Niffler and Where to Find Them von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 11: ------------ „Aber Vater!“, empörte sich Percival. „Das ist mein Fall!“ „Sohn! Treib es nicht auf die Spitze!“ Raymund stand peinlich berührt daneben und verdammte sich dafür, ins Büro gekommen zu sein. Coffee, der sich mittlerweile daran gewöhnt zu haben schien, auf Percivals Arm zu sitzen, war ebenso erstarrt vor Schreck. „Du bist noch viel zu unerfahren, um ein Verhör zu führen. Deshalb wird Raymund das machen. Und du schaust zu und lernst, Percival Graves.“ Percival sah seinen Vater mit hochrotem Kopf an und schwieg. Die Situation war für ihn auch so schon peinlich genug. Nicht nur, dass sein Vater ihm in seinem Fall das Heft aus der Hand genommen hatte. Nein, sogar Commissioner Shoemaker war aus seinem wohlverdienten Angelwochenende zurückgekommen, um den Verlauf des Falls zu begleiten. Derzeit saß er gerade in seinem Büro, die Tür offen, sodass er alles hören konnte, was Richard Graves seinem Sohn sagte. Percival sah verzweifelt zu Raymund, aber der schüttelte nur warnend den Kopf. „Und kann ich wenigstens erfahren, was ihr bei der Hausdurchsuchung gefunden habt?“, fragte er dann. „Geduld, Percy! Du wirst es noch früh genug erfahren.“ Percival sah seinen Vater giftig an. „Und pass auf dein Haustier auf“, fügte Graves senior hinzu. Percival zog den Kopf ein und stapfte hinaus. Wie blind steuerte er auf den Schreibtisch zu, der neben dem von Michelle stand. Nur, um sich dann daran zu erinnern, dass er seinen mit Raymund getauscht hatte. ‚Ironie des Schicksals‘, dachte er und machte kehrt. Coffee sah sich neugierig um, während Percival ihn zu seinem neuen Platz trug. Er hatte immer noch kein Halsband mit Leine für den Kleinen gefunden. Frustriert setzte er sich und sah Coffee dann ins Gesicht. „Da hast du mich ja in einen schönen Schlamassel geritten.“ Coffee legte den Kopf schief. Percival seufzte und sah auf seinen Schreibtisch. Bisher hatte er nur sehr selten an ihm gearbeitet, obwohl er gerade einmal seit zwei Tagen als Auror beschäftigt war. Gerade wirkten Schreibmaschine, Tischlampe und Notizblock wenig einladend auf ihn. Zu gerne hätte er sie heute benutzt, um einen Bericht über das Verhör von Mrs. Davis zu verfassen. „Percival?“, sagte jemand hinter ihm. Er zuckte zusammen und hätte Coffee beinahe gegen die Tischkante geschlagen. Dann drehte er sich um. Raymund stand hinter ihm. „Bitte entschuldige. Ich habe nicht gewusst, dass Vater dir den Fall aus der Hand nehmen will. Ehrlich.“ Percival sah ihn missmutig an. „Ach schon gut. Wärst du nicht hier gewesen, würde er das Verhör sicher selber führen.“ Raymund kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Was ist?“ „Kannst du mir bitte kurz einen Überblick geben, was du über Mrs. Davis herausgefunden hast?“, fragte Raymund. Percival drehte seinen Stuhl um. „Setz dich.“ Raymund nahm auf dem Stuhl eines Kollegen Platz. „Mrs. Davis ist Kundin der Steen National Bank. Sie war am Tattag in der Bank, ist Mitte Vierzig und wohnt auf Staten Island in einem bescheidenen Holzhäuschen in 1 Walnut Street. Sie hat bis vor einigen Jahren für die Magic Times gearbeitet, als was, kann ich dir leider auch nicht sagen“, erzählte Percival. „Sie war die erste Kandidatin einer kurzen Liste von drei Verdächtigen, die zum fraglichen Zeitpunkt in der Bank waren. Gut möglich, dass sie Coffee in einer Handtasche mitgeführt hat, und ihn dann in der Bank freigelassen hat, als sie sich unbeobachtet fühlte.