Draculas Kinder von Elnaro ================================================================================ Kapitel 4: Ränkespiele ---------------------- Robert-Valentin stand an der Schwelle zum Manne, war also etwa im selben Alter wie Elisabeth, als sie sich mit Victor verband, da holte er mich mit seiner scheuen Art zu einem ihrer Umwandlungsexperimente hinzu. „Graf Dracula, wärt Ihr so gütig, mir zu folgen. Wir möchten die Konvertierung vorführen.“ Die beiden gaben der Umwandlung von Mensch zu Vampir diese merkwürdig wissenschaftliche Bezeichnung, an die ich mich auf meine alten Tage wahrlich nicht mehr gewöhnen würde. Wohlwollend stand ich auf und folgte ihm, wofür er sich steif bedankte. So brillant er sein mochte, erschien er mir wie ein Fremdkörper in der Familie Dracul. "Robert, du bist mein Sohn und als solcher ist es dir erlaubt, mich Vater nennen.“ „Soll ich das als Ehre oder als Anweisung begreifen?“, fragte er emotionslos, ohne mich dabei anzusehen und lief vollkommen unbehelligt weiter vor mir her. "Ich benötige keinen weiteren demütigen Sohn." "Demut, Graf, ist es gewiss nicht." Selbstverständlich war mir das bewusst. Er schien zu spüren, dass ich ihm niemals Liebe entgegenbringen konnte, zu keiner Zeit und ich hätte mir selbst einen Gefallen getan, wäre mir das ebenso gleich gewesen wie ihm. "Robert-Valentin, ich gebe dir die einmalige Gelegenheit, deine Gedanken frei auszusprechen, ohne Schelte zu erwarten." Nun stoppte er und drehte seinen Kopf zu mir. Er hob die Augenbrauen abschätzig an, sah sodann wieder nach vorn und setzte seinen Gang fort. "So nicht, Junge!", rief ich in spontaner Wut, sprang unbeherrscht neben ihn und presste ihn mit meinen Krallen am Hals gegen die Wand. "Die Schelte erwartet mich wohl eher, wenn ich meine Gedanken nicht ausspreche, GRAF", betonte er keuchend. "Du BIST mein Sohn! Du BIST ein Dracul und du WIRST der Familie Ehre machen!" "Sicher werde ich das, aber nicht für Euch, sondern für Magna und Vicco. Was ich nicht tun werde, ist jenen Mann einen 'Vater' zu nennen, der mich meine eigene Mutter töten ließ!" Da war meine Antwort. Robert war also nachtragend. Ich befreite das Kind aus meinem Griff und folgte ihm bis in Elisabeths Forschungszimmer. Darin fand ich auf Metalltischen zwei festgeschnürte und aufgeschnittene Menschen, die auf wundersame Weise noch lebten. „Großvater, wie schön!“, rief mir Elisabeth erquicklich in ihrem blutverschmierten Kittel entgegen und auch Robert zog einen solchen über. Zuerst nahm sie ein Skalpell, ritze sich in den Unterarm und bat mich, näher zu treten. Dann träufelte sie ihr Blut in den Mund des aufgeschnittenen Versuchssubjekts. Es begann zu zucken, aber nicht zu schreien. „Ich habe seine Stimmbänder durchtrennt, weil das Gebrülle nervt“, erklärte sie gefasst, als hätte sie bemerkt, dass mich dies verwunderte. Sie zeigte auf das Herz in seinem offenen Brustkorb. „Schaut, wie es aussetzt. Manchmal dauert es ein paar Sekunden… so, schon vorbei. Nun schlägt sein Herz wieder, beliefert die Organe aber mit einer völlig anderen Blutmenge. Habt Ihr gesehen, wie sich die Venen und Arterien verändert haben? Ich mache ihn zunächst wieder zu.