Ein Lichtschimmer der Hoffnung von Flordelis ================================================================================ Versprochen, Partner -------------------- [LEFT]Jill hatte es satt. Seit Wochen war das einzige, was sie zu sehen bekam, die Wände des Laborbereichs der BSAA. In einem Anfall unkreativer Bürokratie – anders wäre es ohnehin ein Oxymoron gewesen – hatte man entschieden, diese Wände in einem öden Grau zu streichen, das den Linoleum-Boden in Marmor-Optik komplimentierte. Dann waren da noch die Kisten, in denen Ausrüstung gelagert wurde, die ebenfalls grau waren, wenn man von dem BSAA-Logo auf ihnen absah, die aber auch nur wenig Abwechslung boten. Sogar der Rahmen ihres Bettes war grau! Die weiße Bettwäsche bildete dazu einen fast angenehmen Kontrast, der aber nicht von der Eintönigkeit ablenken konnte. Es gab kein Fenster, mit dessen Ausblick sie sich hätte trösten können; ihr Sauerstoff kam größtenteils durch einen Lüftungsschacht zu ihr, dessen Abdeckung sich perfekt in den Raum einfügte. Der einzig richtige Farbklecks war ein Blumenstrauß – natürlich in einer grauen Keramikvase –, der ihr von Kathy Burton, Barrys Frau, geschickt worden war. Das war zumindest etwas Abwechslung. (Nicht, dass sie das Geschenk kleinreden wollte; es war eine liebe jährliche Geste, die Jill jedes Mal aufs Neue freute. Dieser Raum frustrierte sie nur zunehmend.)[/LEFT] [LEFT]Die geballte Ansammlung des Graus ließ das Zimmer manchmal geradezu winzig erscheinen, als kämen die Wände langsam auf sie zu. Sie war gefangen an einem Ort, wo die Leute ihr nur Gutes wollten, ihr aber trotzdem keine Freiheit jenseits kleinerer Ausnahmen schenken konnten. Besonders zu Beginn hatte sie sich manchmal so klein wie möglich in ihrem Bett zusammengerollt, um die Platzangst unter Kontrolle zu halten. Inzwischen war die Angst der Frustration gewichen.[/LEFT] [LEFT]Zur Bekämpfung ihrer vorherrschenden Langeweile hatte man ihr einen Fernseher zur Verfügung gestellt, aber sinnlos durch die Kanäle zu zappen war bereits ihre Beschäftigung am Vormittag gewesen. Zwischen Verkaufssendungen – euphorischen Moderatoren beim übertriebenen Anpreisen eines überteuerten Produkts zuzusehen war nicht sehr lange unterhaltsam – und uninteressanten Nachrichten waren lediglich Talkshows gelaufen, aber auf diese konnte sie auch gut verzichten – was interessierte sie schließlich, ob irgendein Greg nun der Vater eines Kindes war oder ob es bei Jerry Springer wieder einen Grund für eine Prügelei gäbe?[/LEFT] [LEFT]Auch das Netbook, das man ihr gegeben hatte, um ein wenig Kontakt mit der Außenwelt zu halten, lag gerade nutzlos auf dem Tisch neben ihr. Sie hatte eine Mail an Barry geschrieben – um sich für den Blumenstrauß zu bedanken –, dann nach Neuigkeiten zu bioterroristischen Anschlägen gesucht – zu ihrer Erleichterung aber nichts Aktuelles gefunden – und das war so ziemlich alles, was sie im Internet gerade interessierte. Sie pflegte keinerlei Accounts auf Social Media Seiten, die in den letzten Jahren an immer mehr Wichtigkeit gewannen, und interessierte sich nicht für Spiele.[/LEFT] [LEFT]Die geliehenen Bücher dieser Woche – die ihr stets von einem Mitarbeiter des Laborleiters gebracht und wieder abgeholt wurden – hatte sie ebenfalls bereits durchgelesen.[/LEFT] [LEFT]Nichts von alledem konnte ihr die Langeweile in diesem grauen Raum nehmen, weil sie nur eines wollte – und genau das wurde ihr von allen verwehrt. Nicht einmal für einen möglichen Einsatz trainieren durfte sie, weil die Wissenschaftler sich nicht über die Wirkung des Virus im Klaren waren. Selbst nach vier Jahren noch nicht. Wie sollte sie sich unter solchen Umständen nicht langweilen?[/LEFT] [LEFT]Da war es wie ein grüner Lichtschimmer der Hoffnung, als sich gerade an diesem Tag die Tür öffnete und eine Person in voller Ausrüstung eintrat, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Es sah aus, als wäre er gerade von einer Mission zurückgekehrt, nur um als erstes sie aufzusuchen – oder als stünde er gerade vor einer Abreise.[/LEFT] [LEFT]Zuerst stand er ein wenig unschlüssig im Türrahmen, ließ den Blick schweifen, als wüsste er nicht, ob er überhaupt erwünscht war – oder als ob all das Grau ihn auch trübselig stimmte.