selten vor.“ Das braunhaarige Mädchen lächelte leicht und und sah dann wieder zu Professor Sprout, welche gerade die langatmige Geschichte der Kürbiswandler erzählte. Ann de Drakemore, die braunhaarige Kathleen Gray und Elaine Rose, welche neben ihnen stand und meistens geflochtene Zöpfe trug, waren seit ihrem ersten Jahr in Hogwarts enge Freunde. „...und vernichteten damit fast Peru. Gut, teilen Sie sich bitte in dreier Gruppen auf. Sie übernehmen zusammen die Verantwortung für eine der Pflanzen.“ Ann, Elaine und Kathleen nickten sich zu und nahmen vor einem Sprössling Aufstellung. Auch der Rest der Klasse hatte sich nun langsam in Bewegung gesetzt und in beachtlichen fünf Minuten war jeder Kürbiswandler-Spross um drei Pfleger reicher geworden. „Sehr schön. Notieren Sie sich bitte bis Halloween jeden Fortschritt ihres Schützlings. Er braucht täglich eine Kanne Wasser, versetzt mit Rosmarinsud. Und jede Menge Licht. Wenn es so schön ist wie heute sollte den Kleinen das reichen, aber an bedeckten Tagen sollte eine Stunde Lumos nicht schaden. Sie können sich bei diesen Aufgaben gern selbst einteilen. Ich empfehle jedoch, sobald sie laufen können, mindestens zu zweit die Pflege zu übernehmen.“ „Laufen?“, fragte Kahleen irritiert. „Kathleen hat wieder nicht zugehört“, stellte Elaine fest. Kathleen verdrehte die Augen. „Nein, dafür hab ich ja Ann. Eine Zusammenfassung bitte.“ Ann seufzte. „Kürbiswandler sind laufende Kürbisse. Eigentlich sagt doch der Name schon alles.“ „Ich würde vorschlagen wir wechseln uns jeden Tag ab. Und wenn seine Lauftentakel stark genug sind könnten wir ihn draußen auf Spaziergänge mitnehmen“, schlug Elaine vor und skizzierte in ihrem Heft bereits eine grobe Tabelle. „Das wird aber schon nächste Woche sein“, sagte Ann mit einem Blick auf das Blatt. "Wie schnell wachsen die?", fragte Kathleen erstaunt. Ann verdrehte die Augen. "Hör wenigstens ab und zu mal rein." So verging die Stunde recht schnell mit Gießen und dem Versuch keinen Drachenmist-Dünger an die bloße Haut zu bekommen. Nach 2 Tagen schaute bereits ein kleiner oranger Knubbel aus der Erde heraus. Kathleen stupste ihn leicht an. "Er wächst echt schnell", sagte sie gedankenverloren. Ann schlug ihre Hand weg. "Lass ihn in Ruhe. Hilf mir lieber mit dem Drachenmist." Kathleen seufzte. "Hungriges Kerlchen." Und vorsichtig kippten sie die bedrohlich blubbernde Lösung auf die Erde um die kleine Frucht herum. Die grünen Blätter begannen leicht zu zittern. Kathleen hielt inne. "Ist das gut?" Ann nickte leicht und lächelte. "Er freut sich." "Ja.... natürlich tut er das." "Wir haben uns endlich auf einen Namen geeinigt!", verkündete Ann stolz. Kathleen sah etwas verwirrt von ihrem Buch auf. "Wollt ihr heiraten?" Elaine und Ann rollten leicht mit den Augen. "Nein! Für den Kleinen!" Die Ratlosigkeit in Kathleens Gesicht hätte man in andere Länder exportieren können. "Okay, genug kryptische Andeutungen. Der Türklopfer nervt mich damit immer schon genug. Klare Worte!" Ann und Elaine ließen sich in das blaue Sofa neben Kathleens Sessel fallen. "Unser Kürbis hat jetzt einen Namen", sagte Ann sehr langsam. "Aaaaahhhhhh", machte Kathleen so laut, dass ein paar andere Ravenclaws irritiert