Der Duft des Todes von Watershine ================================================================================ TAG 3 - Und es wurde schlimmer ------------------------------ Als Nina durch das Vogelzwitschern am Fenster wach wurde, war es bereits Morgen. Frank hatte sich von seiner Frau verabschiedet und wie versprochen die Notizen seiner Mutter auf den Küchentisch gelegt. Es war ein kalter Tag, daher blieben die Fenster geschlossen. Für das Wochenende wurde Schnee angekündigt. Larissa machte gerade den Abwasch, als Nina herein kam. “Mama? Warum ist die Dose wieder auf dem Boden?”, fragte das Kind. Während die Mutter den Teller zum Trocknen ablegte, wollte sie wissen: “Was meinst du?” Doch als sie auf den Boden schaute lag da tatsächlich wieder die Zuckerdose. So langsam war es unheimlich. Ihr fiel auch keine Ausrede mehr ein, mit der sie sich selbst belügen konnte. “Du hast lange geschlafen. Geht es dir besser?”, fragte sie ihre Tochter und trocknete sich die Hände an der Schürze. “Ich habe gut geschlafen, aber das einäugige Monster hat die Augen meiner Puppen gestohlen", erklärte Nina völlig ruhig. Larissa war sprachlos. Entsetzt stellte sie die Dose auf den Tisch und rannte die Stufen hoch in Ninas Zimmer. Sie atmete auf, als sie feststellte, dass die Augen der Puppen noch da waren. Langsam streifte ihr Blick durch den Raum und dann wieder auf die Puppen. Schreckhaft hielt sie sich die Hand vor den Mund, um nicht laut zu schreien. Die Augen fehlten, das Gesicht zerfetzt und voller Blut. “Mama?”, rief Nina nach oben. Ohne zu wissen, was sie ihrer Tochter sagen sollte, ging sie die Treppe hinunter. “Du setzt dich jetzt auf die Couch. Ich mache dir Müsli und räume in der Küche auf. Deine Puppen sind krank. Sie werden aber wieder gesund", sagte die Mutter nervös und kehrte in die Küche zurück. Zuerst säuberte sie den Boden. Danach machte sie den Abwasch. Um zwischendurch mal zu pausieren, setzte sie sich an den Küchentisch und blätterte in den Unterlagen ihrer Stiefmutter. Desinteressiert schaute sie sich die Zeichnungen an und las immer nur ein paar Zeilen. Dann kam Nina mit ihrer leeren Müslischale herein. “Mama, der Fernseher geht wieder nicht", sagte die Kleine. Genervt nahm Larissa ihrer Tochter die Schale ab und stellte sie in die Spüle. Dann gingen beide wieder ins Wohnzimmer. Ein lieblicher Geruch stieg der Frau in die Nase. Sie erinnerte sich, das schon mal in einem der Zimmer gerochen zu haben. Entschlossen dem Geruch auf die Spur zu gehen schnupperte sie in Richtung der Orchideen. “Schau mal Mama. Da ist das einäugige Monster", rief Nina entsetzt und deutete auf das Fernsehgerät. “Ich sehe da nichts", sagte die Mutter und wollte sich abwenden, als sich in dem Rauschen eine Gestalt formte. Neugierig ging Larissa darauf zu. Sie holte aus und schlug auf den Bildschirm in der Hoffnung, der Fernseher würde sich wieder fangen. “Mama, die Puppen kommen die Treppe herunter", rief Nina verängstigt. Und tatsächlich hüpften die augenlosen Puppen die Stufen hinunter. Verzweifelt und von Panik gepackt rannte Larissa zu ihrer Tochter, packte sie am Arm und rannte mit ihr zur Eingangstür. Vergeblich versuchte sie diese zu öffnen, aber sie rührte sich kein bisschen. Sie drehte den Schlüssel in alle Richtungen, aber die Tür wollte einfach nicht aufgehen. Nun hatten die Puppen das Wohnzimmer erreicht und hüpften auf der alten Couch. Daraufhin begannen die Orchideen an zu lachen. Jetzt war sich Larissa sicher, dass sie den Verstand verlor. “Da kommt das