Bird of Paradise von Dudisliebling ================================================================================ Kapitel 4: Kennenlernen ----------------------- 4 „Wer ist DAS?“, fragte ich Manolo, nachdem zwei weitere Jahre vergangen waren. Ich hatte mein Wort gehalten und war zum festen Showplan geworden. Jedoch blockten wir jegliche Anfrage ab, die sich auf mich bezog. Manolo wollte, dass ich nur meinen Traum ausleben konnte, aber nicht, dass mir dieser verdorben wurde. Er wollte mich weiterhin so tanzen sehen, wie ich es an jenem Abend getan hatte. Ohne die Angst und das ungewisse Behagen, dass sich ein armer Reisender oder heimlicher Schwuler an mir austobte. „Der Rothaarige dort?“, fragte Manolo nochmal genau nach. Wir hatten uns gerade zurechtgemacht, wobei er diesmal tanzen würde, also eine komplett weibliche Form angenommen hatte und ich meine typische, normale Kleidung trug, die ich mit einer violetten, breiten Schleife um meinen Hals aufgepeppt hatte. „Ja!“ „Das ist ein Gast, der seit ein paar Wochen öfters vorbeikommt.“, erklärte Manolo und sah mich dann rügend an. „Solltest du dich als Barkeeper nicht an deine Kundschaft erinnern?“ „Du kannst dich doch nicht mal an gestern Abend erinnern. Ich habe die Flasche Schnaps gesehen!“, schimpfte ich. Manolo hatte ein zu gutes Herz für dieses Leben und flüchtete sich immer öfter in die sanfte Umarmung des Alkohols, der ihn fester schlafen ließ. Ich hatte mit ihm geredet, aber er wollte es nicht ändern. „Sei nicht so, Mama!“, spielte Manolo. Wir gingen hinter der Bühne durch den Korridor und blieben zum Abschied kurz stehen. „Na? Wirst du ihn mal ansprechen?“ „Wenn sich die Gelegenheit bietet, warum nicht?“ „Viel Erfolg!“, lächelte er und beugte sich für einen Wangenkuss zu mir. Ich lächelte zurück und sah zu, wie er sich vor dem Vorhang aufstellte. Eine der Damen kündigte ihn an und der Vorhang öffnete sich geteilt zu beiden Seiten. Ich glitt in den Schatten und musterte seinen Ausdruck, den er immer auflegte, wenn er sich auf die Bühne begab. Hier war er ein anderer Mensch. Ausdrucksstark, mutig und schön. So als hätte er keine einzige Sorge in sich. Ich wendete den Blick ab und ging zu meinem Posten. Es gab sicher einige Gläser, die es zu befüllen galt und als ich meinen Arbeitsbereich kurz erkundet hatte, bot sich auch genau dadurch die Gelegenheit den Rothaarigen anzusprechen. Ich hatte ihn nun länger beobachtet und bemerkt, dass er ein Yokai war. Sein Blick hob sich selten, doch ich hatte die braune Farbe seiner Augen, welche von einem silbrigen Streifen durchzogen war, erkannt. Außergewöhnlich, dachte ich und spürte jedes Mal mein Herz in der Hoffnung höherschlagen, dass er mir einmal in die Augen sehen würde. „Noch Eins!“, bat der Mann und schob sein Glas zu mir, ohne den Blick zu heben. Ich spürte, dass er niedergeschlagen war. Meine Gelegenheit. „Das Ertränken der Sorgen in Alkohol hat den Wenigsten zum Erfolg verholfen.“, riet ich und nahm ihm das Glas weg. Dabei sah ich, wie seine Hand zuckte und er den Kopf hob. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und seine braunen Augen erstachen mich. „Was?“ „Oh... äh...“, stottere ich und räusperte mich dann kurz: „Mein Hübscher. Ich sehe doch, dass dich was beschäftigt.“ Mit solcher Wortwahl hatte ich hier eine Art eines Auftritts aufgestellt. Ich sprach so, wie mir der Schnabel gewachsen war und geriet nur selten aus dieser Rolle. „Ach ja?“, brummte er und als ich sein Glas gefüllt hatte, stellte ich es vor ihm wieder ab. „Kein Danke?“, fragte ich auffordernd. „Kannst du bitte weggehen?