Der Weihnachtstroll von KiraNear ================================================================================ Kapitel 2: Troll am Mittag -------------------------- Nach vielen Stunden Fahrt auf teilweise sehr stark befahrenen Highways und einer Übernachtung in einem Motel, welches sich auf negative Art für eine längere Zeit in das Gedächtnis der Brüder einbrennen würde, lenkte Dean den Wagen in eine längere Nebenstraße ein. Lafayette hatte sich, im Gegensatz zu manch anderer Stadt, zu ihrem Glück als recht verschlafen herausgestellt, nur wenige Menschen befanden sich unterwegs um ihren alltäglichen Erledigungen nachzugehen. Recht schnell fand Dean einen passenden Parkplatz für den Impala und hielt nach Parkuhren Ausschau. Als er nicht fündig wurde, zuckte er zufrieden mit den Schultern und stellte den Wagen ab. Sam warf derweil einen ersten Blick auf das Haus am anderen Ende des Vorgartens. Welcher zu seinem Missfallen mit Gartenzwergen verziert war; Gartenzwergen im kompletten Clowns-Design. Sich um einen festen Gesichtsausdruck bemüht, riss Sam seinen Kopf vom Vorgarten weg und krallte sich in den Stoff seiner schwarzen Hose fest. Sie beide hatten sich wie üblich ihre feinen FBI-Anzüge übergeworfen; sie wussten, den Männern der Ermittlungsbehörde würden am ehesten Tür und Tor geöffnet werden, was ihnen bei der Informationssammlung für diverse Jagden mehr als hilfreich war. Dean bemerkte das seltsame Verhalten seines Bruders, blickte sich nun ebenfalls im Vorgarten um und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Ah, wie ich sehe, wohnen da bereits ein paar gute Freunde von dir", neckte er seinen jüngeren Bruder. Dieser warf ihm einen finsteren Blick zu, seine Augen zogen sich dabei zu sehr engen Schlitzen zusammen. "Haha, sehr witzig, Dean ... komm, lass es hinter uns bringen", sagte Sam trocken, fuhr sich mit der Hand über das Knie, bevor er ruckartig die Tür aufriss und das Auto noch schneller verließ. Dean beobachtete die hölzernen, schnellen Bewegungen seines Bruders, zuckte mit den Schultern und verließ nun ebenfalls den Wagen. Kaum hatte er seine Parkposition von außen überprüft, ging er auf seinen Bruder zu und hielt ihm seine Hand hin. "Wofür ist die?", fragte Sam. Wieder begann Dean zu grinsen. "Naja, ich dachte nur, wenn du da nicht durchkommen solltest, dann können wir auch gerne zusammen an den Zwergen vorbeigehen und ich halte dabei deine Hand ganz, ganz fest. Sie ist auch nicht verschwitzt oder anderweitig eklig, versprochen", sagte Dean neckisch und zwinkerte Sam zu. Dieser ließ nur genervt seine Augen rollen. "Lass das, wir sind hier im Dienst. Oder zumindest wollen wir so tun. Da können wir ja gleich den Mitgliedern der Familie sagen, dass wir keine richtigen FBI-Agenten sind, wenn wir schon so unseriös auftreten." Dean verzog die Lippe. "Wäre mir neu, dass FBI-Agenten neuerdings Nerven wie der Terminator brauchen, um ihrer Arbeit nachgehen zu können ... hey, jetzt warte doch mal auf mich!", rief er Sam hinterher, doch dieser hatte sich bereits auf den Weg zur Haustür gemacht. Den Blick stur auf die kleinen Stufen der Veranda gerichtet, schritt Sam über die steinernen Platten des kleinen Weges vor ihm, während Dean ihm hinterher schlenderte. Kaum hatte er seinen Bruder eingeholt, konnte Dean erkennen, dass Sam einen kleinen Zettel betrachtete, welcher an der Tür mit einem Reißnagel befestigt worden war. Um ihn vor sämtlichen Witterungen zu schützen, hatte jemand aus der Familie das Blatt laminiert. "Sieh dir das mal an, laminiert - dann muss es ja was echt verdammt wichtiges sein." Dean versuchte, die Stimmung wieder aufzulockern, doch kaum fiel sein Blick auf Sams hochgezogene