herüber sahen. "Welchen?" "Jack!", verkündete Ann stolz. "Einfallsreich." "Ja, das hab ich ihr auch gesagt", stimmte Elaine zu und entnahm ihrer Tasche eine Pergamentrolle. "Ey! Ich mag den Namen. Und er hat mit seinen kleinen Ranken gewackelt, als ich ihn so genannt habe", sagte Ann leicht schmollend. "Ich glaub er hat sich mehr über die doppelte Portion Drachenmist gefreut", meinte Elaine und trug etwas in die Tabelle auf dem Blatt ein. "Ist er wieder gewachsen?", fragte Kathleen neugierig bevor Ann weiter streiten konnte. Elaine schob ihr das Pergament rüber. "Ja tatsächlich um ganze fünf Zentimeter." "Nicht so schlecht." "Hm, na ja...", murmelte Elaine. Kathleen sah fragend von einem zum andern. "Na ja?" "Die von den anderen sind halt etwas größer", sagte Ann abwehrend. "Der von Blake, Carter und Aria ist fast doppelt so groß", warf Elaine ohne aufzublicken ein. "Immer noch?" Kathleen lehnte sich seufzend in ihrem Sessel zurück. "Professor Sprout sagte die Größe ist nicht so wichtig..." Kathleen streichelte leicht über Ann´s Schulter. "Natürlich ist das nicht wichtig. Er ist süß so wie er ist", versuchte sie Ann zu trösten. "Wie weit seid ihr heute mit ihm gelaufen?" "Bis zum See, dann hat es angefangen mit Nieseln." "Vielleicht sollten wir ihm noch ein Regencape basteln...", überlegte Ann. "Ich glaub Impervius reicht", sagte Kathleen und nahm ihr Buch wieder zur Hand. "Das ist irgendwie lieblos." "Hör mal, wenn du den Aufsatz für McGonagall und Flitwick fertig hast und unter zu viel Freizeit leidest kannst du gerne noch einen Regenmantel für den kleinen Jacky schneidern", flötete Kathleen und schlug ihr Buch auf. Ann streckte ihr die Zunge raus. Prüfend wog Kathleen einen hellorangen, knubbeligen Kürbis in ihren Händen. Seine grünen Ranken wedelten aufgeregt hin und her. "Also drei Kilogramm würde ich schon sagen", überlegte sie laut. Elaine sah von ihrer Tabelle auf. "Leg ihn doch einfach auf die Waage, dann wissen wir es genau." "Aber so macht es mehr Spaß." Kathleen wippte den Kürbis noch ein paar mal hoch und runter. Die kleinen Ranken wickelten sich halt suchend um ihre Arme. "Ich glaube nicht, dass er das mag. Und Ann würde dich hauen, wenn sie das sieht." Kathleen seufzte und setzte den Kürbis vorsichtig auf eine Platte der Messingwaage. Seine Ranken hielten jedoch weiterhin Kathleens Arme umklammert. Ihr Lächeln wurde sanft. "Tut mir leid Kleiner. Ich wollt dir keine Angst machen." Vorsichtig strichen ihre Hände über seine glatte Schale. Die Ranken lockerten sich langsam und glitten ebenso vorsichtig von ihren Armen herunter. Kathleen tätschelte ihn sanft. "Braver Jack. Dann wollen wir mal sehen." Umsichtig platzierte sie die Gewichte auf der gegenüberliegenden Waagschale. Sie pfiff anerkennend. "Fünf Kilo." Ein Prusten übertönte das Kratzen von Elaines Feder. Kathleen sah finster auf. Eine andere Ravenclaw versuchte nur schlecht ihr Grinsen zu verbergen. "Oh er wird sicher noch wachsen", feixte sie und wandte sich wieder ihren eigenen Gruppenmitgliedern und dem weitaus größeren Kürbiswandler vor ihnen zu. Es war deutlich zu hören wie sie hinzufügte: "Aber wohl kaum noch bis Halloween." Kathleens Blick verdüsterte sich noch mehr. "Hör nicht