Katzenpapa von FreeWolf (Beyblade 2020: März) ================================================================================ Kapitel 3: déjàvu ----------------- Noch immer den Geschmack von Schwarztee mit Milch und einem Schuss Zitrone auf der Zunge, der bei Takao immer anders – einfach besser – schmeckt als wenn er ihn selbst zubereitet, schreibt Kai dem anderen, als er im Büro vor seinem Morgenmeeting eine ruhige Minute hat: „Sehen wir uns später?" Er beobachtet, wie zuerst ein kleiner Haken markiert, dass seine Nachricht gesendet wurde, dann zwei, dass die Nachricht angekommen sind. Schließlich leuchten die beiden Haken blau auf, als Zeichen, dass Takao die Nachricht gesehen hat. Kai hält unwillkürlich den Atem an und ärgert sich einen Moment später über sich selbst. Er schüttelt den Kopf, steckt das Handy brüsk wieder in die Hosentasche. Das ändert nichts an der Tatsache, dass sich flackernd nervöse Energie in seiner Magengegend ausbreitet, wegen der er seinen Kopf und seine Hände und seine Füße nicht stillhalten kann.   Kai lenkt sich mit Arbeit ab, beschäftigt seinen Kopf und seine Hände und verbirgt sein wippendes Bein unter dem Tisch des Konferenzraumes, in dem das tägliche Morgenmeeting stattfindet. Während des Berichts aus der Buchhaltung – Zahlen, die er ohnehin auswendig kennt – fällt ihm ein, dass Takao freitags von morgens bis abends und dann noch etwas länger in der BBA bleibt, um Papierkram zu erledigen, der unter der Woche liegen bleibt. Er ist sicher beschäftigt; Kai weiß, wie viel Papierkram sich in der BBA ansammeln kann, insbesondere, weil Daitenji-san in diesem Bezug altmodisch ist und alles doppelt und dreifach ausgefüllt haben will. Kai erinnert sich unwillkürlich an die langen Abende, während derer Hiromi und Takao und er sich in den Formularen vergraben haben, damals als die BBA gerade ihren Wiederaufbau begonnen hat und sie den Sommer zwischen Abschluss und Beginn ihrer sehr unterschiedlichen Ausbildungswege abwechselnd in der BBA und in Takaos Garten verbracht haben. Kai kommt aus dem Meeting und kehrt zu seinen Emails zurück, aber ist nur halb anwesend. Er vergisst einen Anhang und pilgert zur Kaffeemaschine, um den Kopf freizubekommen. Während er darauf wartet, dass ein Espresso mit einer kleinen Dampfwolke in seine Tasse fließt und dann noch ein zweiter, tippt er eine Nachricht an Hiromi: „Wer hält mich am Wochenende vom Arbeiten ab, wenn du nicht da bist?“ Er schickt sie nicht ab. Kai fühlt sich jämmerlich und kitschig als er die Frage nochmals durchliest und löscht sie resolut.   Es ist früher Nachmittag als Kai erneut zur Kaffeemaschine pilgert. Sein Handy vibriert: Hiromi schickt das Bild einer kleinen Katze, die sie bei einem Morgenspaziergang in Nizza entdeckt hat, in ihren Gruppenchat. Takao reagiert mit einem Daumen nach oben und der Nachricht: „Du wirst noch zur Katzenmama, wenn du nicht aufpasst, Hiromi-chan“ Hiromi antwortet ihm mit einem Katzen-Emoticon und dem Emoticon einer Hand, die den Mittelfinger präsentiert. Takao antwortet mit einem lachenden Emoticon und einem Foto seines Schreibtischs in der BBA, auf dem sich Zettel stapeln. „Ich hätte letzten Freitag nicht blau machen sollen“, liest Kai unter dem Bild und schmunzelt. Takao