The Decisions of Tomorrow von Refaye (the first duty of love is to listen) ================================================================================ Kapitel 4: Enemy ---------------- Kapitel 4: Enemy Träge fixierte Harry den Abendhimmel, der sich zwischen verhangenen Wolken hinter schwebenden Kerzenleuchtern an der Decke abzeichnete. Er versuchte, seine Augen offen zu halten, doch immer wieder fielen sie zu, als wenn eine Last auf ihnen liegen würde. Mit einem schwerfälligen Blick schaute er sich langsam in der großen Halle um. Die Zugfahrt hierher war wie im Flug vorbei gewesen und mit Etwas war er sich ganz sicher. Er würde nichts lieber tun als die Empfangszeremonie schnell hinter sich zu bringen und möglichst unauffällig in den Schlafsaal flüchten. Es war immer dasselbe. Jede Nacht. Er träumte. Er träumte von Ausschnitten aus seinem Leben. Oft waren es Situationen, die Harry am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis verbannen wollte. Das Gespräch mit Ginny auf dem Bahngleis gehörte wahrscheinlich nun auch dazu. Harry hatte ihr versucht zu erklären, dass er eine Pause von ihrer Beziehung wolle, um zu sehen was für eine Person er eigentlich ohne die Rolle des Helden war. Und als er an ihre mit Tränen gefüllten rehbraunen Augen dachte, musste er sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass dies so richtig war. Es brachte nichts, eine Beziehung mit Ginny zu führen, wenn er nicht einmal mit sich selbst klar kam. Harry seufzte und strich sich geistesabwesend durch die Haare. Vielleicht konnten sie ja zu einem späteren Zeitpunkt erneut ausgehen. Er fühlte sich kraftlos und unmotiviert. Auch Hermines Begeisterung für die anstehenden Prüfungen, welche sie ihm nur allzu im Detail auf der Zugfahrt nach Hogwarts erklärt hatte, schien ihn nicht wachzuhalten. Und dennoch, jetzt da er endlich hier war, fiel ihm doch etwas auf. Er war nicht da. Malfoy fehlte und fast fand Harry es schade, dass er sich nicht mit ihm streiten konnte wie in den vergangenen Jahren. »Das hätte mich wenigstens wach gehalten.«, murmelte er. »Was hast du gesagt?« Hermine lächelte ihn an. Sie saßen an ihrem gewohnten Platz am Gryffindortisch und es wurden gerade nach und nach die neuen Erstklässler eingeschult.   »Schon gut.«, murmelte Harry. Sie betrachtete ihn nachdenklich und wandte dann ihren Kopf erneut der Einschulungszeremonie zu. Harry schlürfte kurz an seinem Kürbissaft und fragte sich, ob es das Richtige war, hierher zurückzukommen. Doch als ihm das Getränk die Kehle runter rann, war er einfach froh und genoss es. Jetzt war er nun einmal hier, also konnte er auch das Beste aus ihrer Situation machen. Dennoch waren nur in etwa ein Drittel der Schüler seines Jahrgangs zurückgekommen und man merkte deutlich, dass die Vergangenheit noch im Unterbewusstsein der Menschen mitschwang. Harrys Blick wanderte zu der großen Eingangstür und erwartete irgendwie, dass sein Erzfeind mit trotzigem Blick und wehendem Umhang durch die Tür kam und Ron ihm einen abfälligen Kommentar zuflüstern würde. Doch als sich die Tür tatsächlich zu Harrys Erstaunen öffnete, war es nicht Malfoy, der hindurch eilte. Blaise Zabini hastete durch die große Halle und Harry sah, dass er sich kurz umschaute, als würde er jemanden suchen. Bis er innehielt und mit schnellen Schritten auf McGonagall zuschritt. Er beugte sich kurz über den Lehrertisch und schien ihr etwas in ihr Ohr zu flüstern. Harry konnte beobachten, wie sich ihre Stirn in Falten legte. Dennoch sah sie schließlich den Slytherin verstehend an und nickte. Ob das