Coming Home For Christmas von irish_shamrock (für Little-Cherry [Tenten + Neji]) ================================================================================ Kapitel 1: Coming Home For Christmas ------------------------------------ Coming Home For Christmas Der Tanz der weißen Flocken folgte der rhythmischen Stille, die sich über die Stadt legte. Es erschien ihr beinahe wie ein Wunder, so zart und so unerwartet, dass sich kindliche Freude in ihr regte. Obschon ihr das Leid und Elend ihrer Klienten manches Mal zu nahe gingen, immer dann, wenn Kinder involviert waren, und das war, zu ihrem Bedauern, zu fünfundneunzig Prozent der Fall, waren ihr Wille und ihr Verhandlungsgeschick ein Garant für Erfolg. Die restlichen fünf Prozent verteilten sich auf das sehr spezielle Klientel, das sich auf das Ziehen und Zerren ihrer Lieblinge, Autos und Haustiere, verteilte. Erst neulich war es ihr gelungen, eine Verhandlung für sich und ihren Mandanten zu entscheiden: Er erhielt den Goldfisch und eine horrende Summe als Entschädigung, während seine Gattin mit gesenktem Haupt und in dem Versuch, jenes, arme Fischlein in der Toilette hinabzuspülen, nunmehr bei ihrer Mutter Unterschlupf suchen musste. Die Absurdität und Skurrilität in solchen Situationen ließ sie oftmals an ihrem gesunden Verstand zweifeln, doch sie hatte nicht gekämpft, Tränen und Schweiß vergossen, und sich letztendlich auf ein Fachgebiet spezialisiert, wenn es nicht ihr Ziel, ihr Traum gewesen wäre, ihren Mitmenschen aus der Patsche zu helfen. Sie war gut, gehörte der Elite an, speiste in edlen Restaurants und nannte ein Loft inmitten der lauten City ihr Eigen. Und dennoch … Immer, wenn die Flocken aus dem dunklen, schweren Himmel fielen, mischte sich unter die kindliche Vorfreude Schwermut. Trauer jagte ihre Klauen in das kleine, pochende Herz, das in der Brust schlug und die Kehle wurde ihr eng. Meist war sie geneigt, dieses bittere Gefühl zu verdrängen, und es gelang ihr, für den Rest des Jahres vortrefflich, doch immer dann, wenn die Zeit der Besinnlichkeit und Besinnung nahe war, zerfetzte ihr die Vergangenheit das hart erarbeitete Gerüst aus Stolz, Wagemut und Heiterkeit. Wieder würde sie sich auf den Weg in ihre alte Heimat begeben. So, wie jedes Jahr. Und wieder würden sie ihre Schritte an jenen Platz führen. Dorthin, wo er war. Sie hatte es versprochen. Ihm, und seiner Familie. Auch wenn sich jene bis in alle Winde verstreut hatte, kamen sie immer dann, wenn es an der Zeit war, zusammen und standen schweigend, in Gedenken an ihn, beieinander. Er war ihr bester Freund. Sie hatten die Jugend und das College gemeinsam bestritten, Höhen und Tiefen erlebt, Siege errungen und Niederlagen hinnehmen müssen. Auch wenn seine Noten ein besseres Bild boten, teilte er ihre Freude, ihren Stolz und Ehrgeiz. Ihn selbst reizte die Medizin, auch wenn er keinerlei Ambitionen hegte. So sagte er ihr einst, dass es sein Wunsch sei, Kindern zu helfen. Ob nun als Arzt oder Lehrer an einer Elementary School. Ihre Antwort war ein lautes Auflachen, das er mit ausdrucksloser Miene quittierte. Skeptisch waren die Blicke der Familie, als ihnen eröffnet wurde, dass es das Gespann in die große Stadt zog. Doch beide erhielten die Zusage für die Studienplätze ihrer Wahl. Sie plagte sich mit Paragraphen herum, schlug sich Übungsfälle um die Ohren und hatte die Nase ständig in Büchern der Rechtswissenschaften vergraben. Ihm hingegen fiel es ungewohnt schwer, sich entscheiden zu wollen, doch nach etlichem hin- und her legte er sich letztendlich auf das Lehren fest. Das Unglück geschah kurz vor dem Weihnachtsfest ihres letzten Studienjahres: Obschon beide neue Bekanntschaften pflegten, sie sich unabsichtlich voneinander entfernten, war es ihnen dennoch eine Art Tradition, den Weg in die Heimat gemeinsam zu bestreiten. So mürrisch und verdrießlich seine Miene oft war, schien ein kleines Licht in ihm zu leuchten, wann immer er sie sah. Sie tat ihm gut, die Freundschaft und Bindung zueinander glich einem reißfesten Band. Dort stand sie, am Gleis, und wartet auf ihn. Der Zug fuhr jeden Augenblick ein, doch