hin. Professor Sprout hat heute früh erst gesagt, dass er sich vorbildlich entwickelt und sie nie nach Größe gezüchtet wurden", sagte Elaine ohne von ihrem Pergament aufzublicken. "Jaja, ich weiß. Erin kotzt mich trotzdem an, egal was sie macht." Kathleen hob den Kürbis von der Waagschale und setzte ihn zurück in sein Nest aus Stroh und Federn. "Nur noch eine Woche mein Kleiner." Die Ranken zogen langsam das Nest um sich herum näher ran. Auch ohne Mimik schaffte er es sehr zufrieden auszusehen. "Lassen wir ihn schlafen. Ann wird ihn morgen wieder um das halbe Schloss scheuchen." Elaine packte ihr Zeug zusammen und sie beeilten sich zurück in ihren Gemeinschaftsraum zu kommen. "So meine Lieben. Ein arbeitsreicher Monat liegt hinter uns! Ich bin sehr stolz, dass keiner Ihrer Schützlinge in dieser Zeit eingegangen ist. Geben Sie mir bitte Ihre ausgefüllten Tabellen ab und vergessen Sie nicht die Namen drauf zu schreiben. Heute früh habe ich mir schon mal alle Exemplare angesehen und ich will noch nicht zu viel versprechen, aber das ein oder andere Ohnegleichen wartet schon auf seine Verteilung." Erfreutes Raunen ging im Gewächshaus rum. Ann streichelte stolz über die glatte Haut des kleinen Kürbis vor sich. Kathleen versuchte zu ignorieren, dass alle anderen Kürbiswandler um sie herum fast die doppelte Größe hatten. Elaine brachte die ausgefüllte und äußerst akkurate Tabelle zu Professor Sprout. "Sehr schön. Ich danke allen für die Mitarbeit. Ich denke dieses Halloween wird mit Sicherheit etwas ganz besonderes. Ich verspreche Ihnen allen, dass es nichts schmackhafteres als Kürbiswandlerpastete gibt." In dem Moment wehte das Geräusch der Glocke vom Schloss herüber. "Das war es für heute. Ich wünsche allen ein schönes Halloween!", verabschiedete sich Professor Sprout. Lärmend verließen die Schüler das Gewächshaus. Alle bis auf Ann, Kathleen und Elaine. Fassungslos sahen sie sich an. "Die machen Pastete aus ihnen?", brachte Ann schließlich heraus. Elaine sah zu den anderen Kürbissen. Ihre Ranken wanderten ziellos herum. "Ich dachte sie werden Deko..." Kathleen sah traurig zu ihr auf. "Scheinbar nicht. Das ist echt hart..." Schweigend standen sie zu dritt da. Da hob Ann den kleinen Jack hoch. Wie immer wickelte er sofort seine Ranken um ihre Arme und machte es sich bequem. "Er wird nicht dran glauben!", verkündete sie ihren erstaunten Freundinnen. Sie begann ihren Umhang über den Kürbis zu breiten. "Wart mal. Du kannst ihn nicht einfach mitnehmen", versuchte Kathleen sie aufzuhalten. "Warum? Wir haben ihn aufgezogen. Rein technisch betrachtet gehört er uns", wiegelte Ann ab. Elaine zuckte mit den Schultern. "Ann hat schon recht. Und ich will auch nicht, dass er für Pastete drauf geht." Kathleen sah von einer zur anderen und seufzte schließlich lang. "Zwei gegen Eine... Ach na gut, ich will ja auch nicht, dass er Pastete wird. Da schaut noch eine Ranke raus." Zu dritt verpackten sie den wuseligen Kürbiskopf in Ann´s Mantel und schmuggelten ihn in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum. Zum Glück waren fast alle beim Abendessen und so stellte es kein großes Problem dar in ihren Schlafraum zu kommen. Elaine hatte zum Glück daran gedacht einen