etwas mit Malfoy zutun hatte? Was heckte er wohl wieder aus? Er ließ seinen Blick über den Lehrertisch streifen. Er sah Professor Sprout und Professor Flitwick, die eng beisammen saßen und über etwas zu lachen schienen. Professor Slughorn beschäftigte sich angestrengt mit seiner Taschenuhr. Der Platz neben ihm war leer und Hagrid, der mit seiner Statur sowieso zwei Plätze für sich beanspruchte, unterhielt sich mit einem etwas angestrengtem Gesichtsausdruck mit Professor Trelawney, die seufzend auf ihn einredete. Hagrid, der offenbar Ablenkung von seinem Gespräch suchte, kreuzte Harrys Blick und er lächelte ihn grinsend an, um auf seine nonverbale Frage zu antworten. Hagrid durfte also wieder unterrichten. Das war toll. Der Wildhüter ist in dieser Rolle so aufgegangen und trotzdem war Harry insgeheim ganz froh, dass er das Fach dieses Jahr nicht hatte. Konnte er sich nur zu gut an die knallrümpfigen Kröter erinnern. Er musste seine Abschlussprüfungen in den Fächern Verwandlung, Zauberkunst, Zaubertränke, Wahrsagen und Verteidigung gegen die dunklen Künste ablegen. Wie ein Mantra hatte Hermine das immer und immer wieder auf der kompletten Fahrt wiederholt. Sein Blick glitt zu dem leeren Platz am Lehrertisch. Wer würde dieses Jahr wohl dieses Fach unterrichten? Schließlich lag irgendwo ein Fluch darauf. Kein Lehrer hatte es bisher mehr als ein Schuljahr ausgehalten.   Aus diversen Gründen wohlgemerkt. »Kein Wunder, dass das Frettchen nicht hier ist.«, hörte Harry die Stimme seines besten Freundes neben ihm. Ron hielt die heutige Ausgabe des Tagespropheten in der Hand und graue Augen blickten ihm entgegen. »Gib das mal her!«, fuhr er Ron an, welcher ihm schulterzuckend die Zeitung aushändigte.   »Wundert mich nicht, dass er sich nicht mehr her traut.«, sagte Ron. Harry griff nach dem Tagespropheten und sah sich das Titelblatt an.     Todesser freigesprochen. Plant er nun Rache für seine Familie?     Der Sohn der bekannten Todesser-Familie und Anhänger von dem, dessen Name nicht genannt werden darf, Mr. Draco Malfoy, trägt seinen Namen immer noch voller Stolz. Nachdem er durch die Aussage von niemand Geringerem als unserem Retter, Mr. Harry Potter, freigesprochen wurde. Harrys Blick zuckte auf eine kleine Randnotiz, auf der vermerkt war, dass die genauen Umstände in diesem Fall noch vom Ministerium geprüft wurden. Er verdrehte die Augen.   Und dennoch stellt sich die Frage, schaut Mr. Malfoy untätig dabei zu, wie seine Familie sterben wird? Er selbst wollte in einem Interview keine Fragen beantworten und dennoch soll er sich, so Zeugen, offen gegen den, dessen Name nicht genannt werden darf aussprechen.   Noch gestern berichteten Augenzeugen, dass der junge Malfoy versucht hatte, im bekannten Wirtshaus Zum Tropfenden Kessel zu randalieren. Das Ministerium äußerte sich zu den Umständen und gab bekannt, dass Lucius Malfoy, der Vater des Jungen und bekannter Todesser, wahrscheinlich in den nächsten Wochen den Kuss des Dementors erhalten wird. Wie wird sich das weiter entwickeln? Lesen Sie mehr auf Seite 14.   Rita Kimkorn Harry wusste nicht so ganz wohin mit seinen Gedanken. Sein Blick huschte an den Slytherin-Tisch und er versuchte Zabini ausfindig zu machen, doch bevor er ihn finden konnte, trat McGonagall vor die Schüler und räusperte sich laut. Ihr faltenreiches Gesicht tauchte sich in ein warmes Lächeln. »Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts. Ich bin froh, sie alle wohlbehalten nach den jüngsten Ereignissen hier wieder begrüßen zu dürfen.