The Decisions of Tomorrow von Refaye (the first duty of love is to listen) ================================================================================ Kapitel 1: Birdcage -------------------   Disclaimer: Die Charaktere gehören nicht mir! Jedwede thematisierte oder erwähnte Handlung aus den Harry Potter Büchern ebenfalls nicht. © J.K. Rowling! Handlung: Die Handlung entspringt meiner Feder. Ähnlichkeiten zu anderen Geschichten sind zufällig und nicht gewollt. Pairing: Draco Malfoy x Harry Potter Warning: Es handelt sich um eine Nachkriegsgeschichte. Es werden explizit und ausdrücklich im Detail Ängste und Traumata der Hauptcharaktere beschrieben. Solltet ihr eher sensibel darauf reagieren, bitte ich euch vom Lesen dieser Geschichte Abstand zu nehmen.     Willkommen zu meiner Fanfiction!   Mein Name ist Refaye und ich möchte euch gerne in die Zeit nach dem Krieg und dem Fall Voldemorts entführen. Die Hauptcharaktere kämpfen alle mit ihren persönlichen Erfahrungen und Harry als unser Protagonist wird sich damit auseinander setzen müssen, wie er sein Leben nun definieren will. Als er dann noch auf seinen ehemaligen Rivalen trifft, scheint das Chaos perfekt. Doch bevor ich noch mehr verrate, wünsche ich euch viel Spaß und gute Unterhaltung!         The Decisions of Tomorrow ~~~*~~~ The first duty of love is to listen.   Kapitel 1: Birdcage   Mit einem lauten Knarren schloss die schwere Holztür des Gerichtssaals hinter ihm.   Der schwarzhaarige junge Mann straffte kurz seinen samt-blauen Anzug, zog seinen Mantel über die Schultern und atmete tief durch. Die letzten Minuten hatten ihm jegliche Kraft geraubt, und doch fühlte er sich erleichtert.   Dies war die vierzehnte Zeugenaussage, die er diesen Monat getätigt hatte. Dennoch konnte er genau diese eine nicht auslassen. Kurz kamen Harry James Potter die grau-silbernen Augen in den Sinn, die ihn ungläubig von dem kleinen Stuhl in der Mitte des Saales aus fixiert hatten. Natürlich würde Ginny es nicht gutheißen, das war ihm bewusst – doch nicht einmal in den Tiefen seiner Erschöpfung würde er sich ihrer Meinung anschließen können. Er hatte alles getan, was er konnte; eine Charaktereigenschaft, die sie früher an ihm geliebt hatte. Nun lag alles in den Händen des Zaubergamots. Abermals atmete er tief durch. Es ist das Richtige gewesen, erinnerte er sich. Du musst doch mal an dein Image denken! Wenn du dich für Todesser einsetzt, wie sieht das dann für uns gegenüber der Öffentlichkeit aus? Er hörte ihre Stimme in seinem Kopf widerhallen. Uns. Ein Wir. Harry schätzte, das waren sie jetzt nun einmal. Der Krieg war vorbei und als er Ginny in der Schlacht vor aller Augen aus einer Emotion heraus geküsst hatte, wurde es besiegelt. Er würde sein letztes Schuljahr nachholen, mit ihr zusammenziehen, eventuell Kinder kriegen. Er ließ seinen Blick durch die langen Gänge des Gerichtsgebäudes streifen und suchte den Ausgang, um aus der Apparierschutzzone herauszukommen. Sein Leben war geplant und es war das, was man von ihm, dem Retter der Zauberwelt, erwartete. Er fühlte sich plötzlich eiskalt, schob zitternd seine Finger in die Manteltaschen, betrachtete die wenigen Leute im Flur des Gerichtsgebäudes, die bei seinem Anblick ehrfürchtig den Kopf senkten, während er sich fragte, woher die Kälte kam.   Das ist dann wohl mein Leben, dachte er.   Er öffnete die Ausgangstür und trat in die Nacht hinein. Sein Körper drehte sich in der Bewegung, während er in einem Strom aus wirbelnder Londoner Luft verschwand.     ~~~*~~~ Seine Schritte fühlten sich schwerfällig an, als er über die platt getrampelte Erde des Vorgartens in Richtung des Fuchsbaus ging. Es war spät am Abend und die meisten Lichter waren schon erloschen.   Sein Zuhause. Doch war es das wirklich? Er konnte nicht zu den Dursleys zurück und war darüber auch ganz dankbar. Hogwarts war zwar nach dem Krieg wieder aufgebaut worden, aber konnte man Hogwarts als sein Zuhause bezeichnen? Hier im Fuchsbau war er zu Gast. Und dennoch war es wohl das, was einem Zuhause momentan für ihn am nächsten kam. Harry seufzte und machte sich auf den Weg zur Eingangstür. Es gab da immer noch den Grimmauldplatz Nr. 12, welchen er von Sirius geerbt hatte. Doch seitdem sie auf die Suche nach den Horkruxen aufgebrochen waren, konnte er die Tage an einer Hand abzählen, an denen er sich dort aufgehalten hatte. Wie es dem grimmigen Kreacher wohl ging? Ob er noch lebte?   Er schmunzelte kurz, als er an Hermine dachte, die ihm noch letzte Woche einen einstündigen Vortrag am Küchentisch gehalten hatte, dass er doch eine Verantwortung für den Hauselfen hatte und gefälligst das Gebäude renovieren oder verkaufen sollte. Harry hatte Kreacher nach einem dieser wiederkehrenden Gespräche aus einem schlechten Gewissen heraus Geld für seine Hausarbeiten angeboten. Der Hauself wirkte jedoch höchst beleidigt, schnaufte nur, murmelte etwas von »Schlammblütern« und verschwand in der Küche. Harry verstand es nicht ganz, aber das Gebäude schien seit der Übergabe an ihn zu leiden. Die Innenräume waren kalt und er hatte das Gefühl, dass das Haus auf eine merkwürdige Art zu sterben schien. Es tat ihm irgendwie leid und er fühlte sich schuldig, nicht mehr getan zu haben. Ein seichtes Licht drang durch die Mosaikfenster der Eingangstür und ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihm aus. Eine Vorahnung, die plötzlich eine solche Präsenz hatte, dass Harry schließlich versuchte, so leise wie möglich in den Flur hineinzuschlüpfen. Er streifte seine Schuhe ab und blickte in nussbraune, müde Augen, welche ihn über eine dampfende Kaffeetasse hinweg vom Küchentisch aus anstarrten. »Du warst dort«, stellte Ginny fest. Harry griff in die warme und leicht feuchte Wolle seines Schals und streifte ihn von seiner Schulter. Behutsam hängte er ihn auf.   »Er hat es nicht verdient, Gin«, seufzte er tief. »Er hat es nicht verdient? Der verdammte Todesser ist Schuld daran, dass mein Bruder tot ist! Er hat es verdient, in Askaban zu verenden, Harry! Und am liebsten soll er einfach vom Dementor geküsst werden und verrotten, wo er hinge-«   Harry schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Die große Standuhr in der Küche gab eine leise Melodie von sich und verkündete, dass er nun zuhause sei.   »Niemand hat den Kuss des Dementors verdient! Es ist barbarisch und grausam.« Harry erinnerte sich an Sirius, wie sie ihn dazu verdammt hatten, eben dieses Schicksal beinahe zu erleiden. Er spürte, wie der Zorn seine Magie durch seinen Körper rauschen ließ.   »Es ist meine Entscheidung. Er hat mir verdammt nochmal das Leben gerettet und ich bin es ihm schuldig«, sagte Harry. Er ballte die Fäuste und versuchte das Zittern seiner Stimme zu beruhigen, doch Ginnys Augen fixierten ihn mit einem trotzigen Blick, der ihm klar machte, dass sie seine Worte so nicht akzeptieren würde.   »Du bist es ihm schuldig? Warum bist du so besessen von Malfoy? Ich verstehe es nicht. Meine Meinung sollte dir mehr bedeuten als die Zukunft eines Mörders. Wie sieht das denn aus, Harry? Der Krieg hat Opfer gefordert und viele haben ihre Familienmitglieder verloren.« Sie blickte kurz auf ihre zusammengefalteten Hände, stand aber sogleich gestikulierend auf und stellte sich direkt vor ihn.   »Was soll die Öffentlichkeit von uns denken, wenn du einen Mörder verteidigst?«, sagte sie sanft. Eine kleine Hand legte sich behutsam auf Harrys Arm. Die Berührung fühlte sich schwer an in diesem Moment. »Die Öffentlichkeit interessiert mich nicht, und wenn du mich wirklich kennen würdest, wüsstest du das, Ginny.«   Er war es satt sich zu rechtfertigen. Eine Welle von Müdigkeit strömte durch seinen Körper. Er fühlte sich erschöpft. Selbst Ginnys wärmende Hand schien ihm keine Erlösung aus der unbeschreiblichen Kälte zu verschaffen. Sie hatten die letzten Monate damit verbracht, von Interview zu Interview zu hetzen. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit sieht, was du für sie getan hast, hatte Ginny gesagt, und Harry hatte nur Leere in sich verspürt.   Er hatte seinen Job erfüllt. Seine Bestimmung. Nun war er frei. Entlassen aus dem eisernen Vogelkäfig, welcher ihn zwischen den Hoffnungen der Zauberwelt und den Erwartungen, den Toten gerecht zu werden, eingesperrt hielt. Der Stress und Druck hatten ihn sein Ziel verfolgen lassen. »Es ist schon spät, ist alles okay?« Verstrubbeltes rostbraunes Haar erschien im Türrahmen. Hermine trug ihren Morgenmantel, den sie sich wohl hastig übergezogen hatte. Auch sie war älter geworden. Treue Auge legten sich auf Harry, und er hatte das Gefühl ertappt worden zu sein. Eine kurzzeitige Stille hing in der Luft, doch Ginny schnaubte laut und verließ schnellen Schrittes den Raum. Harry konnte in der Ferne das laute Knallen einer Tür hören. »Ihr habt euch wieder gestritten?«, sagte Hermine, in deren Stimme Sorge mitschwang. »Ich sollte mich wohl doch heute Abend um Kreacher kümmern und dort schlafen«, seufzte er resignierend.   Hermine sah ihn lang an und trat einen Schritt auf ihn zu. »Ron macht sich Sorgen«, sagte sie ruhig.   »Er glaubt, du bist unglücklich mit Ginny, und ich denke, er will einfach euch beide nicht verletzt sehen.« Harry dachte an seinen besten Freund und ein Schuldgefühl nagte in seinem Herzen. Immer war er schuld daran, dass seine Freunde sich um ihn Sorgen mussten. Er senkte seinen Blick und Hermine schloss ihre warmen Arme um seinen Körper.   »Und was denkst du?«, fragte er sie. »Ich will, dass du versuchst, glücklich zu werden, Harry. Finde einen Weg. Auch du verdienst das – nicht nur diejenigen, die dir ihr Leben verdanken, nachdem du Voldemort besiegt hast.« Harry horchte bei der Erwähnung auf, weil Hermine schluckte und versuchte, den Namen in aller Deutlichkeit auszusprechen.   »Wenn dieser Weg an Ginnys Seite ist, dann freuen wir uns, aber tu ihr nicht länger weh, wenn du es nicht ernst mit ihr meinst. Das hat sie nicht verdient.«   Harry ließ seinen Arm langsam von ihrer Schulter gleiten und trat einen Schritt zurück, bevor er sie aus hellgrünen müden Augen ansah.   »Danke, Hermine.« Er band sich seinen Schal erneut um den Hals und die Feuchtigkeit schickte sogleich einen kalten Schauer durch seinen Körper.   »Ich denke, ich weiß bloß nicht, wie das so ist. Einfach so zu leben … es fühlt sich fremd an«, Harry lachte leise auf, »irgendwie komisch, oder?«   Seine beste Freundin strich sich geistesabwesend über die lange Narbe an ihrem Hals und Harry hörte ein Knistern in ihrem Morgenmantel, als Hermine einen Brief hervorzog.   »Der kam heute Mittag für dich an.« Sie streckte ihm den Brief entgegen. Das Siegel von Hogwarts prangte auf dem Pergament, und Harry fühlte sich für einen Moment in seine Jugend versetzt. »Wir haben alle einen bekommen. Auch Ginny und Ron. Sie wollen das letzte Schuljahr nachholen!« Harry konnte ein Aufblitzen in ihren Augen erkennen. »Wir können einen Schulabschluss machen, Harry. Die Abschlussprüfung nachholen. Eine Perspektive haben.« Ihre Stimme wurde immer leiser. »Kingsley hat mir letzte Woche angeboten, eine Aurorenausbildung zu beginnen. Er hat irgendetwas von Ehre gefaselt«, sagte Harry.   »Sie wollen, dass du ihre Schachfigur bist. Das weißt du, Harry.«   Mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck bemerkte Hermine die Tasse, die Ginny bei ihrem überstürzten Abgang zurückgelassen hatte. Sie nahm sie vom Küchentisch, stellte sie in die Spüle und sah Harry erneut an. »Überlegs dir. Ron und ich fahren.« Harry umschloss den Umschlag mit seiner Hand und spürte das wärmende Papier an seiner Haut. Er zog die Haustür auf und trat in die dunkle Nacht hinein, bevor er sich noch einmal zu Hermine umdrehte. »Mach ich.« Das Herbstlaub im Vorgarten wirbelte auf als er apparierte und in der Dunkelheit verschwand.     ~~~*~~~   Soo .. das war auch schon das erste Kapitel! Uploads wird es wöchentlich geben. Feedback/Kritik ist natürlich immer gerne gesehen. Bis dann! Eure Refaye   Kapitel 2: Perspectives -----------------------   Kapitel 2: Perspectives Mit schnellem Atem hastete Harry durch die Korridore von Hogwarts. Er musste sich beeilen, fühlte sich gehetzt und achtete kaum auf seine Umgebung. Endlich, er hatte so lange auf diese Möglichkeit gewartet. Noch immer die Karte des Rumtreibers fest mit seinen Händen umklammert erreichte er die Toilette, legte ein Ohr an die Tür und lauschte. Das rasende Klopfen seines Herzens ignorierend hörte er die beschwichtigende Stimme der maulenden Myrte, die an den Wänden des Badezimmers widerhallte. Leise öffnete er die Tür, betrat den Raum und versuchte den Wasserlachen auf dem Boden auszuweichen, während er sich langsam den Geräuschen näherte. »Ich kann das nicht … es wird nicht klappen …«, unterbrach eine Stimme Myrtes nachdrückliche Versuche, auf die Person einzureden. Der platinblonde junge Mann stand, den Rücken zu ihm gewandt, an einem der verdreckten Waschbecken der Toilette, und Harry empfand plötzlich eine Art Triumphgefühl. Sein Körper bewegte sich fast wie von selbst, er trat näher, um bloß keinen einzigen Moment zu verpassen, und hielt dennoch schlagartig inne, als er in aufgerissene sturmgraue Augen blickte. In diesem Moment fuhr ihm ein Schauer durch den Körper. Das triumphierende Gefühl, ihn endlich erwischt zu haben, verschwand und das Licht, welches sich am gefluteten Boden brach, ließ die Tränen in den Augen des Mannes vor ihm leicht schimmern. Malfoy weinte. Keuchend erwachte Harry. Schweißperlen liefen seine Stirn hinab. Er brauchte einen kurzen Moment, um zu realisieren, wo er sich befand. Er war nicht in Hogwarts. Dies war nicht die Toilette, auf der er Draco Malfoy fast getötet hatte. Sein Herz schlug kräftig gegen seinen Brustkorb. Er tastete nach seiner Brille, welche er auf dem kleinen Nachtschränkchen abgelegt hatte, und schaute sich um. Die Luft stand erdrückend im Zimmer und lag schwer in seiner Lunge. Der Staub, der sich auf den Möbelstücken gesammelt hatte, tanzte durch die Luft, und als Harry dem Lichtstrahl der Morgensonne mit seinen Augen folgte, sah er in das faltige Gesicht eines alten Hauselfen, der ihn mit gerümpfter Nase beäugte, so, als wäre er alles andere als begeistert von seiner Anwesenheit. Harry nahm sich einen kurzen Moment, um seinen Atem zu beruhigen. Wieso träumte er jetzt von Malfoy? Er hatte schon sehr lange nicht mehr an seinen ehemaligen Rivalen gedacht. Eigentlich bis zu diesem einen Tag, an dem er einfach unvorbereitet wieder in sein Leben getreten war.   