Wegweiser von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 11: Annäherung und Eskalation ------------------------------------- Seit dem Vorfall im Büro des Hokage hatte Sakura fast ohne Unterlass geweint. Inzwischen war es tief in der Nacht, aber sie konnte sich nicht beruhigen. Schlaflos wälzte sie sich im Bett. Die Menschen, die ihr so viel bedeuteten, konnten sich nicht für sie freuen. Im Gegenteil, sie hatten sie mit Ablehnung gestraft. Nicht nur sie, sondern vor allem Sarada, obwohl sie sie nicht einmal kannten. „Genau so etwas habe ich befürchtet“, ging ihr Kakashis Aussage durch den Kopf und es schmerzte sie so sehr. Wie konnte er so etwas Furchtbares sagen? Naruto hatte er damals zu dem bevorstehenden Nachwuchs gratuliert und sie bekam das? Plötzlich erschrak sie. Sie hatte Naruto nicht einmal nach seinem Kind gefragt! Auch wenn er komisch reagiert hatte, Sakura wollte trotzdem seinen Sohn sehen. Bisher kannte sie von diesem nicht mehr als dessen Namen, da Naruto ihn in einem Brief erwähnt hatte. Und was war das mit der Heirat von Ino und Sai? Das war ihr auch neu. Ein langer und tiefer Seufzer erfüllte den Raum. Diese Menschen bedeuteten ihr die Welt und trotz dem, was vor ein paar Stunden geschehen war, wollte sie an ihren Leben teilhaben. Offensichtlich hatte sie schon eine ganze Menge verpasst. „Schläfst du immer noch nicht?“ Sasuke kam ins Zimmer und dies genügte, um Sakura ein zartes Lächeln aufs Gesicht zurück zu zaubern. Sasuke in ihrem Zimmer! Ja, es war albern, dass sie darüber schmunzeln musste, aber ein bisschen kurios war es schon. Da die Wohnung ihrer Eltern kein Gästezimmer hatte, waren sie erst einmal in Sakuras altem Zimmer untergekommen. Ihre Mutter hatte darauf gepocht, dass Sarada die erste Nacht bei den nicht minder überraschten, aber weitaus erfreuteren Großeltern schlafen sollte. Sie waren so schnell vernarrt in ihre Enkelin, dass ihr Unmut über die Heimlichtuerei schnell verflogen war. Vielleicht würde dies auch bei den anderen helfen? „Es ist meinetwegen“, sagte Sasuke plötzlich. „Ihre Reaktionen gehen nicht gegen dich oder Sarada.“ Sakura blinzelte ihren Mann fragend an. „Wie meinst du das?“ „Sie sind mit mir nicht einverstanden. Weder als deinem Mann, noch als Saradas Vater. Es tut mir leid, Sakura, dass du das meinetwegen-“ „Sei sofort still!“, unterbrach sie ihn harsch. „So ein Unsinn! Jeder wird mit dir als meinem Mann und als Saradas Vater einverstanden sein müssen. Denn wir sind ein Ehepaar und wir sind Saradas Eltern. Jedes Problem, das man mit dir hat, hat man auch mit mir.“ Der Uchiha lächelte flüchtig, bevor er schnell wieder ernst wurde. „So einfach ist das nicht. Das war mir vorher schon klar und ich hätte dich wohl darauf vorbereiten müssen.“ „Du hast damit gerechnet, dass sie so reagieren würden?“ „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie die Neuigkeiten problemlos aufnehmen würden.“ Sakura seufzte. „Du siehst fast immer alles schwarz, wenn es um dich geht.“ „Wenn du keine Bedenken gehabt hättest, hättest du es ihnen längst geschrieben.“ Betrübt senkte die Kunoichi ihren Blick. „Das ist … leider wahr. Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion. Davor, dass sie denken, ich wäre unverantwortlich und mir nicht bewusst, was ich tue, sondern dir nur hinterherlaufe, als wäre ich noch zwölf Jahre alt.“ Sasuke schüttelte sacht den Kopf. „Sie hätten dich nicht gehen lassen, wenn sie das von dir denken würden.“ „Du hast das von mir gedacht“, bemerkte sie verschmitzt. „Ja, aber ich bin ein Idiot. Das haben wir doch längst festgestellt.“ Bei seiner launigen Antwort hob sich die Stimmung der jungen Frau wieder ein wenig. „Anstatt so überzureagieren, hätten wir mit ihnen reden sollen, oder?