« Harry meinte ein kurzes Zucken an ihrem Mundwinkel erkennen zu können. Als würde sie sich unglaublich anstrengen müssen, bei diesem Thema eine freundliche Miene aufzusetzen. »Bitte bedenkt, dass durch die diversen Wiederaufbaumaßnahmen die Schule über die Weihnachtsferien leider nicht geöffnet sein wird.« Ein Murmeln ging durch die Reihen der vier Haustische. »Ich habe eine Bitte an euch.«, fuhr sie fort und holte tief Luft. »Nimmt dieses Jahr - und das gilt insbesondere für die Abschlussklassen -« Ihr Blick fiel auf Harry »als Chance und versucht Streitigkeiten, besonders zwischen den Häusern, beizulegen. Der Kampf ist vorbei. Es wird Zeit, dass Sie nach Vorne blicken und sich Mühe geben für ein anderes Leben zu arbeiten, womit Sie hiermit die beste Gelegenheit haben.« Sie atmete kurz ein. »Des weiteren möchte ich noch einmal nachdrücklich erwähnen, dass der verbotene Wald-« Weiter hörte er ihr nicht mehr zu. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Ron, der mit großen Augen auf seinen Stundenplan starrte. »Doppelstunde Zaubertränke mit den Slytherins? Direkt am ersten Tag? Hermine …«, stöhnte er gequält auf und Hermine verdrehte nur die Augen. »Mal sehen, ob du immer noch Slughorns Liebling bist, ohne deinen Halbblutprinzen.« Sie wandte sich zu Harry, doch seine Stirn legte sich in Falten. Das könnte tatsächlich ein Problem werden. Seinen Erfolg in Slughorns Unterricht hatte er dem Buch des Halbblutprinzen zu verdanken. Snapes Buch. Schoss es durch seine Gedanken. Würde er doch ohne das Buch niemals einen halbwegs brauchbaren Trank zusammenbrauen. Er war jetzt schon verloren. Wie sollte er nur den morgigen Schultag überstehen? Er seufzte tief auf und begann das erschienene Abendessen zu verspeisen.     ~~~*~~~ McGonagalls Bitte schien die allgemeine Schülerschaft nicht wirklich zu interessieren. Geprägt von den Ereignissen des Krieges verhielten sich insbesondere die älteren Schüler vorwurfsvoll und misstrauisch. Vor allem die Slytherins litten darunter. Nun waren die Rollen plötzlich vertauscht und die anderen Häuser bedrohten und schikanierten die Schlangen, wo es nur ging. Wurden diese Schüler doch für die Geschehnisse und den Tod vieler Familienmitglieder mitverantwortlich gemacht. Viele Slytherins waren mit Todessern verwandt oder, in Malfoys Fall, selber einer. Harry wollte keine Feindschaften mehr. Er war müde vom Kämpfen und McGonagall hatte recht, es war Zeit, nach vorne zu schauen. Sie quälten sich durch den Vormittag und zu seinem Leidwesen auch durch eine Doppelstunde Wahrsagen, doch Harry stellte erfolgreich in der Stunde von der Eule, wie er Professor Trelawney liebevoll nannte, sein Gehirn auf Durchzug. Alleine der Gedanke daran, heute auch noch Zaubertränke über sich ergehen lassen zu müssen, sorgte für ein dumpfes Gefühl in seinem Brustkorb und direkt nach dem Mittagessen fühlte es sich an, als wäre er bereits mehrere Monate wieder hier. Seine Stirn pochte und müden Schrittes ging er in den Krankenflügel, um Madam Pomfrey nach einem Traumlos-Trank zu fragen.   Hermine hatte ihm unter Widerwillen davon erzählt und Harry wusste nur, dass der Trank wohl in Überdosen süchtig machen konnte. Der Trank tat in dem Sinne das, was er versprach. Der Anwender hörte auf zu träumen. Mehr nicht. Doch er hatte Nebenwirkungen. Bei regelmäßigen Konsum zerstörte der Trank Gehirnstränge und Zellen. Man wurde vergesslicher oder vergaß sich selber komplett. Harry schüttelte den Kopf. Das würde ihm nicht passieren.   