Der Minister hatte ihn sprechen wollen. Ein weiteres langes Gespräch in Form von sich wiederholenden Versicherungen, sein Bestes zu tun und möglichst kein Aufsehen zu erregen. Aus purem Zufall war er an der Anzeigetafel für die anstehenden Gerichtsverhandlungen vorbeigegangen. Malfoys Namen dort zu lesen hatte ihn irritiert. Auch wenn es eigentlich vorhersehbar hätte sein müssen, wenn man seine Rolle im Krieg bedachte.   Seufzend strich er sich mit seinen Fingern durch das strubbelige rabenschwarze Haar und rieb sich kurz die Stelle zwischen seinen Augen. »Meister Potter hat Besuch«, sagte Kreacher und riss ihn aus seinen Gedanken. Der Hauself verdrehte die Augen, ehe er erneut die Nase rümpfte. »Im Salon befindet sich die muggelstämmige Freundin des Meisters. Die Herrin wird wütend sein.« Er senkte den Blick und haderte anscheinend mit sich, nicht auf der Stelle wieder zu verschwinden.   »Was hat Kreacher getan, dass Meister Potter ihn mit seiner Anwesenheit beehrt? Kreacher hat sich gekümmert. Hat alles getan, um der Herrin zu dienen.« Kreacher blickte ihn mit großen Augen an, und für einen Moment wusste Harry nicht so ganz, was er ihm antworten sollte. Er überlegte kurz, doch sammelte dann seine Klamotten vom Boden zusammen und zog sich hastig an. Seine Pflicht getan, schüttelte der Hauself nur den Kopf, murmelte Etwas, was Harry nicht verstand, und verließ den Raum. Ob er wohl jemals ihn als seinen Herren ansehen würde? Kreacher sprach Harry immer nur als Meister an. Wenn er von seiner Herrin sprach, so meinte er die alte Walburga Black, deren Porträt unten in der Eingangshalle hing. Als er vor einer Woche nach dem Streit mit Ginny hierher appariert war, hatte sie ihn noch übel beschimpft, doch Harry empfand es mittlerweile als eine Art Begrüßung, wenn er das Haus betrat, und hatte es akzeptiert. Harry hatte sich verkrochen. Er hatte den Grimmauldplatz Nr. 12 nur für das Notwendigste verlassen, da er Kreacher bisher noch nicht dazu gebracht hatte, ihm etwas zu essen zu bringen. Er hatte es, um ehrlich zu sein, auch nicht wirklich versucht. Sich hier verstecken zu können, reichte ihm. Es tat ihm viel zu gut, dem drohenden Streit mit Ginny aus dem Weg zu gehen und ganz für sich zu sein. Auch wenn das Haus langsam in sich zusammen fiel und Harry bei dem Knarren der Decke letzte Nacht kurz Angst hatte, diese würde einstürzen und ihn unter sich begraben. Allerdings wusste Harry, dass er diese Rechnung ohne Hermine gemacht hatte. Während er die Treppe hinunterstieg, sah er sie bereits am Küchentisch sitzen, zwischen dreckigem Geschirr und einer großen Tüte, die sie offenbar mitgebracht hatte. Sie beobachtete ihn mit wachem Blick. Wie lang sie schon dort wartete, war ihm nicht klar. Kreacher hätte sie schließlich ebenso gut stundenlang warten lassen können. »Warst du shoppen?«, fragte Harry sie und zog eine Augenbraue in die Höhe.   Sie lächelte sanft, öffnete voller Stolz mit einer fließenden Bewegung die große Tüte und offenbarte ihren Inhalt. Ein Haufen Bücher, sowie einige neue Federkiele und ein sorgfältig zusammengefalteter Umhang kamen zum Vorschein. »Dass du etwas anderes als Bücher mitbringst, hatte ich eh bezweifelt«, seufzte Harry, schob den Barhocker zur Seite und setzte sich neben sie.   »Was soll ich da, Hermine? Es fühlt sich sinnlos an, an diesen Ort zurückzukehren. Ich brauche meinen Abschluss nicht. Ich habe genug Perspektiven.« Schnaubend dachte er an die vielen Eulen, die ihn nach dem Krieg erreicht hatten und die beachtliche Anzahl ungeöffneter Briefe, welche sich in der untersten Schublade des Eichenschranks im Flur stapelten. Dass Harry sie alle ignoriert hatte, brauchte Hermine ja nicht zu wissen. »Du kannst dich nicht ewig hier verstecken«, antwortete Hermine auf seine Gedanken.   »Ich weiß...«   Sollte er tatsächlich nach Hogwarts zurückkehren? An einen Ort, den er mal seine Heimat genannt hatte. Das wiederaufflackernde Bild toter Menschen, die im Krieg für ihn gestorben waren, zerriss die Erinnerung von grünen Ländereien, durch die er einst zu Pflege magischer Geschöpfe geeilt war. Damals, im Kampf, gab es nur noch Asche. Ein todbringender Ascheregen, welcher die Körper unter sich begrub, die in die zerklüftete Erde getrampelt wurden. Er vergrub die Zähne in seiner Unterlippe. »Er ist freigesprochen worden«, sagte Hermine. »Was?« Verdutzt erwiderte Harry den prüfenden Blick seiner besten Freundin. »Ginny hatte Recht, du warst dort, oder? Bei Malfoy. In seiner Verhandlung. Du hast für ihn ausgesagt. Was ist nur mit dir los? Der Tagesprophet wollte einen Artikel veröffentlichen, doch Arthur konnte sie gerade noch aufhalten, da er die Information vom Minister am selben Abend erhielt.«   Es hatte also gereicht, schoss es ihm durch seinen Kopf   Er wusste nicht, was er ihr antworten sollte, war er sich doch selbst unsicher, warum er überhaupt so für seinen Rivalen eingestanden hatte. Doch Harry fühlte das erste Mal seit Wochen eine Erleichterung. Er verstand nicht ganz, wieso es ihn überhaupt kümmerte. Allerdings war er in diesem Augenblick froh, dass sein Erzrivale, der ehemalige Todesser Draco Malfoy freigesprochen worden ist. Und für einen kurzen Moment genoss er dieses Gefühl ohne es zu hinterfragen.   Jetzt kann ich endlich damit abschließen, dachte er sich. Der Gedanke, seinen Schulfeind in Askaban zu sehen, hatte ihn auf eine absonderliche Art beunruhigt und ihn erneut überstürzt handeln lassen. Aber nun, da er wusste, dass selbst Malfoy eine Chance auf ein besseres Leben hatte, war er erleichtert. Hermine betrachtete ihn nachdenklich. »Hör zu, Ginny übertreibt es meiner Meinung nach ein wenig mit ihrem Hass. Aber du musst sie auch verstehen. Sie hat es sehr schwer, ihre Familie wurde für immer auseinandergerissen. Sie hat den ganzen Abend geweint, weil sie das Gefühl hatte, dass du dich jetzt auch von ihr entfernst«, sagte sie schließlich als seine Antwort ausblieb. »Ich muss mit Ginny reden, denke ich«, beschloss Harry. Vielleicht konnte er die Wogen noch glätten. Hermine sah ihn lange an, und Harry fiel es schwer, ihren Blick zu deuten.   »Das solltest du. Also kommst du morgen mit in die Winkelgasse? Wir wollten im Tropfenden Kessel übernachten und dann am nächsten Morgen zum Bahnhof fahren.« Sie stand auf und schloss ihn kurz in die Arme. Harry war froh, dass sie es nicht weiter hinterfragte, warum er sich überhaupt für ihren ehemaligen Feind eingesetzt hatte. »Wir haben uns diese Zukunft verdient, Harry. Aber wir brauchen den Abschluss, auch du. Selbst wenn jeder deinen Namen kennt, zählt am Ende, was in deinem Lebenslauf steht.