Fern der Heimat von _Delacroix_ ================================================================================ Kapitel 5: Yarik ---------------- Der Kolben der Waffe verfehlte ihn nur um wenige Millimeter, aber Yarik hatte den Angriff in dem Moment kommen sehen, als der Drüskelle das Gewehr verlangt hatte. Wäre er an seiner Stelle gewesen, er hätte vermutlich genauso gehandelt und sei es nur, um zu beweisen, dass wirklich niemand zwischen den Fellen kauerte. Dummerweise hatte er gekauert und nun hatten sie den Salat. Der Drüskelle hatte ihn entdeckt und riss die Waffe hoch, Tjelvar japste und Jarno stieß ein ungläubiges Grunzen aus. Yarik war es recht. Im Schnee war er vor den Männern geflohen, aber jetzt war er im Vorteil. Seine Mundwinkel formten ein dünnes Lächeln, während er die Hände hob.   Eine Stichflamme schoss aus der kleinen Feuerstelle und fraß sich in den Wollstoff des nächsten Umhangs. Hagen schrie, doch Yarik erlaubte sich nicht, sich ganz auf ihn zu konzentrieren. Stattdessen ballte er die Finger zur Faust, zog weitere Gase aus der Luft und bot sie dem Feuer als Opfer dar. Die Flammen explodierten um ihn her, ließen die Temperatur im Raum binnen Sekunden auf ein Maß ansteigen, das nur schwer erträglich war. Yarik schmeckte Rauch, roch brennendes Fleisch, doch er trieb das Feuer nur noch weiter an. Es bildete eine Flammensäule, stieg auf bis zur Decke und leckte an den großen, hölzernen Balken über ihnen. Ein Schuss knallte, das trockene Holz ächzte, ein Mann schrie, dann krachte es.   Einer der Balken brach in sich zusammen, riss Teile des Daches mit sich und bot den Flammen neues Futter. Irgendwo links von ihm wimmerte es. Mühsam rappelte sich Yarik auf. Es fiel ihm schwer, die ersten Schritte zu tun, doch die Nutzung seiner Macht hatte seinem Körper neue Kraft eingehaucht und so schleppte er sich vorwärts. Quälend langsam durchquerte er den Raum, beeinflusste die Gase, um das Feuer umzulenken und als er endlich sein Ziel erreichte, fühlte er sich, als hätte er für die paar Meter eine halbe Ewigkeit gebraucht.   „Tjelvar?“, fragte er und der Name seines Gastgebers rollte ihm so leicht über die Zunge, als hätte er ihn schon tausend Mal benutzt. Zunächst reagierte Tjelvar nicht, doch nach einem endlos langen Moment, hob er schließlich doch noch den Kopf und starrte ihn aus seinen großen, honigfarbenen Augen an. Yarik spürte, wie sich sein Herz zusammenzog. Er kannte diesen Blick. Seine Kameraden hatten ihn so angestarrt, nachdem er seinen ersten Kampf gewonnen hatte, damals auf der Schattenflur. Sie hatten ihn so angestarrt, als er versucht hatte, den Außenposten an der Grenze gegen die Shu Han zu halten und jetzt starrten sie - starrte Tjelvar - ihn wegen der Drüskelle an. Yarik verharrte in der Bewegung. „Jetzt weißt du, was ich wirklich bin“, murmelte er bitter. Er wusste, es sollte ihn nicht tangieren. Er sollte sich umdrehen und gehen. Er brauchte Abstand zwischen sich und den Drüskelle. Nur für den Fall, dass diese drei nicht die Einzigen gewesen waren, die nach ihm suchten. Aber egal wie dringend er fliehen musste, er konnte es nicht. Tjelvar hatte ihn aufgenommen. Er hatte ihn in sein Haus geholt, hatte ihn gepflegt und sich für ihn interessiert. Und Yarik hatte die Drüskelle zu ihm geführt und sein Haus den Flammen übergeben. Langsam ließ er sich auf die Knie sinken. Er unterbrach sogar das Spiel seiner Hände und erlaubte es dem Feuer wild und frei weiter zu brennen, so wie es ihm beliebte. Wenn Tjelvar es so wollte, würde er für seine Taten büßen. Er würde sich den Drüskelle ergeben, oder seinen eigenen Flammen. Ganz egal. Alles, was er wollte, war, dass Tjelvar aufhörte, ihn so anzusehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)