Wayward Son von Morwen (Dean x Sam) ================================================================================ Kapitel 6: The Night -------------------- „Bevor du fährst, kann ich dich noch um etwas bitten?“ „Natürlich! Alles, was du brauchst.“ „Finde ein gutes Zuhause für ihn, ja? Die besten Menschen, die man sich wünschen kann.“ „Ich werde tun, was ich kann. Versprochen.“ „Danke. Und bitte... bitte sorg dafür, dass jemand ein Auge auf ihn hat. Jemand, der mit diesem Leben vertraut ist und der ihn vor den Kreaturen schützen kann, die in der Dunkelheit lauern.“ „Ich denke, ich kenne genau den richtigen Mann für diese Aufgabe. Vertrau mir. ... Was ist mit Dean?“ „Er macht mir Sorgen. Er isst seit Tagen kaum etwas und er spricht immer noch nicht.“ „Er ist schwer traumatisiert und braucht Zeit – braucht dich – um die Ereignisse zu verarbeiten. Und wenn er jetzt auch noch seinen Bruder verliert–“ „Ich weiß. Aber er ist jung; er wird es überleben. Und er wird vieles vergessen, je älter er wird.“ „Vieles, ja, aber nicht Sam. Niemals Sam.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ „Weil ich es gesehen habe. Was auch immer du tust, John Winchester, du wirst deine Jungs nicht auf Dauer voneinander fernhalten können. Sie werden sich wiederfinden, wenn nicht in diesem Leben, dann im nächsten...“     ~*~     Der nächste Schultag war ähnlich nervenaufreibend, wie der letzte. Das lag zum einen an den wissenden Blicken, die Jessica ihm bei jeder Gelegenheit im Unterricht zuwarf, und zum anderen an Sams Aufregung und Vorfreude bei dem Gedanken, in wenigen Stunden Dean wiederzusehen. Nicht nur war er nervös, weil er es kaum erwarten konnte, ihm zu erzählen, was er in der Zwischenzeit erlebt hatte – er war von einer gottverdammten Werkatze angegriffen worden und allein daran zu denken fühlte sich unwirklich an – sondern auch, weil Dean ihm schlichtweg gefehlt hatte. Es war eigenartig. Sie kannten sich kaum lange genug, dass Sam ihn guten Gewissens als Freund bezeichnen konnte, und doch hatte er zugleich das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Wenn sie zusammen waren, ging ihnen nie der Gesprächsstoff aus, und Dean brachte ihn zum Lachen, wie kaum ein anderer. Es war, als hätte das Schicksal sie zusammengeführt. Und Sam hatte vor, die gemeinsame Zeit, die ihnen gegeben war, bis zum nächsten unweigerlichen Abschied zu nutzen. Zu seiner großen Erleichterung löcherte ihn Jessica dieses Mal während der Pause nicht mit Fragen, sondern erkundigte sich nach den Details des SAT, den er geschrieben hatte, und für dessen nächsten Termin sie selbst gerade eifrig lernte. „Wer weiß“, sagte sie, „am Ende werden wir beide in Stanford genommen. Dann könnten wir eine WG gründen und uns jeden Tag gegenseitig mit Gesetzestexten nerven!“ „Na jaaa...“, sagte Sam und grinste. „Vielleicht auch lieber nicht. Das klingt nach Blut.“ Jessica lachte auf. „Okay, ja, vermutlich hast du Recht. Nach spätestens zwei Wochen würde einer von uns kapitulieren und wieder ausziehen.“ Tatsächlich war eine WG mit Jessica etwas, was Sam sich gut vorstellen konnte, denn auf freundschaftlicher Ebene kamen sie problemlos miteinander aus. Doch Stanford lag noch in ferner Zukunft, und nach den letzten zwei Tagen war sich Sam nicht mehr ganz sicher, ob sein Leben überhaupt weiterhin in normalen Bahnen verlaufen würde.   