ist langsam, wenn es um Formulare geht. Seine Lernschwäche macht sich bei diesen Tätigkeiten bemerkbar; er kann sich nicht lange am Stück konzentrieren und lässt sich gerne ablenken. Deswegen schickt er freitags oft kleine Nachrichten zwischendurch, erzählt von Bey-Battles, die gut gelaufen sind, oder von tollen Moves der Kinder, die er trainiert. Manchmal fragt er auch nach Details auf Formularen, die er ausfüllen muss. Heute hat Takao keine Nachrichten geschickt, fällt Kai unwillkürlich auf, während er seine Tasse nimmt und zurück an den Schreibtisch kehrt. Das fühlt sich seltsam an. Er will sich gerade wieder auf die Arbeit konzentrieren, da vibriert sein Handy mit einer erneuten Nachricht. „Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, junger Yedi“, schreibt Hiromi. Takao reagiert mit einem Emoticon, das die Zunge rausstreckt. Sehr erwachsen, denkt Kai schmunzelnd und ist ein bisschen froh, dass Takao und Hiromi irgendwie immer dieselben sind. Dann konzentriert er sich darauf, die Unterlagen für die Besprechung mit der Buchhaltung, die in zehn Minuten beginnt, in der kreativen Ordnung seines Schreibtisches zu lokalisieren.   Kais To-Do-Liste der Woche schrumpft. Er beendet die Vorbereitungen für die Verhandlungen nächste Woche, segnet die Jobausschreibungen, die seine Leute von der Personalabteilung ausgearbeitet haben, nach zwei Überarbeitungsläufen ab. Als er sich wie immer als einer der letzten auf sein Fahrrad schwingt, hat er immer noch nervöse Energie in sich. Er ist schon auf halbem Weg nach Hause, da entscheidet er sich spontan für die lange Runde am Fluss entlang. Kai dreht um, um den ganzen Umweg zu fahren, ignoriert dabei das Knurren, dass ich seit dem frühen Nachmittag in seiner Magengegend festgesetzt hat. Es ist Mitte März, der einzelne Kirschbaum, unter dem er Takao und Hiromi letztes Jahr mit einem Picknick überrascht hat, blüht. Die erstaunten Blicke der beiden sind ihm im Gedächtnis geblieben: Sie waren ehrlich überrascht, dass Kai weiß, wie man Sakura Mochi zubereitet – und noch mehr als sie geschmeckt haben. Kai lässt sein Fahrrad neben dem schmalen Pfad, der die Böschung hinunterführt, liegen und steigt zum Flussufer hinunter. Er stellt sich unter den Baum, blickt in Richtung Fluss. Zugegeben, Kai hat geschummelt. Er hat seine Mutter um Hilfe gebeten und an die zehn Versuche gebraucht, um halbwegs ansehnliche Mochi zu fabrizieren. Der amüsierte Blick seiner Mutter, die ihn mehr als einmal ein wenig an- und viel mehr ausgelacht hat, war so warm wie die letzten Sonnenstrahlen, die jetzt sein Gesicht wärmen. Kai macht ein Foto vom Kirschbaum in voller Blüte und schickt es kommentarlos in ihre kleine Gruppe. Dann steckt er sein Smartphone seufzend wieder ein und radelt nach Hause. In seiner Magengegend flirrt es immer noch nervös; er schiebt es auf die verpasste Mittagspause.   