Fern der Heimat von nyuucat (Eine Priesterin auf Pilgerreise) ================================================================================ Kapitel 1: Fern der Heimat -------------------------- Obwohl die Sonne an diesem Tag schon auf ihrem höchsten Punkt stand und mit aller Kraft versuchte Wärme zu spenden, so konnte sie gegen den eisigen Wind und den Frost am Morgen, der teilweise immer noch auf den Pflanzen lag, nicht ankommen. Zudem hatte es in der Nacht stark geschneit und der Boden des Waldes war bedeckt von weißem Pulver. Die Äste der Bäume trugen nur selten noch ein Blatt. Nur die Bäume, die ihr Kleid aus grünen Nadeln hatten, waren der einzige Farbklecks in dieser Umgebung. Ab und zu hörte man ein Vogel zwitschern, der die Sonnenstrahlen Willkommen hieß. Oder ein kleiner Hase hoppelte über den Trampelpfad und verschwand immer wieder im Schnee. Es war wirklich ruhig um diese Uhrzeit – viel zu ruhig für Iluna Dea. Die junge Frau seufzte tief. Sie hatte eine dunkelblaue Robe an, an deren Saum gelbe Blitze zu sehen waren. Obwohl der Stoff der Robe doch recht dick war, fror sie und zitterte leicht. Sie zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Auch wenn sie die Sonne liebte und gerne auf der Haut spürte, konnte im Moment nichts so gut gegen den kalten Wind schützen wie ihre Kleidung. Leider schützte sie nichts gegen den Schnee, der ihr bis zu den Knöcheln reichte und mittlerweile anfing ihre Stiefel zu durchnässen. Vorsichtig bewegte sie ihre Zehen und war erleichtert, dass sie diese noch spürte. Ihre Nasenspitze war schon ganz rot von der Kälte und ihr Atem zeichnete sich als blasser Rauch vor ihrem Gesicht ab. Von diesem konnte man allerdings nichts sehen, da die Kapuze einen tiefen Schatten warf. Iluna seufzte erneut schwer, atmete die kalte Luft ein und schüttelte frustriert ihren Kopf. Sie war von dem Tempel, der Ort an dem sie aufgezogen und zu einer Priesterin des Gottes Thor ausgebildet wurde, aufgebrochen, um ihre Pilgerreise anzutreten. Denn erst wenn sie diese beendet hatte, war sie eine richtige Priesterin. Ihr Meister und Ziehvater hatte sie beim Blühen der ersten Blume im Tempelgarten auf den Weg geschickt. Er hatte ihr empfohlen, in den Norden zu gehen. Dort würde sie viele gute Taten vollbringen können, denn das war ihr Ziel. Er hatte sie aber auch vor dem unbarmherzigen Winter gewarnt. Aber diese Warnung hatte sie nicht ernst genommen. Wie konnte der Winter denn so viel anders sein? Sie kannte schließlich kahle Bäume, kurze Tage und lange Nächte. Sie kannte auch den Frost, der aber nie lange blieb. Viel eher aber kannte sie den Regen und den Nebel. Aber Schnee hatte sie noch nie gesehen! Mittlerweile kam sie immer tiefer in den Wald und von dem Trampelpfad war kaum noch etwas zu erkennen. Die junge Frau blieb stehen und schaute sich in der Umgebung um. Ein Vogel zwitscherte weit entfernt sein Lied und verstummte schließlich ganz. Eine eisige Böe fuhr ihr durch die Robe und sofort rieb sie sich ihre Arme. „Was ist das nur so verdammt kalt“, bibberte sie leise und presste ihre Lippen fest aufeinander. Wie sehr sehnte sie sich nach den Sommer – den Sommer ihrer Heimat; die langen Tage mit heißen Temperaturen; das Kribbeln der Sonnenstrahlen auf der Haut. Das kalte Wasser, welches die Kehle herunter lief und einen von Innen kühlte. Selbst die schlaflosen Nächte aufgrund der Hitze vermisste sie. Iluna schloss die Augen und lächelte leicht bei einer Erinnerung. Als Kind hatte sie gerne bei den warmen Temperaturen in dem kalten Wasser des Springbrunnens gebadet. Dafür wurde sie oft gerügt, trotzdem hatte sie sich diesen Spaß nicht nehmen lassen. Ein kleines Kichern kam von ihr, als sie plötzlich erstarrte und zu einem Ast sah, der sich leicht bewegte, obwohl der Wind gerade weniger geworden war. Dort war doch jemand. Sie verengte ihre Augen und wollte ein paar Schritte weiter gehen, um zu sehen, ob ihr Verdacht stimmte, als sich eine raue, männliche Stimme erhob. „Stehen bleiben!