« Sie schmunzelte. »Und ich glaube nicht, dass Horkrux-Jagd so aussagekräftig ist.« Hermine lachte, und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ich scheine wohl keine Wahl zu haben«, sagte der Gryffindor, griff nach einem seiner neuen Schulbücher und schaute es sich demonstrativ abfällig von beiden Seiten an. »Auch wenn ich die UTZe wahrscheinlich eh nicht bestehen werde.« »Da werde ich dich und Ron schon auf Trab halten, vertraut mir. Aber ich muss jetzt auch los, Harry.« Ihre warme Hand umschloss kurz seinen Arm. Sie griff in ihre Manteltasche, um einen kleinen Beutel mit Flohpulver herauszuholen.   »Kann ich hier flohen? Ich war mir nicht sicher, ob du den Kamin angemeldet hast, also bin ich appariert. Aber ich glaube, wenn ich noch einmal so zurückreisen muss, esse ich heute Abend nichts mehr.« »Ja, Remus hat den Kamin damals angemeldet, damit ich mit Sirius Kontakt halten konnte.«   Der Gedanke an seinen Paten rief eine Unruhe in seinem Inneren hervor. Harry hatte das Gefühl, egal, über wen er sprach, es beinhaltete immer Menschen, die er verloren hatte. Vielleicht hatte Hermine Recht und er sollte einfach versuchen, zu leben. Hogwarts könnte hierbei eine große Hilfe sein, vor allem wenn es darum ging, seinen geregelten Alltag wieder zu finden. »Bis morgen, Harry.« Ihr warmes Lächeln erstrahlte, und Harry war in diesem Moment froh, dass sie noch lächeln konnte. Sie warf das Pulver in den Kamin, worauf eine grüne Flamme entfachte. Hermine sagte mit klaren Worten »Fuchsbau!«, drehte sich und verschwand. Für einen kurzen Moment ergriff die Stille den Raum. Harry starrte auf die Flammen, welche sich langsam in die Holzscheite zurückzogen, und fragte sich, was das letzte Jahr in Hogwarts für ihn bereit halten würde.     ~~~*~~~ Kapitel 3: Decision -------------------     Kapitel 3: Decision Das feuerrote Haar der Weasley-Familie war schon fast unauffällig neben den verschiedensten Rot- und Gelbtönen des Herbstlaubs, welche die Winkelgasse in eine romantische Atmosphäre tauchten. Harry spürte die Wärme der kleinen Hand Ginnys in seiner während sie beide mit Ron, Hermine, Arthur und Molly geradewegs auf der Haupteinkaufsstraße in Richtung des tropfenden Kessels schlenderten. Er fragte sich, ob es etwas gab, dass diesen Tag noch ruinieren konnte. Es hatte einen riesigen Tulpenstrauß und zwei Packungen Pralinen gebraucht, bis Ginny ihn angehört hatte. Sie mochte Tulpen und wenn Harry ihr die richtigen Blumen schenkte, war dies immer ein guter Eisbrecher. Einmal hatte er ihr nach einem Streit rote Rosen gekauft, doch sie hatte ihn nur gehässig gefragt, ob er sie für eine seiner billigen Verehrerinnen halten würde. Hermine hatte ihm dann später erklärt, dass die Rose wohl zu klischeehaft war, um sie Ginny zu schenken. Doch wirklich verstanden hatte er nur, dass er jetzt wohl immer Tulpen kaufen würde. Harry ließ seinen Blick schweifen und beschloss, dass er den Herbst wirklich mochte. Es war nicht so kalt, dass man Angst haben musste, seine Finger in der Kälte zu verlieren. Allerdings konnte er auch seinen Lieblingsschal tragen, ohne dass er komisch angeschaut wurde. Harry hatte den leicht verfilzten schwarzen Wollschal in Sirius altem Zimmer gefunden und hing nun etwas an ihm. Auch wenn Ginny schon mehrfach versucht hatte, das alte Ding unbemerkt loszuwerden, hatte er ihn erfolgreich bisher aus ihren Fängen gerettet. »Alles okay, Liebling?«, fragte Ginny und betrachtete ihn. »Ich habe mir nur überlegt, ob ich mir eine Eule zulegen sollte.«, log Harry. Er vermisste Hedwig und war sich ehrlich gesagt nicht sicher, ob er noch einmal eine Eule besitzen wollte. Allerdings war die Sache mit dem Schal nun auch kein gutes Thema. »Oh! Das ist eine super Idee! Mum, darf ich mir auch eine Eule kaufen?« Ginny sah kindlich ihrer Mutter mit großen rehbraunen Augen entgegen und er konnte deutlich sehen, wie sich die Stirn von Mr. Weasley neben ihr in Falten legte. Der Krieg hatte viele Opfer gefordert, auch die Winkelgasse fiel darunter. Der Wiederaufbau war immer noch im vollen Gange und lediglich die Haupteinkaufsstraße war nun erneut begehbar. Das Ministerium musste jeden Cent in die Arbeiten stecken und sparte viel Geld bei seinen eigenen Mitarbeitern ein, da das gepfändete Hab und Gut der Todesser nur teilweise für die Finanzierung der diversen Wiederaufbaumaßnahmen reichte. Bis vor kurzem war es nicht einmal sicher, ob Hogwarts wieder öffnen würde. Dementsprechend ging es den Weasleys finanziell noch schlechter als sonst und Harry unterstützte sie, wo er konnte. Jedoch war Arthur zu stolz, um vieles anzunehmen. So war es doch immer sein Wunsch, seine vielen Kinder und seine Frau alleine ernähren zu können. Das hatte ihm immer viel bedeutet. Er hatte Harry mal bei einem abendlichen Drink beiseitegenommen und ihm gesagt, dass dies seine wichtigste Aufgabe sei. Und jeder Familienvater dies anstreben sollte. Harry überlegte. »Ich kann dir eine Eule kaufen, wie fändest du zum Beispiel einen kleinen Waldkauz?«, versuchte Harry die Situation zu retten und Mrs. Weasley lächelte ihn wissend an. Das sanfte Klingeln der goldenen Türglocke kündigte ihre Ankunft im tropfenden Kessel an. Harry betrat zusammen mit den Weasleys und Hermine den dunklen Schankraum. Ron steuerte auf direktem Wege gefolgt von den anderen den großen Holztisch in der Ecke des Raumes an. Es waren relativ viele Menschen hier. Er fragte sich, ob sehr viele nach Hogwarts zurückkehren würden. Harry wollte den anderen folgen, fühlte er sich doch so müde und wollte einfach nur noch ein Zimmer mieten und endlich schlafen gehen. Ein wenig der Kälte entgehen und sich aufwärmen. Morgen würden sie mit dem Hogwarts-Express fahren und Harry war irgendwie sogar etwas aufgeregt. Er war fast beim Tisch angekommen, da nahm er eine kleine Menschentraube aus der Richtung des Tresens wahr und seine Bewegung erstarrte als eine altbekannte Stimme von der anderen Seite des Raumes in sein Ohr drang. »Ich will doch nur eine Übernachtung! Das ... kann doch wohl nicht wahr sein. Ich zahl auch das Doppelte!« Harry reckte den Kopf ein kleines Stück, um über die Köpfe hinweg sehen zu können. Dort stand Malfoy. Wild gestikulierend hatte er sich vor dem glatzköpfigen Wirt Tom aufgebäumt und versuchte, ihn wohl davon zu überzeugen ihm ein Zimmer zu vermieten. »Ich will keine Todesser in meinem Pub.«, spuckte Tom ihn an. Malfoy biss die Zähne zusammen und Harry konnte die Angespanntheit in den eingefallenen Gesichtszügen des Slytherin erkennen. »Ich glaube eine Schleiereule fände ich schön.. oder was meinst du? Harry, hörst du mir überhaupt zu?