Löwenherz von FreeWolf (Beyblade 2020: August) ================================================================================ Kapitel 3: Pfefferminz ---------------------- „Sis!“ Weder sein Ruf noch sein Griff an ihrem Umhang richteten etwas gegen Giulias Sturkopf aus. Seine Zwillingsschwester blickte ihn durch die Maske hindurch mit einem brennenden Blick an, ehe sie sich mit einer abrupten Bewegung losriss und Raoul mit einem Stück bunten Stoffes in der Hand hinter sich ließ. Er seufzte und blickte auf den Stofffetzen, ehe er aufblickte, um zu sehen, wen Giulia als ihr Opfer auserkoren hatte. Seine Augen weiteten sich erschrocken hinter der Maske als er erkannte, vor wem sich Giulia aufbaute, die Hände in die Hüften gestemmt und das Kinn hoch gereckt. War das nicht das chinesische Team? ¡Coño! Er warf einen Blick über die Schulter zu Romero. Der lehnte sich mit verschränkten Armen neben den kleinen Rollkoffer mit ihren Requisiten und blickte aufmerksamkeit in Richtung Giulia. Als er Rauls Blick bemerkte, lächelte er und zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Was will man machen? Wir können sie ohnehin nicht aufhalten.   „Willst du rausfinden, ob unsere Tricks wirklich nur Tricks sind?“   Giulias Ton klang danach, als würden gleich Fäuste fliegen, doch sie trat stattdessen einen halben Schritt zurück, um ihrem Gegenüber Platz zu machen. Raul blickte von seiner Schwester zum Chinesen, der mit einem Schritt aus der Menge heraus gefolgt war. Er hob einen Beyblade-Starter in die Höhe wie eine Waffe. Sein Gesicht wütend verzerrt zeigte er auf Giulia. „Ich werd' dir zeigen, wie ein richtiger Beyblade-Kampf aussieht!“, verkündete er finster. Raul runzelte die Stirn. Ein richtiger Beyblade-Kampf? Was fiel diesem dahergelaufenen Blader ein? Etwas in ihm regte sich zornig. Raul trat einen Schritt näher an seine Schwester und machte sich bereit, einzugreifen – ob zum Schutz Giulias oder ihres Gegenübers wusste er selbst nicht. Durch das ganze Team hinter dem Schwarzhaarigen ging eine Veränderung. Sie rückten zusammen, wie Raubtiere bereit zum Sprung, die Hände an ihren Gürteln. Sie alle schienen auf den Blader vor Giulia konzentriert zu sein. „Lai!“, rief der Teamleader von Baihuzu; Rei. Der Rei, dessen Matches Raul seit Jahren mit strahlenden Augen und voller Bewunderung im Fernsehen verfolgte, wann immer er Zugang zu einem Fernseher hatte. Der Spanier versuchte, das nervöse Flattern in seiner Magengrube hinunterzuschlucken. Er stand vor seinem Idol. Giulia konnte das einfach nicht entgehen. Er presste die Lippen zusammen und warf hinter der Maske einen Seitenblick zu seiner Schwester. Sie stand kerzengerade dar, das Kinn stolz gereckt und bereit, ihrem Gegner zu beweisen, dass sie nicht zum Spaß bladeten. Sie erinnerte ihn an das Bild ihrer Großtante, die als Teil der Maquis für die Zweite Republik gekämpft hatte und das auf ihrem Nachttisch stand, seit sie zum ersten Mal mit großen Augen ihre Geschichte gehört hatte. Raul fühlte Giulias Blick auf sich, ehe sie ihn über die anderen Blader von Baihuzu schweifen ließ. Sie hielt bei Rei an. Raul konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch er hörte das höhnische Lächeln förmlich aus ihrer Stimme, während sie den Langhaarigen provozierte: „Wenn du dir solche Sorgen um deinen kleinen Freund machst, warum kämpfst du dann nicht mit?“ Raul schluckte erneut, versuchte die Nervosität zu ignorieren, während er sah, dass Rei sich ohne weiteres Wort einen halben Schritt hinter dem anderen Chinesen bereitmachte. Giulia bewegte ihren linken Arm in einer vertrauten Geste. Auch ohne weiteren Blick wusste Raul, dass sie sich auf seine Unterstützung verließ; sie hob ihren linken Arm und er spiegelte die Geste mit seinem rechten in einer fließenden Bewegung. Er hörte die umstehenden Zuschauer aufgeregt murmeln und fühlte die vertraute Wärme über ihn hinwegwaschen wie immer, wenn sie auftraten. Ohne einen weiteren Blick zu wechseln starteten sie ihre Beyblades.     