Topf Erde mitzunehmen. Und so räumten sie Ann´s Schrankkoffer leer und quartierten Jack dort ein. Professor Sprout bemerkte nicht, dass einer der Kürbiswandler fehlte. Auch die Hauselfen kümmerten sich nicht darum und verarbeiteten die anderen zu dampfender Pastete. Das Festessen zu Halloween hinterließ dieses Jahr drei hungrige Mägen. Keine von ihnen hatte Appetit und die Versicherungen ihrer Mitschüler die Kürbispastete würde fantastisch schmecken hob ihre Stimmung auch nicht unbedingt und so begaben sie sich recht bald zurück in ihren Schlafraum. Eine Woche später wurde die Situation etwas kompliziert. Matilda und Grace, die anderen zwei Mädchen aus ihrem Schlafsaal hatten angefangen misstrauisch zu werden, da nun immer öfter seltsame Geräusche aus dem Koffer von Ann kamen. Kathleen war stark dafür beide einfach mit Amnesia oder zumindest Confundo zu belegen, doch Elaine hielt es für unmoralisch. "Ich hab endlich ein Versteck gefunden", wisperte Ann Kathleen zu, bevor sie sich neben sie an den großen Ravenclaw-Tisch setzte. "Wo?", fragte Kathleen fast ebenso leise zurück. Elaine beugte sich gespannt zu ihnen. "Unten beim Quidditch-Feld. Da ist ein alter Schuppen. Keiner benutzt ihn mehr, auch Filch nicht." "Aber es wird jetzt jeden Tag kälter. Unter zehn Grad wird er kaum verkraften", wandte Elaine ein. "Und wenn wir die Hütte mit Imperio versiegeln -" "Und dann ein paar von den blauen Feuern aufstellen?" Ann und Kathleen nickten sich begeistert zu. "Okay ihr Tüftler, esst erst mal was", bremste Elaine den Eifer der beiden etwas herunter. Doch kaum waren die Teller geleert eilten die drei in ihren Turm hinauf, warfen eine Decke über den schon etwas größeren Kürbis und rauschten mit ihm die große Treppe hinunter und durch das Eingangstor hinaus. Es war bereits stockdunkel und ein kalter Wind wehte vom See. Sie beeilten sich zum Quidditch-Feld zu kommen. Das Licht aus ihren Zauberstäben fiel endlich auf eine schon leicht windschiefe Holzhütte. Die Tür kam ihnen beim öffnen fast entgegen und mehr als einmal musste Reparo gewirkt werden. Endlich hatten sie eine kuschelige Ecke eingerichtet und vier gemütlich vor sich hin flackernde blaue Feuer aufgestellt. Der Schuppen wärmte sich schnell auf und bald zuckten die dünnen Enden der Kürbisranken nur noch leicht im Traum. „Er ist schon echt süß“, flüsterte Ann verträumt. „Ja, aber wir sollten langsam zurück zur Schule, sonst gibts noch derbe Ärger von Filch.“ „Kathleen hat recht, komm, du kannst ihn morgen weiter anstarren.“ Etwas widerwillig folgte Ann beiden und sie schafften es noch rechtzeitig hinein bevor Filch schimpfend das Tor verschloss. Der erste richtige Schnee war gefallen und überzog das Schlossgelände wie eine pudrige Decke. Drei dick eingepackte Ravenclaw schoben sich durch den Schnee auf die unscheinbare und teils verschneite Hütte zu. „Hatten wir jetzt eigentlich schon einen Plan für die Weihnachtsferien?“, kam es unter einer Kapuze hervor. „Nicht wirklich“, erwiderte eine andere. „Also meine Mutter bekommt ja nicht so viel mit, aber den Kleinen würde sie bemerken.“ „Meine Ma fände es auch nicht so toll. Sie ist schon mit meiner Eule im Haus überfordert.