« Ginny, die immer noch an seiner Hand hing, war zwangsweise ebenfalls stehen geblieben. Sie schaute ihm mit fragendem Blick entgegen. Harry beachtete sie jedoch nicht. Sein Blick war auf das Schauspiel gerichtet, welches sich ihm an der Theke bot. Sein Erzfeind sah abgemagert aus und versuchte dennoch, möglichst aufrecht vor Tom eine autoritäre Position einzunehmen. Malfoys Haare reichten ihm bis unter das Kinn und Harry musste schmunzeln, als er feststellte, dass es nicht so glatt und gekämmt aussah wie sonst. Die feinen blonden Strähnen standen in die verschiedensten Richtungen ab. Harry bekam fast schon das Bedürfnis zu ihm zu gehen und mit der Hand sachte zu fühlen, ob das Haar sich wirklich so weich anfühlte, wie es gerade aussah.   Was denkst du da? Ermahnte er sich selbst und schüttelte hastig den Kopf. Ginny, die mittlerweile seinem Blick gefolgt war, schnaubte.   »Was will er denn hier?«, zischte sie. Malfoy und Tom hatten jedoch nicht nur ihre Blicke auf sich gezogen. Der ganze Pub schien das Spektakel unbedingt beobachten zu wollen. »Was hat das Frettchen denn alles dabei?«, hörte er Rons Frage, der wohl auch sich gewundert hatte, wieso sie nicht weiter gingen. Erst jetzt viel Harry das Durcheinander neben Malfoy auf. Diverse Koffer und Säcke, in die allerlei Zeug hastig gestopft worden ist, stapelten sich um ihn herum. Harry fiel kurz eine kleine Sanduhr ins Auge, die offen in einem Korb lag. Sie hatte ein silbernes Gestell, welches von einem Drachen gehalten wurde. »Sie haben das Manor gepfändet.«, sagte Hermine, welche sich neben Ron gestellt hatte. Doch bevor Harry sich der Bedeutung ihrer Worte bewusst werden konnte, sah er, wie ein dunkelhaariger Mann hinter Draco trat. Er trug einen grünen Schal um seinen Hals und einen schwarzen Wintermantel. Blaise Zabini war in ihrem Jahrgang. Und auch wenn Harry ihn nicht oft getroffen hatte, wusste er, dass Blaise ein Slytherin war. »Lass uns gehen, Draco.«   Zabinis Hand legte sich behutsam auf Dracos Schulter und Harry konnte einfach nicht den Blick von dieser wahrscheinlich freundschaftlichen Geste abwenden. Draco Malfoy sah erschöpft aus und dennoch schien er hartnäckig zu versuchen stark zu wirken. Harry fragte sich, ob er sich in der Gerichtsverhandlung den geradezu verletzlichen Ausdruck in Malfoys Augen nur eingebildet hatte. Ein kurzes Abfallen der Maske, die er auch in diesem Moment versuchte aufrechtzuerhalten. Immerhin wirkten die Augen des Slytherin in diesem Augenblick nur dunkel und matt.   Ich werde noch verrückt. Man sollte ihn definitiv ins St. Mungos einweisen lassen. Malfoy schaute sich, aufgeschreckt durch die plötzliche Berührung hektisch um und schien wohl zu realisieren, dass alle ihn beobachten. Bis sein Blick an Harry hängen blieb. Für einen flüchtigen Moment - und Harry war sich nicht wirklich sicher – glaubte er es erneut zu sehen, dass Malfoys Maske kurzweilig abfiel und ein leichter Rotschimmer sich auf seine weiße Haut zeichnete. Er sah ihn fassungslos an. Als wenn Harry der letzte Mensch wäre, den er in dieser Situation sehen wollte. Er wandte sich hastig ab, brach den Blickkontakt.   »Ja, wir gehen. Blaise, pack mal hier an.«, sagte er zu Zabini gerichtet. Die beiden Männer fingen an, die verschiedenen Koffer zusammen zu sammeln, und verließen mit schnellen Schritten den tropfenden Kessel. Einzelne Gäste johlten und pfiffen ihnen hinterher. Als die Türklingel ihren Abschied verkündete, schüttelte Tom kurz demonstrativ den Kopf und blickte zu Harry. »Entschuldigen Sie bitte, Mr. Potter. Es ist mir unendlich peinlich, dass Sie das mit ansehen mussten. Dieser Abschaum hat hier nichts zu suchen. Es ist mir eine Ehre, Sie hier willkommen heißen zu dürfen. Möchten Sie und Ihre-« Er schaute kurz auf Ginny und lächelte. »wunderschöne Begleitung das übliche Zimmer haben?« Harry wurde schlecht. Was hatte Hermine gesagt? Wenn das Manor gepfändet war, dann konnte es sein, dass Malfoy obdachlos war? Diese ganzen Gegenstände, hatte Malfoy sie etwa vor dem Ministerium in Sicherheit gebracht, bevor sie alles mitnehmen konnten? Harrys Stirn legte sich in Falten, während sich das Getümmel um das Geschehen langsam auflöste. Er hat bestimmt genug schwarz-magisches Zeug in diesem Anwesen versteckt gehabt, dachte er sich, immerhin hatte Voldemort dort einige Zeit verbracht. Ein zögerndes Ziehen an seiner Hand ließ ihn zu seiner rechten Seite gucken. Ginny schaute ihn schweigend an.     ~~~*~~~ Der restliche Abend verlief eigentlich sehr ereignislos. Sie mieteten drei Zimmer an und Harry war ganz froh, dass Ron bei der Vorstellung, sich mit Hermine ein Zimmer teilen zu müssen, knallrot anlief, womit er seinen Haaren Konkurrenz machte. Also lief es darauf hinaus, dass Harry sich mit seinem besten Freund ein Zimmer teilte und Ginny, die seit der Begegnung mit Malfoy und Zabini sowieso nicht die beste Laune hatte, verstimmte es nur noch weiter. Harry gab es letztlich auf, ihr weiter gut zuzureden und ihr zu versichern, dass es nicht an ihr lag, dass sie sich nun kein Zimmer teilen konnte. Er fühlte sich so müde. Von einem wehleidigen Seufzen begleitet, was ganz haltlos aus seiner Kehle drang, sah er sich Ron an, wie er mit ausgestreckten Gliedern in der Mitte des großen Bettes lag und an die Decke starrte. »Meinst du, sie hätte sich mit mir ein Zimmer geteilt, Harry?«, fragte sein bester Freund verträumt und sah ihn nachdenklich an. »Ich denke sie wartet eigentlich nur darauf, dass du es endlich offiziell machst.« Harry zuckte mit den Schultern und für einen kurzen Moment schwiegen sie. Doch Ron grinste plötzlich und fing an zu glucksen. »Wir haben uns geküsst, man. Es war unbeschreiblich. So etwas habe ich noch nie gefühlt ...«, seufzte sein bester Freund tief. Harry beobachtete, wie Ron die Arme noch weiter ausstreckte und fragte sich, was eigentlich so toll am Küssen war. Harry hatte nie irgendein Kribbeln oder so gefühlt. Es fühlte sich eigentlich ... na ja, nass an. »Wann denn das?«, fragte Harry, der sich aufsetzte und im Schneidersitz platz nahm. »Letzte Woche, nachdem du abgehauen bist.« Er legte seinen Kopf leicht schief, als würde er kurz überlegen um sich genau an die Situation zu erinnern. »Ich habe Geräusche von unten gehört, also bin ich aufgestanden und da saß sie. Alleine in der Küche und ich hab es einfach nicht verstanden. Sie war total in ihre Gedanken versunken und als ich sie dann fragte, was denn passiert sei, sagte sie nur ich sei genauso dumm wie du und - was soll ich sagen - dann hat sie mich geküsst. Einfach so.« Ron ließ sich zurück auf das Bett fallen und seufzte tief. »Versteh einer die Frauen.« Harry freute sich für Ron und war insgeheim froh, dass die beiden sich nach einer so langen Zeit des umeinander Herumschleichen endlich finden würden. »Genauso dumm wie ich?«, fragte Harry. »Ja man. Harry, keine Ahnung ich habe ehrlich gesagt auch mehr über den Kuss nachgedacht, weißt du?« Ron sah ihn nachdenklich an. »Aber hör mal, Harry -«, haderte er kurz mit sich, richtete sich aber sogleich wieder auf. Harry hatte es sich zwischenzeitlich in einem kleinen Sessel am Holzfeuerofen bequem gemacht. »Liebst du meine Schwester?