“ „Verstehe. Und warum hast du sie als erstes überprüft?“, hakte Raymund nach. Percival drehte Coffee auf den Rücken und kraulte ihm den Bauch. Der Kleine begann zu quengeln, als er auf Percivals Gürtelschnalle aufmerksam wurde. „Wenn ich ehrlich sein soll, war es ein reiner Glückstreffer, dass ich Coffee im Nachbarhaus gefunden habe. Ich hatte eigentlich nicht vermutet, dass eine betagte Hexe in irgendeiner Weise kriminelle Energien entfalten könnte.“ „Wenn du wüsstest ...“, brummte Raymund. „Was?“ „Ach nichts. Vielen Dank für die Informationen.“ „Weißt du etwas über die Hausdurchsuchung?“ Raymund schüttelte den Kopf und stand dann auf. „Es sieht übrigens komisch aus, wenn Coffee dir an die Hose geht“, raunte er Percival zu. Raymund ließ ihn sitzen, wo er war, und ging in Richtung Verhörräumlichkeiten. Trotzdem war Percival nicht entgangen, dass es kurz aufgeblitzt hatte in den Augen seines Bruders. Er schien wohl doch mehr zu wissen, als er zugab. ‚Die Eule, die Vater ihm geschickt hatte ...‘, erinnerte er sich dann niedergeschlagen. „Und du hörst jetzt mal auf.“ Percival schob Coffee zu seinen Knien und stellte dann mit Entsetzen fest, dass der kleine Ganove seine Gürtelschnalle geöffnet hatte. Er schloss sie mit einer Hand, so gut er konnte. „Du kleines Biest.“ Coffee schaute verwirrt zu ihm hoch und wollte dann auf seinen Schreibtisch klettern. „Oh nein, du bleibst schön hier! Sonst sage ich Oscar nachher, dass er dich sezieren soll.“ Gerade so, als hätte er ihn genauestens verstanden, hielt Coffee in seinem Tun inne. „Percy, wo bleibst du?!“, rief sein Vater quer durch das Büro. Er zuckte erneut zusammen. Wie froh war er, dass die Aurorenzentrale Samstagvormittag eher schlecht besetzt war. Pflichtschuldig stand er auf, nahm Coffee auf den Arm und folgte Raymund zu den Verhörräumen. Sein Vater wartete vor dem Nebenzimmer auf ihn. Graves senior warf einen Blick auf Coffee, sagte aber nichts. Percival ging kommentarlos an ihm vorbei in das Beobachtungszimmer. Und bekam umgehend ein schlechtes Gewissen. Mrs. Davis saß in sich zusammengesunken auf einem harten Holzstuhl und hatte die Hände in ihren Schoß gelegt. Ihr Blick war nach unten gerichtet. Ihre grauen, leicht gewellten Haare waren im Nacken zusammen gesteckt. Eine Brille hing an einer Kette um ihren Hals. Ein Gegenstand, der eigentlich sofort Coffees Aufmerksamkeit auf sich hätte ziehen müssen, doch er schien es noch nicht bemerkt zu haben. Die Tür ins Verhörzimmer wurde aufgestoßen und Raymund trat ein. Mrs. Davis zuckte zusammen und sah den Neuankömmling verängstigt an. Erst jetzt bemerkte Percival ihre geröteten Augen. „Vater, was habt ihr mit ihr gemacht?“, fragte er leise. „Nichts, worum du gestern Abend nicht selbst gebeten hast.“ „Sie hat geweint“, warf Percival ihm vor. Richard Graves‘ Mine blieb ausdruckslos. „Sohn. Das wirst du in deiner Laufbahn noch viele Male erleben. Also gewöhne dich besser daran.