“ Sie klappte die großen Fleischfetzen zusammen und wartete einen Moment lang ab. Der halb verwandelte Mensch zuckte erneut, doch das ignorierte sie und wendete sich einem zweiten Geschöpf zu, welches Robert gerade geöffnet hatte. Nun träufelte er sein Blut in den Mund des Mannes, dessen Herz nicht stehenblieb. Stattdessen beschleunigte es sich. Er verschloss ihn und wartete. Ein wenig irritiert, was die beiden mir hier versuchten zu beweisen, sah ich zum ersten Mann hinüber, der nach wie vor mit einer klaffenden Wunde am Torso zuckte. Danach blickte ich zurück zum Zweiten und war überrascht, wie schnell sich dessen Wunde am Brustkorb schloss. Elisabeth beschrieb mir diesen Unterschied folgendermaßen: „Rova ist der perfekte Multiplikator. All seine Konvertierungen gelingen, doch seine Probanden werden willenlos. Meine hingegen sterben meist. Wisst Ihr, was das bedeutet, Großvater? Rova könnte ohne Weiteres eine ganze Armee von-“ Das knackende Geräusch eines zu Staub zerfallenden Vampirs unterbrach ihre Rede, denn Robert hatte dem gelungenen Verwandelten eine Silberklinge ins Herz gerammt. „Er will es nicht tun. Er will keine Armee von Seelenlosen anführen“, erläuterte sie sein Verhalten mit einem Vorwurfston. Interessant war eine solche Fähigkeit allemal. An einer willenlosen Armee, die ihm folgte, war mir allerdings wenig gelegen, wo ich mir Roberts Loyalität niemals wirklich sicher sein konnte. Mein eigenes Blut für einen solchen Firlefanz einzusetzen, kam obendrein nicht in Frage. „Setzt eure Forschung an einem neuen Punkt an. Diese Erkenntnis nützt mir nichts“, wies ich an und ließ die beiden zurück. Ich hörte noch, wie Elisabeth ihren viel jüngeren Onkel anbrüllte: „Das ist deine Schuld Rova! Wärst du nicht so lethargisch, wäre alles besser gelaufen!“ Zugegeben interessiert, blieb ich stehen und lauschte den beiden. „Es tut mir leid, El. Mit dem Grafen...“ „Hör auf, dich immerfort zu entschuldigen! Wie mich das nervt!“, keifte sie ihn an, doch wie bei mir zuvor, wollte er es nicht verstehen. „Es gibt Grenzen, El. Grenzen, die ich nicht überschreiten will, nicht einmal für dich. Was soll ich anderes tun, als dich dafür um Verzeihung zu bitten?" Das darauffolgende Geräusch ließ darauf schließen, dass sie ihn geohrfeigt hatte. "Du bist der reinste Sohn des Urvampirs, aber du hörst dich an wie ein winselnder Welpe." Als die Ältere von beiden setzte sie einen Teil ihrer Energie in seine Erziehung, was ich nur gutheißen konnte. Sie wusste, was zu tun war. Wenngleich sie im Geblüt die Unreinste der Draculs war, so musste ich sie zugleich als die Gelungenste hervorheben. Als ich glaubte, es passiere nichts weiter von Belang, machte ich mich auf den Rückweg, doch gerade in diesem Moment setzte meine Enkelin eine neue Aussage an, die mich zurückhielt. "Was hältst du davon, wenn wir einen anderen Ansatz verfolgen und uns der Konvertierung von Halbblütern widmen? Du bist doch schon 15. Könntest du nicht ein paar davon in die Welt setzen?“ Elisabeth wusste wohl noch nichts von seiner Muttersehnsucht. Er würde sich nicht dazu instrumentalisieren lassen, die Mütter seiner Nachkommen in gleicher Weise zu töten. Zudem ging es mir deutlich zu weit, Kinder meines Blutes zu ihren Opfern zählen zu lassen. Im Falle von Roberts Nachgiebigkeit, war ich bereit, meine Deckung aufzugeben, um ihr Einhalt zu gebieten. Trotz seiner Hörigkeit war der Junge jedoch stark genug. „El, du bist die einzige Frau, die ich will. Und… würdest du wirklich meine Kinder als Probanden missbrauchen? Das kann nicht dein Ernst sein!