Iola smiled von Arcturus ================================================================================ Prolog: -------- Tropfender Kessel, London   Das Gemisch aus Nebel, Ruß und Magie war so dicht, dass nicht einmal Mauerwerk und Fensterscheiben es aufhielten. Mit jedem Mal, dass sich die Tür öffnete, wehten neue Schwaden in den Pub. Durch jeden noch so kleinen Riss waberten Schlieren, milchig grün und giftig. Den Kopf auf die Hand gestützt, beobachtete Phineas, wie jeder Windhauch mehr von dem nur halb transparenten Gemisch durch einen Spalt über der Fensterbank trieb. Träge hob er die freie Hand und ließ seine Finger durch den Nebel gleiten. Die Schlieren wirbelten in der Bewegung, ehe sie in der Luft des Pubs verblassten. Nur ein dünner Film klarer Wassertröpfchen blieb auf seinem Drachenlederhandschuh zurück. Er war nie ein großer Freund der Alchemie gewesen. Dieses Gemisch übte dennoch eine gewisse Faszination auf ihn aus. Auch, weil der Pub ansonsten kaum etwas bot, das ihn hätte faszinieren können. Das Essen war fad, das Bier mutmaßlich so giftig, wie die Erbsensuppe vor der Tür, und sein Gesprächspartner … “Black?”   Phineas seufzte schwer. “Keine Sorge, Greengrass, ich höre Euch zu”, sagte er. “Also erspart uns beiden die Frage.” Auf der anderen Seite des Tisches schloss Heath Greengrass den Mund.  Phineas beobachtete seine Schultern dabei, wie sie unter dem dicken, schwarzen Wollumhang nach unten sackten. Die dünne Falte zwischen seinen Augenbrauen und selbst sein aschblondes Haar wirkten unwirsch.  Einen Augenblick lang erklang zwischen ihnen nicht mehr als Greengrass’ verhexte Feder, die träge jedes seiner Worte aufs Pergament kratzte. Irgendwo hinter ihm hustete jemand heftig genug, um die Frage nach einem Heiler zu rechtfertigen. Ob wegen des Nebels oder wegen des Puddings, vermochte Phineas nicht zu sagen, es hätte ihn jedoch auch nicht weniger kümmern können. Er ließ die Hand sinken. “Greengrass”, sagte er, “wir tun das hier um der alten Freundschaft Willen; nicht, weil Ihr ein besonders begnadeter Journalist wäret.” Die Feder übertrug auch diese Worte ins Transkript. Phineas konnte die Buchstaben dabei beobachten, wie sie sich in geschwungenen, königsblauen Linien über das Pergament ausbreiteten - zumindest, bis Greengrass nach der Feder griff. Fester als nötig schlossen sich seine Finger um den Federkiel. Ein ebenfalls geschwungener, königsblauer Fleck breitete sich unter seiner Faust aus. “Voller Komplimente heute, mein Freund?” “Selbstverständlich.” Greengrass schüttelte den Kopf. Demonstrativ warf er einen Blick gen Decke. “Es ist Weihnachten. Seid Ihr nicht froh, die Gesichter aus dem Ministerium für ein paar Tage nicht sehen zu müssen?” “Welche Tage meint Ihr? Die, an denen sich die Malfoys zur Fuchsjagd einladen, oder die, an denen es der Herr Minister zum Dinner tut?” Greengrass öffnete den Mund, dann schnaubte er. “Vielleicht solltet Ihr nach Malfoy hexen und nicht nach dem Fuchs.” In Phineas’ Mundwinkel zuckte ein Lächeln. “Dürstet es Euch so sehr nach einer Schlagzeile?” Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. “Wir könnten es wie folgt formulieren: Vater sitzt auf seinem Hort, wie ein norwegischer Stachelbuckel. Er erfreut sich auch der Gesundheit eines solchen.” “Mein lieber Greengrass”, sagte Phineas, “die korrekte Antwort wäre gewesen: Ich habe Malfoy noch nie gemocht.” Greengrass nickte. “In dem Punkt waren wir uns immer schon einig”, antwortete er. “Doch ernsthaft: Was bietet die Hollow Gazette bislang schon im Vergleich zum Propheten? Die Erfahrung eines Buchmachers, der nicht viel mehr gelernt hat, als Kobolde über den Tisch zu ziehen? Eine kleinere Auflage als der Sunday Prophet? Die gleichen Nachrichten, von denen McLaggen glaubt, ich würde es nicht merken, wenn er sie abschreibt? Würde das deine Galleonen überzeugen?” Für einen Moment ließen sie die Antwort beide ungesagt zwischen ihnen schweben. Schließlich schüttelte Greengrass den Kopf.  “Nein, wenn ich darauf hoffen möchte, dass meine Familie mich unterstützt, täte ich besser daran, die Gazette in Hexenwoche umzubenennen und statt Nachrichten den Klatsch aus den Teesalons zu drucken.” “Euer Vater würde es hassen.” “Meine Mutter würde es lieben. Und die werte Lady Black sicher auch.” Phineas warf seinem Drachenlederhandschuh einen gewichtigen Blick zu.  “Nur, wenn Ihr die Hexenwoche um jene Schnittmuster erweitert, die ihr noch unbekannt sind.” “Wie schwer kann es schon sein?” Bevor er etwas hätte sagen können, hob Greengrass die Hand. Phineas behielt den Kommentar zu Greengrass’ letzten Geschäftsideen für sich. “Schon gut. Ich kenne mich und ich verstehe die Zweifel.” “Das erfreut mich zu hören”, sagte Phineas. “Dennoch kann ich mir die Fragen kaum selbst stellen. Und so sehr uns beide ein Fluch in Malfoys Rücken auch befriedigen würde, ich fürchte, er steht außer Frage, seit wir Hogwarts verlassen haben. Also, mein lieber Greengrass, gebt Euch ein wenig Mühe.” Greengrass warf ihm einen geknickten Blick zu - kein Fluch in Malfoys Rücken bedeutete auch keinen Besuch in Stonecombe Court und keinen Tee - öffnete dann jedoch die Faust. Seine Feder blieb in der Luft und schüttelte sich einmal. Königsblaue Sprenkel gesellten sich zu dem ebenso königsblauen Durcheinander. “Fein, fein. Beginnen wir”, sagte Greengrass. “Black … ich möchte, dass Ihr Euch bewusst seid: Ich muss diese Frage stellen.” Phineas nahm sich die Zeit, die Augenbrauen hochzuziehen und Greengrass vorwurfsvoll anzusehen. Betont langsam griff nach seinem Feuerwhisky. Blaue Flammen tanzten im Glas. “Hitchens?” Phineas warf einen Blick Richtung Decke. “Das ist keine Frage.” “Ist es nicht”, gestand Greengrass, “Dennoch werden die Leser Eure Meinung hören wollen. Immerhin ist er der neue Untersekretär des Herrn Ministers.” Etwas, das Wein gewesen sein mochte, musste vor nicht allzu langer Zeit an ihrem Tisch explodiert sein. Den Tisch hatte man gereinigt, doch an den Holzbohlen über ihren Köpfen klebte noch immer eine Schicht dunkler Flecken.  “Sicher wollen sie zunächst wissen, ob ich dem neuen Untersekretär des Herrn Ministers bei einer Fuchsjagd in den Rücken hexen werde. So es sie überhaupt interessiert, folgt meine Meinung erst im Anschluss darauf”, sagte er zu einem besonders breiten Fleck, bevor er den Blick wieder senkte. “Die Antwort lautet: Nein.” Die Gründe waren simpel.  Erstens: Phineas hielt nichts von dergleichen kleingeistigen Maßnahmen.  Zweitens: Er würde ihn nicht einladen. “Mister Hitchens wird sicher sehr erfreut sein, dies zu hören. Sein neuer Posten erfordert schließlich eine enge Zusammenarbeit mit dem Wizengamot.” Auch das war keine Frage. Vielleicht sollte sich jemand die Zeit nehmen und Greengrass das mit dem Interview noch einmal eingehend erklären. Vielleicht sollte er auch … Phineas griff nach seinem Feuerwhisky und genehmigte sich einen Schluck. Nein, besser nicht. “Hätte man mich um meine Meinung gebeten, ich hätte davon abgeraten, den Posten anzunehmen”, sagte er stattdessen. “Weil er der Sohn von Muggeln ist?” “Weil es politisch töricht ist.” Phineas nippte an seinem Feuerwhisky, sich sehr wohl bewusst, dass der Federkiel möglicherweise selbst das transkribierte. “Sein neuer Posten als Untersekretär mag für ihn persönlich mehr Einfluss bedeuten, doch verliert Mister Hitchens dadurch seinen Sitz im Gamot. Warwickshire wird neu wählen.” “Ist der einzige, brauchbare Kandidat nicht Sir Alaric Parkinson?” “Eben der”, stimmte Phineas zu. “Ohne einen geeigneten Nachfolger, den zu wählen die Magierschaft bereit ist, fällt der Sitz an Mister Hitchens politische Gegner. Angesichts seiner ohnehin schon dünnen Unterstützung im Gamot wird es für ihn schwer, seine Gesetzesentwürfe durchzubringen. Dies gilt selbst dann, wenn Minister Spawin sie unterstützt.” “Darf Mister Hitchens auf Eure Unterstützung hoffen?” Phineas musterte das Glas in seiner Hand, schwenkte es, sodass die kalten Flammen des Whiskys darin tanzten. “Sagen wir es so: Hitchens mag ein gewinnbringendes Lächeln haben und Spitzhüte aus feinster Seide tragen. Am Ende des Tages ist er doch kaum mehr als ein Muggel. Mich zu fragen, ob ich mit ihm arbeiten würde, ist, wie mich zu fragen, ob ich in Hogwarts unterrichten würde.” Greengrass hob seinen Blick von dem Glas zwischen ihnen. Selbst seine vermaledeite Feder hielt inne.  “Es wird nicht passieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)