Siegfried begrüßt ihn von der Hutablage der Garderobe aus als er nach Hause kommt: Er hat sich auf dem weißen Schal zusammengerollt und blickt aufmerksam zu ihm herunter. Kai hängt seine Jacke auf, streift sich fahrig die Schuhe von den Füßen und schlurft in Richtung Schlafzimmer. Währenddessen knöpft er sein Hemd auf, streift es über die steifen Schultern, lässt es neben der Badezimmertür liegen. Im Schlafzimmer angekommen, wirft er einen langen, sehnsüchtigen Blick auf sein Bett. Er hat sein Handy in der Hand doch da ist nichts, außer den beiden blauen Häkchen neben seiner letzten Nachricht an Takao. Das Flirren in seiner Magengegend flackert wieder auf. Takao hat immer noch nicht auf seine Frage in ihrem Privatchat geantwortet, aber noch ein paar Nachrichten an ihre kleine Gruppe geschickt, allerdings ohne auf Kai zu reagieren. Das ist nicht normal. Kai fühlt sich seltsam von der Konversation ausgeschlossen; er fühlt sich müde und frustriert und sehnsüchtig. Seine Haut prickelt von der nervösen Energie, die noch immer in seiner Magengegend sitzt, brodelt und breitet sich in seinem ganzen Körper aus. Er schieb das Prickeln auf die Fahrt durch die frische Märzluft. Siegfried attackiert mit voller Wucht sein Bein und versucht, an ihm hochzuklettern. Kai ist sich nicht sicher, ob der Kater eigentlich an ihm vorbei wollte oder ob das einer dieser zweifelhaften Liebesbeweise ist, so wie er manchmal Teile seiner Efeutute vor Kais Füße legt als sei die Pflanze Beute. Kai zupft sich den Kater vom Bein, legt ihn sich über die Schulter. „Du bist ein seltsamer Kater“, informiert er das Tier. Siegfried schnurrt zufrieden. Er versenkt die Krallen der einen Pfote in Kais Schulter, der einen Schmerzenslaut von sich gibt und aus seiner Hose steigt, bevor sie noch mehr Katzenhaare abbekommt als ohnehin schon. Stattdessen steigt er in eine Jogginghose und setzt Siegfried, der beleidigt maunzt, wieder auf den Boden. Kai zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Du bist viel zu verwöhnt“, teilt er Siegfried mit, der zur Antwort beginnt, sich zu putzen. Kai verdreht die Augen. Er nimmt sich ein getragenes T-Shirt von dem alten Lehnstuhl, den er seinerzeit aus dem Familienanwesen gerettet hat und der jetzt meistens unter einem bunten Sammelsurium von Klamotten versinkt. Ein vertrauter Geruch dringt an seine Nase. Hiromis Shampoo? Der Geruch wärmt den Klumpen in seiner Magengegend ein wenig als Kai es über den Kopf zieht. Just in dem Moment vibriert sein Handy auf dem Bett. Hiromi schreibt: „Du hast sicher vergessen, zu essen. Da, wo dein Reiskocher verstaubt, ist eine Überraschung für dich “ Die Überraschung ist Fertigsuppe, Kais und Hiromis Lieblingsmarke, die sie beide normalerweise Freitag abends anrühren, wenn sie auf Takao warten. Sie sind in der Küche beide ziemlich unfähig. Kai lächelt und antwortet als er darauf wartet, dass die Nudeln im heißen Wasser weich werden: „Danke, das war genau das richtige“ Sein Handy vibriert mit einer erneuten Nachricht als er gerade Nudeln schlürft. Hiromi schreibt: „Giulia und Mathilda sind toll und alles, aber wenn ich noch einmal ihren heißen lesbischen Sex mit anhören muss, wenn sie glauben leise zu sein, sterbe ich“ Kai verschluckt sich fast an der Suppe vor Lachen. Er tippt: „Mach doch mit?“ Hiromi antwortet mit dem Emoji einer Hand, die den Mittelfinger hochhält. „Und wovon träumst du nachts?“, kommt mit ein wenig Verzögerung von ihr zurück. „Eigentlich genau davon“, tippt Kai und setzt noch ein halbernstes „Glaubst du wir können die beiden zu einer Orgie überreden?