“ Percival schwieg. Raymund hatte sich mittlerweile vorgestellt und Mrs. Davis, soweit es ermittlungstaktisch sinnvoll war, über die Situation und ihre Recht aufgeklärt. Percival musste zugeben, dass sein Bruder dabei sehr behutsam vorgegangen war. Trotzdem konnte er das Glitzern in Mrs. Davis Augen erkennen. Die betagte Dame war wieder kurz davor, in Tränen auszubrechen. „... versichere Ihnen, dass wir Sie nur als Zeugin vernehmen“, konnte er seinen Bruder dumpf durch die Scheibe hören. Mrs. Davis schluchzte. Raymund ging nicht darauf ein und schlug stattdessen die Akte auf, die er mitgebracht hatte. Er überflog sie kurz und verschränkte dann seine Arme auf der Tischplatte. „Sie haben ein Konto bei der Steen National Bank. Warum?“, fragte Raymund. Percival konnte die Antwort von Mrs. Davis kaum durch die Scheibe hören. „Nein, selbstverständlich ist es nicht verboten, als Hexe ein Konto bei einer NoMaj-Bank zu haben. Es kommt nur selten vor, verstehen Sie?“ Mrs. Davis ließ den Kopf noch tiefer hängen. „Mrs. Davis, darf ich Ihnen ein Glas Wasser oder etwas anderes zu Trinken anbieten?“ Einen Augenblick später nickte Raymund. Er stand auf, öffnete die Tür und schwang den Zauberstab. Das Glas Wasser schien er vorbereitet zu haben. Höflich stellte er es vor Mrs. Davis auf den Tisch und setzte sich dann wieder. Sie nahm einen großen Schluck. „Mrs. Davis, erinnern Sie sich noch an Ihren Besuch in der Bank am Morgen des 25. September? Ist Ihnen vielleicht etwas Merkwürdiges aufgefallen?“ Percival sah, wie sie einmal tief durchatmete. Die Bank sei an dem Tag gut besucht gewesen, erzählte sie. Sie habe fast 20 Minuten gewartet, ehe sie von einem Angestellten des Instituts bedient wurde. Raymund fragte sie nach dem Grund für ihren Besuch. Etwas Geld habe sie auf ihr Konto einzahlen wollen, das sie von ihrer Nichte erhalten hatte. Ob die Nichte eine NoMaj sei.  Mrs. Davis nickte kaum merklich. Raymund erinnerte sie noch einmal an Rappaports Gesetz von 1790, ging aber ansonsten nicht weiter auf ihre NoMaj-Beziehungen ein. NoMajs kamen in den Verwandtschaftsverhältnissen der meisten magischen Familien der USA vor. Selbst in Reinblut-Familien gab es alle paar Generationen einen Angehörigen, der aus der Reihe tanzte und als NoMaj auf die Welt kam. In der Regel wurden bei allen betroffenen Familienangehörigen das Gedächtnis gelöscht und das Kind zur Adoption freigegeben. In welchem Verhältnis Mrs. Davis tatsächlich zu ihrer Nichte stand und wie es entstanden war, würde eine andere Ermittlung ergeben. Dessen war sich Percival sicher. Etwa eine viertel Stunde hatte es gedauert, bis Mrs. Davis ihre Angelegenheiten in der Bank geregelt hatte. Ob sie danach noch länger im Gebäude geblieben sei. Nein, sie habe noch Gemüse auf einem Markt kaufen wollen. Mittlerweile hatte sie das Glas Wasser komplett geleert. Aber aber ihre Nerven schienen sich inzwischen auch wieder etwas beruhigt zu haben, stellte Percival erleichtert fest. Eine schwere Hand legte sich auf seine rechte Schulter. „Percival“, raunte sein Vater. „Dein Bruder wird das Verhör gleich beenden. Geh raus und warte mit dem Kleinen auf dem Gang. Achte darauf, wie Mrs. Davis auf ihn reagiert.“ Percival nickte und verließ das Nebenzimmer. Coffee war mittlerweile wieder auf seinem Arm eingeschlafen. Er weckte den kleinen, der sich verschlafen umzuschauen schien und dann wieder seine Kragenknöpfe ins Visier nahm. Percival ließ ihn gewähren und wartete gegenüber der Tür zum Verhörzimmer. Graves senior hatte die Tür zum Nebenraum hinter seinem Sohn geschlossen.  