Doch als er endlich bei Poppy angekommen war, zerbrach sein perfekter Plan als diese ihm verkündete, dass sie den Trank ihm nicht geben könne. Sie bräuchte eine spezielle Genehmigung des Ministeriums dafür und bekam diese auch nur in besonderen Fällen, da er bereits als Droge galt. Er müsste einen offiziellen Antrag stellen. Wie sollte er das nur überstehen? Harry fühlte sich durch den Schlafmangel erschöpft und machte sich träge auf den Weg in die Kerker, um zu Slughorns Unterricht zu gelangen. Trotzdem, dass es ihr letzter Unterricht heute war, konnte er sich einfach nicht vorstellen, wie er die Prüfung in diesem Fach bestehen sollte. Er näherte sich und bemerkte, dass sich vor der Klassentür eine Traube von Menschen gebildet hatte. Harry sah die große Statur von Blaise Zabini in der Masse. Sie traten näher, blondes Haar blitzte in der Menge hervor und Harrys Gang wurde schneller. »Was willst du machen, Malfoy? Willst du es jetzt deinem tollen Vater erzählen? Ach ja, kannst du ja bald nicht mehr.«   Dean Thomas stand vor ihrem Klassenraum und blickte hinab auf Draco Malfoy, der seine Unterlagen hastig vom Boden zusammensammelte. »Euer degeneriertes Verhalten ist abartig. Halt dich gefälligst von mir fern, Thomas.«, zischte Malfoy.   »Verschluck dich nicht, Blondie.«, lachte Dean spöttisch.   »Was soll das?«, mischte sich Harry ein. »Potter.« Mattgraue Augen starrten ihn an und Harry sah Wut in ihnen. Er war schon fast erleichtert, zu sehen, dass sein Rivale doch gekommen war. Zumindest bis zu dem Moment als Malfoy weitersprach. »Das hat mir ja gerade noch gefehlt. Der Retter der Zauberwelt persönlich, was für eine Ehre. Und jetzt lasst mich in Frieden. Alle Beide« Er schaute in Harrys hellgrüne Augen und Harry sah nur pure Abneigung in Malfoys Blick. »Was ist dein verdammtes Problem, Malfoy?«, feixte Harry ihn an. Er war plötzlich hellwach. »Ich habe dir nichts getan und du machst mich so von der Seite an. Reiß dich mal zusammen.« Harry verschränkte die Arme und sein Blick glitt kurz zu Hermine, die ihn beobachtete. »Verrotte in der Hölle, Potter. Was geht es dich bitte an, was ich mache?«, zischte Malfoy trotzig. Dieser undankbare, kleine Mistkerl.   Harry hatte es satt. Es reichte und Wut kochte in seinem Körper hoch, vernebelte ihm den Verstand. Er hob seinen Zauberstab und wollte schon auf Malfoy los gehen als plötzlich hinter ihm eine Stimme ertönte. »Nachsitzen. Potter, Malfoy.«   Professor McGonagall sah sehr verärgert aus, was ihre faltige Stirn noch runzeliger Wirken ließ.   »Einen Tag. Nein, ich korrigiere mich, nicht einmal einen Tag haben Sie es geschafft, meiner Empfehlung zu folgen. Das sind 20 Punkte Abzug für Ihre beiden Häuser. Ihr Lehrer, Mr. Slughorn, verspätet sich leider.« Sie wandte sich den anderen Schülern zu. »Bitte geht doch schon einmal in das Klassenzimmer während ich diese Herren hier in das Trophäenzimmer geleite.«   Murmelnd gingen die anderen Schüler in den Raum und Harry warf einen letzten Blick auf Hermine, die ihm mit einer Mischung aus Sorge und Empörung entgegenblickte als McGonagall sich erneut Malfoy und Harry zuwandte, die im leeren Gang zurückgeblieben waren.   »Ich kann nicht verantworten, dass gerade Sie Beide sich so aufführen. Sie können gerne Ihren Abschluss nachholen, jedoch werden Sie an keinem weiterem Unterricht in diesem Schloss teilnehmen, bis Sie diese ewigen Streitereien beigelegt haben.