Der Duft des Todes von Watershine ================================================================================ TAG 2 - Komische Dinge ---------------------- Am nächsten Morgen waren die Schäden, die der Sturm hinterlassen hatte deutlich sichtbar. Dachziegel fehlten und lagen verteilt im Hof und im Garten. “Das ist kein guter Start für ein neues Zuhause", meinte Frank, als er sich das Haus von außen betrachtete. Nach dem er mit einer Firma telefoniert hatte, die das Dach reparieren sollte, nahm er ein Gespräch von seiner Arbeitsstelle entgegen. “Ja, ich verstehe", sagte er und legte auf. Larissa war gerade dabei in der Küche Wasser aufzusetzen und Nina spielte mit ihrem Teddy am Esstisch. “Ich habe Neuigkeiten", begann der Mann zu erzählen. Seine Frau summte fröhlich vor sich hin. “Was gibt es?”, wollte sie wissen, als sie gerade das Geschirr in den Schrank räumte. “Mein Kollege ist krank geworden und kann dieses Wochenende nicht an dem schon bezahlten Seminar teilnehmen. Ich wurde gefragt ob ich an seiner Stelle da hin möchte", erklärte der Mann. “Und was hast du geantwortet?”, fragte die Frau. “Ich mache es", sagte er mit fester Stimme. Larissa war nicht glücklich darüber, mit Nina über das Wochenende alleine gelassen zu werden. “Ich habe heute ja noch frei. Also werde ich mich mal um die undichten Stellen hier im Haus kümmern. Ich fahre kurz in die Stadt, um Werkzeug zu holen. Denn abgesehen von ein paar Gartenwerkzeuge gibt es hier nichts, was sich zur Reparatur verwenden lässt", sprach er und verschwand kurz darauf. Nachdem das Auto am Ende der Straße nicht mehr zu sehen war, gingen Larissa und Nina zurück ins Haus. “Komm. Ich mache dir dein Frühstück fertig", sagte die Frau zu ihrer Tochter und beide schlenderten gemütlich in Richtung Küche. Als Larissa die Küche betrat, blieb sie überrascht stehen. Die Zuckerdose war auf den Boden gefallen und hatte den Zucker über die Fliesen verstreut. “Wie ist das denn passiert?”, fragte sie sich und schaute zu Nina. Doch ihre Tochter war die ganze Zeit bei ihr gewesen. Sie konnte nichts damit zu tun haben. Da Larissa noch einiges vor hatte, machte sie sich keine weiteren Gedanken darüber und holte einen Besen. Die Zeit verging und Nina schaute im Wohnzimmer Fernseher, während ihre Mutter im Kinderzimmer Staub wischte. Gerade war Larissa dabei die Fensterbank zu säubern und die Orchideen wieder auf ihren Platz zu stellen, da vernahm sie ein Flüstern. Es huschte unverständlich an ihrem Ohr vorbei. Dann bemerkte sie, dass eine der Puppen von der Komode, mit dem Gesicht nach unten, auf den Boden gefallen war. Verwundert hob sie die Puppe auf, um sie sich anzuschauen. Mit einem schrillen Schrei ließ sie diese sofort wieder fallen. Nina stand von der Couch auf und ging zur Treppe. “Alles okay, Mama?”, rief sie hinauf. “Alles gut, Schatz. Ich habe mich nur erschreckt", rief ihre Mutter zurück. In der Annahme alles sei in Ordnung, setzt sich das Kind wieder auf die alte Couch. Der Empfang im Fernseher wurde schlechter und dann war nur noch Schnee zu sehen. Wie hypnotisiert starrte das Mädchen auf das Rauschen. Larissa hob indes noch einmal die Puppe auf. Dieses Mal sah ihr Gesicht nicht so zerfetzt aus. Es war auch nicht voller Blut und es hatte auch nicht mehr diesen fauligen Geruch. Nur ein Auge fehlte. Da dachte sie daran, was ihre Tochter letzte Nacht erzählt hatte und glaubte, dass das einäugige Monster die Puppe war. Die Frau krabbelte auf dem Boden und tastete den gemusterten Teppich ab. Sie machte sich Hoffnung das fehlende Auge zu finden. Sie kam dem Bett immer näher. Mit einem Schwung hatte sie die Tagesdecke hochgeworfen, um einen Blick drunter werfen zu können. Ein leuchtendes gelbes Auge mit einer schmalen Pupille starrte sie aus der dunkelsten Ecke an. Es war nur ein Auge. Keine Ohren, kein Mund, kein Körper. Nur ein unheimliches, großes Auge. Larissa erstarrte und blickte in das gelbe Auge. Sie wagte es nicht zu zwinkern. Als ob die Zeit stehen blieb, starrten sie