[/LEFT] [LEFT]»Hey, Chris«, sagte Jill schließlich lächelnd. »Was verschafft mir die Ehre?«[/LEFT] [LEFT]Das schien ihm zu helfen, die Kontrolle über seinen Körper zurückzubekommen; mit dem leichten Hauch eines Lächelns näherte er sich ihr und setzte sich dann auf einen Stuhl neben ihr Bett. (Eigentlich musste sie nicht den ganzen Tag darin liegen, aber wenn es nichts zu tun gab, pflegte sie eben das ein oder andere Nickerchen.)[/LEFT] [LEFT]Chris gab ihr die Hand, die sich angenehm warm anfühlte – und vor allem stark, genau wie sie ihn kannte. Es erinnerte sie an Zeiten, in denen sie nicht hier festgesteckt hatte. Fast hätte Jill die Hand nicht mehr losgelassen, aber schließlich entzog er sich ihr langsam.[/LEFT] [LEFT]»Wie fühlst du dich?« Sein mitfühlender Ton war ungewohnt, aber nicht überraschend – so kernig er auch war, so sanft konnte er werden, sobald es um Personen ging, die ihm nahestanden; es freute Jill, dass sie zu diesem Kreis gehörte. Nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, war es eine unauffällige Bestätigung ihrer Freundschaft.[/LEFT] [LEFT]Sie breitete die Arme aus, um das ganze Zimmer einzuschließen. »Mir ist ziemlich langweilig.«[/LEFT] [LEFT]Während sie das sagte, war sie davon überzeugt, dass Chris daran schon längst eingegangen wäre. Dass sie das alles hier überlebte, lag sicher nur daran, dass sie manchmal zumindest in die Labore kam, um dort mit den Wissenschaftlern zu arbeiten oder ihnen zumindest dabei zuzusehen. An ganz besonderen Tagen gaben sie ihr sogar ein Probe-Türschloss, an dem sie ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Dietrich demonstrieren durfte.[/LEFT] [LEFT]Chris nickte abwesend, während er noch einmal den Blick schweifen ließ. Er sah aus, als wollte er etwas sagen, sich vielleicht entschuldigen, weil er glaubte, sie sei wegen ihm hier gefangen, doch er brachte kein Wort hervor.[/LEFT] [LEFT]»Was macht der Kampf gegen den Terror?«, fragte sie, um ihn davon abzulenken.[/LEFT] [LEFT]Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dasselbe wie immer. Kaum schlägst du eine Organisation nieder, kommt schon die nächste hervor – oder zwei.«[/LEFT] [LEFT]»Wie bei einer Hydra.«[/LEFT] [LEFT]Er dachte einen Moment darüber nach, dann nickte er. »So könnte man das nennen, ja.«[/LEFT] [LEFT]Seine Schultern schienen plötzlich nach unten zu sacken, jegliche Lebendigkeit aus seinem Oberkörper zu fliehen, während er zusammengesunken dasaß. Es war ein seltener Anblick für einen Chris Redfield, der sonst immer unantastbar wirkte, weswegen es Jill besonders anrührte. In einem Versuch, ihm etwas Trost zu spenden, legte sie eine Hand auf seine, die zur Faust geballt auf seinem Oberschenkel ruhte. »Mach dir keine Vorwürfe. Du tust, was du kannst.«[/LEFT] [LEFT]»Dennoch habe ich manchmal das Gefühl, dass es nicht genug ist«, erwiderte er rasch, als wollten die Worte schon lange aus ihm heraussprudeln und wären nun nicht mehr zu stoppen. »Das C-Virus ist noch da draußen und mutiert immer weiter. Auch wenn wir Neo-Umbrella gestoppt haben, konnten wir letztendlich nicht verhindern, dass ein Teil davon freigesetzt wird.«[/LEFT] [LEFT]Sie wusste nur anhand einiger Mails und diversen Nachrichtensendungen von dem Vorfall in China. Chris war darin verwickelt gewesen, genau wie einige andere Personen, die sie beide seit dem Raccoon City Vorfall kannten. Hauptsächlich wusste sie aber, dass Chris seine komplette Einheit dabei verloren hatte – und das scheinbar für nichts, wie es sich für ihn anfühlen musste. Aber das war es nicht, davon war sie überzeugt, keines der verlorenen Leben war vergeblich gewesen.[/LEFT] [LEFT]Sie schüttelte sanft den Kopf. »Mach dir keine Sorgen. Wir werden damit fertig.«[/LEFT] [LEFT]»Was macht dich da so sicher?«[/LEFT] [LEFT]Diese Frage klang dermaßen unpassend für Chris, dass Jill unwillkürlich schmunzeln musste. Natürlich durfte sie aber nicht vergessen, dass auch er im Endeffekt nur ein Mensch war; an sich selbst zu zweifeln war also vollkommen normal. Selbst wenn sie dieses Verhalten aktuell nicht mit dem Bild, das sie von ihm hatte, in Einklang bringen konnte, bedeutete das nicht, dass sie auch nur daran dachte, Chris aufzugeben und seinen Zweifeln zu überlassen.