“, kam anstatt des Dankes die Aufforderung und ein Geldschein über den Tresen geschoben. „Ganz schön unhöflich!“, schimpfte ich, riss den Schein weg und wechselte ihm das Kleingeld heraus. „Da! Du unverschämter Kerl!“ „Ich bin nicht unverschämt, Teuerste!“, bedachte er mich und hob die Hand an seine Nase. „Aber Ihr Parfum ist bissig und stinkt!“ Vor Schock riss ich die Augen auf und presste die Lippen aufeinander. Was zur Hölle erzählte er denn da nun? Wollte er mich ärgern?! Ich hatte dieses Parfum zu meinem ersten Auftritt von Manolo bekommen und setze es nur spärlich ein.“ „Spärlich. Der war gut.“, lachte die Autorin und fiel fast vom Stuhl. „Willst du dich nun auch noch beschweren, du junges DING!“, spie Siakoh und stellte sich auf. „Bleib ruhig und erzähl weiter, Siakoh. Du weißt doch, dass sie ihre Klappe nicht halten kann.“, rügte die Beta, welche sehr interessiert daran war, wie die Geschichte weiter ging. „Wie hältst du die Zusammenarbeit mit der nur aus?!“ „Genauso, wie ich deine Besuche bei mir ertrage. Ich hab euch gern und das lässt einen über Vieles hinwegsehen. Aber jetzt erzähl weiter!“, bat die Beta streng und der Yokai verschränkte die Arme und ließ sich auf die Couch fallen. „Ich war geschockt, dass dieser Mann mich so von sich abwies, weil ich offensichtlich übelriechend war. „Ich bin ein Wolfsyokai.“, flüsterte er so, dass nur ich es hören konnte. Außer ihm saß niemand mehr an der Bar, weil sie alle Catarina beim Tanzen verfolgten. „Meine Nase ist empfindlich!“ „Kein Grund so beleidigend zu sein!“, verurteilte ich seine Wortwahl. „Ich muss mich beim Geruch auf andere verlassen! Also entschuldige, dass deine Nase so empfindliche Reize nicht duldet.“ „Selbst wenn ich ein Mensch wäre, wäre das, was du da aufgetragen hast, eine Nummer zu viel!“, beleidigte er weiter und nahm die Hand von seiner Nase. Er wollte zu seinem Bier greifen, doch ich nahm es ihm weg. „Hey!“ „Unfreundliche Wesen bekommen hier nichts!“ „Ich habe dafür bezahlt, sogar mit Trinkgeld, solltest du mir mein Wechselgeld weiter vorenthalten.“, bemerkte er und ich sah zu den Münzen auf den Tresen. Ein spürbares Funkeln trat in meine Augen. „Hol sie dir doch!“, setze ich zum Spiel an und zog die Münzen ganz nah zu mir. „Wenn deine Nase das aushält.“ „Mir ist nicht nach solch Spielen!“, wies der Wolf ab und sah auf seine Hände deren Finger aneinander herumspielten. Er versank in Gedanken und ich kam mir wie ein Kind vor, so mit ihm umzugehen. Seufzend stellte ich das Glas Bier wieder vor ihm ab und lehnte mich, einen Schritt weiter weg, an den Unterschrank in dem die Flaschen mit Schnaps standen. „Warum bist du so niedergeschlagen?“, fragte ich vorsichtig nach. Es schien als sei der Raum um uns herum ausgelöscht und dass er sich mir nun anvertrauen könnte. „Ich habe etwas getan auf das ich nicht stolz bin.“, antwortete der Rothaarige, nahm das Glas zur Hand und trank einen tiefen Zug. Sein Kehlkopf hüpfte dabei und ich lauschte seinem kehligen Atem, als er das Glas wieder absetzte. „Und wahrscheinlich gehöre ich nun in die Hölle.“ „Oh weia. Was hast du getan?“, fragte ich grinsend, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ meinen Blick nicht von ihm abweichen. „Jemanden getötet?“ „Tze. Nein. Nicht bewusst zumindest.“ „Uhhh, das klingt düster, mein Hübscher.“ „Musst du mich so nennen?“, hielt er mit Unverschämtheit vor. „Ich nenne die Leute so, wie ich will!“, hielt ich dagegen. „Also. Was hast du getan?“ „Ich bin fremdgegangen...