“ „Schwächling! Schon wieder dieses Gewimmere. Nicht auszuhalten!“, spottete sie, wenngleich sie sicherlich wusste, dass er im Recht war. Nun verließ ich die Szenerie wirklich. Wie ich es mir dachte, waren diese zwei ein perfektes Gespann. Sie hatte die Visionen, er den Intellekt und Realitätssinn. Unter Umständen belauschte ich meine Kinder viel zu selten, denn ich erfuhr, dass nicht nur ich und Victor, sondern auch Robert ihrem ganz besonderen Zauber erlegen war. Einzig David-Richard schien keinerlei Sinn für ihre Reize entwickelt zu haben, was nur seiner Vorliebe für reizlose Frauen geschuldet sein konnte. Familiäre Angelegenheiten, Elisabeths Forschung, die Leitung der Firma sowie der Ausbau unserer Vormachtstellung schoben sich in den kommenden unruhigen Zeiten fast schon in den Hintergrund, denn die Menschen glaubten, uns neuerlich ihre Torheit beweisen zu müssen. Argisch, die Stadt in der Victors Mutter Sirenie unseren Palast erbauen ließ, befand sich in der rumänischen Walachei. Schloss Bran, meine vormalige Heimat, in die ich dann und wann noch zurückkehrte, jedoch im ungarischen Siebenbürgen. Ich konnte nicht ignorieren, wie der Beginn eines lächerlichen Menschenkrieges 1914 nun Unruhe in diese Grenzregion brachte. Da der überwiegende Teil des sogenannten Vampiradels deutschstämmig war, sicherten wir, auf Victors Geheiß hin, dem rumänischen Menschenkönig Carol I. unsere Unterstützung zu, solange sich dieser auf die Seite der Mittelmächte stellte. Greis war er und schwach, sodass er sich nicht einmal mehr gegen seinen eigenen Hofrat durchzusetzen vermochte und in Folge sein Wort mit uns brach. Ich selbst, der große Vampirkönig, war es, der diesen jämmerlichen Menschenkönig zur Rechenschaft zog und sein Leiden beendete. Ironisch, wie er war, hatte er in seinem Testament verfügt, sich in der Kathedrale in unserer direkten Nachbarschaft beisetzen zu lassen. Die Kirche zu entweihen, war Elisabeth eine Herzensangelegenheit. Wutentbrannt rief sie uns im Anschluss in einem der Beratungsräume zusammen. „Mir reicht es! Ich mische mich in diesen absurden Krieg ein. Diese Bastarde am rumänischen Königshof werden sich noch wundern, mit wem sie sich da angelegt haben. Allen voran dieser neue 'König' Ferdinand I.“, bestimmte sie, doch Victor begann schon auf sie einzureden. „Lass es, Elisabeth. Es ist klüger, auszuwandern, als uns erneut so tief in die Geschicke der Menschen einzumischen. Vampire agieren im Dunklen, im Verborgenen. Menschen sind die Könige des Tages, wir die der Nacht.“ „Könige der Nacht!?! Hörst du mir auch manchmal zu, Vicco? Du weißt genau, dass ich daran arbeite, unsere Leiden zu heilen. Wir alle werden schon bald hinaus ins Licht treten können und dann werden wir uns holen, was uns zusteht." „Komm zur Vernunft, Liebes! Wieso solltest du die Menschen regieren wollen? Lass sie in ihrem kurzen Leben tun, was sie tun wollen. Was kümmert es uns?“, antwortete er ihr ruhig. David, Robert und Magret waren stille Mithörer und sogar ich hielt mich zurück, denn Victor vertrat meine Meinung in Perfektion und das brachte Elisabeth aus der Fassung. „Ihr seid ein Haufen Schlappschwänze, die sich von ihrer NAHRUNG vertreiben lassen. Wir können in Rumänien beginnen und von hier aus die ganze Welt erobern. Rova, DU bist doch auf meiner Seite!