Fern der Heimat von _Delacroix_ ================================================================================ Kapitel 6: Tjelvar ------------------ Der Rauch ließ seine Augen tränen und machte ihm das Atmen schwer, doch Tjelvar hatte nur Augen für Yarik. Es war, als wäre eine unsichtbare Macht in ihn gefahren. Ein seltsames Pulsieren, das ihn dunkler, stärker und gefährlicher wirken ließ. Sehr viel gefährlicher. Umso mehr schockierte es ihn, als Yarik plötzlich auf die Knie sank. Von einer Sekunde auf die andere war es, als würde der Zauber brechen. Die große, mächtige Grisha sank in sich zusammen und plötzlich war da wieder Yarik. Der Yarik, der sich in seine Felle geschmiegt hatte, kaum das er ihn auf seinem Lager abgelegt hatte. Der Yarik, der heiser über seine naiven Worte gelacht hatte und ihn scheinbar nie ganz aus den Augen ließ. Der Yarik, der - Der Gestank nach verbranntem Holz wurde stärker und brachte Tjelvar zum Husten. Es war ein widerliches, trockenes Gefühl in seinem Hals, das ihn lebhaft daran erinnerte, was gerade geschehen war. Yarik, sein harmloser, lieber Yarik, hatte das Haus in Brand gesteckt. Wenn er die Augen schloss, konnte er immer noch sehen, wie die Flammen aus der Feuerstelle strömten. Er konnte den Drüskelle sehen, als sein Mantel plötzlich Feuer fing. Er hörte seine immer lauter werdenden Schreie, als er versucht hatte, sich irgendwie zu löschen ... Tjelvar unterdrückte mit Mühe ein weiteres Wimmern. So durfte er nicht anfangen. Diese Männer waren Soldaten. Er durfte nicht glauben, dass sie Yarik besser behandelt hätten. Sie hätten ihn gefesselt, geknebelt und nach Djerholm gebracht, wo sie ihn nach einem endlos langen Prozess auf den Scheiterhaufen gestellt hätten. Er hätte genauso gebrannt. Jedenfalls, wenn er überhaupt brennen konnte.   Ein weiterer Hustenanfall schüttelte ihn. Tjelvars Lunge schmerzte und machte ihm das Atmen schwer. Unwillkürlich schnappte er nach Luft. Dann plötzlich berührte etwas seine Wange und das Luftholen wurde leichter. Ein Körper drückte sich gegen seinen, fremde Haare kitzelten ihn im Gesicht und Tjelvar fühlte sich wie erstarrt. Er hatte Yarik nicht näherkommen hören und nun war er ihm so nah wie nie zuvor. „Es tut mir leid“, hauchte Yarik ihm ins Ohr und Tjelvar konnte spüren, wie sich die Luft um ihn herum veränderte. Ein Prickeln fuhr durch seinen Körper, lief bis in seine Zehenspitzen hinab und erfüllte ihn mit einer wohligen Wärme. War das ein Teil von Yariks Macht? Tjelvar wusste darauf keine Antwort, trotzdem wagte er es kaum, sich zu bewegen. Was wenn er Yariks Konzentration dadurch störte? Was wenn er die Bewegungen seiner Hände unterbrach? Was wenn - „Tjelvar?“, hauchte es in sein Ohr und das Prickeln verstärkte sich gleich noch einmal. Noch nie hatte sein Name so gut geklungen. Noch nie hatte er so gern darauf reagiert. „Ja?“, krächzte er und bemühte sich krampfhaft, ruhiger zu klingen, als er es eigentlich gerade war. „Wir müssen fort.“ Tjelvar nickte, obwohl die Worte in seinem Kopf nur noch stärker zu kreisen begannen. „Fort.“ Meinte Yarik: Fort aus dem Haus? Das mussten sie wohl. Er war in diesem Haus geboren worden. Es war seine Heimat. Seine Zuflucht. Und doch, er konnte hier nicht bleiben. Nicht solange das Feuer schwelte und auch danach nicht, bevor der Wiederaufbau nicht beendet war. Es würde ihn vermutlich Monate kosten, all das Holz zu schlagen. Er musste es den ganzen Weg hier heraus transportieren und dann waren da noch ˗ Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Yarik hatte nicht von dem Haus gesprochen. Die Drüskelle ˗ Selbst wenn diese drei besiegt waren ˗ es würden Andere kommen. Andere, die wissen wollen würden, was mit ihren Kameraden geschehen war. Dieses Haus war das Einzige weit und breit und es war auf mysteriöse Weise abgebrannt. Sie würden ihn nicht in Frieden lassen, auch wenn er nicht das war, was sie eigentlich wollten. Und das bedeutete ... Er musste wirklich fort. Die Frage war nur: „Wohin?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)