“ Von der dritten Kapuze kam nur Schweigen. Kathleen stupste Ann mit dem Arm an. „Nun sag schon.“ "Ich will ihn echt gern mit zu mir nehmen." "Weil du Angst hast, dass wir ihn umbringen?", fragte Kathleen leicht belustigt. "Nur du. Elaine vertrau ich", kam es zurück. "Aber?", fragte Elaine und erstickte damit ein empörtes 'Ey!' "Ich weiß nicht genau wo ich ihn verstecken soll, ohne dass meine Eltern es merken." "In eurem Gewächshaus wirds doch eine freie Ecke geben." "Ja bestimmt, aber meine Mutter ist echt extrem empfindlich was ihre geliebten Babys angeht." Ein Hauch Bitterkeit lag in diesen Worten. Der Rest des Weges wurde schweigend verbracht und nur das Knirschen des Schnees war zu hören. Und schließlich das Knarren der Tür gefolgt von einem überraschten 'Oh!'. Statt einem gut gelaunten Kürbis kullerte ihnen ein zweiter nur viel kleinerer entgegen. "Jack hat... ein Baby bekommen", sagte Kathleen. Tatsächlich versuchte Jack den kleineren mit seinen inzwischen recht kräftigen Tentakeln wieder einzufangen und zu sich zu ziehen. „Aber... das sollte gar nicht gehen“, erwiderte Ann ungläubig und ging auf die beiden zu. Elaine verriegelte derweil die Tür und verhinderte dass noch mehr Schnee herein geweht wurde. "Warum nicht?", fragte Kathleen und beugte sich interessiert vor. "Es ist unmöglich. Er bräuchte einen Partner dazu." Ann sah etwas verwirrt auf. "Ach, bei denen gibts auch Bienchen und Blümchen?", gluckste Kathleen und fing sich einen Schlag auf den Arm ein. "Autsch!" Elaine hatte den kleineren Kürbis hoch gehoben und betrachtete ihn nachdenklich. "Na ja, Jack war ziemlich lange im Gewächshaus mit all den anderen zusammen." "Stimmt..." Sie sahen gedankenverloren auf die beiden hinunter. "Und nun?", fragte Kathleen schließlich. "Nun kümmern wir uns halt um zwei. Ist kaum mehr Arbeit", erwiderte Elaine. "Lumos!" Und sie richtete den hellen Lichtstrahl auf die Blätter ihrer Schützlinge. "Ja, mag sein, aber damit ist die Ferienunterbringung nicht einfacher geworden." "Ich bleibe hier", sagte Ann plötzlich fest. "Was?", kam es zweistimmig zurück. Ann sah zu ihren Freundinnen auf. "Ich bleib einfach über Weihnachten hier in Hogwarts. Dann müssen sie den Schuppen nicht verlassen und wir haben noch bis zum Sommer um uns was anderes auszudenken." Erstauntes Schweigen folgte nach dieser Erklärung. "Dann bleib ich auch!", verkündete Kathleen. Elaine nickte ihr zu. "Und ich auch." Ann versuchte gerührt beide davon abzuhalten, stieß aber natürlich auf vollkommen taube Ohren. Noch am selben Abend flogen drei Schleiereulen mit dem selben Ziel, aber unterschiedlichen Wegen vom Turm der Eulerei los. Sehr zufrieden mit ihrer Lösung schliefen die Schülerinnen in dieser Nacht glücklich ein. "Vielleicht sollten wir ihnen Nummern aufmalen...", sagte Kathleen langsam und versuchte auf keine Ranke oder einen Fruchtkörper zu treten. Jack hatte es nicht bei einem Nachkommen belassen und inzwischen wurde es im Schuppen etwas eng. "Sie sind nur grad etwas wuselig weil ihnen die Bewegung fehlt!", fauchte Ann während sie stinkenden Drachenmistdünger verteilte. Kathleen seufzte. "Na ja, es wird in nächster Zeit nicht aufhören zu schneien. Und ich denke es fällt auf wenn wir mit den Sieben eine Schneeballschlacht