Lai fasste seine Reißleine so fest, dass ihm ihr Griff schmerzhaft in die Hand schnitt. Er zog an ihr mit mehr Kraft als beabsichtigt und Galeon flog in hohem Bogen durch die Luft, um gemeinsam mit den Beyblades der beiden Gaukler auf das unebene Kopfsteinpflaster zu treffen. Er nutzte den unebenen Untergrund, um direkt zwischen seine Gegner zu springen und sie anzugreifen. Rei stieß einen verhaltenen Fluch aus; er war wohl nicht darauf gefasstt, dass sie so schnell Nägel mit Köpfen machen. Sein schwarzer Beyblade schoss quer durch den Halbkreis an Schaulustigen auf seine Gegner zu. Hinter ihm holte Drigger mühsam auf, registrierte Lai mit einer gewissen Genugtuung, während Galeon die beiden gegnerischen Beyblades erreichte. Sie wirkten als wären sie auf Balance hin ausgerichtet, mit einer stabilen Basis und einem tiefen Schwerpunkt. Galeon war dagegen leichter und wendiger. Das musste er zu seinem Vorteil nutzen. Lai zögerte nicht lange und schickte Galeon mitten zwischen die beiden Gegner. Sie tauschten eine Reihe von schnellen Schlägen aus, ehe Drigger einen Augenblick später zum Kampf dazukam. Noch bevor Rei einen Treffer landen konnte, stoben die beiden gegnerischen Blades auseinander und brachten Distanz zwischen sich und Galeon und Drigger. Lai grinste scheinbar selbstsicher, während er versuchte, die Taktik ihrer Gegner zu durchblicken. Ihm war unbehaglich zumute, während er die beiden gegnerischen Beyblades beobachtete. Sie umkreisten einander beinahe spielerisch auf dem unebenen Untergrund, schienen auf eine Reaktion von Galeon und Drigger zu warten. Dabei vollführten sie einige Tricks, die Lais Mund plötzlich austrockneten. Rei sog scharf die Luft ein und sprach verlieh Lais Gedanken Ausdruck. „Sie sind perfekt synchron“, murmelte er, sichtlich beeindruckt. Lai fühlte ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust aufsteigen, das er hastig niederdrückte. Er machte ein abfälliges Geräusch. „Das ist doch alles nur Show!“ Er warf einen flüchtigen Blick über die Schulter, begegnete dem Blick seines Co-Kapitäns mit grimmiger Entschlossenheit, die sämtliche Unsicherheit überspielte, ehe er seine Aufmerksamkeit auf den Platz vor sich zuwandte. Ihre Gegner hatten begonnen, sich zu bewegen und ließen ihre Umhänge fliegen, während sie miteinander tanzten. Von irgendwoher kam billige Musik. Er ballte die Fäuste, fühlte, wie sich seine kurzen Fingernägel Halbmonde in seine Haut drückten, während ein Gewitter sich in ihm zusammenballte. Lai begegnete dem selbstsicheren Lächeln der maskierten Frau; es verhöhnte ihn. So nicht, rollte in seiner Magengrube der erste Donner. Galeon schoss nach vorne, doch die beiden gegnerischen Beyblades stoben davon und die beiden Zirkusclowns liefen ihnen lachend ein paar Schritte hinterher, ehe sie sich umwandten. Das Publikum rundum klatschte. Lai biss wütend die Zähne zusammen, so fest, dass sein Kiefer schmerzte. „Hey!“ Seine Gegnerin lachte. „Was, seid ihr zu sehr an die Arena gewohnt?“, provozierte sie und beschrieb mit einer ausladenden Geste einen Halbkreis. „Der ganze Platz ist unsere Arena!“ Lai atmete kontrolliert durch und versuchte, sich nicht von dem Gehampel vor sich ablenken zu lassen, das das Publikum rundum immer weiter anheizte. Stattdessen schickte er Galeon hinter seinen Gegnern her, fest entschlossen, ihnen eine Lektion zu erteilen.   