Coffee hing gerade an seiner Krawatte, als Raymund die Tür für Mrs. Davis öffnete. Percival versuchte, die alte Dame anzulächeln. Sie sah im traurig ins Gesicht, sah irritiert auf Coffee und ging dann in die Richtung, in die Raymund sie wies. Sein Bruder begleitete sie hinaus und kam erst fünfzehn Minuten später wieder. „Sie ist unschuldig“, konstatierte Percival. „Ja. Scheint so.“ Raymund stemmte die Hände in die Hüften und sah nachdenklich auf Coffee, der sich an Percivals Kragenknopf zu schaffen machte. Schließlich kam auch ihr Vater aus dem Nebenraum. „Und? Was habt ihr bei der Hausdurchsuchung gefunden?“ Graves senior sah zu Raymund. „Einen verschließbaren Weidenkorb. Im Keller von Mrs. Davis, aus dem der kleine Kerl ausgebrochen zu sein scheint“, antwortete der Alte dann und deutete auf Coffee. Percival zog ihn von seinem Kragen und sah auf ihn hinab.  „Habt Ihr ihr den Weidenkorb gezeigt?“, fragte er. „Natürlich, als du eben auf dem Gang gewartet hast. Sie hat ihn nicht wiedererkannt.“ Percival sah wütend zwischen seinem Vater und seinem Bruder hin und her. Dann drehte er sich um und stapfte davon. „Wo willst du hin?!“, rief sein Vater ihm aufgebracht hinterher. „Meinen Ärger vertreiben, bevor ich etwas Falsches sage!“, rief Percival zurück. Der Auror ging zu den Aufzügen und wäre beinahe daran vorbei gelaufen, so aufgebracht war er. Vater hatte von Anfang an gewusst, dass die Dame unschuldig war. Für ihre Aussage hätte man sie nicht ins Aurorenbüro zerren müssen, das wäre auch problemlos bei ihr zu Hause möglich gewesen. In ihrer gewohnten Umgebung, wo sie sich wohl fühlte. Und wo sie vermutlich viel überraschter auf den Weidenkorb reagiert hätte, den wohl jemand in ihrem Keller platziert hatte. Percival drückte auf den Knopf für die Aufzüge. Es wurde höchste Zeit, dass er noch einmal in der Abteilung zum Schutz Magischer Wesen vorbei schaute. „Beziehungsweise, dass du vorstellig wirst.“ Coffee sah die ganze Zeit zu ihm hoch. Percival bildete sich ein, dass der kleine Geselle inzwischen gerne auf seinem Arm saß. Er wurde ganz ruhig, wenn er ihn am Kopf kraulte. Auf den Rücken gedreht werden mochte er stattdessen nicht so. Percival konnte es ihm nicht verübeln. Auch er hätte sich nicht wohl gefühlt, hätte man ihn mit dem Bauch, der verwundbarsten Stelle, nach oben fixiert. Percival fuhr mit ihm drei Stockwerke nach unten. Als er unten auf den Gang trat, musste er schnell zur Seite springen, um nicht aus Versehen auf ein vorbei hoppsendes Knuddelmuff zu treten. „Wo kommst du denn her?“ Etwas krachte. Dann ein saftiger Fluch. „Du liebes bisschen“, murmelte er. „Was ihm wohl entwischt ist?“ Der Auror ging langsam in Richtung des Lärms. Die Tür zur Abteilung zum Schutz Magischer Wesen stand sperrangelweit offen. Oscar Biberfeldt fuchtelte mit seinem knorrigen Zauberstab herum. „Wenn ich dich in die Finger kriege!“, schimpfte er. Percival trat in den Türrahmen und räusperte sich. „Ja?!“, fauchte Oscar in seine Richtung. „Kann ich behilflich sein?“ „Ach, Sie sind es. Ach, dieser verfluchte Wichtel ist mir wieder entkommen.