« Harry blinzelte ein paar Mal, hatte er nun wirklich nicht damit gerechnet, dass nun sein Liebesleben thematisiert werden würde. Und das Wort Schwester hatte irgendwie einen komischen Unterton in seinem Ohr. Gab es hier überhaupt eine richtige Antwort? Grübelte Harry. Doch sein Verstand war zu müde, um einen klaren Gedanken zu fassen.   Außerdem war er ziemlich ratlos in dieser Hinsicht. Dieses Gefühl, was Ron beschrieb, wenn er von Hermine redete oder sie sogar küsste, kannte er nicht. Es hatte sich nie wirklich nach etwas unglaublich Außergewöhnlichen angefühlt. Klar war es schön, die Nähe der anderen Person zu wissen und einen Gesprächspartner für heikle Themen zu haben. Es war bequem Ginny an seiner Seite zu haben. Doch rechtfertigte Bequemlichkeit auch Liebe? Harry konnte sich vorstellen, mit Ginny eine längere Beziehung mit allem Drum und Dran zu führen. Eine Familie zu gründen …   »Du solltest sie verlassen, Harry.« Harry sah ihn nur mit großen Augen an. Was hatte Ron da gesagt? Doch sein bester Freund zuckte nur mit den Schultern und schnaubte. »Sie ist versessen in dich, seit sie dich das erste mal gesehen hat in deinem ersten Jahr, wo wir uns auch kennengelernt haben. Wenn du so lange darüber nachdenken muss, ob du sie liebst oder nicht. Und das muss ich sagen, egal ob sie manchmal nervig ist oder nicht, als ihr Bruder – er atmete kurz ein – wenn du so lange zögerst ohne zu antworten, dann liebst du sie nicht, Harry. Also beende es bevor du ihr wehtust. Ich hab schon gehört, dass Dean nach Hogwarts wieder kommen wird. Sie wird schon drüber hinweg kommen. Allerdings wenn du wartest bis ihr beiden Kinder habt, dann –«, hustete er. Ron hatte Recht. Vielleicht war es keine schlechte Idee, eine Pause von der ganzen Sache zu nehmen und sich nur auf seinen Abschluss zu konzentrieren. Was danach kam, da konnte sich der Zukunfts-Harry drum kümmern. Es ließ ihn aufatmen, dass Ron einfach ein toller Freund war. Sie gingen schlafen. War er doch so müde und fühlte sich einfach nur noch ausgelaugt. Seine Glieder drückten sich schwer in die Matratze als er sich an die Wärme der Decke gewöhnte und sich kurz fragte, ob Malfoy wohl auch mit nach Hogwarts kommen würde. Er war doch freigesprochen worden. Doch würde er das wollen? In die Schule zurückkehren, die er quasi durch seine Entscheidungen zerstört hatte?   Harry zog die Wolldecke bis unter sein Kinn und seufzte kurz auf. Er würde das mit Ginny klären müssen und auch wenn er wusste, dass er sie damit verletzen würde, musste Harry es tun. Seine Freunde hatten Recht.   Es war schon fast ironisch, jeder pries ihn als den ach so tollen Retter der Zauberwelt und sein Liebesleben lag in Scherben. Und dennoch, innerlich freute Harry sich für seine besten Freunde, bevor er einschlief und träumte.     ~~~*~~~   Kapitel 4: Enemy ---------------- Kapitel 4: Enemy Träge fixierte Harry den Abendhimmel, der sich zwischen verhangenen Wolken hinter schwebenden Kerzenleuchtern an der Decke abzeichnete. Er versuchte, seine Augen offen zu halten, doch immer wieder fielen sie zu, als wenn eine Last auf ihnen liegen würde. Mit einem schwerfälligen Blick schaute er sich langsam in der großen Halle um. Die Zugfahrt hierher war wie im Flug vorbei gewesen und mit Etwas war er sich ganz sicher. Er würde nichts lieber tun als die Empfangszeremonie schnell hinter sich zu bringen und möglichst unauffällig in den Schlafsaal flüchten. Es war immer dasselbe. Jede Nacht. Er träumte. Er träumte von Ausschnitten aus seinem Leben. Oft waren es Situationen, die Harry am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis verbannen wollte. Das Gespräch mit Ginny auf dem Bahngleis gehörte wahrscheinlich nun auch dazu. Harry hatte ihr versucht zu erklären, dass er eine Pause von ihrer Beziehung wolle, um zu sehen was für eine Person er eigentlich ohne die Rolle des Helden war. Und als er an ihre mit Tränen gefüllten rehbraunen Augen dachte, musste er sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass dies so richtig war. Es brachte nichts, eine Beziehung mit Ginny zu führen, wenn er nicht einmal mit sich selbst klar kam. Harry seufzte und strich sich geistesabwesend durch die Haare. Vielleicht konnten sie ja zu einem späteren Zeitpunkt erneut ausgehen. Er fühlte sich kraftlos und unmotiviert. Auch Hermines Begeisterung für die anstehenden Prüfungen, welche sie ihm nur allzu im Detail auf der Zugfahrt nach Hogwarts erklärt hatte, schien ihn nicht wachzuhalten. Und dennoch, jetzt da er endlich hier war, fiel ihm doch etwas auf. Er war nicht da. Malfoy fehlte und fast fand Harry es schade, dass er sich nicht mit ihm streiten konnte wie in den vergangenen Jahren. »Das hätte mich wenigstens wach gehalten.«, murmelte er. »Was hast du gesagt?« Hermine lächelte ihn an. Sie saßen an ihrem gewohnten Platz am Gryffindortisch und es wurden gerade nach und nach die neuen Erstklässler eingeschult.   »Schon gut.«, murmelte Harry. Sie betrachtete ihn nachdenklich und wandte dann ihren Kopf erneut der Einschulungszeremonie zu. Harry schlürfte kurz an seinem Kürbissaft und fragte sich, ob es das Richtige war, hierher zurückzukommen. Doch als ihm das Getränk die Kehle runter rann, war er einfach froh und genoss es. Jetzt war er nun einmal hier, also konnte er auch das Beste aus ihrer Situation machen. Dennoch waren nur in etwa ein Drittel der Schüler seines Jahrgangs zurückgekommen und man merkte deutlich, dass die Vergangenheit noch im Unterbewusstsein der Menschen mitschwang. Harrys Blick wanderte zu der großen Eingangstür und erwartete irgendwie, dass sein Erzfeind mit trotzigem Blick und wehendem Umhang durch die Tür kam und Ron ihm einen abfälligen Kommentar zuflüstern würde. Doch als sich die Tür tatsächlich zu Harrys Erstaunen öffnete, war es nicht Malfoy, der hindurch eilte. Blaise Zabini hastete durch die große Halle und Harry sah, dass er sich kurz umschaute, als würde er jemanden suchen. Bis er innehielt und mit schnellen Schritten auf McGonagall zuschritt. Er beugte sich kurz über den Lehrertisch und schien ihr etwas in ihr Ohr zu flüstern. Harry konnte beobachten, wie sich ihre Stirn in Falten legte. Dennoch sah sie schließlich den Slytherin verstehend an und nickte. Ob das etwas mit Malfoy zutun hatte? Was heckte er wohl wieder aus? Er ließ seinen Blick über den Lehrertisch streifen. Er sah Professor Sprout und Professor Flitwick, die eng beisammen saßen und über etwas zu lachen schienen. Professor Slughorn beschäftigte sich angestrengt mit seiner Taschenuhr. Der Platz neben ihm war leer und Hagrid, der mit seiner Statur sowieso zwei Plätze für sich beanspruchte, unterhielt sich mit einem etwas angestrengtem Gesichtsausdruck mit Professor Trelawney, die seufzend auf ihn einredete. Hagrid, der offenbar Ablenkung von seinem Gespräch suchte, kreuzte Harrys Blick und er lächelte ihn grinsend an, um auf seine nonverbale Frage zu antworten. Hagrid durfte also wieder unterrichten. Das war toll. Der Wildhüter ist in dieser Rolle so aufgegangen und trotzdem war Harry insgeheim ganz froh, dass er das Fach dieses Jahr nicht hatte. Konnte er sich nur zu gut an die knallrümpfigen Kröter erinnern. Er musste seine Abschlussprüfungen in den Fächern Verwandlung, Zauberkunst, Zaubertränke, Wahrsagen und Verteidigung gegen die dunklen Künste ablegen. Wie ein Mantra hatte Hermine das immer und immer wieder auf der kompletten Fahrt wiederholt. Sein Blick glitt zu dem leeren Platz am Lehrertisch. Wer würde dieses Jahr wohl dieses Fach unterrichten? Schließlich lag irgendwo ein Fluch darauf. Kein Lehrer hatte es bisher mehr als ein Schuljahr ausgehalten.   