Plötzlich schoss ein silberner Blitz an seinem Beyblade vorbei. Lais Herz machte einen erschrockenen Sprung und mit ihm stolperte sein Beyblade über den unebenen Untergrund der Pflastersteine. Galeon strauchelte, fing sich, doch hatte er einiges an Schwung eingebüßt; der schwarze Beyblade blieb hinter Drigger zurück. Lai blinzelte. Seine Augen brannten in der trockenen Luft der spanischen Mittagssonne, während er Galeon stabilisierte. „Alles okay? Die beiden sind verdammt gut …“ Reis aufmunterndes Lächeln fühlte sich an wie Säure auf seiner Haut. Lai nickte, während er versuchte, durch die Enge in seinem Hals hindurch zu atmen. Er schluckte, während er mit dem rauschenden Sturm in seinem Kopf kämpfte, der sich als dumpfes Donnern hinter seiner Stirn manifestierte. Er würde nicht verlieren. Nicht gegen diese beiden Witzfiguren, und schon gar nicht gegen Rei, der immer einen Schritt voraus, immer besser war als er. Galeon stolperte über eine zweite Unebenheit und Lai ballte die Fäuste. Konzentrier dich, schalt er sich. Er erinnerte sich an lange Stunden Training, stellte sich breitbeinig hin, die Fersen in den Boden gestemmt, und atmete bewusst ein und aus. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, Galeon stabil zu halten, während sein Beyblade auf seine Gegner zuschoss und wieder Schwung aufnahm. Der Brunnen war knapp vor ihnen. Lai beobachtete, wie die beiden Blades sich verlangsamten und fühlte ein grimmiges Grinsen an seinen Mundwinkeln ziehen. Gleich hab‘ ich euch! Er warf einen siegessicheren Blick in Richtung Rei, der ihm entschlossen zunickte. Sie hatten ihre Gegner wie auf dem Präsentierteller. Lai wollte gerade zum Angriff ansetzen, da scherten die Blades ihrer Gegner aus, nach links und nach rechts, um den Brunnen zu umkreisen. Die beiden Blader vollführten eine Pirouette, die ihre Kostüme flattern ließen. Der junge Mann vollführte einen Handstandüberschlag und winkte lachend in die Menge, als die Zuschauer ihm applaudierten. Lai fluchte, und riss Galeon in einer hastigen Bewegung herum, damit der schwarze Beyblade nicht mit dem Brunnen kollidierte. Er stoppte nur Zentimeter vor der Mauer und büßte, genauso wie Drigger, allen Schwung ein. Lai sah zu Rei und fühlte leise Genugtuung darüber, dass auch der andere nicht unberührt von ihrem Kampf war. Der Langhaarige wirkte ruhig, doch der harte Zug um seinen Mund ließ darauf schließen, dass er seinen Ärger unterdrückte. Drigger nahm wieder Fahrt auf. Lai knirschte mit den Zähnen und schickte Gelaon auf Verfolgungsjagd. Ihre bunt gekleideten Gegner wirbelten herum, ließen ihre farbenfrohen Kostüme fliegen und schienen vom Publikum um sie herum, das Laute des Staunens von sich gab, nur noch weiter angestachelt. Die maskierte Frau lachte hell auf, während ihr Beyblade davonstob. Sie und ihr Partner nickten einander zu; da wechselten die Blades erneut die Richtung und verschwanden im Getümmel des Marktes. Er fühlte, wie sein Gesicht heiß wurde. Die beiden Beyblades schlängelten sich scheinbar mühelos zwischen Füßen hindurch und erklommen bald die Stoffbahnen der Markisen, die in einer leichten Brise flatterten. Lai schluckte, während sich der Schweiß auf seiner Stirn plötzlich kalt anfühlte. Sie taten all dies mit einer Leichtigkeit, die ihn insgeheim beeindruckte.   „Lai, tu es nicht!“   Er schüttelte resolut eine Hand ab, die sich kalt und fest auf seinen Arm gelegt hatte. Reis Warnung prallte an ihm ab. Lai wischte sich über die Stirn und schickte Galeon durch den schmalen Durchgang, den die Schaulustigen freigemacht hatten, hinter seinen Gegnern her. Der schwarze Beyblade fuhr in die Menge wie ein wilder Sturmwind; einige Passanten schrien auf und sprangen zur Seite. Galeon machte ungelenke Kurven um die vielen plötzlichen Hindernisse und erreichte die Stange, über die die Beyblades gerade beinahe waagrecht nach oben geschossen waren. Lai fixierte sie wie eine Raubkatze ihre Beute und knirschte mit den Zähnen. Was diese Zirkusclowns konnten, konnte er schon lange! Galeon nahm Schwung und erklomm den steilen Weg über Holzgerüste und provisorische Stangen, die Sonnensegel hielten, zu den Markisen. Der schwarze Beyblade kämpfte auf den dünnen Stoffbahnen sichtlich um sein Gleichgewicht. Von der Menge rund um sie ertönte plötzlich ein erschrockenes Japsen als Galeon strauchelte. Die beiden gegnerischen Beyblades schossen über den Rand der Markisen hinaus. Das war seine Chance! Blut rauschte in Lais Ohren, während er die Hand ausstreckte, um Galeon anzufeuern. „Los, Galeon!