Das erste, was Dotty ihm mitteilte, als er nach der Schule seine Schicht im Diner antrat, war, dass ihm jemand per Telefon eine Nachricht hinterlassen hatte. „Ein gewisser Winchester hat versucht, dich zu erreichen“, erzählte sie, als Sam seinen Rucksack in sein Schließfach schob und in seine Arbeitskleidung schlüpfte. „Er meinte, es könnte später werden.“ Sam sah sie aufmerksam an. „Hat er noch mehr gesagt?“ Doch Dotty schüttelte den Kopf. „Das war alles, tut mir leid. Er klang sehr angespannt und hat kurz danach wieder aufgelegt.“ „Hmm“, machte Sam. Das klang besorgniserregend. War Dean auf Probleme gestoßen? Hatte er sich verletzt? Und was genau hieß „später“? Würde er noch vor Mitternacht zurückkehren...? Diese und weitere Fragen sollten ihn für die nächsten Stunden beschäftigen, was sich auch auf seine Arbeitsleistung auswirkte. Er erledigte seine täglichen Aufgaben wie ein Traumwandler: so mechanisch und in Gedanken versunken, dass ihm sogar kleinere Fehler unterliefen, die den Unmut der Gäste hervorriefen. Als Dotty, der seine Zerstreutheit nicht entging, schließlich genug hatte und ihn stirnrunzelnd fragte, wo um alles in der Welt er an diesem Tag seinen Kopf gelassen hatte, entschuldigte sich Sam beschämt und konzentrierte sich danach wieder voll auf seine Arbeit. Was auch immer Dean zugestoßen war, Sam war in keiner Position, in der er ihm helfen konnte, und er musste schlichtweg darauf vertrauen, dass Dean sicher nach Sioux Falls zurückkehren würde. Die Stunden vergingen. Zur Dinnerzeit herrschte reger Betrieb und Sam und sein Kollege, ein junger Student namens Simon, der später dazustieß, hatten alle Hände voll zu tun, um die Gäste zufriedenzustellen. Sam hatte so viel zu tun, dass er zwischendurch sogar für eine Weile mal nicht an Dean dachte, und erst als sich das Diner wieder spürbar gelehrt hatte, fiel ihm wieder ein, dass er ja immer noch eine Verabredung hatte. Neue Gäste kamen, andere bezahlten und gingen wieder. Mit der Zeit gingen mehr, als dass neue dazukamen, und schließlich schickte Simon ihn nach Hause. „Geh schon, Sam“, sagte er. „Den Rest schaffe ich auch allein.“ Sam warf einen zweifelnden Blick hinüber zur Tür, in der Hoffnung, sie würde sich im nächsten Moment öffnen und Dean würde mit einem Lächeln eintreten, so wie er es bei ihrem ersten Treffen getan hatte. Doch niemand kam. Sam seufzte. „Na schön“, sagte er. „Dann mache ich mich auf den Weg. Und hey, Simon?“ „Ja?“ Simon rückte mit dem Finger seine Brillengläser auf der Nase zurecht und sah ihn aufmerksam an. Sam zögerte kurz „... sollte jemand nach mir fragen, sag ihm, ich bin zu Hause. Er wird Bescheid wissen.“ „Alles klar.“ Simon nickte. „Gute Nacht, Sam!“ „Gute Nacht.“ Sam verließ das Diner keine fünf Minuten später und überlegte kurz, ob er auf dem Parkplatz weiter auf Dean warten sollte. Doch die Nacht war kalt und er hatte keine Ahnung, wie lange es noch dauern würde, also trat er schließlich schweren Herzens den Heimweg an.   