“ ‚Nicht nur der‘, dachte Percival. Er trat ein und sah sich um. Es herrschte ein noch größeres Chaos als am Vortag, wenn dies überhaupt möglich war. Coffee fing zu Zappeln an. Er wollte auf den Boden gelassen werden, aber Percival hielt ihn fest. Hernach ging er ihm auch noch verloren. Oscar seinerseits bekam leuchtende Augen. „Wo haben Sie den Niffler her?“, fragte er begeistert. „Err, Niffler?“ Oscar deutete auf Coffee. Percival sah auf ihn hinab, ein großes Fragezeichen im Gesicht. Oscar kam näher. „Hatten Sie nicht gesagt, Sie wüssten nicht, um was für ein Wesen es sich handelt?“ „Habe ich das?“ Percival nickte verwirrt. „Hm, na ja.“ ‚Chaos auf dem Arbeitstisch, Chaos im Kopf‘, dachte Percival. „Darf ich ihn mal halten?“, fragte Biberfeldt dann. Nach kurzem Zögern reichte Percival Coffee an den Zauberer. Der Alte hielt ihn auf Augenhöhe, um ihn genau betrachten zu können. Sofort versuchte Coffee, mit seinen kleinen Pfoten an das Monokel von Oscar zu kommen. „Wirklich ein Prachtexemplar haben Sie da gefangen“, schwärmte Oscar begeistert. „Wirklich?“ „Aber ja, voll ausgewachsen und noch keine weißen Haare im Fell. Sattes schwarz und so schön samtig! Und sehen Sie nur, die tiefschwarzen Augen.“ Oscar drehte Coffee begeistert herum. Dann hielt er ihn mit einer Hand am Bauch in die Höhe, kramte mit der anderen in den Taschen seines Zaubererumhangs und förderte ein paar Goldstücke zu Tage. Er hielt sie dem Niffler vor den Rüssel, der sie sich umgehend in den Bauch schob. „Einfach fantastisch!“ Percival beobachtete amüsiert, wie Oscar noch einige weitere Tests machte. „Wissen Sie, wie viel sich so ein Niffler in den Bauch schieben kann, bevor er platzt?“ „Wie gemein! Also wirklich!“, empörte sich der Alte. „Schämen Sie sich denn nicht, über so etwas auch nur nachzudenken?“ Percival versuchte, ein beschämtes Gesicht aufzusetzen. Trotzdem interessierte ihn die Antwort auf die Frage immer noch. „Hat es nie jemand getestet?“ „Nicht, dass ich wüsste. Vielleicht die Kobolde? Aber ob die ihr Wissen teilen?“ „Warum gerade die Kobolde? Oscar, was wissen Sie über Niffler?“ Der Alte sah Percival ins Gesicht und setzte Coffee dann auf den großen Arbeitstisch. „Nicht! Was machen Sie denn da?“, warnte Percival. „Ach, soweit wird er nicht kommen.“ Coffee begann umgehend, in dem Chaos nach Kostbarkeiten zu wühlen. Oscar zog sich einen Stuhl heran und sah ihm dabei zu. „Ursprünglich sind sie auf den Britischen Inseln heimisch und wühlen nach allem, was glänzt. Es erscheint daher wenig verwunderlich, dass sich Kobolde Niffler halten, um sie nach Schätzen graben zu lassen.“ „Dann scheinen sie tatsächlich mit Maulwürfen verwandt zu sein?“ Oscar nickte. „Sehr entfernt natürlich nur. Niffler sind auf unserem Kontinent nicht sehr verbreitet, müssen Sie wissen. Ihr Exemplar hat zwei, vielleicht drei Jahre auf dem Buckel.“ „Also im besten Alter“, schätzte Percival. „Wohl eher kurz vorm Zenit“, führte Oscar aus. Coffee war mittlerweile unter einem Berg Papiere verschwunden. Die beiden konnten genau sehen, an welcher Stelle des Tisches er gerade nach Kostbarkeiten suchte. „Oh.“ „Na ja, Sie sollten sich von Ihrem Exemplar nicht zu sehr um den Rüssel wickeln lassen. Auch wenn er jetzt putzmunter erscheint, in vier, fünf Jahren, wird er vermutlich an Altersschwäche eingehen.“ „Oh.