“ Nun kam der jüngste zu Wort und was er sagte, war von außerordentlicher Weitsicht geprägt. „El, zum jetzigen Zeitpunkt sollten wir zunächst die aufbegehrenden Vampire unterwerfen, welche sich ohne Rücksprache auf die Seite der Alliierten schlagen. Diesem Trend entgegenzuwirken, ist unsere dringlichste Aufgabe als führende Familie! Unsere Vormachtstellung muss zuallererst sichergestellt werden.“ Anders hätte ich meine Antwort auch nicht formuliert. Das gefiel nicht nur mir, sondern auch ihr. „Du bist ein Genie, Rova. Großvater, wir denken uns etwas aus, um die Verräter in unseren eigenen Reihen auszudünnen. Was hältst du davon? Gegen die Menschen gehen wir hinterher vor.“ „Ein Krieg unter Vampiren? Bist du irre?“, ging ihre Mutter dazwischen, doch ich verbot ihr das Wort. „Halt den Mund, zimperliches Frauenzimmer! Die Kriegswirren zu nutzen, um die Vampirgesellschaft zu säubern? Schlag mir etwas vor, liebste Elisabeth!“ „Das werde ich, schon bald“, schloss sie die Beratung. David erhielt von mir die Anweisungen, unseren Umzug nach Deutschland zu planen, bevor ich ihn und alle, bis auf Robert, aus dem Besprechungsraum schickte. Er saß unbeweglich auf seinem Platz und wartete darauf, dass ich ihn ansprach. "Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist gerade für die Menschen in die Bresche gesprungen. Diese Schwäche kann nur von deiner Mutter herrühren. Von mir hast du sie beileibe nicht." Sein Gesicht zuckte, bevor er eine Hand vor seine Augen führte, um es zu verbergen, doch das Schweigen behielt er bei. "Willst du keine Stellung nehmen?", ging ich ihn an, worauf er seine Sicht wieder freigab und mir antwortete. "Wollt Ihr mich wieder bedrohen, weil Ihr mich nicht ergründen könnt, Graf? Ich stehe loyal zur Familie, egal was geschieht. Reicht Euch das nicht?" Nach Magret hätte ich mein Experiment stoppen sollen, Kinder mit Menschen zu zeugen. Sie beide hatten Augen und Ohren in Gefilden, in die sie nicht gehörten, meine Tochter bei niederen Bediensteten, Robert bei den Menschen. "Es muss wohl reichen. Selbst wenn ich dich zu einer Erklärung zwinge, würde ich sie nicht verstehen", schloss ich, stand auf und ging. Unterredungen mit ihm führten zu nichts. Er war ein Freigeist und sollte es auch bleiben, solange uns das nicht schadete. Schon bei der folgenden Beratung, sollte er dies unter Beweis stellen, denn er kam auf die Idee, unsere Blutkonserven nicht mehr frei zu verkaufen, sondern sie stattdessen aus Kriegsgründen zu Rationieren. „Nahezu der gesamte Vampiradel kauft unser Blutprodukt. Was, wenn sie es nicht nur könnten, sondern ab sofort müssten? Keine Jagden mehr auf Menschen, keine Menschensklaven mehr, nur noch unser Konservenblut. Kontrollieren wir die Nahrungsquellen, erlangen wir Macht über die Vampire.