Augenbraue, verstummte er und ließ seinen Versuch fallen wie eine heiße Kartoffel. Als könnte er sich damit die Schande von den Händen wischen, begann Dean damit seine Handflächen an seiner Jacke zu reiben und versuchte, einen besseren Blick auf das Papier an der Tür zu erhaschen. "Im Grunde steht hier nicht viel, außer, dass die Familie wohl vorübergehend in ein Hotel gezogen ist und der Paketbote soll ihnen die Post bei einer Mrs. Lynn zurücklassen. Ach ja und falls sich eine Tante Carolyn in die Gegend verirren sollte, sie soll wohl bei der üblichen Handynummer anrufen. Diese steht hier allerdings nicht drauf", fasste Sam den Inhalt des Zettels zusammen. Dean sah ihn zufrieden an. "Das bedeutet, dass keiner aus der Familie da ist und uns bei der Jagd hinderlich sein könnte? Klingt doch ideal", meinte er und rückte seine dunkle Anzugsjacke zurecht. Zugleich bereute er es, sie überhaupt angezogen zu haben, da ihm seine dunkle Lederjacke deutlich lieber war. Dass er mit seiner Aussage kaum auf Zustimmung stoß, ließ ihn Sam mit einem weiteren entnervten Blick wissen. "Schon, aber es wäre trotzdem gut gewesen, wenn wir wenigstens das eine oder andere Familienmitglied hätten befragen können, möglicherweise ist ihnen etwas aufgefallen, was für uns jetzt hilfreich sein könnte. Danach hätten wir sie ja immer noch ins Hotel oder sonst wohin in Sicherheit schicken können." Er machte eine Pause, dachte kurz nach und holte sein schwarzes Mäppchen aus der Tasche. "Auf der anderen Seite hast du recht, je weniger Leute wir in einem Fall anlügen und beschützen müssen, desto besser ist es." Dean nickte ihm zu und beobachtete, wie Sam geschickt mit seinem Werkzeug die Tür öffnete. "Abgesehen davon sind wir doch schon öfters in irgendwelche Fälle geraten und hatten dabei viel weniger Informationen in der Hand, warum sollte es jetzt also anders sein? Das packen wir schon, noch hat es kein Geist wirklich mit uns aufnehmen können", sagte Dean mit ein wenig Stolz in der Stimme, nun war er es, der seinem Bruder auf die Schulter klopfte. Sam konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Wenn du das sagst, Dean, dann muss ja was dran sein", sagte er in einem mehrdeutigen Ton und ließ sein kleines Mäppchen elegant in seiner Jackentasche verschwinden. "Nach dir, Dean", sagte er, folgte seinem Bruder in das kleine Einfamilienhaus und verschloss anschließend die Tür nach ihnen wieder.   „Sieh dir das nur mal an, da hat wohl jemand ordentlich in die Kitsch-Kiste gegriffen, als er dieses Jahr mit der Dekoration dran war“, sagte Dean und betrachtete die vielen kleinen Weihnachtsfiguren, die jemand aus der Familie im gesamten Flur aufgestellt hatte. Kleine Weihnachtsmänner, Schneemänner und unzählige kleine Kügelchen waren auf mehreren Schränkchen und Kommoden verteilt worden, zusammen mit weihnachtlichen Tischdecken. Um die Lampe herum hatte jemand Lametta aufgehängt, wodurch sie wie eine funkelnde Lichterkugel aussah. Sam sah sich genauso gut um wie Dean. „Naja, es gibt auch Menschen, die die Feiertage feiern und auf solche Sachen nun mal stehen“, sagte Sam und sah sich einer der Figuren genauer an. Ein kleiner, dicker Weihnachtsmann, dessen runder Bauch sich zwischen seine Jacke und Hose herausquetschte, welchen er sich hielt während er inbrünstig ins Nichts lachte. Sam schüttelte den Kopf, dann griff er in seine Jackentasche. „Wie auch immer, vergiss nicht, warum wir hierhergekommen sind, wir sind nicht hier um den Dekorationsgeschmack der Leute zu bewerten; sondern um einen Geist zu fangen, der diese Deko wohl gerne herumwirft“, sagte Sam und holte seinen EMF-Meter heraus. „Ich kann den Geist verstehen“, sagte Dean nur, bevor er seinem