veranstalten." "Ja, danke, das weiß ich selbst!" Kathleen unterdrückte ein Augenrollen. Bis Weihnachten war es nun nur noch eine Woche und fast jeden Tag war ein weiterer Kürbiswandler aufgetaucht. Sie hatten noch nicht beobachten können wie sie zur Welt kamen und die Fantasie aller streikte bei dieser Vorstellung. Die blauen Feuer hatten keinen Platz mehr am Boden gefunden und wurden nun durch einen Schwebezauber knapp unter der Decke gehalten. Auch alles andere was sich noch in der Hütte befunden hatte war heraus geräumt worden um Platz für mehr Erde und die Kinderchen zu machen. Jack thronte zufrieden und für Kathleens empfinden etwas zu überheblich in der Mitte des Haufens. Ann schien endlich fertig zu sein und setzte sich erschöpft auf den Boden. Sofort zog sich einer der Kürbisse in ihren Schoss und sie streichelte ihn Pflichtergeben. "Wie viele Nachkommen bekommt so ein Kürbiswandler denn?", fragte Kathleen vorsichtig. Ann wiegte nachdenklich den Kopf. "So viel ich weiß bis zu dreißig." Schnell fuhr sie fort als ein erschrockenes Keuchen erklang. "Aber nur bei richtig ausgewachsenen. Ich denke bei Jack werden es die sechs gewesen sein." Dies stellte sich schon am nächsten Tag als Irrtum heraus. So langsam dämmerte allen, dass sie ein Problem hatten. "Ok, ich seh es ein, wir kommen nicht mehr mit dem Gießen nach." Als Antwort kam zunächst nur ein Wasserplätchern. "Und?" Ann seufzte. "Und wir brauchen Hilfe." Erleichtertes Stöhnen erklang. "Dann können wir jetzt endlich zu Professor Sprout gehen?", fragte Elaine und wischte sich Erde vom Umhang. "Reicht es nicht ihr eine Eule zu schicken?", fragte Kathleen unsicher. "Wer weiß wie viele Punkte sie Ravenclaw dafür abziehen wird..." "Hör auf so feige zu sein. Es ist Weihnachten, da werden wir sie schon auf einem guten Fuß erwischen. Das wichtigste ist jetzt endlich eine Lösung zu finden, bevor Jacks Kinder anfangen auch noch eigene Kinder zu bekommen", sagte Elaine im festen Befehlston, dem sich ihre Freundinnen immer fügten. Schicksalsergeben verschlossen sie die Schuppentür magisch, da sonst die Flut an orangen Kürbissen sie mit Sicherheit eingedrückt hätte und liefen mit mulmigen Gefühl zurück zum Schloss. Das Festessen sollte erst in ein paar Stunden stattfinden und die Gänge waren wie ausgestorben. Kaum jemand war in den Ferien geblieben und die Wenigen bewegten sich selten aus ihren Gemeinschaftsräumen weg. "Ist sie immer noch in ihrem Raum?", fragte Elaine. Ann nickte. "Sie sagte, dass sie sich dort heute nicht weg bewegen wollte bis zum Abend." Mit einem mulmigen Gefühl und Bauchschmerzen standen sie kurz vor der Tür und versuchten stumm zu entscheiden wer den Anfang machen sollte. Schließlich hob Ann die Hand und klopfte. Kurz darauf öffnete Professor Sprout die Tür. Sie hielt eine Gartenschere in der Hand und sah überrascht, aber nicht wütend über die Störung aus. "Miss de Drakemore? Haben sich noch Fragen zu ihren Hausaufgaben ergeben?", fragte sie zerstreut. "Äh nein Professor Sprout, damit bin ich schon fertig." "Oh sehr schön meine Liebe, haben dann Miss Rose oder Miss Gray ein Problem?" Die Mädchen sahen sich an. "Na ja, eigentlich haben wir alle ein Problem", druckste Kathleen