“, nuschelte er herb und verzog dabei das ganze Gesicht zu einer ernsten Miene. Mir schien, dass er im Grunde keiner derjenigen war, der je ernst sein würde. Nicht wenn es nicht von ihm verlangt und unumgänglich war. Ein netter, höflicher und eher verspielter Typ. So wie ein Hund im Wolfspelz. „Was ist daran so verwerflich?!“, fragte ich irritiert und hob die rechte Hand in den Raum. „Ein jeder, der hierherkommt betrügt seine Frau.“ „Ich habe keine Frau!“, stellte er klar und sah mir dabei in die Augen. Soso, dachte ich. Er stand auf männlichere Züge. „Du kommst also wegen Manolo hierher?“, fragte ich nach, hatte irgendwie dem Drang dies zu verhindern. Wer wusste, was der Wolf schon alles angestellt hatte. „Nein. Ich komme her, um zu trinken, damit ich alles vergessen kann.“, stellte der Wolf richtig und trank sein Bier in einem Zug leer, knallte das Glas auf den Tresen und schob es zu mir. „Noch Eines. Geld hast du ja.“ „Wow. Also hatte ich wirklich recht.“, murmelte ich siegessicher, nahm das Glas an mich und schenkte es voll. Wieder wechselte ich das Geld. Ein weiteres würde nicht mehr dabei rausspringen. „Irgendwie schon...“, nuschelte der muskulöse Mann und streckte seine Arme neben sich aus. Dabei glitzerte das Dienstwappen auf seinem Hemd. „Du bist bei der Luftwaffe?“ „Oh. Ja, als Pilot. Komplette Kriegszeit als erster Einsatz und hoffentlich nicht so bald wieder.“, erklärte er und nahm das Glas erneut an. „Warst du auch bei der Armee?“ „Ja. Komplette Kriegszeit. Als Rettungssanitäter.“ „Du bist Arzt?“, fragte er überrascht. „Wohl eher eine gute Krankenschwester.“, stellte ich richtig und stützte mich auf dem Tresen auf, um ihm näher zu sein. „Nun, sag schon...“, bat ich und sah in seine Augen. Seine Lippen nahmen gerade den nächsten Schluck malzhaltige Flüssigkeit auf. „... warum bist du so niedergeschlagen wegen einer Bettgeschichte, wenn du keine Frau hast.“ Seine Augen wurden größer und er stellte das Glas ab. Er schien kurz zu hadern, zu überlegen, ob er mir sein Geheimnis anvertrauen sollte. War es so eine große Sache? Wenn er niemandem verpflichtet war, wieso nahm ihm diese kleine Spaßerei dann so mit? Er zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hosentasche, entnahm eine, reichte sie mir, die ich stumm aber dankend ablehnte und entzündete den Tabak. Zum Glück roch ich nichts und wusste somit nicht, wie verraucht dieser Raum an sich schon war. Komisch, dass er sich über mein Parfum so aufregte, aber dann rauchen konnte. Komischer Wolfsmann. „Ich liebe jemanden.“, gab er dann Antwort auf meine Frage und blies den Qualm seiner Zigarette in die Luft. „War es der andere und er liebt dich nicht?“, fragte ich, weil er nicht weitersprach und sah zu, wie er genüsslich an dem Glimmstängel zog, tief inhalierte und dann langsam den Qualm ausstieß. „Nein. Mit dem habe ich diese Liebe betrogen.“ „Moment mal.“, bat ich und kam nicht mehr mit. „Du hast keine Frau, bist verliebt in jemanden, aber das war nicht der Kerl mit dem du gevögelt hast?“ „Genau.“, bestätigte er meine Aufzählung. Doch eben das machte mich stutzig. „Wieso bedrückt dich das dann so? Weiß der andere von deiner Liebe?“, ging ich ins Verhör über. Da musste es doch noch etwas geben, um dies plausibel zu erklären. „Ja.“ „Und was ist dann sein Problem? Will er sich nicht outen und heimlich mit dir treffen bis dieser Spuk zu Ende ist? Ist er ein Mensch oder Yokai? Hat er eine Familie, die er nicht verlassen kann?“ So viele Fragen lagen mir auf der Zunge, doch sein Blick gebot mir Einhalt. „Du bist ganz schön aufgeregt, dafür, dass dies eine armselige Geschichte ist.“ „Du hast angefangen zu erzählen, nun muss ich auch das Ende kennen! Also?“ „Es wird wohl das Outing sein. Er ist verloren in einer seiner Verdrängungen.