Bruder ins Wohnzimmer folgte. Auch dieses Zimmer war ausreichend geschmückt worden, am Kamin hingen mehrere bunte Socken, die darauf warteten, mit Süßkram gefüllt zu werden. In der Ecke ein Tannenbaum, groß, prächtig und grün, natürlich von oben bis unten dekoriert. Unter dem Weihnachtsbaum lagen Geschenke, die meisten waren verschlossen, doch ein paar wenige waren schon aufgemacht worden. „Da war wohl jemand zu neugierig“, sagte Dean und ging in die Hocke, um sich die Geschenke näher ansehen zu können. Dabei nahm er die nächstbeste Box in die Hand und öffnete sie. Das Geschenkpapier, welches um das Geschenk herumgewickelt war, lag aufgerissen auf dem Boden. Sein Blick veränderte sich und überrascht sah er zu seinem Bruder. „Das habe ich jetzt nicht erwartet“, sagte Dean und reichte Sam die Box, damit er auch einen Blick hineinwerfen konnte. Kaum sah er den Inhalt, warf er ihn angewidert weg. Was Dean sofort zum Lachen brachte. „Ich kann nicht glauben, dass du dich von solchen Dingen immer noch erschrecken lässt. Wie alt bist du, zwölf?“, sagte Dean und sammelte sowohl die Box, als auch die abgetrennte Hand, die herausgefallen war, auf. Dann drückte er diese zusammen. „Sieh mal, das ist ein Spielzeug, nur irgendein blödes Silikon, das jemand mal angemalt hat, nichts weiter“, stichelte Dean weiter und erntete dafür genervte Blicke von seinem jüngeren Bruder. „Aber auf den ersten Blick sieht es schon echt aus.“ Sam rollte noch weiter genervt mit den Augen und nahm ein weiteres Päckchen, welches wie das erste bereits aufgerissen und geöffnet worden war. Er warf einen Blick hinein und schüttelte mit dem Kopf. „Wer auch immer dieses Jahr die Geschenke besorgt hat, ist wohl nicht weitergekommen als zum Scherzartikelladen“, sagte er und zeigte Dean den Inhalt. Dieser begann laut zu lachen. „Ein kleiner Kackehaufen aus Plastik, ein Klassiker“, sagte Dean und haute sich selbst auf den Schenkel, doch sein Bruder wollte nicht so recht in sein Gelächter einstimmen. „Merkwürdig ist nur“, sagte Sam und betrachtete eine kleine Karte, die am Geschenkpapier befestigt war. „Dass hier steht: Lieber Warren, viel Spaß mit deinem Modellauto, liebe Grüße, Tante Carolyn“, las er von dem Zettel ab und legte die Schachtel auf den Boden. Dean sah ihn verwundert an und auch Sam konnte keine Erklärung dafür finden. „Also entweder besteht die komplette Familie aus Scherzbolden oder jemand hat die Geschenke ausgetauscht, nachdem sie eingepackt worden sind.“ Sam nickte nachdenkend. „Vermutlich war das auch der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Nicht mal wir würden uns solche Scherzartikel zum Weihnachten schenken, wenn wir es denn überhaupt feiern würden. Gut, du vielleicht, aber ich nicht“, fügte Sam hinzu und Dean schüttelte empört den Kopf. „Ich? Wow, da hast du ja eine echt gute Meinung von mir, Sammy!“, sagte er und drehte sich theatralisch um, dabei fiel sein Blick auf die offene Tür, die in einen anderen Raum führte. „Wie auch immer, ich gehe mal davon aus, dass alle Päckchen hier mit diesen Geschenken ausgestattet sind. Lass uns lieber weitersuchen, wir sind ja nicht zum Spaß hier.