sich an. Plötzlich eilte das Wesen auf sie zu. Von Angst gelähmt kniff die Frau ihre Augen zusammen. Fast lautlos war das Wesen ihr näher gekommen. Ein Windhauch zog an ihr vorbei. Dann schien es weg zu sein. Vorsichtig öffnete Larissa ein Auge. Ganz langsam dann das andere. Ihr Atem ging schwer. Ihr Herz raste. Doch als sie die Augen wieder vollständig geöffnet hatte, lag da nur das fehlende Auge der Puppe. Angstschweiß überkam sie. Die Luft schnürte ihren Hals zu. Blitzartig griff sie nach dem Puppenauge und warf die Tagesdecke wieder zurück. Völlig verwirrt stellte sie die Orchideen auf den Boden und riss das Fenster auf, um Luft zu schnappen. Der Wind wehte durch ihr blondes, welliges Haar und weckte sie wieder auf. Sie redete sich ein, dass das alles nur Einbildung gewesen sei. Plötzlich knarrte es hinter ihr. Es fuhr ihr kalt den Rücken hinunter. Dann knarrte es wieder und dann noch einmal. Dieses Mal war es näher. Larissa riss die Augen auf und drehte sich erwartungsvoll zur Zimmertür. Doch dann verzog sich ihre ernste Miene und ein Lächeln breitete sich aus. Ihre Tochter war die Treppe zu ihr hinauf gestiegen. “Alles okay Mama?”, fragte Nina. “Ja, ja, alles okay. Ich habe heute Nacht wohl zu wenig Schlaf bekommen", antwortete sie. “Der Fernseher geht nicht mehr", erzählte das kleine Mädchen mit dem Teddy in der Hand. “Die Satellitenschüssel muss bei dem Wetter wohl was abbekommen haben. Dein Vater kann sich das, wenn er zurück ist, mal ansehen", sprach Larissa und reichte ihrer Tochter die Puppe. “Du musst letzte Nacht wohl diese Puppe gesehen haben. Ihr fehlt ein Auge. Hier. Ich habe das andere Auge gefunden und werde es später annähen", sagte sie und machte auf das Auge in ihrer rechten Hand aufmerksam. Nina gab sich mit dieser Aussage zufrieden und blieb auf dem Zimmer, um mit den anderen Puppen zu spielen. Larissa machte sich auf den Weg runter, um im Wohnzimmer weiter aufzuräumen. Als sie später in die Küche ging, lag dort wieder die Zuckerdose auf dem Boden und der ganze Zucker war verstreut. Verärgert holte sie den Besen aus dem Schrank. In ihrer Erinnerung hatte sie das längst sauber gemacht. Nachdem das geschafft war, wollte sich die Frau auf die Couch legen um auszuruhen. Sie zog die Hausschuhe aus und legte die Füße hoch. Kaum entspannte sie, öffnete sich die Haustür. Frank war aus der Stadt zurückgekehrt und hatte einiges an Werkzeug mitgebracht. Unter anderem Holzbretter um das Haus an den Stellen abzudichten, die am schlimmsten betroffen waren. Denn der Dachdecker hatte erst für kommende Woche zugesagt. “Ich werde gleich loslegen, damit ich morgen früh auf das Seminar fahren kann ohne mir Sorgen zu machen, dass es hier rein regnet. Für die Fenster habe ich Gummidichtungen geholt", erklärte er seiner Frau. Larissa konnte ihm nur halb folgen, so müde war sie. Sie schlief ein und träumte von dem Auge, welches sie unter dem Bett gesehen hatte. Es saß in einer dunklen Ecke und dann, ganz plötzlich schnellte es lautlos auf sie zu. Ein Knall ertönte und Larissa schreckte hoch. Frank hatte mit den Arbeiten auf dem Dach begonnen. Am Abend nachdem Nina zu Bett gebracht wurde, saßen beide Elternteile auf der Couch. Eine Flasche Weißwein und zwei Gläser standen auf dem wackeligen Tisch. “Ach ja, ich vergaß es dir zu sagen, aber der Fernseher geht nicht", erklärte Larissa ihrem Mann, der sich gerade die Fernbedienung geschnappt hatte. Er schaltete das Gerät ein. “Funktioniert doch", meinte er. “Heute mittag ging es wohl nicht. Als ich runter kam war da nur ein schwarz-weißes Rauschen. Vielleicht hat die Schüssel etwas bei dem Sturm vergangene Nacht abbekommen", meinte Larissa. “Dann würde es jetzt aber auch nicht gehen", erklärte er seiner Frau. “Hier passieren komische Dinge", begann sie zu erzählen und füllte den Weißwein in die Gläser. “Was denn zum Beispiel?”, fragte Frank. “Kann ich nicht genau erklären", dachte Larissa laut nach. “Es gibt keine Geister und für alles was passiert, gibt es eine Erklärung. Deine