Der Weihnachtstroll von Moonprincess ================================================================================ Bakura ließ seinen Blick über die Wände der Hütte schweifen und verdrehte die Augen. Das waren ja ganze Baumstämme! Eine Hütte aus Baumstämmen. Wer dachte sich sowas nur aus? Was hatte ihn nur dazu gebracht, hierher mit zu kommen? Ach ja, richtig. Ryou Bakura, der gerade unschuldig lächelte und mit Anzu über irgendwelchen unwichtigen Kram redete wie Tannenzweiggirlanden. Dann zog Anzu einen großen Stern aus ihrer schrankgroßen Tasche (Ernsthaft, sie blieben ein Wochenende! Bakura hatte seinen Rucksack gerade mal zur Hälfte gefüllt.), der golden glitzerte und nur beim Ansehen rieselte es von ihm Goldflocken. Bakura unterdrückte den Brechreiz.   Ein Wochenende mit seinem früheren Wirt und Yugis tollem Freundesclub und er wäre reif für die Klapsmühle. Nicht genug, daß Ryou ihn hierher geschleift hatte, „damit Bakura richtig Weihnachten feiern kann“, nein, jetzt hatte er noch diesen Kindergarten am Hals! Als ob Bakura nicht schon gereizt genug wäre, schritt auch noch der Pharao hocherhobenen Hauptes in das Wohnzimmer und sah sich um, als gehöre ihm hier schon alles.   „Aibou, bist du sicher, daß du mit deiner Tasche keine Hilfe brauchst? Ich trage sie gern in unser Zimmer.“   „Das geht schon, danke! Ich hab ja leicht gepackt.“ Yugi lachte atemlos, seine Wangen waren rot. Die Tasche in seinen Händen war zwar von vernünftiger Größe, aber Bakura würgte dennoch.   Da standen sie, der kleine Yugi und der große Pharao, seit einem Jahr ein Paar und noch immer so brechreizerregend ineinander verliebt, daß Bakura ganz anders wurde. Wenn er sich jetzt zwei Tage lang ansehen mußte, wie die beiden sich tief in die Augen sahen und sich die ganze Zeit mit Liebesgeständnissen und Kosenamen vollsülzten, würde er sich spätestens nach einem halben Tag die Augen ausreißen. Mit Freuden!   „Oh, ihr steht unter dem Mistelzweig!“ rief Anzu lachend und Bakura verfolgte mit ungläubigem Blick, wie die Plage seiner Existenz und dieser eingelaufene Pimpf sich in der Tür abschleckten wie zwei Hunde.   „Nehmt euch ein Zimmer! Und ich hoffe, es ist schalldicht, denn ich will euch beiden sicher nicht zuhören, wie ihr’s die halbe Nacht wie die Karnickel treibt.“ Bakura trat seinen Rucksack und verschränkte die Arme, als ihn das Liebespaar des Jahrtausends mit düsteren Blicken bedachte.   Atem sprach (natürlich, was auch sonst) als Erster. „Es war nur ein Kuß und wir nehmen Rücksicht. Sag mal, Ryou, war es wirklich nötig, ihn mitzunehmen?“   Ryou hob die Hände. „Ich dachte, hier kommt er in Weihnachtsstimmung. Außerdem können wir ihn nicht in Domino lassen. Erinnert ihr euch, als wir in Yokohama waren und er versucht hat, beim Juwelier einzusteigen?“   Yugi stöhnte gequält. „Erinnern? Ich habe noch immer Alpträume davon! Es hat uns geschlagene drei Stunden und eine Packung Donuts gekostet, um die Polizisten zu überzeugen, daß er sich nur im Haus geirrt hat.“   Bakura grinste. „Ah, das war großartig! Zuzusehen, wie eure Köpfe immer mehr rauchen…“   „Das nächste Mal lassen wir dich in den Bau einfahren“, konterte der Pharao.   Bakura winkte ab. „Es gibt kein nächstes Mal.“   Ryou strahlte. „Seht ihr? Er fängt schon an, sich zu ändern. Der Geist der Weihnacht…“   „…kann mich mal gepflegt an meinem honigbraunen Knackarsch lecken. Ich meinte, das ich mich einfach nicht mehr erwischen lasse.“ Bakura zog sein Messer aus einer Tasche seines Mantels, ließ die Klinge aufschnappen und säuberte in aller Seelenruhe seine Fingernägel.   „Ich dachte, das Messer hätten wir dir weggenommen.“   „Oh, Yugi! Ich habe immer noch eins in der Hinterhand.“ Bakura zog die Mundwinkel hoch und präsentierte seine scharfen Zähne. „Und das ist nicht meine einzige Notfallbewaffnung.