“ Sam betrachtete noch ein letztes Mal die Geschenke, dann sah er zu seinem Bruder hinüber. Doch dieser drehte sich nicht zu Sam um, sondern ging auf die offene Tür zu. „Gut, dann sehe ich dort nach und du … eben woanders“, sagte Dean und staunte nicht schlecht, als er hinter der Tür die Küche fand. Welcher Grund die Familie zum eiligen Verlassen des Hauses veranlasst hatte, es war etwas, was eine starke Wirkung auf die Hausbewohner hatte. Die Küche war voller Küchengeräte, die jemand erst am Vortag benutzt hatte und ein Tablet mit kleinen Häppchen darauf zu finden. Äpfel, Bananen und anderes Obst lagen in einer Obstschale und luden zum Reinbeißen ein. Beeindruckt sah Dean in den Kühlschrank hinein, eine Schlüssel mit Coleslaw und frisch gemachtem Kartoffelpüree konnte er auf dem ersten Blick erkennen. Im Ofen fand er anschließend eine gefüllte Weihnachtsgans, da der Ofen unvorsichtigerweise noch immer auf „Warm halten“ gestellt war, fühlte sich die Gans noch ziemlich warm an. Dean lief das Wasser im Mund zusammen, er nahm sich ein Küchentuch und holte vorsichtig die Schale heraus, in welcher die Gans in ihrem eigenen Saft badete. Kaum hatte er die Schale auf einem leeren Teil der belegten Arbeitsfläche abgestellt, bemerkte er, dass der Ente bereits eine knusprig gebackene Beinkeule fehlte. Schnell sah er sich um, doch seinen Bruder konnte er nicht erkennen. Dann zuckte er mit den Schultern, das Wasser lief ihm nur noch mehr im Mund zusammen. Und bis die Familie zurückkommt, warum Essen verschwenden und es nicht einfach genießen? Etwas unelegant riss sich Dean die andere Beinkeule ab, der Duft verbreitete sich stärker im Raum und Dean musste aufpassen, dass er nicht sofort seine Zähne darin versenkte. Stattdessen nahm er, um keine Spuren auf seinem Anzug zu hinterlassen, ein Küchentuch und hielt damit den Knochenteil der Keule fest. „Guten Appetit“, sagte er zufrieden zu sich selbst und biss großzügig hinein. Anschließend konnte er nicht anders, als laut und inbrünstig zu schreien.   Während Dean in die Richtung der Küche gegangen war, war Sam wieder in den Flur zurückgegangen und hatte seinen EMF-Meter ausgepackt. Kurz hatte er überlegt, ob er sich das Obergeschoss ansehen soll, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er wohl wie üblich im Keller fündig werden würde. Zumal das Meter bei der Treppe aufwärts eher schwach, aber dafür die Treppe abwärts stärker reagierte. Langsam stieg er die Treppe hinunter, zwar konnte er das Licht anmachen, die Treppe blieb jedoch größtenteils im Dunkeln. Was ihn unten erwartete, überraschte ihn keineswegs. Außendekorationen für jegliche Feiertage, wie Ostern, Halloween oder St. Patrick’s Day befanden sich dort, sauber und ordentlich sortiert. Auch befand sich eine Waschmaschine dort, daneben ein Trockner, doch ein kurzer Blick verriet Sam, dass beide Geräte leer waren. Der Boden war zementiert und in den Regalen befand sich aller möglicher Kram, der hier unten gelagert und vergessen worden war. Sam zückte das EMF-Meter, welches sofort auf Anschlag ging, worauf hin er sich noch weiter umsah. Doch ihm wurde nicht kalt, sein Atem blieb ohne die gewohnten Wolken vor seinem Gesicht und auch konnte er nichts Auffälliges hören oder sehen. Nur das EMF-Meter verriet ihm, dass sich in diesem Haus, besonders im Keller, ein Geist aufhalten musste. Und die seltsamen Vorkommnisse. Gerade, als er sich nähere Gedanken über dieses seltsame Geschehen machen wollte, konnte er einen lauten Schmerzensschrei seines Bruders hören. „Dean!“, stieß Sam verängstigt aus und nahm die Beine in die Hand, um so schnell wie möglich die Kellertreppe hinaufzulaufen. Innerhalb weniger Sekunden war er wieder im Erdgeschoss angekommen und lief in die Küche, den Ort, an welchen er seinen Bruder nach wie vor vermutete. Er hatte sich auf alles eingestellt, einen rachsüchtigen Gast, welcher Dean ein Messer in den Leib gerammt hatte. Oder ein anderes Monster, dass ihn gerade auf eine schreckliche Art und Weise folterte. Doch mit einem Dean, welcher schwer schnaufend über einem Waschbecken gebeugt stand, damit hatte er nicht gerechnet. „Dean, was ist los?