Tochter hat dich mit ihrer Fantasie angesteckt", meinte der Mann und trank das Glas in einem Zug aus. “Dieses Haus ist alt, aber es ist unser neues Zuhause. Ich weiß, dass du gerne in der Stadt geblieben wärst, aber auf Dauer hätten wir es uns nicht leisten können", begann er zu erklären. Dann fuhr er fort: “Was du brauchst ist ein Hobby. Meine Mutter hat Orchideen gezüchtet. Warum schaust du dir nicht mal ihre Notizen an? Vielleicht findest du Gefallen daran" “Orchideen am Leben halten kann ich, aber sie züchten?”, überlegte Larissa laut. “Versuch es. Ich hole die Unterlagen morgen aus dem Schuppen, bevor ich abfahre", ermutigte Frank seine Frau. Sie nickte und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Fernseher. Die Zeit verging und der langweilige Krimi wollte nicht enden. Der Wein ging zur Neige und Larissa wünschte sich einfach nur fort. Sie war kurz davor einzunicken, als sie etwas aus der Küche hörte. Sie lauschte noch genauer. “Da war doch was? Oder etwa nicht?”, dachte sie sich. Für einen Moment waren nur die Darsteller im Fernseher zu hören. Larissa wandte sich wieder dem Film zu. Wieder war da ein Geräusch aus der Küche. “Hast du das gehört?”, fragte sie ihren Mann. “Nein. Was denn?”, gab er vor wissen zu wollen und konzentrierte sich mehr auf den Film, als auf seine unruhige Gattin. Das Geräusch ließ die Frau nicht mehr los und trotzdem versuchte sie es zu ignorieren. Sie leerte die Weinflasche in ihr Glas und nahm ein paar große Schlucke. Im Flur war es dunkel und Larissa hatte nicht bemerkt, dass sich ihre Tochter die Treppe hinunter geschlichen hatte. Fassungslos stand die Kleine in der Küche. Sie wollte sich heimlich am Kühlschrank ein Stück Kuchen holen, als es plötzlich anfing Kieselsteine zu regnen. Vor dem Kühlschrank bildete sich ein kleiner Haufen Kies, der immer größer wurde. Mit dem Teddy in der Hand schaute das junge Mädchen dem Schauspiel zu. Das Licht ging an und Frank stand in der Tür. “Warum bist du nicht im Bett?”, fragte er das Kind und eilte zum Kühlschrank. Müde und verwundert beobachtete das Kind, wie ihr Vater durch den Kieshaufen trat um eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank zu holen. Er schien nicht zu bemerken, dass seine Fußbewegungen, den Kies im Raum verteilte. Wortlos deutete Nina darauf. “Möchtest du etwas aus dem Kühlschrank?”, fragte er, nach dem er davon ausging, dass sie auf den Kühlschrank zeigte. Sie schüttelte den Kopf und eilte zur Treppe. “Schatz, du bist ja noch wach", stellte Larissa fest. “Nein, ich schlafe. Gute Nacht", sagte Nina und ging die Treppe hinauf. Sie legte sich in ihr Bett und sprach zu ihrem Teddy: “Warum konnte er es nicht sehen? Du hast es es doch auch gesehen" Und für einen kleinen Moment hatte man den Eindruck gewonnen, dass der Bär mehr als sonst lächelte. Wieder wachte das Kind des Nachts auf und schaute sich unruhig im Zimmer um. Die Fenster waren geschlossen. Draußen war keine Wolke am Himmel zu sehen. Der Wind heulte leiser als die Nacht zuvor. Die Vorhänge warfen unheimliche Schatten. Da war es wieder. Schritte. Schritte, die die Treppe hinauf stiegen. Sie kamen immer näher. Lautlos öffnete sich die Tür. Ein Schatten trat ein. Die dunkle Gestalt hatte ein leuchtendes, gelbes Auge mit einer schmalen Pupille. Es starrte das Mädchen an. Aus Angst drückte Nina ihren Teddy fest an sich. Blitzartig sprang das Wesen auf das Kind zu. Nina presste ihren Kopf in das Plüschtier und schrie so laut sie konnte. Wenige Minuten später standen die Eltern bei ihr im Zimmer. Panisch fuchtelte Nina um sich. Larissa versuchte sie zu beruhigen und nahm sie in den Arm. Frank wollte wissen was passiert sei, aber seine Tochter weinte nur und brachte kein Wort heraus. Die Blumen lachten das Mädchen aus. Die Puppen hatten ihre Augen verloren und weinten Blut. In einer anderen Ecke regnete es Kies. Doch keiner außer Nina konnte das sehen. So weinte sich das Kind völlig verängstigt in den Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)