“ hinzu. Hiromi antwortet ihm mit einem „lol“. Er stellt sich vor wie Hiromi lacht, das Lachen von dem sie immer Schluckauf kriegt. „Ich glaub sie stehen nicht so auf euch wie ich“ „Schade“, erwidert Kai spielerisch. Er hängt ein Bild von sich an, das Takao letztes Wochenende von ihm gemacht hat, halbnackt und befriedigt. Hiromi antwortet mit dem aussagekräftigen Emoticon einer Aubergine und einem „Soon“.   Er löffelt die Suppe aus und ruft mit einem Blick auf die Uhr und einer kurzen Kopfrechenübung zu Zeitzonen und Uhrzeiten Yuriy an. Der wirkt überrascht, als er abhebt. „Na schau an, wer an seine armen Freunde in Russland denkt“, meldet sich der Rotschopf. Er klingt spöttisch, wie immer eigentlich. Kai weiß, dass es ihn insgeheim freut, dass er sich von sich aus meldet. „Was, Freunde?“, Kai schmunzelt und hört Yuriy trocken lachen. „Kann man das essen?“ Im Hintergrund hört er Verkehrsgeräusche. „Störe ich?“ Yuriy atmet tief ein und aus, summt wie immer, wenn er gerade eine Zigarette raucht. „Nur meine Zigarette bevor ich mich in meine Horrorklasse wage“, entgegnet er. „Ich habe zehn Minuten“ Kai nickt, ehe ihm einfällt, dass der Russe ihn nicht sehen kann. „Ich werde nie verstehen, warum du Lehrer geworden bist“, brummt er also. Yuriy lacht erneut sein leises, bellendes Lachen. „Da bist du nicht der einzige“, erwidert er gelassen. Kai schnaubt amüsiert. „Wollte dich die Schulleiterin wieder rauswerfen?“, erkundigt er sich. Yuriy atmet geräuschvoll aus. „So ähnlich“, brummt er. „Aber ich bin der einzige, der mit der Horrorklasse umgehen kann, deswegen bleib ich auf dem Job sitzen“ Kai grinst. Sie schweigen einen Moment, ehe Yuriy hinzusetzt: „Hab ich erwähnt, dass sie meine letzte Klasse für heute sind? In der letzten Stunde sind sie immer unausstehlich. Ich sollte sie einfach nach Hause gehen lassen“ „Du hast mein Mitleid“, erklärt Kai trocken. „Nicht“ Er hat das Gefühl, Yuriys Augenverdrehen zu hören. Siegfried springt neben ihm auf die Couch, schmiegt sich an ihn. Kai streichelt über seinen Kopf, während er Yuriy dabei lauscht, wie er erneut tief einatmet. „Wieso rufst du eigentlich an?“, fragt er dann. Kai weiß nicht wirklich eine Antwort darauf und zuckt mit den Schultern bevor er realisiert, dass Yuriy ihn nicht sehen kann. Siegfried schmiegt sich an seine Hand. „Ich hab noch drei Minuten“, sagt Yuriy nach einer Weile als Kai nichts weiter sagt. Der Rotschopf seufzt. „Hast du irgendwelchen Mist gebaut?“, fragt er dann. „Nein? Wie kommst du drauf?“, brummelt Kai unverständlich und streichelt über Siegfrieds Rücken. Er überlegt kurz, ihm von Takao zu erzählen und davon, dass er im Versuch, zu helfen, übers Ziel hinausgeschossen ist und nun mit Schweigen bestraft wird. Das verwirft er dann doch wieder. Kai Hiwatari heult sich nicht bei anderen über seine Beziehung aus! Er fühlt Yuriys skeptischen Blick förmlich durch sein Smartphone. Dann wechselt Yuriy abrupt das Thema. „Kommst du eigentlich mit Begleitung zur Hochzeit?“ Kai stellt sich unwillkürlich Takao an einem Buffet und Hiromi ungelenk auf der Tanzfläche vor. Er verdrängt den Gedanken mit einem Kopfschütteln. „Das erfährst du noch früh genug“, gibt er zurück, beobachtet, wie Siegfried wendig auf sein Regal springt. „Je früher desto besser“, erwidert Yuriy. „Die Plätze sind limitiert und du willst nicht, dass ich sie an Natalias Urgroßtanten vergebe.