“ "Das ist schrecklich schade und bahnbrechend zugleich“, rief Elisabeth in schwankender Stimmung. Magret war nach ihrer Entgleisung selbstverständlich nicht mehr Teil des Familienrates, nur David, der sich wie immer bedeckt hielt und Victor, der mit dem Vorschlag nicht einverstanden war. "Niemand wird sich so etwas bieten lassen." Elisabeth übernahm überraschend die Verteidigung von Roberts Idee. "Nicht von jetzt auf gleich und auch nicht alle Verbote auf einmal, aber schrittweise, und mit einer einleuchtenden Begründung dahinter, schon." "Ich sehe die Rebellion jetzt schon vor mir, da sind die Gesetze nicht einmal zu Papier gebracht", brüllte Victor. Mein zweiter Sohn wurde selten ungehalten, doch hier galt es, für den angeblichen Vampiradel zu sprechen. Jener Gruppe, der er sich verschrieben hatte. Mit seinem Jähzorn steckte er seine Frau an, die sich verärgert von ihrem goldenen Stuhl erhob. "Du Lustmolch hast womöglich die größten Schwierigkeiten mit solchen Gesetzen. Ich werde es Euch erklären, Großvater", nun wendete sie sich nur mir zu und echauffierte sich. "Vicco hat versucht, von mir zu trinken. VON MIR! Bin ich etwa seine Beute? Vampire voneinander trinken zu lassen, ist abartig! Ekelerregend! Kannibalismus! Wenn wir die Gesetze reformieren, dann nehmen wir dieses … unfassbar widerliche Verhalten als Straftat mit auf!" Auch Victor erhob sich und fixierte seine Gattin, ohne ein Wort dabei zu verlieren. Sein tadelnder Blick bewirkte jedoch den gegenteiligen Effekt bei ihr, denn sie breitete noch weitere Details vor dem Familienrat aus. "Du willst doch am liebsten eine Menschenfrau mit zu mir ins Bett nehmen. Was glaubst du wohl, warum ich von dir keine Kinder will, du Ekelpaket?" Mir war nicht bewusst, dass sich die beiden uneins waren. Er verließ den Familienrat daraufhin und kehrte auch später nicht wieder hinein zurück. Den eloquenten Victor zu verlieren, war ein schwerer Verlust und doch lösten Robert und Elisabeth alle Probleme mit Bravour. Zunächst schrieben die neuen Gesetzmäßigkeiten die Nutzung unserer Produkte vor und verboten das Wildern. Wie von Elisabeth vorgeschlagen, sollte dann der gesamte Genuss von Blut vom lebenden Subjekt schrittweise untersagt werden. Victor gab meine Enkelin als Frau frei. Möglicherweise war auch sie es, die sich trennte, denn sie nahm sich ohne Reue meinen dritten Sohn Robert, der seither mit einem Lächeln durch die Welt ging, als habe er sich niemals etwas anderes im Leben gewünscht. Eine kinderlose Partnerschaft war ohnehin nutzlos, also begrüßte ich die neue Verbindung. Auch wenn ich mit Robert nicht viel anzufangen wusste, war er doch ein würdiger Dracul und, trotz seiner jungen Jahre, schon überaus nützlich für die Familie. Zweifelsohne war er intelligenter als Elisabeth und ähnlich redegewandt wie Victor. Würde ich ihn im Kampf schulen, käme seine Kraft wahrscheinlich an jene von David heran. Er schrieb erst das sechzehnte Jahr und doch dachte ich bereits darüber nach, ihn mit der Führung unserer Geschäfte zu betrauen. Der Umzug stand unmittelbar bevor, den Victor nun ausschlug. Elisabeths Abkehr von ihm war ein zu schwerer Schicksalsschlag, den er nicht gut verkraftete. Dass er in einer solchen Situation Schwäche offenbarte, sah ich ihm nach, auch wenn mir das Fehlen meines wichtigsten Adjutanten den politischen Entscheidungsprozess erschwerte. Unweigerlich verließ ich mich stärker auf das, was meine unerfahrene Enkelin und mein jüngster Sohn mir rieten. Deren frisches Gedankengut hatte mir aber bereits einen Geldsegen beschert und so konnte ich es ebenso als Chance begreifen. Schließlich war ich es immer noch selbst, der das letzte Wort behielt. David-Richard hatte zwei Villen in Deutschland für uns errichten lassen. Eine davon sollten ich und er mit seiner Frau Corella beziehen, die andere Victor mit Elisabeth, Robert und Magret. Da sich Victor vorerst zurückgezogen hatte, teilten sich Elisabeth und Robert die Villa nur noch mit ihrer Mutter Magret. Ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht, war der zeitgemäße Jugendstil aus meiner Sicht einem weiteren überfrachteten Renaissance-Bau zu bevorzugen. Davids Bemühungen um einen neuen Palast konnte er entsprechend einstellen. Dass wir uns in das Zentrum der Vampiradelskreise hinein bewegten, stärkte unsere Stellung noch weiter. Erheitert stellte ich zudem fest, dass unsere Familie außerhalb der Walachei und Siebenbürgen „Lucard“ genannt wurde, kannte uns das Gefolge doch primär durch unser Produkt "Lucards feines Frischblut". Ich nahm diesen Namen mit Stolz entgegen, denn er wurde in Ergebenheit ausgesprochen. „Dracul“ mochte altehrwürdig gewesen sein. Der neue Name strahlte jedoch vom ersten Kontakt an den Erfolg eines Unternehmers aus, wobei ich den Status des Urvampirs selbstverständlich beibehielt. Fortan änderte auch ich meinen Namen in gleicher Manier zu Alucard. In ihrer Verrücktheit drängte uns Elisabeth kurz nach unserer Ankunft, ein Lichtbild von uns allen anfertigen zu lassen. Diese menschliche Erfindung war für lichtscheue Vampire allenthalben bedingt geeignet. Schon der Name des Vorgangs beschrieb die Krux, denn er zwang uns, bei Tage unsere Betten zu verlassen und vor die Türe zu treten. Trotz des trüben Morgens wagten wir uns nicht unter der Überdachung des Türgiebels hervor, denn selbst dieses schwach diffuse Sonnenlicht verursachte ein unangenehmes Jucken auf der Haut und erste Rötungen. Der Fotograf, ein unbedarfter Mensch, positionierte uns und stellte sich danach hinter einen schwarzen Holzkasten mit Vorhang. Ein heller Funke ging von einer grellen Leuchte aus, der eine kurze Verbrühung auf unserer Haut hervorrief und uns alle blendete. „Das reicht! Kein weiteres Mal, Elisabeth“, rief ich erzürnt, während ich mir die schmerzenden Augen rieb und bereits in der Tür verschwand. Sie gab keinerlei Widerworte, denn schien selbst überrascht, welchen Schmerz das Licht des Apparates auslöste. Eine Woche darauf präsentierte sie mir das entwickelte Lichtbild. Kaum jemand sah den Betrachter des Bildes an, sie selbst und David ausgenommen. Der Rest betrachtete mehr oder minder die Verursacherin unserer Skepsis. Ich gab ihr diese grauenvolle Fotografie zurück in die Hand und bemerkte: „Sogar auf diesem Abbild trägst du jenen abscheulichen Silberschmuck um den Hals. Was versprichst du dir davon?“ „Ich dachte, es sei selbsterklärend, Großvater. Ich werde diese Fotografie auf die Etiketten unseres Produkts 'Lucards feines Frischblut' drucken lassen. Kein Vampir hat es je gewagt, sich mittels Lichtbildtechnik abbilden zu lassen, doch für uns ist das selbstverständlich. Die Botschaft: Silberschmuck, Licht, das alles macht uns nichts, denn wir sind Lucards. Wir stehen über diesen weltlichen Dingen“, antwortete sie voller Stolz. Solch brillante Ideen kamen sonst nur Victor, doch seit seiner Abwesenheit kümmerte sie sich um unsere Außenwirkung. Sie musste sich während ihrer Verbindung einiges von ihm abgeschaut haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)