schließlich herum. "Haben Sie vielleicht kurz Zeit uns zu begleiten?" "Es ist wirklich dringend", fügte Elaine hinzu. Professor Sprout zog eine buschige Augenbraue hoch, legte dann jedoch ohne einen Kommentar die Schere zur Seite und folgte den Mädchen schweigend. Der Schnee war inzwischen auf ein erträgliches Maß herab geschmolzen und sie kamen schnell voran und standen schließlich vor der Schuppentür. Kathleen hob ihren Zauberstab und damit den Verriegelungszauber mit einem Schlenker auf. Sofort krachte die Tür nach vorn und putzmuntere Kürbiswandler purzelten übereinander und nach draußen. Schuldbewusst sahen alle drei Ravenclaws nach unten und erwarteten das Donnerwetter. "Ich bin beeindruckt! Wie haben Sie es geschafft sich um so viele gleichzeitig zu kümmern?", sagte Profossor Sprout und hob einen der kugeligen Geschöpfe auf. Die Mädchen sahen sich irritiert an. "Äh es war gar nicht so schwer", sagte Ann. "Ja nachdem wir raus hatten wie man aus Lumos eine ständige Lichtquelle formt und den Drachendung-Dünger selbst braut hat uns eigentlich nur noch die Wasserversorgung Probleme bereitet", meinte Kathleen. "Und da der See in der Nähe ist hätten wir das vermutlich auch bald geklärt", warf Elaine ein. Professor Sprout nickte anerkennend. "Sie sind alle in einer sehr guten Verfassung. Oh und das ist die Mutterpflanze?" Sie deutete auf den inzwischen fast sechzig Zentimeter großen Jack, welcher ungeduldig ein paar verirrte Schneeflocken fort wedelte. Wortloses Nicken kam als Antwort. "Warum ist er nicht mit den anderen zu Pastete geworden?" "Ich konnt es nicht über mich bringen", sagte Ann leise. "Und wir auch nicht", fielen Elaine und Kathleen sofort mit ein. Professor Sprout sah sie etwas verwirrt, aber verstehend an. "Aha... und Sie dachten Sie könnten ihn hier einfach unbemerkt auf dem Gelände halten?" "Bis er angefangen hat Kinder zu bekommen wars auch eigentlich kein Problem", meinte Kathleen und holte sich einen Rippenstoß von Elaine ab. "Ich dachte in dem Alter bekommen Kürbiswandler höchstens sechs oder sieben Nachkommen", sagte Ann. Professor Sprout nickte. "Das ist auch ganz richtig. Zumindest bei den Wildformen, aber die Samen stammen nicht von wilden Kürbiswandlern, welche eh kaum anzutreffen sind, sondern von der Zucht meiner Freundin aus Salem. Diese bringen schon nach kurzer Zeit viele Nachkommen hervor." Es war den Schülerinnen anzumerken, dass sie am liebsten diese Informationen notiert hätten. "Tja, nun Sie haben mich gerade noch rechtzeitig um Hilfe gebeten. In einer Woche wären die Kleinen groß genug gewesen um auszubrechen und sich über das Gelände zu verteilen. Über kurz oder lang hätten sie dann erst den See leer getrunken und uns vor dem Zaubereiministerium in ernste Erklärungsnot gebracht." Professor Sprout schwang ihren Zauberstab und beschwor ein großes Fischernetz hervor, welche alle Kürbisse umschloss, sich verschnürte und mit seiner zappelnden Fracht in der Luft hing. "Was passiert jetzt mit ihnen?", fragte Ann ängstlich auf ihre Schützlinge blickend. "Ich werde sie in die Küche bringen. Ich denke die Hauselfen schaffen es noch bis heute Abend einen leckeren Nachtisch aus ihnen zu bereiten", antwortete Professor Sprout mit