“ Dem kam Iluna sofort nach und hob ihre Hände, um zu zeigen, dass sie nicht bewaffnet war – zumindest war sie dies nicht offensichtlich. Sie war froh, dass sie sich in dem kleinen Dorf, welches nur ein paar Tage entfernt lag, Handschuhe gekauft hatte. Sonst wären ihre Finger sicherlich bald erfroren. „Wer bist du?“, fragte die raue Stimme aus der Krone des Baumes und sie sah deutlich etwas aufblitzen. Vielleicht die Spitze eines Pfeils oder ein Schwert. „Das gleiche könnte ich Euch fragen“, erwiderte sie schon fast in einem frechen Ton, blieb aber höflich. „Na ich!“, war die einfache Antwort und ein Geräusch des Spannens eines Bogens erfüllte die Luft. „Nimm deine Kapuze ab und zeig mir dein Gesicht“, forderte die raue Stimme nun doch etwas ungeduldiger die Priesterin auf. Diese biss sich kurz auf die Unterlippe. Ob das so eine gute Idee war? Mit ihrer Erscheinung flößte sie so manchen Menschen Angst ein. Dabei war das nie ihre Absicht. Sie war nicht umsonst Priesterin geworden, um gerade den Schwachen zu helfen. Aber vielleicht war ihr Gegenüber ja gar kein Mensch? Leider konnte sie nichts erkennen, da derjenige gut versteckt war. Aber seine Stimme war so deutlich, als stände er neben ihr. „Los jetzt, Kapuze runter. Oder soll ich dir einen Pfeil zwischen deine Augen schießen“, kam es grob von ihm und die Ungeduld in seiner Stimme wurde größer. „Okay, okay!“, lenkte sie ein und griff nach ihrer Kapuze. „Aber bitte nicht erschrecken“, meinte sie noch, ehe sie langsam die Kapuze nach hinten zog. Hervor traten lange, violette Haare, die zu einem geflochtenen Zopf gebunden waren. Ein paar Strähnen hatten sich in das dunkel gebräunte Gesicht verirrt. Zwei schwarze Hörner, die wie kleine Pyramiden aussahen, ragten aus dem Haar hervor. Die Augen waren golden und glichen denen einer Katze. Und als sie ihren Mund öffnete, zeigten sich kleine Fangzähne. „Ich bin Iluna, Priesterin des Gottes Thor und befinde mich gerade auf meiner Pilgerreise“, sprach sie ehrlich und hoffte, dass ihr Gegenüber jetzt nicht die Sehne seines Bogens loslassen würde. Ein Rascheln war zu hören und plötzlich tauchte ein Kopf aus der Baumkrone auf. Viel konnte Iluna allerdings nicht entdecken, da ein dunkles Tuch über Nase und Mund gezogen war. Die Haut war gräulich, die Augen grün. Auch er trug eine Kapuze. „Priesterin? Wo genau willst du denn hin?“, fragte er nun nicht mehr so grob, sondern schien neugierig zu sein. „Ein genaues Ziel habe ich nicht. Aber vielleicht könnt Ihr mir helfen. Wie komme ich aus diesem Wald heraus und wo ist die nächste Stadt?“, fragte sie höflich und hoffte wirklich, dass er ihr helfen konnte. Allerdings bekam sie nur ein lautes Lachen als Antwort. Schmollend zog sie die Lippen zu einer Schnute. Was war daran denn so witzig? Es dauerte einen Moment, bis der Schütze mit dem Lachen aufhörte. „Ach du bist gut. Raus aus den Wald, in die nächste Stadt. Das sind noch mindestens fünf Tage Fußmarsch!“ Fünf Tage musste sie noch in diesem kalten Wald verbringen? Also auch noch vier Nächte in der eisigen Kälte? Iluna seufzte schwer. Warum hatte sie nicht auf ihren Meister gehört, der jetzt sicherlich vor einem Kamin saß und sich wärmte. Sie sehnte sich immer mehr nach ihrer Heimat. „Aber du könntest schneller sein, wenn du da lang gehst und dann immer der Nase nach“, meinte der Fremde plötzlich und ein Arm, in Lederkleidung geschlagen, zeigte in eine Richtung östlich von ihr. Die Priesterin sah sofort dahin und lächelte glücklich. „Danke dir!“, hauchte sie hoffnungsvoll, zog sich direkt die Kapuze über und verschwand zwischen den Bäumen. Die Warnung des Schützen vor wilden Goblins hörte sie gar nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)