“ „Hätten wir.“ „Wir sind beide Idioten.“ Ein Klopfen an der Haustüre unterbrach jäh ihr Gespräch und ließ sie aufhorchen. Besuch? Mitten in der Nacht? Sie hörten, wie die Wohnungstür geöffnet wurde und ein leises Gespräch stattfand. „Sakura!“, brüllte Frau Haruno, bevor sie sich daran erinnerte, ein schlafendes Baby im Haus zu haben. Kurz darauf klopfte es sanft gegen die Zimmertür. „Äh, ja?“, bat Sakura irritiert herein und Sasuke beäugte argwöhnisch den Zimmereingang. Ein blonder Haarschopf zwängte sich durch den Türspalt. „Seid ihr angezogen?“ Naruto hielt sich die Augen zu, als er die Tür weiter öffnete. „Was denkst du denn bitte??“ Sakura warf ein Buch von ihrem Nachttisch nach ihrem Kameraden, der seine Augen gerade rechtzeitig öffnete, um haarscharf ausweichen zu können. „Hey, ich wollte doch nur höflich sein, echt jetzt!“ „Naruto“, sagte Sasuke streng, „was willst du um diese Uhrzeit hier?“ Betreten grinste der Angesprochene und kratzte sich nervös am Hinterkopf. „Na ja, so wie das heute gelaufen ist … ich konnte nicht schlafen. Und Hinata sagte, ich mache sie und Boruto nervös, also kam ich her.“ Das Grinsen verflüchtigte sich und er wurde ernst. „Ihr habt uns alle total überrumpelt. Ist doch klar, dass wir da einen Moment brauchen. Keiner von uns hat das böse gemeint. Ich freue mich so für euch, echt jetzt! Ich meine, das ist der Wahnsinn! Ich würde eure Tochter total gerne sehen!“ Wenn Sakura sich auf eines in der Welt verlassen konnte, dann darauf, dass Naruto eine ehrliche Seele war. Seine Worte lüfteten einen Teil der Trauer, die sich über sie gelegt hatte. Sie wusste augenblicklich, dass es Sasuke ähnlich ging, als sich ihre Blicke trafen. „Du Idiot“, kritisierte Sasuke ihn allerdings. „Schrei hier nicht so herum. Sarada schläft gerade.“ „Sarada?“ Naruto strahlte wieder über das ganze Gesicht. „Ist das ihr Name?“ „Mmm-hmm“, antwortete Sakura erfreut und stand aus ihrem Bett auf. Zum Glück trug sie heute keinen peinlichen Pyjama, sondern einen recht langweiligen einfarbigen. Wer hätte auch damit rechnen können, dass ihr ehemaliges Genin-Team sich nachts in ihrem Zimmer versammelte? „Wenn wir leise sind, können wir zu ihr.“ Auf leisen Sohlen schlichen die drei zu Sarada, die seelenruhig in ihrem (beziehungsweise Sakuras altem) Kinderbettchen im Zimmer der Großeltern schlief. Die waren durch die Aufregung eh wieder aufgestanden und machten sich in der Küche Tee. „Oooh“, sagte Naruto enttäuscht und Sakura warf ihm einen bösen Blick zu. War war denn nun schon wieder? „Sie hat keine rosafarbenen Haare“, erklärte der Blondschopf weiter und Sakuras böser Blick wurde unverzüglich zu einem erstaunten. „Und das ist ein Problem?“ „Nicht direkt, aber deine Haare sind doch viel schöner als die von dem da.“ „Hn.“ Sakura kicherte. Ja, das war ihr Genin-Team. Nur etwas älter. „Sie sieht so klein aus“, wunderte sich Naruto. „Sie kam etwas zu früh“, antwortete die junge Mutter, „aber sie ist gesund.“ „Das ist gut. Sie ist wirklich wunderhübsch. Sie kommt wohl nach dir, Sakura.“ „Das sagst du nur, um mich zu ärgern, oder?“, entgegnete Sasuke. „Benehmt euch“, warnte die Kunoichi im Scherz. „Morgen bringt ihr sie mit zu mir nach Hause, ja? Dann trifft sie ihren zukünftigen Rivalen.“ Der Uchiha schnaufte verächtlich. „Pah, wie kindisch. Es ist doch wohl mehr als offensichtlich, dass Sarada Boruto jetzt schon meilenweit überlegen ist.“ Ja, ihr Genin-Team. Nachts um halb vier. In der Wohnung ihrer Eltern. Vermutlich wäre der peinliche Pyjama nicht einmal weiter aufgefallen.   