[/LEFT] [LEFT]»Wir sind bislang mit allem fertig geworden«, antwortete sie ihm. »Egal, wie schwer es war. Vieles davon war vielleicht Glück« – was niemanden wundern dürfte, manchmal war alles einfach genau passend für sie gewesen, ohne das Zutun von einem von ihnen – »aber auch unser Können und unsere verzweifelten Maßnahmen haben dazu beigetragen.«[/LEFT] [LEFT]Sie hatten Umbrella niedergerungen, obwohl diese ihnen alle möglichen Felsen – und Monster – in den Weg gestellt hatten; Veltro war an ihnen gescheitert; Wesker hatte sich seine mutierten Zähne an ihnen ausgebissen – und nun war auch Neo-Umbrella Geschichte. Egal, wie viele nachkämen, sie würden jeden einzelnen Terroristen zur Strecke bringen, das war ihre Überzeugung.[/LEFT] [LEFT]»Und«, fuhr sie fort, »wir tun das, was wir tun, weil wir auf eine bessere Zukunft hinarbeiten, das gibt uns die Kraft weiterzumachen. So hast du mich schließlich auch gerettet.«[/LEFT] [LEFT]Nur, weil er nicht aufgegeben, sondern zu hoffen beschlossen hatte, nachdem ihr Bild zwischen den Unterlagen zum Kijuju-Vorfall gewesen war. Ohne eine verlässliche Information zu ihrem Aufenthaltsort, nur mit dieser verzweifelten Hoffnung in seinem Inneren, war er weiter voran gestürmt und hatte nicht einmal dann aufgegeben, als sogar sie ihm, unter dem Einfluss der Bewusstseinskontrolle übel zugesetzt hatte. Doch am Ende war es ihm gelungen, sie zu retten, nur das zählte inzwischen noch.[/LEFT] [LEFT]Chris musterte sie, nur um dann wieder einen vielsagenden Blick durch den Raum zu werfen. Sie verstand, was er sagen wollte. Ihr Vater, derjenige, der ihr beigebracht hatte, wie man Schlösser knackte und unauffällig Häuser plünderte, wäre sicher schockiert, sie nun in einer ganz eigenen Art von Gefängnis aufzufinden, eines, aus dem sie nicht einmal auszubrechen versuchte. Konnte man unter diesen Umständen wirklich von gerettet sprechen?[/LEFT] [LEFT]»Mach dir keine Sorgen wegen mir.« Spielerisch stieß sie ihre Faust gegen seine Schulter. »Irgendwann werden die Wissenschaftler schon fertig werden – und dann bin ich wieder da draußen, um zusammen mit dir die Welt zu retten.«[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel hoben sich endlich ein wenig, nur einen Hauch. Noch war das nicht als Lächeln zu bezeichnen, aber es war ein Fortschritt. Es freute sie – bis seine nächste Frage sie erstarren ließ: »Wirst du dich in Zukunft dann auch wieder opfern, um Feinde auszuschalten?«[/LEFT] [LEFT]Richtig, sie war nur in dieser Situation, in diesem Zimmer, weil sie vor einer gefühlten Ewigkeit mit Albert Wesker eine Klippe hinabgestürzt war, um zumindest Chris zu retten. Ihr Ziel hatte sie erreicht, aber dafür war sie zu Weskers Versuchskaninchen und Marionette geworden – nur um Jahre später dann von Chris gerettet zu werden. Im Prinzip waren sie also quitt, aber Jill verstand, was er von ihr hören wollte: »Das werde ich sicher nicht mehr tun. Nächstes Mal überlasse ich das dir, damit du mal eine Weile im Labor herumsitzen darfst.«[/LEFT] [LEFT]Ihren letzten Satz fügte sie mit einem Zwinkern hinzu, was ihn endlich zu einem richtigen Lächeln verleitete und auch dazu führte, dass sein Oberkörper sich aufrichtete und er wieder aussah wie der Chris, den sie kannte. Sie nutzte diese positive Veränderung, um einen ernsten Vorschlag zu machen: »Falls so etwas noch einmal passiert, erledigen wir den Kerl zusammen.«[/LEFT] [LEFT]Er reichte ihr erneut die Hand. »Versprochen?«[/LEFT] [LEFT]Sie zögerte nicht einzuschlagen. »Versprochen, Partner.«[/LEFT] [LEFT]Zum ersten Mal seit sie in diesem Zimmer festsaß, verlor das Grau seine frustrierende Intensität und sie hatte wirklich das Gefühl, freikommen zu können. Sie war schon mit ganz anderen Dingen fertiggeworden, wie sie auch Chris gesagt hatte, da wäre das hier ein Leichtes, und immerhin hatte sie nun ein Ziel ganz deutlich vor Augen: wieder nach draußen zu kommen, um erneut an der Seite ihres Partners den Terror zu bekämpfen, egal, wo und durch wen er ausbrechen möge.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)