Es war kurz vor Mitternacht und Sam hatte sich gerade ins Bett gelegt und die Augen geschlossen, als er vom Fenster her ein leises Klicken hörte. Sofort war er wieder hellwach und setzte sich kerzengerade im Bett auf. Das Klicken wiederholte sich, dieses Mal lauter, und jetzt erkannte Sam auch, was es war. Jemand warf von draußen kleine Steinchen gegen die Scheibe. „Dean!“, sagte er atemlos. Sofort war er auf den Beinen und hatte die Vorhänge zurückgeschoben. Und tatsächlich – im Baum vor seinem Fenster saß Dean, verborgen zwischen den gelb-roten Herbstblättern, und winkte ihm zu. „Bist du wahnsinnig?!“, flüsterte Sam, nachdem er das Fenster geöffnet und ihn in sein Zimmer gelassen hatte. „Wenn meine Eltern dich erwischen...!“ „Dann sollten wir wohl leiser sein, hm?“, raunte Dean und trat an ihn heran, um sein Gesicht in die Hände zu nehmen. Er wollte ihn gerade küssen, als sein Blick auf den Verband an Sams Oberarm fiel. „Sam, was ist passiert?“, fragte er besorgt und strich vorsichtig mit den Fingerkuppen über seine rechte Schulter. „Cathy“, erwiderte Sam leise mit Blick auf seinen Arm. „Ich war unvorsichtig und habe nicht aufgepasst, als ich Emily gefolgt bin. Cathy wollte ihre Schwester lediglich beschützen.“ Er hob den Kopf. „Wir hatten Recht mit unserer Werkatzentheorie, Dean. Sie war riesig, mindestens so groß wie ein Puma. Wenn sie gewollt hätte, hätte sie mich problemlos töten können.“ „Sam...“ Ein unerwartet schmerzvoller Ausdruck trat auf Deans Gesicht und Sam blinzelte überrascht, als der andere Mann ihn in die Arme zog. „Es tut mir leid“, murmelte Dean an seinem Ohr. „Ich hätte dich nie allein losschicken sollen, das war leichtsinnig von mir. Du hast keine Erfahrung mit diesen Dingen, und wenn du gestorben wärst–“ „Hey, nein, hör auf damit“, erwiderte Sam und fuhr mit den Fingern sanft durch Deans Haare. „Ich bin kein Jäger, das ist wahr. Aber ich kann meinen Teil leisten. Und ich kenne meine Grenzen.“ Dean löste sich wieder von ihm und sah ihn an. „Das mag sein, aber dennoch. Von jetzt an arbeiten wir zusammen weiter an diesem Fall, okay? Ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustoßen sollte.“ „... na gut“, sagte Sam. Zuzusagen fiel ihm nicht schwer, weil er die Zusammenarbeit mit Dean immer am meisten genossen hatte. Er lächelte schwach. „Wenn man dich so reden hört, könnte man fast meinen, dass du mich magst.“ Dean hob amüsiert eine Augenbraue. „Ich halte das für eine gewagte These“, entgegnete er. Sam lachte leise. „Lügner.“ Dann lehnte er sich vor und küsste ihn, und als Dean die Hände in seinen Haaren vergrub und begann, seine Zunge in ein sinnliches Spiel zu verwickeln, wusste Sam, dass er seine Antwort hatte.   „Ich wurde leider aufgehalten“, sagte Dean, als sie eine Viertelstunde später nebeneinander auf Sams Bett saßen. „Ms. Connelly brauchte ärztliche Versorgung, als ich sie heute Morgen fand. Ihr Mann hatte sie letzte Woche im Bad eingesperrt, um sie daran zu hindern, ihm zu folgen und ihre Töchter vor ihm zu warnen. Sie war sehr schwach und abgemagert.“ Er drehte das Gesicht zur Seite und sah Sam an. „Sie sind alle Werkatzen, Sam, die ganze Familie. Das hat sie mir im Krankenhaus gestanden. Sie hätte allerdings nie gedacht, dass ihr neuer Mann versuchen würde, ihre Töchter umzubringen...“ „Es ist unter Löwen nicht unüblich, die Nachkommen des Vorgängers zu töten“, überlegte Sam. „Das würde erklären, wieso er ihnen auf der Spur ist.