«, sagte sie nachdrücklich und zeigte mit einer Handbewegung an, dass sie ihr folgen sollten. Sie versuchten, mit ihren schnellen Schritten mitzuhalten, bis sie an einer großen Eichentür halt machte. Sie öffnete die Tür und zum Vorschein kam ein mittelgroßer Raum, vollgestopft mit diversen Kisten und aufwendig verzierten Regalen, in denen Pokale und einige Medaillen zur Schau gestellt wurden. In der Mitte des Raumes stand eine kleine Drachenstatue, die von einer gläsernen Kuppel geschützt wurde. »Potter, Malfoy. Hier.« Sie hielt ihnen zwei Eimer und einen Besen hin. »Sie werden diesen Raum reinigen. Blitzblank. Ohne Magie.« Harry hörte Malfoy neben sich aufstöhnen.   »Aber Professor!«, maulte er.   »Direktorin. Wenn ich wohl bitten darf, Mr. Malfoy. Ich werde Sie heute Abend hier wieder abholen und wenn Sie Zeit haben, können Sie ja vielleicht mal über meine Worte von der Empfangszeremonie nachdenken. Dann, einen schönen Abend, die Herren.« Sie machte auf dem Absatz kehrt, ließ die Putzutensilien vor ihren Füßen liegen und verschwand. »Wirklich klasse, Potter.«, knurrte Malfoy. Er schnappte sich einen Eimer und hielt ihn demonstrativ vor Harrys Nase.   »Gut, ich fang hier drüben an, du auf der anderen Seite. Keine Gespräche.« Malfoy drehte sich um und ging zu einigen Steinbüsten auf der linken Seite. Konnte dieser Tag nicht endlich ein Ende finden?   Harry fragte sich, womit er das verdient hatte, und schaute neugierig auf seinen Rivalen und sah, wie dieser anfing, mit einem Staubtuch das Regal zu säubern. Malfoy schien ihn wirklich ignorieren zu wollen und Harry fragte sich, ob er diesem Wunsch nicht einfach entsprechen sollte. So war der Gedanke daran, es einfach nur hinter sich zu bringen und in sein Bett zu schlüpfen so verlockend.   Immerhin bin ich dem Zaubertrankunterricht auf diese Weise entkommen, dachte er sich. Sie schwiegen und nur die Geräusche von Gegenständen, die aufgeräumt oder gesäubert wurden, waren zu hören. Eine Weile verging und Harry hatte langsam sein Zeitgefühl verloren. Seine Wut war mittlerweile irgendwie verraucht und er fühlte sich einfach nur noch ausgelaugt und erschöpft. Ab und zu konnte er Malfoy dabei beobachten, wie dieser sich neugierig einige der Pokale ansah, aber dennoch sprach er nicht mit ihm.   Harry konnte es recht sein. Er räumte seufzend einige der Bücher zusammen, welche in wirklich großen Regalen, die bis an die Decke gingen, einsortiert werden mussten, und versuchte, sie dorthin zu balancieren. Der Turm aus Büchern, den er halbherzig aufgestapelt hatte, war nicht wirklich stabil. Er trat ein paar Schritte nach vorne, als er plötzlich die Stimme von Malfoy vernahm, welche die ewig währende Stille endlich brach. »Danke, Potter.« Wie ein Windhauch, der drohte zum offenen Deckenfenster hinaus zu wehen, hatte er es beinahe nicht mitbekommen und war so verwirrt von diesen Worten, dass er geradewegs das Gleichgewicht verlor und mit einem lauten Krachen zu Boden fiel. Der Schmerz brachte ihn kurz zum Aufkeuchen und ein metallenes Scheppern hallte im Raum wider. Harry stützte hilfesuchend zwei Finger an dem schweren Bücherregal ab, in das er gefallen war. Ein alter Pokal in rostfarbenem Metall rollte geräuschvoll über den Boden, bis er an einer Kante zum liegen kam. Noch etwas desorientiert rieb er seine linke Schulter, pflückte einige Papierüberreste aus den rabenschwarzen Haaren und schob mit einer Bewegung einen alten Buchwälzer von seinem Schienbein. Er stand auf und suchte die Augen des Mannes, der am anderen Ende des Raumes sorgsam einige Medaillen zwischen den langen Finger hin und her wiegte. Malfoy schien ihn kaum beachtet zu haben und Harry fragte sich für einen Moment, ob er sich vielleicht verhört hatte. »Ich wusste ja, dass Eleganz nie wirklich deine Stärke war, Potter. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass ich dich damit so leicht aus dem Konzept bringe.« Draco Malfoy sah nachdenklich auf seinen Rivalen, während Harrys Hand immer noch seine Schulter rieb, die durch den dumpfen Fall verletzt worden war. Malfoy schmunzelte und fuhr etwas leiser fort: »Ich meine es Ernst, Potter. Danke. Und lass es mich bitte nicht noch einmal sagen. Nicht, dass du dir noch ernsthaft etwas brichst.« Sie waren älter geworden. Der Krieg hatte sie verändert. Malfoy hatte genau wie er einen hohen Preis zahlen müssen. Für eine Loyalität, die ihm aufgezwungen wurde. Harry fiel es schwer, zu beurteilen, welche Narben die Vergangenheit bei ihm wohl hinterlassen hatte. Doch obwohl er auf der anderen Seite stand, hatten sie sich gegenseitig das Leben gerettet. In einem Krieg, in den sie beide unweigerlich hinein gezogen wurden. »Wir sind quitt«, sagte Harry ruhig. Er machte einige Schritte nach vorne und stand nun direkt vor Malfoy, welcher ihn skeptisch mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen beäugte. »So etwas gibt es nicht im Leben, Potter.« Er trat einen Schritt zurück, um der plötzlichen Nähe zu entkommen, und drückte seine Hüfte gegen den kleinen Schreibtisch, welcher in einer Nische des Raumes stand. »Jeder Mensch erntet die Früchte, die er sät.« Malfoys Stimme klang kalt und wenn Harry es nicht besser gewusst hätte, sah er Unsicherheit in seinen Augen. Sie schwiegen und für wenige Sekunden, wirkte dieses großräumige Zimmer doch so einengend. Wie lange mussten sie noch hierbleiben? Er spürte die Nähe des Anderen und ein angenehmer Schauer durchfuhr ihn. Ein wahnsinniger Kontrast zu dem kalten Wind, welcher durch die hohen Fenster ins Innere des Raumes getragen wurde. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten das Zimmer in ein warmes Licht und sturmgraue Augen fixierten ihn. Dracos Blick flackerte durch die Partien von Harrys Gesicht, bis er sich abrupt unsanft an Harry vorbei schob. Ihre Schultern berührten sich. Seine Hand handelte, bevor er es realisieren konnte, und griff nach Malfoys Unterarm. Es war ein Reflex. Als wenn er versuchen würde, die Wärmequelle für sich zu behalten. Vielleicht nur für einen kurzen Moment? Malfoy drehte sich ihm entgegen und die plötzliche Nähe kam unerwartet, doch fühlte es sich auf eine komische Weise nicht unangenehm an. Harrys Herz setzte einen Takt aus, als heißer Atem gegen seine Lippen stieß. Er schluckte. »Ich kann sehr gut unterscheiden, wer zur falschen Sorte gehört.«, sagte Harry und versuchte, sein wild klopfendes Herz zu beruhigen. »Ich kann das nicht, Potter.« Draco griff mit seiner noch freien Hand in Harrys Pullover und versuchte, ihn von sich wegzuschieben. »Dieses Friede-Freude-Eierkuchen-Wir-Helfen-Einander-Zeug. Waren wir nicht Feinde, Narbengesicht?«, flüsterte er. »Warum hast du das gemacht, die Aussage?« Harry konnte deutlich die Unsicherheit spüren, die in Malfoys Frage mitschwang. »Ich wollte nicht, dass du in Askaban landest.«, antwortete Harry ehrlich. Es erschrak ihn, seinem ehemaligen Feind dies so zu offenbaren. Ehemalig? Ihm Gegenüber ein Gefühl zu zeigen und sich angreifbar zu machen fühlte sich unbehaglich an. Doch es entsprach der Wahrheit. Harry wollte nicht, dass Draco den Rest seines Lebens eingepfercht auf zwei Quadratmeter und umgeben von Dementoren sein Dasein fristen musste. Der Gedanke ließ ihn erschaudern und sein Griff um Dracos Unterarm wurde stärker. »Lass mich los, Potter. Was willst du? Hast du es genossen dich in meinem Elend zu suhlen? Du kannst nicht die ganze Welt retten. Ich hab es verdient. Alles, was sie sagen, weil ich einen Fehler in Kauf genommen habe um meine Familie zu schützen.