Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 23: Samsa – November 2015 II ------------------------------------ Verträumt sah ich mich im Zimmer um. Das hier sah alles so extra aus, als käme es aus einem Hollywoodfilm; Holzvertäfelungen, verspielte kleine Elemente, ein riesiges Himmelbett und ein eigener Kamin im Zimmer. Wenn ich daran dachte, dass Tino eigentlich mit Justine hierher fahren wollte, machte sich eine gewisse Eifersucht in mir breit. Hätte er mir je so ein Angebot gemacht, wenn sie nicht abgesagt hätte? Tino brummte leise an meinem Bauch, sodass ich zu ihm nach unten sah. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er aufgewacht war. Er war direkt nach unserer Ankunft Langlaufen gegangen und ziemlich erschöpft zurückgekommen. Innerhalb weniger Minuten war er mit dem Kopf auf meinem Bauch eingeschlafen. Zärtlich ließ ich meine Fingernägel über seinen Nacken wandern, worauf sich die kleinen Härchen aufstellten. »Woran denkst du?«, fragte er mit vom Schlaf rauer Stimme und drängte sich dichter an mich. »Ich hab gerade darüber nachgedacht, ob ich dich wecken oder es mal schlafend probieren sollte«, wich ich aus. Er brauchte nicht wissen, welche unnötigen Gedanken mir wirklich durch den Kopf gingen. Er lachte leicht und zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. »Ja, sicher. Gerade du.« »Glaubst du mir etwa nicht?« Ich ließ meine Stimme fester klingen, umgriff seinen Nacken und drückte meinen Unterschenkel in seinen Schritt. Dabei sah ich ihm starr in die Augen. Nicht, dass ich sowas je getan hätte – weder fand ich den Gedanken interessant, noch war etwas in der Art mit ihm abgesprochen – aber Tino durfte ruhig merken, dass er offenbar ein falsches Bild von mir hatte, wenn er glaubte, dass ich es nicht könnte. Für einen Moment riss Tino die Augen überrascht auf, dann trat ein Blick in seine dunklen Augen, der mich fast augenblicklich steif werden ließ. Er schlug die Lider nieder und flüsterte in einem besänftigenden Ton: »Tut mir leid.« Mein Mund wurde trocken, ließ mich schlucken, während mein Herz zu rasen begann. Bisher hatte ich über diese Möglichkeit nie nachgedacht, aber Tino schien ihr nicht abgeneigt. Testweise drückte ich seinen Kopf tiefer. Ich vertraute darauf, dass er kommunizierte, wenn er etwas nicht wollte. Diesmal musste ich nicht bewusst auf meine Stimme achten, um sie hart klingen zu lassen: »Statt große Reden zu schwingen, könntest du auch einfach beweisen, dass es dir leidtut.« Auch wenn ein wenig Amüsement in seiner Stimme lag, bemühte sich Tino doch um einen unterwürfen Ton. »Ja, natürlich! Was soll ich tun?« Ich ließ mich in den Kuss fallen und spürte dem Daumen nach, der zärtlich über meine Halsschlagader auf und ab wanderte. Meine Hand hatte ich auf seine gelegt und kuschelte meinen Kopf gegen seine Brust, sobald er den Kuss löste. Das raue Lachen ließ seinen Körper beben. »Wie? Jetzt machst du wieder einen auf zahmes Kätzchen?« Ich schmunzelte. »Du hast halt deutlich mehr Körper, an den man sich ankuscheln kann. Oder darf ich jetzt plötzlich nicht mehr das kleine Löffelchen sein?« »Du darfst jederzeit mein kleines Löffelchen sein«, raunte er mit dieser Stimme, die mir zuverlässig angenehme Schauer durch den Körper jagte, und küsste meine Schläfe. »Ich frage mich nur, ob das nur ein einmaliger spontaner Einfall von dir war oder ob wir das jetzt öfter machen.« »Beides? Also wenn du letzteres auch möchtest.« Auch wenn ich es nach wie vor liebte, von starken Händen gehalten zu werden, ihn zu dominieren hatte wirklich Spaß gemacht. Ich hatte durchaus einige Ideen, was ich noch ausprobieren wollte, ob es ihm gefiel. Er zog die Hand von meinem Hals und küsste die Stelle, die er gestreichelt hatte. Dann biss er leicht in mein Ohrläppchen. »Sehr gern. Auch wenn ich mich frage, wo du das die ganze Zeit vor mir versteckt hast.« Da ich nur umständlich an seine Hand gekommen wäre, legte ich meine auf seine Brust und fuhr die Konturen nach. »Keine Ahnung, bisher bin ich nicht auf die Idee gekommen, es mit dir auszuprobieren.