“ Dean starrte ihn einen Moment lang an. „Guckst du oft Tierdokus?“ Sam spürte, wie er rot wurde. „Ich lese viel.“ „Nerd.“ „Halt die Klappe“, erwiderte Sam voller Zuneigung. Dean machte nur eine rüde Geste, dann gähnte er. Nicht zum ersten Mal fielen Sam die tiefen Ringe unter seinen Augen auf, und ihm wurde plötzlich bewusst, dass Dean seit ihrem letzten Treffen vermutlich keine Minute geschlafen hatte. „Wie viele Tassen Kaffee hast du seit gestern getrunken?“, fragte er leise. Dean kratzte sich am Hinterkopf. „Um ehrlich zu sein habe ich nach elf Tassen aufgehört zu zählen.“ „Elf Tassen!“, stieß Sam hervor. „Bist du wahnsinnig?!“ „Kaffee ist der Treibstoff aller Jäger, Sam. Kaffee und Bier.“ „Klingt nach einem gesunden Leben“, meinte Sam trocken. „Jäger müssen nicht gesund leben, sie müssen nur funktionieren“, entgegnete Dean und gähnte erneut, und wow, Sam lernte jeden Tag neue, deprimierende Dinge über ihn. „Bleib hier“, sagte er plötzlich und klopfte mit der flachen Hand auf die Matratze. „Meine Eltern betreten mein Zimmer nie vor dem Frühstück, also falls du eine Schlafgelegenheit brauchst...“ Dean war genauso überrascht über sein Angebot, wie Sam selbst, und warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Sam, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“ Sam verdrehte die Augen. „Ich will dir nicht an die Wäsche, keine Sorge. Aber du siehst aus, als würdest du gleich im Sitzen einschlafen, und ich dachte, ich tue dir einen Gefallen.“ Dean kämpfte für einen Moment sichtlich mit sich selbst, doch schließlich seufzte er auf. „Ich gebe zu, meine Motivation, mir diese Nacht noch ein Motelzimmer zu suchen, ist nicht besonders groß...“ Sams Herz klopfte schneller. „Ist das ein ja?“ „Kann man zu deinem Hundeblick denn überhaupt nein sagen, Sam?“, erwiderte Dean und tippte Sam genau zwischen die Augen auf die Nasenwurzel. „Der ist echt kriminell.“ Dann streifte er seine Schuhe ab und zog sich bis auf sein Shirt und seine Boxershorts aus. „Aber ich bin das große Löffelchen, nur damit das klar ist“, verkündete er, während er es sich auf Sams Bett gemütlich machte. Sam schnaubte leise. „Du bist nicht so viel größer als ich.“ „Es ist ein Prinzipien-Ding“, sagte Dean. Dann breitete er einladend die Arme aus. „Jetzt komm schon her.“ Sam ließ sich nicht lange bitten. Er kletterte zu Dean unter die Decke und ließ sich von ihm an seinen Körper ziehen. „Das ist... nett“, stellte er fest, als Dean seinen Arm um ihn legte, und seine Stirn an seinen Hinterkopf schmiegte. Es war anders als mit Jessica damals; Deans Körper war muskulöser und härter und hatte mehr Ecken und Kanten. Aber es war nicht unbequem. Nur eben anders. „Bitte sag mir, was für ein fantastisches Löffelchen ich bin, wenn ich wieder wacher bin, okay?“, murmelte Dean und gähnte. „Jetzt schlaf, Sam.“ Sam lächelte. „Gute Nacht, Dean.“ „Mmh“, machte Dean nur und Sam spürte, wie er die Lippen auf seinen Nacken presste. Dann wurde er still und wenige Minuten später war sein Atem tiefer und gleichmäßiger geworden. Doch selbst im Schlaf lag seine Hand noch immer beschützend über Sams Herz. Sam lächelte und legte seine Finger auf die von Dean. Dann schloss auch er die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)