Während Sakura sich dank Narutos nächtlichem Erscheinen hatte beruhigen können und ein wenig Schlaf nachholte und ihre Eltern auf Sarada aufpassten, machte Sasuke sich direkt am frühen Morgen auf den Weg in das Büro des Hokage. Obwohl es Winter war und daher zum einen noch dunkel draußen und zum anderen weniger auf den Straßen los war als in den wärmeren Monaten, vermied Sasuke die Hauptstraße und lief durch schmale Hintergassen und über die Dächer der Häuser. Immer wenn er im Dorf war, hatte er dieses seltsame Gefühl. Dies war seine Heimat und gleichzeitig war sie es nicht mehr. Außerhalb der Tore Konohas hatte er so langsam gelernt, auszublenden, was geschehen war. Ihm war mehr als bewusst, dass dies hauptsächlich Sakuras (und seit neustem auch Saradas) Verdienst war, denn wenn er sich auf diese beiden konzentrieren konnte, dann war er in der Lage, im Hier und Jetzt zu leben und nicht mit der Vergangenheit zu hadern. Wieder in Konoha zu sein, erinnerte ihn jedoch schmerzlich daran, warum er überhaupt nun außerhalb der Tore lebte. Sasuke schüttelte den Kopf. Diese Gedanken führten zu nichts. Er musste sich auf das konzentrieren, weswegen er gerade unterwegs war. War Konoha wirklich ein sicherer Ort? Der Putschversuch durch die Ne beschäftigte ihn. Putschversuch. In seinem Innern zog sich alles zusammen. Vor den Mauern, die den Innenhof zum Hokagegebäude umgaben, blieb er stehen und sah zum Himmel hinauf, der langsam heller wurde. Reicht es, das Dorf von außen zu beschützen, wenn auch von innen Gefahr drohen kann? Was soll ich tun, Itachi? Ohne großartig Anlauf zu nehmen, lief Sasuke die Mauer hoch und schließlich auf ihr entlang, bis er das Gebäude erreicht hatte. Mit einem großen Satz sprang er zu dem Bauwerk über und in eines der offenen Fenster hinein, denn Vordertüren hatten die gleichen Nachteile wie Hauptstraßen: Die meisten Leute benutzten eben diese. Er hatte ebenso überlegt, das Gebäude gar nicht zu betreten, aber wenn er vor dem Fenster des Hokagezimmers herumlungerte, war das den Anbu-Wachen vielleicht zu suspekt. So entschied er sich, zumindest das Büro durch dessen Tür zu betreten. Er ermahnte sich sogar dazu, anzuklopfen statt einfach reinzuplatzen. Auf Kakashis „Herein“ öffnete der Uchiha die Tür und betrat den Raum, nicht schlecht staunend, Sai dermaßen früh dort anzutreffen. „Störe ich?“ Sasuke war sich nur halb bewusst, dass er so schlecht gelaunt klang, als wäre er derjenige, der gestört wurde. „Oh? Mit dir habe ich nicht gerechnet. Guten Morgen. Komm ruhig rein“ Kakashi lächelte sein typisches Lächeln und es ärgerte den dunkelhaarigen Shinobi. Er hatte nicht vergessen, wie der Hokage am Vortag auf seine Tochter reagiert hatte. „Guten Morgen, Sasuke“, wandte sich Sai freundlich an ihn und der Angesprochene unterdrückte ein Augenrollen. Noch so ein Lächeln-auf-Abruf war doch ein bisschen viel auf einmal. Ohne den Gruß zu erwidern, fiel Sasuke mit der Tür ins Haus. „Ich wollte mit dir über diesen Putsch sprechen.“ „So?“ Kakashi lehnte sich erwartungsvoll in seinem Stuhl zurück. „Was willst du wissen?“ „Alles.“ Seine knappe Antwort erregte Sais Unmut. „Verstehe mich bitte nicht falsch, aber das ist eine interne Angelegenheit.“ „Ich habe den Hokage gefragt“, entgegnete Sasuke kühl. „Nicht dich.“ Die eisiger werdende Atmosphäre rasch bemerkend, fragte Kakashi sich, ob die zwei jemals ein zivilisiertes Verhältnis zueinander haben würden. Wieso herrschte immer gleich so viel Anspannung zwischen ihnen? „Immer langsam, ja? Sasuke kann auf den neusten Stand gebracht werden. Da spricht nichts dagegen. Als Einsatzleiter in diesem Fall kann Sai dir deine Fragen wahrscheinlich am besten beantworten.“ Mit ungläubigem Blick starrte Sasuke zu dem Hokage. „Wieso ist er ein Einsatzleiter?