Aus diversen Gründen wohlgemerkt. »Kein Wunder, dass das Frettchen nicht hier ist.«, hörte Harry die Stimme seines besten Freundes neben ihm. Ron hielt die heutige Ausgabe des Tagespropheten in der Hand und graue Augen blickten ihm entgegen. »Gib das mal her!«, fuhr er Ron an, welcher ihm schulterzuckend die Zeitung aushändigte.   »Wundert mich nicht, dass er sich nicht mehr her traut.«, sagte Ron. Harry griff nach dem Tagespropheten und sah sich das Titelblatt an.     Todesser freigesprochen. Plant er nun Rache für seine Familie?     Der Sohn der bekannten Todesser-Familie und Anhänger von dem, dessen Name nicht genannt werden darf, Mr. Draco Malfoy, trägt seinen Namen immer noch voller Stolz. Nachdem er durch die Aussage von niemand Geringerem als unserem Retter, Mr. Harry Potter, freigesprochen wurde. Harrys Blick zuckte auf eine kleine Randnotiz, auf der vermerkt war, dass die genauen Umstände in diesem Fall noch vom Ministerium geprüft wurden. Er verdrehte die Augen.   Und dennoch stellt sich die Frage, schaut Mr. Malfoy untätig dabei zu, wie seine Familie sterben wird? Er selbst wollte in einem Interview keine Fragen beantworten und dennoch soll er sich, so Zeugen, offen gegen den, dessen Name nicht genannt werden darf aussprechen.   Noch gestern berichteten Augenzeugen, dass der junge Malfoy versucht hatte, im bekannten Wirtshaus Zum Tropfenden Kessel zu randalieren. Das Ministerium äußerte sich zu den Umständen und gab bekannt, dass Lucius Malfoy, der Vater des Jungen und bekannter Todesser, wahrscheinlich in den nächsten Wochen den Kuss des Dementors erhalten wird. Wie wird sich das weiter entwickeln? Lesen Sie mehr auf Seite 14.   Rita Kimkorn Harry wusste nicht so ganz wohin mit seinen Gedanken. Sein Blick huschte an den Slytherin-Tisch und er versuchte Zabini ausfindig zu machen, doch bevor er ihn finden konnte, trat McGonagall vor die Schüler und räusperte sich laut. Ihr faltenreiches Gesicht tauchte sich in ein warmes Lächeln. »Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts. Ich bin froh, sie alle wohlbehalten nach den jüngsten Ereignissen hier wieder begrüßen zu dürfen.« Harry meinte ein kurzes Zucken an ihrem Mundwinkel erkennen zu können. Als würde sie sich unglaublich anstrengen müssen, bei diesem Thema eine freundliche Miene aufzusetzen. »Bitte bedenkt, dass durch die diversen Wiederaufbaumaßnahmen die Schule über die Weihnachtsferien leider nicht geöffnet sein wird.« Ein Murmeln ging durch die Reihen der vier Haustische. »Ich habe eine Bitte an euch.«, fuhr sie fort und holte tief Luft. »Nimmt dieses Jahr - und das gilt insbesondere für die Abschlussklassen -« Ihr Blick fiel auf Harry »als Chance und versucht Streitigkeiten, besonders zwischen den Häusern, beizulegen. Der Kampf ist vorbei. Es wird Zeit, dass Sie nach Vorne blicken und sich Mühe geben für ein anderes Leben zu arbeiten, womit Sie hiermit die beste Gelegenheit haben.« Sie atmete kurz ein. »Des weiteren möchte ich noch einmal nachdrücklich erwähnen, dass der verbotene Wald-« Weiter hörte er ihr nicht mehr zu. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Ron, der mit großen Augen auf seinen Stundenplan starrte. »Doppelstunde Zaubertränke mit den Slytherins? Direkt am ersten Tag? Hermine …«, stöhnte er gequält auf und Hermine verdrehte nur die Augen. »Mal sehen, ob du immer noch Slughorns Liebling bist, ohne deinen Halbblutprinzen.« Sie wandte sich zu Harry, doch seine Stirn legte sich in Falten. Das könnte tatsächlich ein Problem werden. Seinen Erfolg in Slughorns Unterricht hatte er dem Buch des Halbblutprinzen zu verdanken. Snapes Buch. Schoss es durch seine Gedanken. Würde er doch ohne das Buch niemals einen halbwegs brauchbaren Trank zusammenbrauen. Er war jetzt schon verloren. Wie sollte er nur den morgigen Schultag überstehen? Er seufzte tief auf und begann das erschienene Abendessen zu verspeisen.     ~~~*~~~ McGonagalls Bitte schien die allgemeine Schülerschaft nicht wirklich zu interessieren. Geprägt von den Ereignissen des Krieges verhielten sich insbesondere die älteren Schüler vorwurfsvoll und misstrauisch. Vor allem die Slytherins litten darunter. Nun waren die Rollen plötzlich vertauscht und die anderen Häuser bedrohten und schikanierten die Schlangen, wo es nur ging. Wurden diese Schüler doch für die Geschehnisse und den Tod vieler Familienmitglieder mitverantwortlich gemacht. Viele Slytherins waren mit Todessern verwandt oder, in Malfoys Fall, selber einer. Harry wollte keine Feindschaften mehr. Er war müde vom Kämpfen und McGonagall hatte recht, es war Zeit, nach vorne zu schauen. Sie quälten sich durch den Vormittag und zu seinem Leidwesen auch durch eine Doppelstunde Wahrsagen, doch Harry stellte erfolgreich in der Stunde von der Eule, wie er Professor Trelawney liebevoll nannte, sein Gehirn auf Durchzug. Alleine der Gedanke daran, heute auch noch Zaubertränke über sich ergehen lassen zu müssen, sorgte für ein dumpfes Gefühl in seinem Brustkorb und direkt nach dem Mittagessen fühlte es sich an, als wäre er bereits mehrere Monate wieder hier. Seine Stirn pochte und müden Schrittes ging er in den Krankenflügel, um Madam Pomfrey nach einem Traumlos-Trank zu fragen.   Hermine hatte ihm unter Widerwillen davon erzählt und Harry wusste nur, dass der Trank wohl in Überdosen süchtig machen konnte. Der Trank tat in dem Sinne das, was er versprach. Der Anwender hörte auf zu träumen. Mehr nicht. Doch er hatte Nebenwirkungen. Bei regelmäßigen Konsum zerstörte der Trank Gehirnstränge und Zellen. Man wurde vergesslicher oder vergaß sich selber komplett. Harry schüttelte den Kopf. Das würde ihm nicht passieren.   Doch als er endlich bei Poppy angekommen war, zerbrach sein perfekter Plan als diese ihm verkündete, dass sie den Trank ihm nicht geben könne. Sie bräuchte eine spezielle Genehmigung des Ministeriums dafür und bekam diese auch nur in besonderen Fällen, da er bereits als Droge galt. Er müsste einen offiziellen Antrag stellen. Wie sollte er das nur überstehen? Harry fühlte sich durch den Schlafmangel erschöpft und machte sich träge auf den Weg in die Kerker, um zu Slughorns Unterricht zu gelangen. Trotzdem, dass es ihr letzter Unterricht heute war, konnte er sich einfach nicht vorstellen, wie er die Prüfung in diesem Fach bestehen sollte. Er näherte sich und bemerkte, dass sich vor der Klassentür eine Traube von Menschen gebildet hatte. Harry sah die große Statur von Blaise Zabini in der Masse. Sie traten näher, blondes Haar blitzte in der Menge hervor und Harrys Gang wurde schneller. »Was willst du machen, Malfoy? Willst du es jetzt deinem tollen Vater erzählen? Ach ja, kannst du ja bald nicht mehr.