“   Der schwarze Blade riss Löcher in die Sonnensegel als er nach vorne schoss. Lai verbiss sich einen Fluch. Ihm wurde die Brust eng beim Gedanken daran, dass er sich vor so vielen Menschen blamierte wie ein blutiger Anfänger. Doch er konnte es noch retten, sobald seine Gegner den Boden berührten. Lai leckte sich über die trockenen Lippen und fixierte die beiden Blades mit dem Blick eines Raubtiers, das auf den richtigen Moment lauert. Ihre Gegner hielten inne und standen plötzlich still, was unweigerlich Lais Aufmerksamkeit auf sich zog. Er beobachtete mit einer Mischung aus widerwilliger Faszination und Empörung, wie die beiden einander zunickten und die junge Frau sich nach vorne beugte, damit ihr Partner auf ihre Schultern steigen konnte. Sie hielten die Hebefigur, während das Publikum ihnen zujubelte und ihre Beyblades durch die Luft flogen. Sie schienen förmlich zu fliegen und umkreisten einander wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen. Sie verkeilten sich ineinander, so stark, dass Funken stoben. Das kreischende Geräusch von Metall auf Metall hinterließ ein Klingeln in Lais Ohren und eine Gänsehaut auf seinen Armen. „Was machen die da?“, knurrte Lai, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte und beobachtete, wie die Blades sich gegeneinander bewegten. Sie schienen nicht Schwung zu verlieren, wie das in einem normalen Beyblade-Kampf der Fall war, sondern … schneller zu werden? Das konnte nicht richtig sein. Rei schnappte nach Luft; es klang, als realisiere er etwas. „Scheiße, Lai, pass auf!“ Lai runzelte die Stirn, um seine Verunsicherung zu verstecken. „Von Zirkusclowns lasse ich mich nicht kleinkriegen!“, versicherte er seinem Co-Kapitän weitaus selbstsicherer als er sich fühlte, während Galeon endlich, endlich auf dem Boden auftraf. Durch die Beyblades seiner Gegner ging eine Bewegung, geradewegs als hätten sie darauf gewartet.   Da brach die Welt über Lai herein. Der blaue der beiden Beyblades stieß sich plötzlich ab und kollidierte mit einer Kraft mit Galeon, dass es Lai schmerzhaft die Luft aus den Lungen presste. Sein schwarzer Beyblade überschlug sich und kam vor den Füßen eines der Zuschauenden zum Liegen. Lai schnappte hilflos nach Luft, während sein Sichtfeld plötzlich schrumpfte. Er ballte seine Hände zu Fäusten, krampfte sie in den Saum seines Überwurfs. Trotz der Mittagshitze zog sich eine Gänsehaut über seine Arme. „Ich-“, murmelte er, schluckte, befeuchtete die trockenen Lippen mit dem Gefühl von Übelkeit im Mund. „Ich-“ Nicht gut genug, ging es wie ein Zittern durch ihn. Er schluckte Galle hinunter, während er mit dem Instinkt kämpfte, einfach davonzustolpern und sich irgendwo zu verkriechen. Sein Hals war zu eng. Er bekam keine Luft. Lai biss die Zähne zusammen. Seine Augenwinkel brannten. Er hörte dumpf, wie sich Schritte näherten, erkannte ein Paar Sneakers, die sich in sein Sichtfeld schoben. „Ich habe verloren“, presste er hervor. (Nicht gut genug, wisperte eine immer Stimme in seinem Kopf, die gefährlich nach Rei klang.) „Ich-“ Lai wurde schwarz vor Augen. Er registrierte am Rande, wie ihn etwas – jemand; Rei? – auffing, während er mit einem geschlagenen Laut zu Boden sank. Durch das Rauschen in seinen Ohren glaubte er sich selbst ein „Nicht gut“ murmeln zu hören und noch ein paar andere Dinge, die aus seinem Innersten hervorschwappten, doch es fühlte sich weit entfernt an und sein Kopf war wie in Watte gepackt. Stimmen umgaben ihn, zunächst fremde, dann vertraute Laute, die dumpf durcheinanderwirbelten. Lai fühlte eine Hand auf seiner Stirn und eine Stimme, die ihn entfernt an Meister Tao erinnerte, etwas beruhigend Kühles an seinen Schläfen. Er atmete mit einem Schnauben aus und ließ los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)