Fern der Heimat von _Delacroix_ ================================================================================ Kapitel 4: Tjelvar ------------------ Das Klopfen traf ihn wie ein Donnerschlag, riss ihn aus seinen wirren Gedanken und ließ ihn je zusammenfahren. Wer auch immer das war, es konnte eigentlich nichts Gutes bedeuten. „Aufmachen!“, bellte es und Tjelvar hätte sich am Allerliebsten in seinen Rentierfellen verkrochen. Unsicher blickte er zu Yarik, der von einer Sekunde auf die Andere leichenblass geworden war, dann kämpfte er sich auf die Füße. „Ich komme. Ich komme schon“, rief er, die Stimme so unschuldig, wie er es nur wagte, „Einen Augenblick, bitte.“ Aus den Augenwinkeln sah er, wie Yarik tiefer in dem Berg aus Fellen verschwand. Unsicher stakste er zur Tür. Hätte er näher am Dorf gewohnt, er hätte vielleicht geglaubt, dass es seine Nachbarn waren, die schauen wollten, ob er den Sturm heil überstanden hatte, aber so weit nach draußen verirrten sie sich nur selten. Mit zitternden Händen griff er nach der Klinke, drückte sie herab und zog schließlich die schwere Holztür auf.   Die drei Männer, die davor standen, musterten ihn grimmig. Sie waren groß, zumindest größer als er und sie trugen die strengen, schwarzen Uniformen der Drüskelle. „Was dauert das so lange?“, herrschte einer von ihnen, während sein Kamerad hinter ihm umständlich mit seinem Gewehr herumhantierte. Tjelvar erlaubte sich einen zerknirschten Blick. „I-Ich habe geschlafen“, brachte er zu seiner Verteidigung hervor, „Wie kann ich helfen?“ Der Mann, der ihn zuvor angeschnauzt hatte, fuhr sich mit der Hand durch seinen Ziegenbart. „Wir suchen eine Drüsje“, erklärte er mit Abscheu in der Stimme, „Und wir fragen uns, ob sie sich hier verkrochen hat.“ Ein kalter Schauer lief Tjelvar über den Rücken. „Hier?“, fragte er und hoffte inständig, dass die Männer seine Angst nicht hörten. „Hier ist niemand außer mir.“ „Davon würden wir uns gerne selbst überzeugen“, warf der Dritte in der Runde ein. Er war ein hagerer Kerl, mit schmalen, kalten Augen, die jede seiner Bewegungen zu verfolgen schienen. Tjelvar lehnte sich ein bisschen fester gegen den Türrahmen. „I-Ich habe nicht aufgeräumt“, behauptete er eilig. „Überall liegen meine Felle herum. Ich kann nicht einmal einen warmen Tee anbieten. Ich fürchte, ich wäre ein ganz schrecklicher Gastgeber.“ Der Mann mit dem Bart machte einen Schritt auf ihn zu. „Wir brauchen keinen Gastgeber“, erklärte er finster, „Wir wollen nur einen Blick in diese Hütte werfen.“ Tjelvar schluckte. Er wusste, er hatte keine Wahl. Wenn er die Drüskelle jetzt nicht herein ließ, würden sie wissen, dass er etwas zu verbergen hatte und dann würden sie sich vermutlich einfach Zutritt verschaffen. Was für eine Chance hatte er schon gegen drei bewaffnete Soldaten? „I-In Ordnung“, gab er nach und betete innerlich zu Djel, dass Yarik sich erfolgreich in den Fellen vergraben hatte. „Nur bitte, beurteilt mich nicht nach dem Zustand meiner Hütte.“   Der bärtige Drüskelle schnaubte, als er an ihm vorbei in das Halbdunkel der Hütte drängte. Viel gab es dort zum Glück nicht zu sehen. Da war das kleine Feuer, das fröhlich knisternd Schatten an die Wände warf, der Berg aus Fellen, in denen Yarik verschwunden war und sein langsam trocknender Mantel, den man genauso gut auch für Tjelvars halten konnte, solange niemand von ihm verlangte, dass er ihn anzog. Beinahe hätte er erleichtert aufgeatmet, doch im letzten Augenblick bemerkte Tjelvar, dass der Drüskelle mit den kalten Augen ihn musterte, und er verkniff es sich. „Gibt es einen Boden?“, verlangte der Mann von ihm zu erfahren, „Oder einen Keller?“ Tjelvar schüttelte den Kopf. „Nur einen Unterstand für meinen Schlitten“, versicherte er. Der Drüskelle presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Vermutlich hatte er den Unterstand bereits durchsucht. „Hier is keiner“, polterte der Dritte dazwischen, „Ich sag doch, die Grisha fault längst irgendwo im Schnee.“ Der Blick von Tjelvars Gegenüber wurde schärfer, doch noch bevor er den Mund aufmachen konnte, um seinen Gefährten zurechtzuweisen, streckte der Drüskelle mit dem Ziegenbart die Hand nach ihm aus. „Spar dir den Atem, Hagen und du gib mir das Gewehr“, wies er die Beiden zurecht und sie gehorchten. Mit großen Augen beobachtete Tjelvar, wie die Waffe den Besitzer wechselte. „Weißt du was dein Problem ist, Jarno?“, fragte der Ziegenbart, während er langsam über das dunkle Holz der Flinte strich. Jarno schenkte ihm einen beleidigten Blick, antwortete aber nicht. „Du hast ’nen Kopf, aber du nutzt ihn nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)