einäugige Monster um unsere Augen zu holen", sprach Nina im Flüsterton. Sie starrte zum Fernsehgerät und ihre Mutter folgte dem Blick. Die dunkle Gestalt hatte ihr eines Auge geöffnet und schaute sich im Raum um. In der Annahme, dass das Monster die Aufmerksamkeit auf die hüpfenden Puppen gerichtet hatte, warf Larissa ihre Tochter über die Schulter, rannte an den nach Verwesung riechenden Puppen vorbei und sperrte sich in der Küche ein. Angst packte die Mutter. Sie mussten aus dem Haus. Das war der einzig klare Gedanke, den sie fassen konnte. Doch auch das Küchenfenster ließ sich nicht öffnen. Bei dem hektischen Versuch es aufzureißen, fiel der Blumentopf mit der Orchidee herunter und zersprang. Wieder nahm die Frau den lieblichen Geruch war. Nina weinte und beobachtete die Tür, gegen die von außen gehämmert wurde. Die Sonne wurde von Wolken verdeckt und in der Küche wurde es dunkler. Das Klopfen hörte abrupt auf. “Ist es vorbei?”, fragte sich die Mutter und setzte das Kind ab. Augenblicklich wurde es kälter im Raum. Kieselsteine fielen von der Decke. Larissa versuchte noch einmal das Fenster auf zu bekommen. Es war vergeblich. Also fasste sie den Entschluss, die Monster von ihrer Tochter weg zu locken. Sie öffnete den Küchenschrank unter der Spüle und bat Nina sich dort drinnen zu verstecken. “Mach die Augen zu, Kleines. Hier, dein Teddy passt auf dich auf. Aber ihr müsst leise sein, verstanden?”, sagte sie zu dem Mädchen. Nina nickte und zog die Nase hoch. Dann schnappte sich die Frau eine Bratpfanne und schützte sich damit vor dem Kieselregen. Zögernd umklammerte sie den Türgriff. Durch die fallenden Steine konnte sie nicht hören, ob sich etwas hinter der Tür bewegte. Sie begann langsam runter zu zählen. ...vier, drei, zwei, .. und noch ehe die Zahl eins in ihrem Kopf war, drückte sie die Tür mit einem heftigen Schwung auf, holte mit der Bratpfanne zum Schlag aus und ... stellte fest, dass da nichts war. Larissa zitterte am ganzen Leib. Ihre Angst war groß, aber der Wille ihre Tochter zu beschützen, war größer. Langsam ging sie voran und lauschte aufmerksam. Das Gelächter der Orchideen war verstummt. Keine lebendigen Puppen auf der Couch. Sogar das rieselnde Geräusch fallender kleiner Steine war verstummt. Zögernd setzte die Frau einen Schritt vor den anderen. Ein Kieselstein, der sich in ihren Haaren verfangen hatte, fiel zu Boden. Erschrocken rannte sie die Treppen hinauf ins Schlafzimmer. Die Blumen begannen wieder zu lachen und Schritte näherten sich. Schnell verschloss Larissa die Tür hinter sich und schaltete das Licht an. Draußen windete es wieder mehr. Es zischte durchs Fenster und sie zuckte zusammen. Langsam und mit einem wachen Auge auf die Umgebung ging sie zum Ehebett. Von dort aus schlich sie zum Fenster. Wieder waren die pinken Orchideen im Weg. Ein lieblicher Duft stieg auf. Larissa wusste, dass das nichts Gutes bedeutete. Das Licht flackerte und fiel aus. Ein Flüstern zog an ihrem Ohr vorbei. Aufmerksam beobachtete sie jeden Schatten. Da sie im Dunkeln nichts erkennen konnte, versuchte sie zu lauschen. Nur der Wind und ihr eigener Atem waren zu hören. Es wurde kälter im Raum. Die Heizung musste wohl ausgefallen sein, dachte sie sich. Larissa bemühte sich ruhig zu bleiben, aber konnte nicht aufhören zu zittern. Immer wieder streifte ihr Blick durch das Schlafzimmer. Da, in einer Ecke des Zimmers, bewegte sich etwas. Die dunklen Wolken ließen kurz das Sonnenlicht hindurch und offenbarte, was sie bereits ahnte. Das einäugige, schwarze Monster