« »Das war aber nicht das erste Mal, dass du das gemacht hast, oder?« »Nein.« »Schade. Ich hatte etwas gehofft, eine ganz besondere Seite von dir gesehen zu haben.« Auch wenn ein wenig der Schalk in seiner Stimme mitschwang, war dennoch deutlich, dass er es ehrlich meinte. »Tust du doch sonst häufig«, antwortete ich daher ehrlich und drückte schüchtern das Gesicht gegen seine Haut, sog seinen angenehm-herben Geruch ein, der nach dem Sex noch viel intensiver war. Mit einem fragenden Laut bat er um eine genauere Erklärung, die ich ihm nach kurzem Zögern lieferte: »Ich hab Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen – falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Mir fällt es daher schwer, mich fallen zu lassen, wenn ich nicht gerade richtig dicht bin. Von dem her ... Es gibt wenige, die mich dominieren dürfen. Daher war bisher auch nicht der Gedanke, es bei dir zu versuchen. Ich bin froh, dass ich bei dir auch mal den anderen Teil ausleben kann.« »Gut zu wissen.« Seine Hand auf meinem Rücken fühlte sich beschützend an. In seinem Kuss auf meine Schläfe war kein Nachklang des Verlangens mehr zu spüren, wie noch vor wenigen Augenblicken, sondern nur noch Zärtlichkeit. Seine Neugier konnte er dennoch nicht unterdrücken: »Aber das klingt, als gäbe es noch andere, bei denen du auch unterwürfig wärst? Oder hab ich das falsch interpretiert?« »Bis letztes Jahr noch Toby und Roger.« War das wirklich schon ein Jahr her? War mir nicht so vorgekommen. »Aber im Moment niemand.« »Ich hätte es mir fast denken können.« Zu meiner Erleichterung lag in seiner Stimme kein Vorwurf oder Eifersucht, sondern nur die Einsicht, dass der Gedanke ihm auch selbst hätte kommen können. »Magst du mir jetzt, wo du nicht mehr mit Sex ablenken kannst, sagen, was dir vorhin wirklich durch den Kopf gegangen ist?«, fragte er nach einer Weile, die wir einfach nur gekuschelt hatten. Unwillig brummte ich, antwortete dann aber ehrlich: »Ich hab daran gedacht, dass du eigentlich mit Justine hierher fahren wolltest, und war für einen Moment eifersüchtig, dass du mit ihr hier übernachtet hättest. Also komplett albern.« Sanft schob er seine Hand unter mein Kinn, damit ich ihn ansah. »Das ist nicht albern. Wenn du deshalb eifersüchtig bist, ist das vollkommen in Ordnung, du suchst dir das nicht aus. Aber es wäre schön, wenn du mit mir offen darüber reden würdest. Wenn du es für dich anstaust, entstehen daraus nur unschöne Gefühle.« »Und was bringt das? Ich will nicht, dass du dich für mich irgendwie einschränkst oder auch nur glaubst, dass ich das wollen könnte.« »Aber nur so können wir herausfinden, woher die Eifersucht kommt. Die Eifersucht nur zu unterdrücken erfüllt dir auch nicht das, bei dem du das Gefühl hast, zu kurz zu kommen.« In seiner Miene lag keinerlei Ärger, lediglich ehrliches Interesse. Sollte ich das wirklich glauben? Eifersucht war für mich immer ein schlechtes Gefühl gewesen, nichts, was ich wollte und einfach nur verdrängte. Immerhin war er mir doch nichts schuldig. »Worauf genau warst du jetzt eifersüchtig? Weil ich mit ihr das Wochenende verbringen wollte?« Ohne schlechtes Gewissen konnte ich sofort den Kopf schütteln. »Nein. Die Zeit, die wir zusammen haben, ist mehr als genug. Ich könnte ja auch mit Wandern – oder Skifahren – nichts anfangen. Es ist eher das Zimmer. Es ist so klischeehaft, es schreit geradezu nach Pärchen, Hochzeit oder Verlobung. Ich kenn sowas nur aus Filmen und ... mir ist nur zu bewusst, dass ich nur hier bin, weil sie abgesagt hat und du mich sonst nie zu sowas eingeladen hättest.« Er schwieg eine Weile, öffnete nur kurz den Mund, um dann den Kopf zu schüttelt. Es war nur zu deutlich, dass er gedanklich mehrere Antwortmöglichkeiten durchging. »Ich hoffe, ich vergesse gerade keinen wichtigen Gedanken ... Zunächst: Das Zimmer hat nichts mit Justine zu tun. Wenn ich wegfahre, dann mache ich mir auch eine angenehme Zeit. Ich hätte auch allein so ein Zimmer gebucht. Aber verstehe ich das richtig, dass du den Wunsch danach hast, mehr ... klassische Paarzeit miteinander zu verbringen?