“ Kai schmunzelt. „Und was, wenn ich das doch will?“, hakt er nach. Yuriys Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Dann hast du ein Problem mit mir, Freundchen“ Kai schweigt überrascht. Yuriys Geräuschkulisse ist leiser geworden. Manchmal kümmern sich diese Russen ein wenig zu sehr um die Angelegenheiten der anderen in ihrer kleinen Gruppe. Kai weiß nicht, ob er ein Teil davon ist. Dafür ist er zu- Yuriy räuspert sich, unterbricht seinen Gedankengang. „Krieg dein Leben auf die Reihe und sag‘ mir, ob du allein kommst, und zwar bald“, er schlägt die Lehrerstimme an. „Und jetzt muss ich in meine Klasse und ihnen erklären, wieso Tolstoj ein Arsch war. Ruf mich an“ Damit ist er weg, ohne weiteres Wort des Abschieds. Kai blickt sein Handy noch einen moment lang irritiert an, bevor er es sinken lässt. Er weiß nicht, wie lange er an die Decke starrt und versucht, sich dazu zu bringen, sich von der Couch aufzuhieven und in Richtung Bett zu bewegen.   Kai schafft es, aufzustehen und sein Hemd vom Boden aufzulesen, das Siegfried schon zu seiner neuesten Schlafstätte machen wollte. Der Kater maunzt beleidigt und stolziert in Richtung Küche davon, als Kai ihn mit einem Klaps verscheucht. Das erntet ihm nur ein Augenverdrehen von Kai. Er stopft das Hemd in seinen Wäschekorb und füllt dennoch pflichtbewusst den Fressnapf mit Trockenfutter auf. Sein Handy vibriert in seiner Hosentasche. Hiromi schreibt: „Streitet ihr und glaubt ich krieg das nicht mit?“ Kai macht ein schuldbewusstes Gesicht. Er antwortet: „So offensichtlich?“ Es vergeht etwas Zeit, da kommt Hiromis Antwort: „Nicht so offensichtlich, aber Takao hat mir zwei Stunden lang geschrieben, weil er dir NICHT schreiben wollte. Nimm das als Wink mit dem Zaunpfahl! Vertragt euch, ihr Sturköpfe!“ Das nervöse Flattern in seiner Magengegend nimmt Überhand.   Kai weiß gar nicht so recht, was er eigentlich tut, als er in seine Turnschuhe steigt und seine Jacke und die neonfarbene Weste vom Haken nimmt, die er immer zum Fahrradfahren trägt. Er hängt den erstbesten Beutel um, der am Haken hängt und verstaut darin Schlüssel, Taschenlampe und Brieftasche. Er ist schon unten als er feststellt, dass auch sein Beyblade im Beutel ist. Mechanisch radelt er in Richtung der BBA-Zentrale. Er weiß auch nicht, was er eigentlich erwartet als er sich vor dem BBA-Gebäude vom Fahrrad schwingt und feststellt, dass es dunkel und leer ist. Er weiß wirklich nicht, was er sich erwartet hat. Es geht auf elf Uhr Abends zu, natürlich ist Takao um diese Zeit nicht mehr in der BBA. Normalerweise wäre Takao seit mindestens zwei Stunden bei ihm, gemeinsam mit Hiromi. Kai hat sein Handy in der Hand, während er kurz umorientiert und sein Fahrrad in Richtung des Parks dreht. Jenseits davon liegt Takaos Viertel. Kai navigiert sicher durch die altvertrauten Gassen und steht schließlich vor der Tür des Kinomiya-Dojos. Natürlich ist es verschlossen. Er wählt mit klammen Fingern Takaos Nummer. Er hebt nicht ab. „Geil“, brummt Kai mit einem Augenverdrehen. Seufzend kettet er sein Fahrrad an den nächsten Laternenpfahl und versucht es erneut bei Takao. Wieder nichts. Kai seufzt und versucht es noch ein drittes Mal. Diesmal hebt jemand nach dem zweiten Klingeln ab. „Takao“, Kai wartet nicht auf eine Antwort. „Ich weiß es ist spät-“ „Takao hat sein Handy vergessen“, gibt ihm Daichi gähnend am anderen Ende der Leitung zu verstehen. „Hast du eine Ahnung wie spät es ist?