stand in der Ecke neben dem Kleiderschrank. Es war größer als zuvor. Das gelbe Auge weit aufgerissen. Die Pupille schmal geformt. Nun hatte es einen Kopf in Form einer Orchidee. Tausende Zähne traten in Erscheinung, als sich das Maul öffnete. Der dunkle Körper schien unaufhaltsam zu wachsen. Tentakel brachen aus dem Gesäß des Monsters heraus. Sie wurden immer länger. Plötzlich schossen zwei der Tentakel auf Larissa zu und umklammerten ihren Hals. Der Würgegriff wurde immer fester. Sie versuchte die Tentakel mit ihrer freien Hand los zu werden, doch ihre Energie reichte dafür nicht aus. Das Monster kroch immer näher. Der Gestank von verfaultem Fleisch nahm zu. Das Sonnenlicht verschwand wieder und hüllte das Wesen in Dunkelheit. Larissa nahm all ihre verbliebene Kraft zusammen um das Fenster hinter sich mit der Bratpfanne zu zerschlagen. Es schepperte und das Glas zerfiel. Ohne einen Laut ließen die Tentakel von der Frau ab. Kraftlos fiel sie zu Boden und hustete. Nach dem Larissa ein paar Mal tief Luft geholt hatte und sich das Wesen offensichtlich nicht mehr an sie heran traute, kletterte sie auf das Fensterbrett. Dabei zog sie sich ein paar Schnittwunden zu. Es war kalt und Larissa konnte ihren Atem sehen. Sie ließ die Bratpfanne draußen fallen und sprang zum nahe gelegenen Baum. Sie verfehlte nur knapp den dicken Zweig, der sie hätte tragen können und rutschte auf dem darauffolgenden Ästen ab. Mit einem lauten rums landete sie auf dem kalten, harten Boden. Vor Schmerz keuchend versuchte sie aufzustehen. Jeder Atemzug ließ ihre Lunge gefrieren. Sie war mit dem Kleid am Fensterrahmen hängen geblieben. Die Schnittwunden brandten und für einen kurzen Moment dachte Larissa ans Aufgeben. Da ertönte ein Schrei von einem kleinen Mädchen und riss die Mutter aus diesen Gedanken. Während die Mutter sich draußen aufrappelte, kämpfte Nina im Küchenschrank mit dem Teddy. Sein Lächeln war immer breiter geworden, bis sich sein Maul öffnete, um das kleine Mädchen zu verspeisen. Hilflos trat sie gegen das Plüschtier, das ihr immer wieder in den Fuß biss. In dem Schrank war kaum was zu sehen. Nina schrie vor Angst und hämmerte gegen die Schranktür. Endlich war die Tür aufgesprungen sodass sie herausklettern konnte. Irrtümlicherweise wog sich das Kind nun in Sicherheit. Als Nina zur Zimmertür blickte, begann sie wieder zu schreien. Larissa hatte sich, mit der Bratpfanne in der Hand, aufgerafft und rannte zum Küchenfenster mit der Absicht es von außen einzuschlagen. Doch dann fiel ihr die Axt auf, die neben dem Kaminholz unter dem Fenster lag. Sie wechselte ihre Waffe und änderte ihren Plan. Sie rannte zum Haupteingang des Hauses. Gerade als sie die Tür einschlagen wollte, öffnete sich diese wie von selbst. Vorsichtig trat sie ein. Nina schrie immer noch. Auf dem Weg zur Küche musste es nun schnell gehen. Ohne nach links oder rechts zu schauen rannte Larissa durch das Wohnzimmer zur Küche. Im Türrahmen stand das Monster mit den Tentakeln. Nina drückte ihren kleinen Körper an den Schrank. Das Monster vor ihr hatte die Form eines Menschen angenommen und streckte die Hände nach ihr aus. Das gelbe Auge war so groß wie der Kopf selbst. An den Enden der Arme öffneten sich Münder. Fast erreichte sie eines dieser Münder. Sie drehte den Kopf zur Seite und quetschte das Gesicht an die Schranktür. Hinter dieser Tür tobte immer noch der wild gewordene Teddy. Ein widerlicher Geruch lag in der Luft. Das Monster hatte kurz vor Ninas Wange Halt gemacht und den Mund geöffnet. Eine