“ „Weil ich bei der Polizei bin“, antwortete Sai und ahnte nicht, dass er damit noch mehr von Sasukes Unmut auf sich zog. „Ist das dein Ernst?“, wandte sich der Uchiha empört wieder an den Sechsten. Ausgerechnet dieser Kerl war bei der Polizei von Konoha?! Das musste ein schlechter Scherz sein. Innerlich seufzend, bejahte Kakashi die Frage. „Sai ist ein hervorragender Shinobi und bestens für die Stelle geeignet.“ „Er gehörte zu der Ne.“ Sai stutzte heftigst, als er diese vorwurfsvolle Aussage hörte. „Was hat das damit zu tun?“ „Du überträgst einem ehemaligen Ne-Mitglied einen Fall, bei dem ehemalige Ne-Mitglieder versucht haben, Konoha unter ihre Kontrolle zu bringen?“ „Sai hatte damit ni-“ „Stellst du die Entscheidungen des Sechsten in Frage?“, warf Sai erbost ein. „Anscheinend ist hier sonst niemand dazu in der Lage.“ „Jungs, beruhigt euch bi-“ „Das kommt ausgerechnet von dir? Du willst in Konoha etwas zu sagen haben? Du wolltest Konoha zerstören und die Kage töten!“ „Das hat hiermit nichts zu tun!“ „Merkst du gar nicht, was für eine ekelhafte Doppelmoral du an den Tag legst?“ „Hältst du dich für moralisch überleg-ah!“ Sasuke spürte einen plötzlichen Schmerz in seinem linken Bein. Ruckartig schnellte sein Blick zu der schmerzenden Stelle hinunter. Pakkun hatte sich in seine Wade verbissen. „Ifft jefft Ruhe?“, beschwerte der Mops sich, ehe er von dem Uchiha abließ. „Da will man morgens noch ein bisschen was schlafen, während man den Hokage bewacht und dann macht ihr so einen Krach.“ „Gut, dass du dich nie in Widersprüche verstrickst, Pakkun.“ Sichtlich amüsiert beobachtete Kakashi seinen Ninken, wie er wieder hinter den Schreibtisch tappste und sich erneut hinlegte. „Ich sehe schon, die Anstrengung, dich heute Morgen zu rufen, hat sich bezahlt gemacht. Ich hätte euch ansonsten ja liebend gerne elektrisch geschockt, aber so etwas erlaubt mir Tsunade leider noch nicht.“ „Hn.“ Sasuke schüttelte verärgert sein Bein. „Wie konnte es überhaupt zu einem Putsch kommen? Waren euch die verbliebenen Ne-Mitglieder nicht bekannt? Warum liefen die frei in Konoha herum?“ „Wir hatten ihnen eine Chance auf einen Neuanfang in Konoha geben wollen, daher haben wir die, die uns bekannt waren, nicht verfolgt. Der Großteil der Ne ist uns allerdings auch unbekannt“, antwortete Kakashi und war damit derjenige, der nun Sasukes Unmut abbekam. „Das ist ein Witz, oder?“ „Nur weil sie einmal zu der Ne gehörten, sind sie nicht automatisch Verbrecher“, warf Sai mit wachsender Entrüstung ein und ließ den Hokage ein weiteres Mal innerlich seufzen. Wie schaffte Sasuke es nur, selbst einen ruhigen und beherrschten Jungen wie Sai zum Ausrasten zu bringen? „Kakashi!“ Der Uchiha ignorierte den anderen dunkelhaarigen Mann und fuhr den Sechsten geradezu an. „Wenn du nicht hart genug in Konoha durchgreifst, wird es immer wieder Aufrührer geben, die nicht mit deiner Linie einverstanden sind! Wenn du das nicht schaffst, machst du die gleichen Fehler wie der Dritte und dann wird Konoha kein sicherer Ort sein!“ „Hör auf dem Hokage zu sagen, was er tun soll! Was nimmst du dir eigentlich heraus?!“ „Seid sofort still! Alle beide!“ Kakashi hasste es, laut werden zu müssen. So etwas Anstrengendes am frühen Morgen. Hätten die beiden sich nicht in die Haare kriegen können, als Tsunade noch für ihn die Vertretung übernommen hatte? „Ihr geht jetzt beide raus und kühlt eure Gemüter ab. Aber geht bloß in verschiedene Richtungen. Ich will nicht hören, dass ihr euch auf der Straße prügelt, verstanden?“ Sichtlich angesäuert schluckte Sasuke seinen Ärger hinunter und rauschte zur Tür hinaus. „Dieser Job ist echt anstrengend“, grummelte Pakkun unter dem Schreibtisch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)