einem Lächeln. "Aber genau davor wollten wir Jack doch retten!", stieß Ann hervor. Kathleen und Elaine nickten zustimmend. "Jack?" "Ja, unser Kürbiswandler. Wir haben ihn Jack genannt." Und Elaine deutete auf den nicht mehr ganz so kleinen Zögling, welcher im Netz ganz nach unten gerutscht war. Es folgte Schweigen. Die Lehrerin schien mit der Situation leicht überfordert zu sein und die Schülerinnen bangten um die Zukunft ihres Kürbiswandlers. "Können Sie nicht wenigstens ihn verschonen?", fragte Ann schließlich leise. Professor Sprout seufzte. "Scheinbar bedeutet er euch ja so viel, dass ihr sogar einen Schulverweis in kauf genommen hättet. Na gut." Mit einem weiteren Schwung ihres Zauberstabs öffneten sich die Maschen soweit, dass er heraus purzelte, nur um sich dann noch enger um den Rest zu schließen. "Sie haben Glück, dass heute Weihnachten ist und auch meine Freundin eine besondere Vorliebe für einen ihrer aller ersten Zuchtkürbisse hat. Sie hat einen Zauber entwickelt, der ihn keine weiteren Setzlinge mehr entwickeln lässt." Professor Sprout wirkte den Zauber, welcher scheinbar spurlos an Jack vorüber ging. "Aber Sie dürfen ihn nicht hier im Schloss halten! Seine Schale ist inzwischen dick genug um draußen überleben zu können und etwas Strafe muss ja schließlich sein", versuchte sie es noch mit etwas Stränge. Die Stimmen der Mädchen überschlugen sich bei dem Versuch ihr zu danken. "Schon gut. Jetzt verabschieden Sie sich und ich schaffe die hier in die Küche", verabschiedete sie sich und stapfte mit dem Netz vor sich her schwebend davon. Unschlüssig sahen sie ihr nach, überrascht davon wie gut alles irgendwie ausgegangen war. Dann hockten sie sich neben Jack und tätschelten seine immer noch glatte Schale. "Er wird mir echt fehlen." "Aber jetzt hat er endlich mal wieder Auslauf." "Und wir wieder etwas Freizeit." "Ob er sich im verbotenen Wald nieder lässt?" "Natürliche Feinde hat er da drin theoretisch nicht." "Wir werden dich oft besuchen!" "Nicht im verbotenen Wald." "Du bist herzlos!" Erst nach über einer Stunde konnten sie sich von ihm trennen und liefen zurück zur Schule. Auf halbem Weg drehte Ann sich noch einmal um und sah, dass sich der große Kürbis gestützt von seinen starken Ranken tatsächlich in Richtung des bereits im dunkeln liegenden Wald aufgemacht hatte. Kathleen und Elaine nahmen sie kurz in den Arm und setzten dann den Weg gemeinsam fort. "Oho, es gibt noch mehr von der leckeren Kürbispastete!", sagte Dumbledore sehr fiel später erfreut. Nur fünfzehn Schüler saßen neben den Lehrern noch mit an der großen Tafel. Der Hauptgang war bereits verschwunden und der Nachtisch soeben erschienen. "Äh ja, es waren noch welche von Halloween übrig. Eh die verderben", murmelte Professor Sprout und wurde immer leiser. Ann, Elaine und Kathleen wagten es nicht den Blicke von ihren Tellern zu heben. "Wie lang hält sich eigentlich Kürbispastete?", fragte Dumbledore gut gelaunt und lud sich gleich zwei Stück auf den Teller. "Oh eine Weile..." Zum Glück hörte er schon nicht mehr zu. Die Freundinnen sahen sich erleichtert an. Und so hatte der verbotene Wald einen weiteren Bewohner zu Weihnachten erhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)