“ „Oh, der Klassiker, Hübscher! Der wird sich schon noch einkriegen!“, wedelte ich ab. Es war ja fast normal, dass es so ablief, dass das Männlein etwas brauchte, um zu verstehen, was genau es wollte. „Vielleicht findest du bis dahin jemand anderen.“ „Ich glaube nicht. Es ist wirklich hoffnungslos.“, erklärte er absolut sicher und zupfte ein gelbliches Band unter seiner Manschette hervor, in das er seinen Finger wickelte und damit herumspielte. „Ist das von ihm?“ „Ja.“ „Wie lange hast du es schon?“ „Ein Jahrtausend und ein paar Jahrhunderte.“, antworte er und mir stockte der Atem. „Wie alt bist du verdammt?“, rutschte es mir entsetzt raus. Er drückte seine Zigarette aus und sah mich verwundert an. Ich wusste ja, dass Yokai alt werden konnten, war selbst schon 350 Jahre alt, aber dies hörte sich nach einem ganz anderen Kaliber an. „Genau hab ich das nie nachgerechnet, aber es müssten so ca. um 3450 Jahre rum sein.“ „Dreiiiiiii…tausend…“, zog ich die Worte stotternd auseinander, nur um dann um so schneller nachzusetzen: „Das sieht man dir echt nicht an!“ „Danke!“, grinste er kurz und schien etwas erleichterter. Vielleicht hatte mein Gespräch ihm ja doch etwas geholfen und ihn vom Alkohol ferngehalten, auch wenn es eigentlich mein Job war, diesen AN und nicht VOM Mann zu bringen. „Aber...“, fiel mir nun wispernd auf. „... wenn du dieses Band schon so lange hast, wartest du dann schon so lange auf ihn?“ Mein Herz schlug fest an meine Rippen. Dieser hübsche Kerl wollte mir doch nicht weißmachen, dass er so lange auf seine Liebe wartete. Das klang zu sehr nach Groschenroman, die man in geheimen Ecken erwerben und des nachts im Bett lesen konnte, was zu meinen heimlichen Leidenschaften zählte. „Ja. So lange habe ich es ausgehalten.“, sagte er kurz stolz und die Trauer kehrte in seine Augen zurück, die er zum Glas senkte und seine Finger an die glatte Fläche drückte. „Bis gestern, als ich schwach wurde.“ „Hallo?!“, empörte ich mich und klatschte meine Hand neben seinem Glas auf den Tresen. „Dafür schämst du dich?! Dieser Typ sollte sich gefälligst dafür schämen, dich so lange zappeln zu lassen! Er hat dich nicht verdient, mein Hübscher! Am besten vergisst du diesen Idioten!“ Ich hatte so laut geschimpft, dass sich einige Blicke, der hinteren Reihen zu mir wandten und kurz zischten. Sie wollten nicht meiner Unterhaltung, sondern dem lieblichen Gesang lauschen. Entschuldigend sah ich zur Bühne, auf der Manolo nun saß und seine Federboa über die Schultern spielen ließ. Ich wusste wie flauschig dieser Schal war und kuschelte mich manchmal daran, um Erinnerungen an meine Kindheit aufleben zu lassen. „Da magst du recht haben.“, gestand der Wolf und schob sich dann vom Barhocker. „Danke, für das Gespräch.“ „Du gehst jetzt?“, fragte ich überrascht über seine ruhige Art zu meinem Ausbruch. „Ich habe dich hoffentlich nicht gekränkt, mein Hübscher?!“ „Yosuke.“, gab er Antwort auf meine Frage. „Nenn mich bitte Yosuke!“ „Yosuke...“, wiederholte ich seinen Namen und sah zu, wie er einen Hut und seinen Mantel entgegennahm, kurz bevor er die Bar verließ. Er sah wirklich adrett und maskulin aus. Sein Blick flog aus dem Augenwinkel zu mir, als er seinen Hut richtete und sich mit einem Nicken von mir verabschiedete. In diesem Moment hätte mein Herz nicht heftiger schlagen können und ich spürte wie meine Schulterblätter prickelnd kitzelten. Mein Instinkt war geweckt. Ich verspürte den Drang zu tanzen. Für ihn. Für Yosuke. Aber wäre ich jemals das Mittel, was ihn von seiner so lange andauernden Liebe befreien würde? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)