“, fragte Sam und konnte sich keinen Reim darauf machen, was genau mit seinem Bruder passiert ist. Erst, als dieser sich zu ihm umdrehte, mit verweinten Augen, einem hochrotem Gesicht und einer angebissenen Geflügelkeule in der rechten Hand, konnte Sam sich langsam ein Bild von der Situation machen. Kopfschüttelnd sah Sam seinen Bruder an. „Ich hätte mir ja denken können, dass du hier herumnascht“, sagte Sam und Dean sah ihm mit einem gemischten Blick an. Dann wandte er sich wieder ans Waschbecken, öffnete den Wasserhahn und schüttete sich mit der linken Handfläche immer wieder Wasser abwechselnd in seinen Mund und ins Gesicht. Sam dagegen ging zum Kühlschrank, holte eine Packung Milch heraus und roch an der Öffnung. Dann reichte er sie seinem Bruder. „Hier, versuch es lieber damit. Wasser verstärkt den Schärfeeffekt nur“, erklärte Sam und Dean riss ihm die Packung aus der Hand, bevor er den halben Inhalt in sich hineinschüttete. Erst jetzt fand er wieder ein wenig zu sich und konnte sich beruhigen. „Wow, das ist die schärfste Gans, die ich je gesehen oder gegessen habe. Das … das kann man doch nicht essen“, sagte er und legte nun die Keule weg. Sam sah sie sich an, sie sah ganz gewöhnlich aus, sogar richtig lecker und er konnte langsam verstehen, warum sein Bruder nicht widerstehen konnte. Dann schüttelte er wieder mit dem Kopf. „Normal macht man eine Weihnachtsgans auch nicht scharf, Dean“, sagte er, öffnete erneut den Kühlschrank und probierte sowohl vom Coleslaw, als auch vom Kartoffelpüree ein kleines Stück. Sofort lief sein Kopf rot an und er griff verzweifelt in Deans Richtung, welcher sofort verstand und ihm die Milch zurückgab. „Ok, also das, das ist keine Schärfe mehr, das ist doch jenseits von Schärfe“, sagte Dean und Sam wusste nichts anderes, als ihm leidend zuzunicken. Dann wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Vermutlich war auch das der letzte Tropfen. Egal, wie schlecht jemand kocht, wenn jemand sein Essen so scharf macht, dann müsste man das sehen können. Es wäre dann in einem ungesunden Rot oder man müsste das Chilipulver erkennen. Aber hier, man sieht nichts, alles sieht normal aus.“ „Also ein Werk des Geistes“, schlussfolgerte Dean schnell. „Ja, das muss wohl so sein“, sagte Sam und schloss den Kühlschrank wieder. „Zumal wir noch Glück hatten, es soll wohl noch höhere Schärfegrade geben, bei denen man ohnmächtig werden kann. Aber das hier reicht schon, immerhin hat es die gesamte Familie aus dem Haus getrieben und das, ohne dass die zweimal darüber nachgedacht haben. Keine normale Hausfrau hätte dieses Chaos hier hinterlassen, wenn sie sich nicht dazu gezwungen gefühlt hätte“, sagte Sam und blickte sich in der Küche um. „Außerdem habe ich unten im Keller EMF messen können. Dort sind die Signale am stärksten.“ Für Dean schien die Sache klar wie Kloßbrühe zu sein. „Gut, dann gehen wir runter und schicken den Geist dorthin, wo er hingehört“, sagte er, doch Sam schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich habe dort leider nichts finden können. Keine Überreste, keinen besonderen Gegenstand oder irgendeine andere Auffälligkeit. Es war nicht mal kalt dort unten, ich habe nur mein EMF-Meter auf Anschlag gehabt, aber sonst war dort nichts, was auf Geist hindeutet.“ „Nicht?“, fragte Dean nochmal nach. „Das ist doch merkwürdig, ich meine, wenn da ein Geist ist, dann müsste da doch was sein.“   Er hielt inne, und auch sein Bruder schien sich auf etwas zu konzentrieren. „Hast du das gehört?