“ Kai verdreht die Augen. „Kurz nach elf“, brummt er. „Wo ist Takao?“ „Nicht da“, antwortet Daichi das Offensichtliche. Kai rollt erneut mit den Augen und gibt ein ungeduldiges Geräusch von sich. „Das hab ich schon verstanden“, gibt er ungeduldig von sich. „Wo ist er hin?“ Daichi gähnt erneut. „Er ist vorhin nochmal raus“, er scheint kurz zu überlegen. „Er hat nicht gesagt, wohin er will“ Daichi zögert, ehe er hinzufügt: „Eigentlich dachte ich, es wäre bei dir“ „Das ist er offensichtlich nicht“, gibt Kai kurz angebunden zurück. Daichi erwidert etwas Undeutliches, das sehr nach einem im letzten Moment hinuntergeschluckten Fluch klingt. „Was ist dein Problem, Alter?“, knurrt er. „Krieg dich mal wieder ein! Ich hab keine Ahnung wo er hin ist“ Kai gibt ein unwilliges Geräusch von sich, denkt kurz nach. „Ich glaube, ich weiß wo er ist“, verkündet er dann. Er wartet einen Moment, ehe er hinzufügt, etwas vorsichtiger diesmal: „Ich nehm ihn dann mit zu mir, wenn du klar kommst?“ „Takao ist doch jedes Wochenende bei dir“, erwidert er gelassen, gähnt erneut. „Wieso sollten Ojii-chan und ich nicht klarkommen?“ Das entlockt Kai ein Schmunzeln. „Alles klar“, sagt er dann und legt auf.   Sein Weg führt ihn in einer Schleife durch Takaos Viertel und zum Fluss und tatsächlich findet er Takao vor einem Bey Dish, das irgendjemand vergessen hat. Das vertraute Sirren eines Beyblades dringt an sein Ohr. Takao muss Dragoon gestartet haben. Kai hält inne; er erkennt den Platz sofort wieder, auch wenn das Bey-Dish wohl mehrmals ausgetauscht worden ist: Hier haben sie beide sich vor Jahren zum ersten Mal erbitterte Bey-Battles geliefert und hier hat er sich Team G-Revolution angeschlossen. Er kettet sein Fahrrad an einer Straßenlaterne an der Brücke an. Kai überlegt, einen ähnlich dramatischen Auftritt hinzulegen wie damals, aber seine Fähigkeit, punktgenau zu treffen, hat in den letzten Jahren rapide abgenommen. Also steckt er lässig die Hände in die Hosentaschen und steigt langsam auf vertrauten Pfaden die Böschung hinunter. Takao fängt Dragoon ein und dreht sich halb zu ihm um. Er ist kaum mehr als eine Silhouette, doch Kai erkennt das Glimmern in seinen Augen. Er hat ein starkes Gefühl von déjàvu als Takao sagt, ein schmales Lächeln auf den Lippen: „Du bist spät dran“ Kai lächelt unwillkürlich. „Es funktioniert besser, wenn ich weiß, wohin ich kommen soll“, gibt er ruhig zurück. Takaos Silhouette zuckt mit den Schultern. „Ich war mir nicht sicher, ob ich dich sehen will“, gibt er ehrlich zu. Sie verharren einen Moment, ehe Kai sich in Bewegung setzt und den Platz Takao gegenüber einnimmt. Er nimmt Dranzer, Starter und Reißleine aus dem Beutel, den er noch immer umgehängt hat, und bereitet sich vor. Er sieht eine Reißleine im Halbdunkel, hört, wie Takao seinen Starter vorbereitet. „Bladen wir?“, seine Frage ist mehr eine Aufforderung. Takaos Silhouette nickt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)