Iola smiled von Arcturus ================================================================================ Stonecomb Court, Northumberland   Drei Transfigurationsformeln (jedoch keine für Schneeniffler) später trennten sich ihre Wege. Die wichtigsten Instruktionen hatte er erteilt und wenn Phineas ehrlich mit sich selbst war, brachte ihn die Verwandlung eines Menschen in einen Languren nicht weiter. Nicht einmal, wenn besagter Mensch gerade dabei war, seinen sorgsam eingerichteten Weinkeller zu leeren. Zu flinkes Ergebnis, zu viele Zeugen, zu wertvoll das Porzellan im Speisezimmer. Während er die geschlossenen Doppeltüren des Speisesaals passierte, fasste er den Entschluss, sich den Zauber dennoch zu merken. Für Eduardus. Für Malfoy. Für später. Durch das schwere Eichenholz drangen Stimmen, Gesang, eine Violine. Eduardus’ dumpfer Bass schnitt durch die lieblichen Klänge von Un flambeau, Jeannette, Isabelle. “In Birmingham”, hörte Phineas ihn sagen, und “Forderungen der Union”, doch er hielt nicht inne, um seiner Argumentation zu folgen. Er kannte die Debatte, aus dem Gamot und aus dem Salon der Fawleys, und Eduardus erweiterte sie schon seit Monaten nur noch um Wörter, nicht jedoch um Relevanz. Mit bedächtigen Schritten betrat er die Treppe in die oberen Stockwerke. Die Worte wurden undeutlicher, die Violine dünner, bis beides schließlich gänzlich verstummte. Stille umfing ihn, als er die Galerie im ersten Stock betrat. Selbst die Portraits, die den Gang zu beiden Seiten säumten, schwiegen. Nur vage war er sich den Blicken seines Vaters und dessen Vaters bewusst, als er an ihnen vorüber trat. Er suchte kein Gespräch. Erst auf Höhe der Kinderstube blieb Phineas stehen. Ohne dem der Tür gegenüberliegenden Portrait einen Blick zu schenken, fasste er nach der Klinke. Der Raum empfing ihn mit Dunkelheit. Der Kerzenständer auf einer der Kommoden spendete gerade ausreichend Licht, um die nötigsten Silhouetten zu umfassen. Die Konturen eines niedrigen Tischchen, sorgfältig mit einem Weihnachtsgesteck dekoriert, zeichneten sich unter dem Lichtschein ab, ebenso die Schränke und die drei Betten. Ursulas schmale Gestalt, wie sie neben dem Bett ihres Jüngsten saß, schluckten die Schatten. Bedächtig schloss Phineas die Tür. Garima sagte, Ihr wäret draußen gewesen. Die Worte waren einfach. Der Norwegische Stachelbuckel ist beeindruckend. Sie lagen ihm auf der Zunge. Wie geht es dir? Seine Lippen bewegten sich nicht. “Ist es schon so spät?”, fragte Ursula. Sie rührte sich nicht. Phineas räusperte sich. “Ich bin mir sicher, Ihr seid Eures Großonkels jetzt schon überdrüssig.” “Nein.” Das Wort schmeckte schal auf seinen Lippen. Langsam trat er in den Raum. Während er das Tischchen umrundete, blickte er zu seinen beiden Söhnen. Beide schliefen tief, Sirius über sein gesamtes Bett ausgestreckt wie eine Katze, Phineas wie eine unscheinbare Kugel unter seiner Decke. Hinter Ursula blieb er stehen. Aus der Nähe betrachtet tanzte das Licht des Kerzenständers auf ihren dunklen Locken.  “Wobei”, fügte er hinzu. “wem mache ich etwas vor? Ja. Ihr wisst, ich bin ihm immer überdrüssig.” “Es tut mir leid.” Phineas legte die Hände auf ihre Schultern. Sachte strich er mit seinen Daumen über ihre Halsbeuge. Sie lehnte sich in die Berührung. “Nicht doch.” “Ich hätte verhindern sollen, dass er sich zum Dinner einlädt.” “Niemand kann verhindern, dass er sich zum Dinner einlädt, meine liebe Lady Black.” Er hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel.  “Es wäre dennoch meine Pflicht gewesen, es zu versuchen. Stattdessen sitze ich hier und…” “Wir sollten hier bleiben.” Ursula lehnte Ihren Kopf nach hinten, bis sie seine Brust berührte. Sie blickte zu ihm auf. Sie zog die Augenbrauen hoch, wie sie es mit achtzehn getan hatte. “Eure Mutter würde furios sein.” “Mit dem Zorn meiner Mutter habe ich mich abgefunden, als ich um Eure Hand anhielt, meine Liebe.” “Euer Großonkel wird Euren Weinkeller leertrinken.” Phineas schloss die Augen. Er seufzte. “Damit hat sich bereits mein Vater abgefunden.” Ursula lachte leise. “Ich frage mich immer, wie jemand sich damit abfinden könnte, selbst ohne Euren Groll.” “Nicht nur Ihr”, sagte er. “Ich habe Mycroft aufgetragen, den Braten aufzutragen.” “Ein Grund mehr, aus dem ich unten sein sollte. Wir unten sein sollten.” Unter seinen Fingerspitzen spannten sich ihre Schultern an, doch Ursula erhob sich nicht.  “Ich weiß.” Ursulas Kopf lag warm an seiner Brust. Bedächtig strich er eine wirre Strähne aus ihrem Nacken, ließ die Hände schließlich von ihren Schultern und über ihre Brust gleiten, um sie an sich zu ziehen.  “Ich fürchte, ich bin in den Stachelbuckel appariert”, gestand er leise. “Oh nein.” “Ich fürchte, ich habe auch nach ihm getreten.” Phineas öffnete die Augen, um Blickkontakt zu suchen. Zu seiner Überraschung erwiderte Ursula ihn, mit geschürzten Lippen. Er erinnerte sich an diesen Blick. Während ihrer Schulzeit war dieser Blick ein gewohntes Ritual zwischen ihnen gewesen. Er hatte ihn begleitet, als Phineas den Niffler aus dem Tierwesenunterricht in den Gemeinschaftsraum geschmuggelt hatte und auch, nachdem er Godfrey Montague in das Kabinett im dritten Stock geklebt hatte. Selbst, als er ihr eröffnete, dass sein Vater Miss Rebecca Lestrange für eine angemessene Partie hielt.  Er hatte diesen Blick vermisst. “Phineas.” Er atmete durch. “Wenn sie Euch aufzumuntern wissen, bin ich bereit, Eduardus’ Quälgeister zu tolerieren.” Ursula schüttelte den Kopf.  Sie lachte leise. “Ich bin mir sicher, Ihr werdet diese Entscheidung noch bereuen. Dennoch ...” Sie blickte auf. “Danke.” Phineas beugte sich zu ihr hinab, um sie küssen können. Die Berührung federleicht. “Immer.”  In seinem Augenwinkel sah er, wie Ursula die Hände hob. Einen Augenblick später spürte er, wie ihre Finger über seine Wangen strichen. Er folgte ihrer Aufforderung, ihrer Bewegung. Ihre Lippen berührt sich erneut, länger dieses Mal, weniger flüchtig, weniger unsicher. Ursula erwiderte die Geste. Sie verharrten einen langen Moment. Es war schließlich Ursula, die sich als erstes rührte. Er folgte auch dieser Bewegung, hob seinen Kopf dieses Mal, schloss den Blickkontakt. “Bereit, Euch den Drachen zu stellen?”, fragte er leise. Ein dünnes Lächeln spielte in ihren Mundwinkeln. “Nein. Ihr?” “Nein.” Sie hob die Hand ein letztes Mal, stupste gegen seine Nasenspitze.  “Wunderbar. Dann lasst uns gehen.” Ursula ließ die Hand sinken und Phineas trat zurück. Er verbeugte sich leicht und reichte ihr den Arm. Immer noch lächelnd ließ sie sich von ihm aus dem Raum führen. Als Phineas die Tür öffnete, fiel sein Blick auf das Portrait gegenüber der Tür. Dieses Mal gelang es ihm nicht, den Blick abzuwenden. Der Bewohner des Bildes war anwesend. Der Junge saß auf seinem hohen Lehnstuhl, den Kopf auf eine Hand gestützt, Vaters Zauberstab in den Händen. Sein Haar war heller, als das von Phineas’, und seine Augen dunkler, sein Blick selbstsicher. Arrogant. Gelangweilt. Sirius. Er spürte, wie Ursula seinen Oberarm berührte. Sie musterte den Jungen auch. “Heute Nachmittag ist ein Brief von Iola gekommen”, hörte er sie sagen, ohne dass er es vermocht hätte, seinen Blick von dem Portrait abzuwenden. “Ein Brief?”, fragte er. “Sie sollte längst von ihrer Arbeit zurück sein.” “Es ist zweifellos seltsam. Ich habe ihn Euch in die Bibliothek bringen lassen. Was auch immer sie Euch schreibt, ich denke, Ihr solltet es lesen, bevor wir versuchen, Euren Weinkeller zu retten.” “Ja”, antwortete Phineas, den Blick immer noch auf dem Portrait. Mühsam schüttelte er den Kopf, doch der schale Geschmack, der sich beim Anblick seines Bruders auf seiner Zunge ausgebreitet hatte, blieb. Er wandte sich ab. “Ja, Ihr habt sicher recht.”   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)