« Malfoy riss sich los und Harry, der ganz perplex einfach nur da stand, fehlten in diesem Moment die Worte. Hatte er das getan? Wollte er einfach nur wieder irgendwen retten, der in Not war? Waren sie denn noch Feinde? Oder wollte er Draco doch eher als Freund haben? »Eigentlich, denke ich, dass du nicht wirklich eine Wahl hattest. Vielleicht hättest du uns früher vertrauen können. Allerdings angesichts der Tatsache das unser Verhältnis - « Harry bemerkte wie Draco einen Schritt zurückwich. »nicht besonders toll war zu dem Zeitpunkt. Kann ich es verstehen, Dra-« »Sag es nicht! Nenn mich nicht so!«, fauchte Malfoy. »Ich kann das nicht, Potter. Meine Eltern würden mich umbringen.« »Deine Eltern sind in Askaban.«, stellte Harry fest und bemerkte, wie Dracos Hand leicht anfing zu zittern. Dracos Blick verfinsterte sich und Harry wusste, dass seine Gedanken woanders waren. Er beobachtete den Mann vor sich für einen Moment. Man konnte es ihm regelrecht ansehen. Er beachtete Harry nicht einmal, als er seine Hand ausstreckte und langsam näher kam. Lucius Malfoy würde wahrscheinlich in den nächsten Wochen den Kuss des Dementors erhalten. Er erinnerte er sich an die Zeilen aus dem Tagespropheten. Wie es um Dracos Mutter stand, wusste Harry nicht. Das Malfoy Manor war gepfändet worden und Draco hatte zusätzlich zu seinen Eltern auch sein Zuhause verloren. Harry wusste nicht wieso. Er konnte es sich nicht erklären, warum er es tat. Seine Hand berührte nur ganz sachte Dracos Zeigefinger. Wirkte er doch so lang und zierlich in diesem Moment. Harry wollte nur, dass er sich beruhigte, und tastete sich langsam an der Wärmequelle entlang, zog seine Hand jedoch wieder zurück, doch schien diese kleine Berührung nicht unbemerkt geblieben zu sein. »Warum?«, hauchte Draco und hob seinen Blick. »Freunde trösten einander.«, rechtfertigte Harry sich. Brauchte er doch dringend eine Begründung für diese irrationale Geste, die sein Verstand nicht wirklich begreifen wollte.   »Ich will wissen was gewesen wäre, hätte ich deine Hand damals nicht ausgeschlagen.« Für einen Moment starrte ihn sein ehemaliger Feind aus aufgerissenen Augen an. Dann lachte Draco. Er lachte aus vollem Herzen und es war fast ansteckend. Er rieb sich eine Träne aus dem Augenwinkel und Harry sah ihn fragend an. »Du bist ein Idiot. Ich verstehe dich nicht, Potter, und ich weiß nicht ob ich das bereuen werde, aber – Ok, ich werde es wahrscheinlich bereuen-«, korrigierte er sich selbst.   »Aber kein Rumgeschnulze mehr, Potter! Waffenstillstand. Mehr nicht.«, bestimmte Draco und Harry nickte schluckend, konnte er noch nicht ganz realisieren, was gerade passiert war. »Also wenn das nicht ein wunderbares Fazit ist.« Die beiden Männer drehten sich abrupt um. Dort stand McGonagall. »Es freut mich, dass Sie zu dieser Einsicht gekommen sind, meine Herren. Und nun, gehen Sie zu Bett. Es war ein langer Tag.« Sie beendete das Nachsitzen und Dracos und sein Weg trennten sich wieder. Harry hatte keine Kraft, jetzt schon zu entscheiden, wie er die ganze Situation bewerten sollte. Als McGonagall sie entließ, flüchtete Draco fast schon in den Kerker und Harry machte sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, um sich endlich seine wohlverdiente Ruhe zu holen. Darüber Nachdenken, was da jetzt eigentlich mit ihm und seinem Feind geschehen war, konnte er morgen auch immer noch.   ~~~*~~~       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)