schwarze Zunge fuhr aus und leckte die Wange des Mädchens. Plötzlich brach das Wesen vor ihr zusammen. Larissa hatte es mit der Axt von hinten erschlagen. Noch immer steckte die Waffe im Kopf des Monsters. “Komm her Schatz", sagte die Mutter nach Luft ringend und nahm ihre Tochter auf den Arm. “Wir verschwinden hier", sprach sie. Doch als sie in den Flur kamen, waren da wieder die unheimlichen Puppen hüpfend auf der Couch. Zurück in der Küche griff Larissa nach der Zuckerdose und warf sie durch das Fenster. Ein Windstoß wirbelte die Unterlagen vom Tisch auf und eines der losen Blätter landete vor den Füßen der Frau. Rein aus Intuition griff sie nach dem Papier und steckte es in ihre Rocktasche. Mutter und Kind kletterten aus dem Fenster und rannten quer über den Hof bis zu einem Baum. Nach dem Larissa ihre Tochter hinter einem Gebüsch versteckt hatte und ihr andeutete still zu sein, begutachtete sie die Notizen der verstorbenen Frau. Auf einmal war ihr klar, was sie tun musste. “Schatz, du bleibst hier. Ich muss nochmal zum Haus", erklärte sie dem Kind. Nina schüttelte den Kopf. Doch das hielt ihre Mutter nicht davon ab aus dem Gebüsch zu springen. Larissa rannte über den Hof in den Schuppen und suchte nach einem Benzinkanister. Unter einigem Gerümpel wurde sie dann fündig. Am Tor lag in einer Schachtel das Feuerzeug, dass Frank immer nutzte um heimlich zu rauchen. Sie verdrängte den Gedanken an den Geruch, der dadurch an ihrem Mann haften blieb, steckte das Windfeuerzeug in die Rocktasche. Als Larissa vor dem Hauseingang stand musste sie noch einmal ihren Mut zusammen fassen. Sie öffnete den Deckel und rannte durch die offene Eingangstür ins Haus. Es war dunkel, kein Strom und kein Sonnenlicht. Doch Larissas Augen hatten sich daran gewöhnt. Die augenlosen Puppen fielen über sie her. Jeder Biss verlangsamte ihre Schritte. Sie schüttete das Benzin aus und kämpfte sich durch die Puppen in den ersten Stock. Das Gelächter der Blumen wurde unerträglich laut. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Überall war Blut an den Wänden und es roch nach verfaultem Fleisch. Larissa gab sich Mühe die Puppen abzuschütteln. Sie hatte gerade die letzte Stufe hinter sich gebracht, als sie unter dem Gewicht der Puppen zusammenbrach. Der Kanister kippte um und das Benzin lief aus. Es verteilte sich auf dem gesamten Boden. Larissas Kleid sog ein wenig davon auf. Die Puppen zogen an ihren Haaren, zerrissen ihr Kleid, bissen sie in die Beine oder spuckten ihr Blut ins Gesicht. Schützend nahm sie die Hände über den Kopf. Ab hier konnte sie nicht weiter. Das Benzin verteilte sich weiter und der Geruch übertönte den fauligen Duft der Puppen. Mit der Hoffnung hier lebend raus zu kommen, kroch Larissa auf allen Vieren und mit verschlossenen Augen zum Schlafzimmer. Endlich war sie an der Tür angekommen. Kaum hatte sie diese geöffnet, rannten die Puppen weg. Die Luft wurde klarer und der Wind drang das Böse zurück. Larissa krabbelte nun schneller zum Fenster, zog sich hinauf, kletterte raus und versuchte zum Baum zu springen. Dieses mal hatte sie den richtigen Ast erwischt. Kraftlos stieg sie den Baum hinab. Unten angekommen humpelte sie zur Eingangstür. Aus ihrer Rocktasche holte sie vorsichtig das Feuerzeug hervor und stopfte den Notizzettel, wieder tiefer hinein. “Jetzt endet es", sprach sie kraftvoll sowie siegessicher, zündete das Windfeuerzeug und warf es in den Eingang. Keine Sekunde später stand das Haus in Flammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)