von ihm fehlte jede Spur. Nervös starrte sie auf das kleine Mobiltelefon, das stumm blieb. Kein Läuten, keinen Mucks. Ihr gruben sich die Zähne in die Unterlippe, die Reisetasche zu ihren Füßen. Wo blieb er? Ihr Blick huschte von Gleis zu Gleis. Vielleicht hatte er sich in der Zeit geirrt? Kalter Spott wallte mit frostigem Wind in ihr auf. Ihre klammen Finger rutschten über das Display. Sie erschrak, als im selben Moment das Telefon zum Leben erwachte. Erleichtert atmete sie auf und schieß ihren Frust in die winterliche Nachtluft. Sie fuhr mit einer Schimpftirade auf, doch der, der sie am anderen Ende begrüßte, war nicht ihr treuer Weggefährte. Das Handy fiel ihr aus der Hand, schlug auf den harten Boden auf und ließ das Display zerspringen. Der Beamte am anderen Ende teilte ihr mit tiefer Betroffenheit und doch so sachlich wie möglich mit, dass jener Mann, den sie zu erwarten gehofft hatte, bei einem Schusswechsel ums Leben kam. Er starb auf der Stelle. Ein Unfall mit tragischem Ausgang, der aus einem Kampf zweier rivalisierender Straßenbanden hervorging. Ihr knickten die Knie ein, sie sank auf dem Bahnsteig zusammen. All die Träume, all die Freude auf das Wiedersehen mit der Familie wurden zu einer Tortur. Mit Wehmut sah sie zu den Flocken auf. Die Jahre hatten sie gezeichnet. Ihr Falten und Furchen in das einst so junge, strahlende Gesicht gegraben. Sie hatte erfahren müssen, wie kurz doch die Augenblicke waren, die das Leben bot. Hartnäckig hatte sie die Verhandlung verfolgt, denn der örtlichen Polizei war es gelungen, den Schützen, mitsamt seiner Gang, dingfest zu machen. Es glich beinahe der Ironie, dass sie, als angehende Juristin, diesem Prozess beiwohnen durfte. Sie sah den Schützen, ein harmlos wirkender, siebzehnjähriger Junge, der ohne Schulabschluss auf die schiefe Bahn geraten war, bereits in früher Kindheit Bekanntschaft mit Drogen und Waffen machen musste und dessen Lebensweg, wie der vieler anderer, trauriger Realität entsprach. Ihr gruben sich die Nägel in die Handflächen. Eine milde Jugendstrafe für einen Mord. Obschon sich ihr der Magen drehte und es sie Kraft und all ihre Beherrschung kostete, verharrte sie tapfer auf ihrem Stuhl im Gerichtssaal. In den nächsten Monaten hatte sie zu entscheiden, in welche Richtung es sie zog. Sie schwankte zwischen Jugendstrafrecht und Familienrecht. Letztendlich schloss das eine das andere nicht aus. So ergab sie sich für einen langen Zeitraum der Verteidigung Unschuldiger, oder jenen, die sie für schuldunfähig erachtete. Doch die Jahre der zunehmenden Kriminalität hatten sie erschöpft. Ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen, den sie nie und nimmer allein bestreiten konnte. Vorwürfe wurden laut, sie würde sich aus Bequemlichkeit zurückziehen, dass sie dem Druck und der Hoffnungslosigkeit ohne Visier gegenübertrat, war unter ihren männlichen Kollegen ein gefundenes Fressen. Sie nutzte ihr Wissen und ihr Rechtsempfinden nunmehr für die Familien. Es hatte sie viel Kraft gekostet, auf den Bahnhof zurückzukehren und mit der Zeit und all den vergangenen Jahren hatte sie akzeptieren müssen, dass sie ihren Groll und ihre Angst nicht einen Ort festmachen durfte, der ihr den Boden unter Füßen fortgerissen hatte. Ihre Finger umklammerten den Gurt der Tasche. Ein Pfiff in der Ferne kündigte das Herannahen des Zuges an. Wieder würde sie sich überwinden müssen, und wurde es leichter. Seine Familie war ihr eine große Stütze und auch sie war bemüht, auch wenn sie noch immer nicht sagen konnte, wie, zu helfen. Mit einem wehmütigen Lächeln erklomm sie die metallenen Stufen, um ins Innere des Wagons zu gelangen. Halt fand sie an der Metallstange. So bugsierte sie sich in das Abteil, das ihr am nächsten war, ließ sich auf den nächstbesten, freien Sitz fallen und die Fahrt in die Heimat über sich ergehen. Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel. Es hätte ihn gefreut, die Kinder seiner Cousine aufwachsen zu sehen. Sie waren Teil seiner Familie und wenn er sie nicht beschützen konnte, würde sie diesen Part übernehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)