« »Ich ...« Gerade noch rechtzeitig hielt ich mich selbst davon ab, ganz automatisch zu protestieren, weil ich mir solche Gedanken bisher vehement verboten hatte. Schließlich wollte ich keine derartige Beziehung. Auch nicht mit ihm. Dennoch zwang ich mich, darüber nachzudenken. Ich wusste, dass mir, selbst wenn ich das wollte, daraus keine Verpflichtungen entstanden, dass sich lediglich dieser Aspekt an unsere Bedürfnisse anpassen würde. Dennoch fiel es mir noch schwer, den Gedanken zuzulassen. »Ja, vielleicht? Ich bin nicht sicher. Vielleicht bin ich auch nur neidisch, weil ich mir das nicht leisten könnte?« »Hm. Was hältst du davon, wenn wir es einfach ausprobieren? Ich wäre dafür durchaus offen, solange es nicht zu oft ist.« Es auszuprobieren konnte nicht schaden, oder? Wenn es nicht das war, was ich wollte, dann mussten wir es nicht wiederholen. Ich zuckte mit den Schultern. »Okay.« Er schmunzelte. »Du bist noch nicht so überzeugt, hm? Keine Sorge, ich überlasse dir die Entscheidung für das erste Date. Überleg dir, was du gern tun würdest. Es darf so freundschaftlich oder romantisch sein, wie du möchtest und du dich wohl fühlst.« »Sicher?« Ich tat mich schwer damit, dass ich das entscheiden sollte. Was, wenn es in irgendeine Richtung zu viel oder zu wenig für seine Vorstellungen war? Zärtlich lächelte er und küsste mich. »Sicher. Glaub mir, es ist wirklich in Ordnung. Und wenn du dir doch unsicher bist, dann sagst du mir, was du dir vorstellst und ich sage dir, was ich davon halte.« Eine kleine Stimme in mir sträubte sich noch, doch ich wusste genau, woher die kam, und ignorierte sie. »Okay!« »Gut.« Er grinste schelmisch und hielt mir seinen kleinen Finger hin. »Und wenn wir das wiederholen wollen, dann suche ich ... schlage ich vor, was wir machen.« Schnell nickte ich und hakte meinen Finger in seinen ein. Scheiße! Für einen Moment war mein Herz echt in die Hose gerutscht. Ich sollte wirklich daran arbeiten, ihm mehr zu vertrauen. Natürlich hätte ich auch ohne die Umformulierung ein Vetorecht gehabt. Logisch wusste ich das und dennoch war es gut, dass er es deutlich gemacht hatte. »Schön.« Gierig küsste er mich und rollte mich auf den Rücken, bis er über mir lag. »Ich freu mich auf unser Date, Samsa.« »Isaac. Mein Name ist Isaac.« Auch wenn ich zitterte und meine Stimme brach, diese Worte mussten raus. Ich hatte so oft darüber nachgedacht, ihm das zu sagen, aber immer wieder einen Rückzieher gemacht. Aber ich wollte ihm vertrauen. Sichtlich irritiert rückte er etwas von mir ab und blinzelte. »Äh, okay? ... Wäre es dir lieber, wenn ich dich Isaac nenne?« »Nein. ... Also mir ist es egal, ob du mich Samsa oder Isaac nennst. Ich wollte nur ... Ich wollte nur, dass du es weißt, weil auch Toby und Roger ... Alle meine engen Freunde nennen sich Isaac und es fühlt sich falsch an, wenn du nicht die Wahl hast.« Außerdem mochte er mich zwar als Samsa kennengelernt haben, aber um ehrlich zu sein, fühlte ich mich bei ihm nicht wie Samsa. Aber das konnte ich ihm nicht erklären. Ich bezweifelte, dass er das verstehen würde. »Gut, dann Isaac.« Er lächelte, beugte sich wieder über mich und raunte dann in mein Ohr: »Das lässt sich auch viel besser stöhnen. Isaac.« Für einen Moment fürchtete ich, von den altbekannten Bildern überrollt zu werden, doch nichts geschah. Lediglich ein erregender Schauer lief über meinen Rücken und entlockte mir ein ungewolltes Stöhnen. Tino gab einen zufriedenen Laut von sich und ließ seine Hände mit sanftem Druck über meinen Oberkörper wandern. »Was hältst du von noch einer kurzen Runde, bevor wir uns um Abendessen kümmern, hm? Isaac?« »Übertreib’s nicht!«, warnte ich lachend, bog mich aber bereits seinen Händen entgegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)