“   „Ich sehe schon, auf uns kommen friedliche Festtage zu“, stellte Anzu trocken fest.   Yugi faßte sich an die Stirn. Bakura summte „Highway to Hell“.   ***   Morgen war Heilig Abend und solange, so hatte es ein über Gebühr strahlender Ryou erklärt, würden die Geschenke unter dem inzwischen mit Glitzersternen, Hamsterbacken-Engeln und anderem kitschigen Tand behangenen Weihnachtsbaum liegen und alle mit ihrer schieren Existenz und dem Gebot, daß erst morgen Nachmittag, wenn nicht gar Abend, Bescherung sei, alle in den Wahnsinn treiben. So jedenfalls interpretierte Bakura diesen Brauch. Foltermethoden für Kinder und Erwachsene, getarnt als das schönste Fest im Jahr, garniert mit Liebe und Wärme, zuviel Essen und irgendwelchen Kitschfilmen über den Weihnachtsmann oder Pfarrer im Samenstau.   Bakura fragte sich, wie die Menschen dieser Zeit das nur aushielten. Der Pharao hatte in seiner absolut nicht hilfreichen Art etwas von Selbstbeherrschung und Impulskontrolle gefaselt, alles, während sein in der Wäsche eingelaufener Schatten genickt hatte. Natürlich hatten sie sich dann diesen Kitschfilm mit den vögelnden Dornen angesehen und Anzu hatte immer geseufzt, wenn der Priester aus seiner Sutane gefahren war. Bakura war froh, daß sie Single war und Honda nicht in ihr Beuteschema fiel. Jonouchi war immerhin gleich daheim bei seiner Schwester geblieben. Wahrscheinlich mußte er ihr das Bilderbuch vom glühwein-nasigen Rudolf vorlesen und sie dann pünktlich um 20 Uhr ins Bett bringen.   Aber Uhrzeiten waren Bakura nicht so wichtig, als er nach ein Uhr Nachts zurück in das Wohnzimmwer der Hütte schlich. Dankenswerterweise waren die anderen schon zu Bett gegangen und aus dem Zimmer der Rammelruckler kam nun kein Laut mehr. Dieser Zwerg hatte ein Stimmvolumen… Bakura war fast ein wenig beeindruckt. Ah, da war sein Ziel! Dort, im Schein der Taschenlampe, lagen sie, all diese hübschen Päckchen mit großen Schleifen und glitzernder Folie oder Geschenkpapier. Und an jeder dieser Gaben war ein Anhänger befestigt, wer wen hiermit beschenken wollte.   „Wartets nur ab“, murmelte Bakura. „Das wird wahrlich eine Bescherung.“ Grinsend ließ er sein Messer aufschnappen und ging frohgemut zu Werke.   ***   „Oh, das sieht so hübsch aus! Vielen Dank, Atem.“ Strahlend beugte Anzu sich über das in silberne Holofolie, rechteckige Päckchen. Vorsichtig löste sie die Klebestreifen, bis darunter der zu erwartende Schukarton erschien. Bakura hatte sich in den grünen Ohrensessel mitten im Wohnzimmer gepflanzt, die Beine hochgelegt und hielt mit beiden Händen sein Glas heißen Eierpunschs umklammert. Er grinste, denn gleich würde die große Show losgehen. Noch ein Schluck! Ah, dieses Zeug war tatsächlich gut! Die passende Begleitung zu einem köstlichen Festmahl. Und da öffnete die gute Anzu hocherfreut die Schuhschachtel und… Bakura verkniff sich ein Lachen, als ihre Mundwinkel sichtlich absackten.   „Kohle?“ erkundigte sie sich ungläubig.   „Was?“ Der Pharao, der gerade an einer hartnäckigen Schleife saß, statt sie einfach durchzuschneiden, hob den Kopf. „Gefällt dir Schwarz nicht?“   „Was? Nein, darum geht’s nicht!“ Anzu hielt dem Pharao die Schachtel unter die Nase.   „Kohle“, wiederholte Atem erstaunt. „Aber das kann nicht sein…“   Ryou öffnete das rote Samtsäckchen in seinen Händen, schwarzes Pulver rieselte heraus. „Kohle?“   „Kohle.“ Honda hielt sein goldglänzendes Päckchen so, daß alle den schwarzen Inhalt sehen konnten.   Bakura wackelte mit den Zehen in den dicken, roten Wollsocken und grinste zufrieden. „Ihr wart wohl alle unartige Kinderchen, was?“ erkundigte er sich in desinteressiertem Plauderton. Oh, das hier war jede verlorene Minute Schlaf wert! Und auch wenn er nicht wußte, was er mit einem schwarzen Paar Tanzschuhe anfangen sollte, für den Rest würde sich schon ein adäquater Zweck finden.   „Was für eine Bescherung“, murmelte Ryou.   Bakura gluckste vergnügt. Offenbar hatte der Geschenkeverlust den anderen aufs Hirn geschlagen, jetzt bekamen sie augenscheinlich keinen vernünftigen Gedanken zusammen. Ansonsten hätten sie sicher schon ihn verdächtigt. Tja, zu viel Essen und sexy Pfarrer und all dieser glitzernde Kitsch mußte einem ja die Gehirnwindungen verkleben.   „Wo steckt eigentlich Yugi?“ erkundigte Anzu sich, während der Pharao, doch noch siegreich über festgebundene Schleifen, mit Sturmmiene auf seine Kohlen sah.   „Aibou? War er nicht eben noch da?“ Abgelenkt hob Atem den Kopf und sah sich im geschmückten Zimmer um. Aber da war kein abgebrochener Gartenzwerg mit Punkerfrisur.   Komisch, Bakura erinnerte sich auch nicht, wann der Pimpf das Zimmer verlassen hatte. Vielleicht war er ja nur schiffen gegangen oder er überlegte, seinem ach so tollen Liebsten (Bakura würgte) ein Weihnachtständchen zu bringen. Dagegen konnten selbst seine Kohlen nichts ausrichten, nicht solange ihn jemand davon abhielt, sie Yugi in den Schlund zu stecken.   Da erklangen von draußen schwere Schritte wie von Lederstiefeln. Alle wandten sich der geschlossenen Zimmertür zu.   „Und wer kommt jetzt noch? Der Weihnachtsmann, der nicht durch den Kamin gepaßt hat? Fetter, dekadenter…“   „Wir erwarten niemanden“, unterbrach Honda ihn, die Stirn gerunzelter. „Also wer…“   Atem sprang auf, als die Tür aufflog. Für einen Moment sah Bakura nur Rot und Weiß, dann formte sich aus dem Dunkel des Hausflurs eine menschlicher Gestalt. Ächzend und schnaufend zog sie etwas hinter sich her, einen riesigen Sack!   „D-der Weihnachtsmann“, stammelte Bakura überrascht und nun war er es, der hastig auf die Beine kam. Seine Tasse fiel klirrend auf die Holzdielen.   Der Weihnachtsmann war erstaunlich klein und seine Augen zwischen weißem Rauschebart und roter Mütze sehr groß. „Ich bin der Nikolaus“, stellte er sich mit merkwürdiger Stimme vor und ließ den Sack los. Dieser öffnete sich und zu allererst fiel ein Paar schwarzer Tanzschuhe aus ihm heraus, dann ein Haufen Duel Monster-Boosterpäckchen.   Bakura blinzelte einmal, zweimal, während das Herz in seiner Brust raste.   „Du warst dieses Jahr gar nicht nett, Bakura. Du hast all diesen netten Leuten ihre Geschenke gestohlen und mit Kohle vertauscht. Doch der Nikolaus sieht alles!“ erklärte der Nikolaus mit in die Hüften gestemmten Armen. „Ungezogene Jungen wie dich stecke ich in meinen großen Sack und nehme sie einfach mit.“   „W-was?“ Bakura wich zurück, stieß gegen den Sessel und fiel zurück in diesen. Er wollte nicht in einen Sack gesteckt und zum Nordpol gebracht werden. Oder woher auch immer dieser merkwürdige Nikolaus auch herkam! Zum ersten Mal seit langer Zeit wünschte Bakura sich seinen Millenniumsring zurück. „Das kannst du nicht machen“, krächzte er.   „Stimmt“, antwortete der Nikolaus nun mit einer Bakura vertrauten Stimme. Er hob die Hände und zog den Bart hinunter und die Mütze hoch, um sein rundliches Gesicht mit den violetten Augen zu enthüllen. „Aber ich finde dein Verhalten dennoch mies.“   „Du?“ Bakura sprang auf. „Wie kannst du… Wie hast du… Wie ist das möglich?“   Der Niko-Yugi grinste und zog einen Apfel aus der Tasche seines roten Mantels, den er dann an dem Pannesamt rieb. „Ich sehe eben doch alles“, erklärte er und zückte dann Bakuras Messer. Schnapp! Und schon hatte Yugi den Apfel angeschnitten und hielt diesen Bakura hin.   Bakura mußte tief in seinem Innersten zugeben, daß er beeindruckt war. Der Pimpf hatte ihn glatt ausgetrickst! Aber fast noch besser waren die großen Augen des Pharaos. Bakura nahm einen Apfelschnitz. „Fröhliche Weihnachten, du kleines Schlitzohr.“ Von ihm war das ein großes Kompliment. Yugi zwinkerte, dann strahlte er mit dem Baum um die Wette. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)