“ Percival sah betroffen zu dem sich bewegenden Häufchen Blätter. „Jedenfalls, Experten gehen davon aus, dass ihr Bauch ähnlich einem Ausdehnungszauber funktioniert. Die Kapazität nimmt zwar mit den Jahren zu, ist aber endlich.“ „Also doch!“ „Wie gesagt, ich weiß nichts davon, dass es mal jemand getestet hat.“ Coffee hatte das Ende des Tisches erreicht und kletterte am Tischbein hinab. Percival hob ihn vom Boden auf. „Geben Sie ihn mir bitte.“ Er reichte ihn an Oscar weiter. Dieser nahm ihn nun bei den Hinterpfoten und ließ ihn kopfüber baumeln. „Ich hab ihn immer am Schwanz gehalten“, meinte Percival. „Wie gemein! Der Schwanz ist eine sensible Stelle! Wie können Sie nur?“ Oscar schüttelte den Niffler. ‚Als ob das jetzt weniger bedenklich ist.‘ Trotzdem sah Percival interessiert dabei zu, wie allerlei Gegenstände aus dem Bauch des Nifflers heraus fielen. Auch Gabel und Teelöffel vom Silber seiner Mutter kamen wieder zum Vorschein. Dazu die Goldmünzen von Oscar und ein goldener Füllfederhalter mit einem geschliffenen Rubin auf der Kappe. „Hoppla, wo kommt der denn her?“ Oscar erschrak regelrecht über das Schreibgerät. Percival hob die Gegenstände vom Boden auf, steckte sich das Besteck in die Tasche seines Sakkos, legte Oscars Goldstücke auf den Tisch und inspizierte dann interessiert den Füllfederhalter. „So einen hätte ich auch gerne“, befand er. „Ja? Denn sollten Sie trotzdem lieber zurückgeben?“ „Wieso? Wem gehört er denn?“ „Ich habe gehört, dass Jefferson so einen hat. Aber ob es genau dieser ist?“ Percival wurde blass. „Coffee, wo hast du den aufgesammelt?“, schimpfte er den Niffler, der immer noch kopfüber hing und ihn flehentlich anschaute. „Coffee?“ „So hab ich ihn genannt.“ Oscar brummte. „Wie ich schon sagte, Sie sollten keine zu enge, emotionale Bindung zu ihm aufbauen. Andererseits ...“ „‚Andererseits‘ was?“ Oscar drehte den Niffler wieder um und sah ihn abschätzig an. „Niffler können ihrerseits eine emotionale Bindung zu ihren Besitzern aufbauen.“ Percival zuckte nicht mit der Wimper, als er Oscar auffordernd die Hand hinhielt. Er nahm Coffee wieder an sich. Wie zur Bestätigung kuschelte sich der Niffler in seine Armbeuge. „Was machen Sie mit dem Füllfederhalter?“, fragte Oscar. „Ihm dem Präsidenten per Brief zurückschicken.“ „Hm, clever! Passen Sie gut auf Coffee auf! Er ist vermutlich eines von nur sehr wenigen Exemplaren in Nordamerika und damit eine richtige Besonderheit. Und besuchen Sie mich mal wieder mit ihm. Ich würde gerne sehen, wie er sich entwickelt.“ Percival nickte und verließ das Amt zum Schutz Magischer Wesen. Er fuhr ins Aurorenbüro zurück und stakste mit schlackernden Knien schnurstracks ins Büro seines Vaters, blind für alles andere, was sich um ihn herum zutrug. Richard Graves sah auf. „Percival, nanu“, meinte er besorgt. „Bist du krank?“ Percival schüttelte den Kopf. „Hast du einen Geist gesehen?“ Zur Antwort legte Percival ihm den goldenen Füllfederhalter vor die Nase. Coffee bettelte, um auf den Tisch gelassen zu werden. Graves senior wurde ebenfalls leichenblass. „Wo hast du den her?“ „Den hat Coffee im Amt zum Schutz Magischer Wesen gefunden.“ Er hielt den Niffler hoch. „Tatsächlich?“ „Ja. Biberfeldt meinte, er gehört Präsident Jefferson.“ Sein Vater hüstelte. „Das ist richtig. Wenn ich mich recht erinnere, hat er ihn vor drei Jahren verloren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)