“, flüsterte Sam und nickte in die Richtung des Wohnzimmers. Dean nickte nur und holte seine Waffe hervor. Sam dagegen sah sich um, und wurde in Form eines Fleischhammers fündig. Stumm kommunizierten sie in Gedanken miteinander, überlegten sich, wie sie nun vorgehen sollten. Am Ende schlichen sie beide zur Tür, blickten so gut sie konnten in das Wohnzimmer hinein und stürmten es. Dean richtete die Waffe in den Raum, während Sam den Hammer wie einen Schild vor sich hielt. Sie dachten, es wäre einer der Hausbewohner, der nun zurückgekehrt war und sie nun aus dem Haus verjagen; oder gar die Polizei rufen würde. Oder es war der Geist, der sich nun endlich zeigen würde. Doch nichts davon trat ein, stattdessen bekamen sie einen Anblick geboten, den sie wohl im Lebtag so schnell nicht mehr vergessen werden. „Hallo, Jungs“, begrüßte sie Bobby und sah die Jungs mit seinem üblichen Gesichtsausdruck an. Doch was sich unterhalb seines Kopfes befand, war alles andere als gewohnt. Statt seiner Kleidung, die wie ein Erkennungsmerkmal war, trug er ein langes, dunkelrotes Kleid, was ihm eine stark feminine Figur verpasste. Überhaupt schien er kinnabwärts den Körper einer Frau zu haben, seine Arme hatte er in die Hüfte gestemmt. Das Kleid war ärmellos, und die haarlosen Beine endeten in zwei blutroten Pumps. Lediglich sein Gesicht und seine abgetragene Cap passten absolut nicht zum Rest zusammen; oder der Rest zu ihnen. Sam sah zu Dean herüber und Dean erwiderte seinen Blick, sie beide wussten nicht, was sie sagen sollten. „Was ist hier los?“, fragte Sam nach ein paar Minuten, kaum hatte er seine Stimme wiedergefunden. „Warum steht dort ein halb weiblicher Bobby vor uns? Und warum kennt der Geist Bobby überhaupt?“, sagte Dean und man konnte ihm die Verwirrung nicht nur ansehen, sondern auch anhören. „Mich würde eher mal interessieren, was ihr hier in diesem Haus macht“, fragte „Bobby“ und sah die beiden Jungs an. „Was … was wir hier in dem Haus machen? Was bitte machst du denn hier?“, fragte Dean mehr als verwirrt und ging einen Schritt auf „Bobby“ zu. „Und warum hast du ein Kleid an?“, fragte Sam, doch Bobby schien weder die, noch die andere Frage beantworten zu wollen. Stattdessen drehte er sich um und stellte sich neben dem Kamin. „Wie kalt von euch beiden, da sieht man sich so lange nicht mehr und dann fahrt ihr einen gleich so an … das können einem nur die Tränen kommen!“ „Bobby“ hatte ihnen den Rücken zugekehrt und es klang, als würde er sich gerade die eine oder andere Träne wegwischen. Dean dagegen hob seine Waffe und zielte auf den Fremden, der ohne irgendein Geräusch im Wohnzimmer erschienen war. Sam befestigte seinen Griff um den Hammer, welchen er nun neben sich hielt, bereit, jederzeit damit den Geist zu schlagen. Die Brüder sahen sich an, langsam näherten sie sich dem Fremden von hinten an. Es waren nur noch weniger als ein Meter, der sie von dem falschen Bobby trennte. „Die falschen Krokodilstränen kannst du dir sparen!“, sagte Dean und packte „Bobby“ in den Schwitzkasten, während Sam sich ihnen von der Seite näherte, den Fleischhammer hoch erhoben, bereit, dem Geist oder Fremden eine Abreibung zu verpassen. Dieser sah erst erschrocken aus, dann sackte er in sich zusammen und fing zu lachen an. „Ach Jungs, Jungs, ihr seid ja noch steifer als die meisten meiner Brüder. Und ich dachte, wenigstens ihr würdet ein wenig Spaß verstehen.“ Als wären sie nicht schon verwirrt genug, starrten die Jungs sich nun komplett planlos in die jeweils ahnungslosen Augen des anderen. Dann starrten sie auf „Bobby“, dessen Aussehen sich innerhalb von Sekunden komplett verändert hatte. Die Cap und die kurzen Haaren waren leicht längeren blonden gewichen, auch die Falten und der Bart im Gesicht waren verschwunden. Stattdessen lag ein leicht verschmitztes Lächeln auf den Lippen. „Hallo Jungs“, sagte Gabriel und lächelte Sam an, während dieser versuchte, die Fassung zu bewahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)