«   Dean Thomas stand vor ihrem Klassenraum und blickte hinab auf Draco Malfoy, der seine Unterlagen hastig vom Boden zusammensammelte. »Euer degeneriertes Verhalten ist abartig. Halt dich gefälligst von mir fern, Thomas.«, zischte Malfoy.   »Verschluck dich nicht, Blondie.«, lachte Dean spöttisch.   »Was soll das?«, mischte sich Harry ein. »Potter.« Mattgraue Augen starrten ihn an und Harry sah Wut in ihnen. Er war schon fast erleichtert, zu sehen, dass sein Rivale doch gekommen war. Zumindest bis zu dem Moment als Malfoy weitersprach. »Das hat mir ja gerade noch gefehlt. Der Retter der Zauberwelt persönlich, was für eine Ehre. Und jetzt lasst mich in Frieden. Alle Beide« Er schaute in Harrys hellgrüne Augen und Harry sah nur pure Abneigung in Malfoys Blick. »Was ist dein verdammtes Problem, Malfoy?«, feixte Harry ihn an. Er war plötzlich hellwach. »Ich habe dir nichts getan und du machst mich so von der Seite an. Reiß dich mal zusammen.« Harry verschränkte die Arme und sein Blick glitt kurz zu Hermine, die ihn beobachtete. »Verrotte in der Hölle, Potter. Was geht es dich bitte an, was ich mache?«, zischte Malfoy trotzig. Dieser undankbare, kleine Mistkerl.   Harry hatte es satt. Es reichte und Wut kochte in seinem Körper hoch, vernebelte ihm den Verstand. Er hob seinen Zauberstab und wollte schon auf Malfoy los gehen als plötzlich hinter ihm eine Stimme ertönte. »Nachsitzen. Potter, Malfoy.«   Professor McGonagall sah sehr verärgert aus, was ihre faltige Stirn noch runzeliger Wirken ließ.   »Einen Tag. Nein, ich korrigiere mich, nicht einmal einen Tag haben Sie es geschafft, meiner Empfehlung zu folgen. Das sind 20 Punkte Abzug für Ihre beiden Häuser. Ihr Lehrer, Mr. Slughorn, verspätet sich leider.« Sie wandte sich den anderen Schülern zu. »Bitte geht doch schon einmal in das Klassenzimmer während ich diese Herren hier in das Trophäenzimmer geleite.«   Murmelnd gingen die anderen Schüler in den Raum und Harry warf einen letzten Blick auf Hermine, die ihm mit einer Mischung aus Sorge und Empörung entgegenblickte als McGonagall sich erneut Malfoy und Harry zuwandte, die im leeren Gang zurückgeblieben waren.   »Ich kann nicht verantworten, dass gerade Sie Beide sich so aufführen. Sie können gerne Ihren Abschluss nachholen, jedoch werden Sie an keinem weiterem Unterricht in diesem Schloss teilnehmen, bis Sie diese ewigen Streitereien beigelegt haben.«, sagte sie nachdrücklich und zeigte mit einer Handbewegung an, dass sie ihr folgen sollten. Sie versuchten, mit ihren schnellen Schritten mitzuhalten, bis sie an einer großen Eichentür halt machte. Sie öffnete die Tür und zum Vorschein kam ein mittelgroßer Raum, vollgestopft mit diversen Kisten und aufwendig verzierten Regalen, in denen Pokale und einige Medaillen zur Schau gestellt wurden. In der Mitte des Raumes stand eine kleine Drachenstatue, die von einer gläsernen Kuppel geschützt wurde. »Potter, Malfoy. Hier.« Sie hielt ihnen zwei Eimer und einen Besen hin. »Sie werden diesen Raum reinigen. Blitzblank. Ohne Magie.« Harry hörte Malfoy neben sich aufstöhnen.   »Aber Professor!«, maulte er.   »Direktorin. Wenn ich wohl bitten darf, Mr. Malfoy. Ich werde Sie heute Abend hier wieder abholen und wenn Sie Zeit haben, können Sie ja vielleicht mal über meine Worte von der Empfangszeremonie nachdenken. Dann, einen schönen Abend, die Herren.« Sie machte auf dem Absatz kehrt, ließ die Putzutensilien vor ihren Füßen liegen und verschwand. »Wirklich klasse, Potter.«, knurrte Malfoy. Er schnappte sich einen Eimer und hielt ihn demonstrativ vor Harrys Nase.   »Gut, ich fang hier drüben an, du auf der anderen Seite. Keine Gespräche.« Malfoy drehte sich um und ging zu einigen Steinbüsten auf der linken Seite. Konnte dieser Tag nicht endlich ein Ende finden?   Harry fragte sich, womit er das verdient hatte, und schaute neugierig auf seinen Rivalen und sah, wie dieser anfing, mit einem Staubtuch das Regal zu säubern. Malfoy schien ihn wirklich ignorieren zu wollen und Harry fragte sich, ob er diesem Wunsch nicht einfach entsprechen sollte. So war der Gedanke daran, es einfach nur hinter sich zu bringen und in sein Bett zu schlüpfen so verlockend.   Immerhin bin ich dem Zaubertrankunterricht auf diese Weise entkommen, dachte er sich. Sie schwiegen und nur die Geräusche von Gegenständen, die aufgeräumt oder gesäubert wurden, waren zu hören. Eine Weile verging und Harry hatte langsam sein Zeitgefühl verloren. Seine Wut war mittlerweile irgendwie verraucht und er fühlte sich einfach nur noch ausgelaugt und erschöpft. Ab und zu konnte er Malfoy dabei beobachten, wie dieser sich neugierig einige der Pokale ansah, aber dennoch sprach er nicht mit ihm.   Harry konnte es recht sein. Er räumte seufzend einige der Bücher zusammen, welche in wirklich großen Regalen, die bis an die Decke gingen, einsortiert werden mussten, und versuchte, sie dorthin zu balancieren. Der Turm aus Büchern, den er halbherzig aufgestapelt hatte, war nicht wirklich stabil. Er trat ein paar Schritte nach vorne, als er plötzlich die Stimme von Malfoy vernahm, welche die ewig währende Stille endlich brach. »Danke, Potter.« Wie ein Windhauch, der drohte zum offenen Deckenfenster hinaus zu wehen, hatte er es beinahe nicht mitbekommen und war so verwirrt von diesen Worten, dass er geradewegs das Gleichgewicht verlor und mit einem lauten Krachen zu Boden fiel. Der Schmerz brachte ihn kurz zum Aufkeuchen und ein metallenes Scheppern hallte im Raum wider. Harry stützte hilfesuchend zwei Finger an dem schweren Bücherregal ab, in das er gefallen war. Ein alter Pokal in rostfarbenem Metall rollte geräuschvoll über den Boden, bis er an einer Kante zum liegen kam. Noch etwas desorientiert rieb er seine linke Schulter, pflückte einige Papierüberreste aus den rabenschwarzen Haaren und schob mit einer Bewegung einen alten Buchwälzer von seinem Schienbein. Er stand auf und suchte die Augen des Mannes, der am anderen Ende des Raumes sorgsam einige Medaillen zwischen den langen Finger hin und her wiegte. Malfoy schien ihn kaum beachtet zu haben und Harry fragte sich für einen Moment, ob er sich vielleicht verhört hatte. »Ich wusste ja, dass Eleganz nie wirklich deine Stärke war, Potter. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass ich dich damit so leicht aus dem Konzept bringe.« Draco Malfoy sah nachdenklich auf seinen Rivalen, während Harrys Hand immer noch seine Schulter rieb, die durch den dumpfen Fall verletzt worden war. Malfoy schmunzelte und fuhr etwas leiser fort: »Ich meine es Ernst, Potter. Danke. Und lass es mich bitte nicht noch einmal sagen. Nicht, dass du dir noch ernsthaft etwas brichst.« Sie waren älter geworden. Der Krieg hatte sie verändert. Malfoy hatte genau wie er einen hohen Preis zahlen müssen. Für eine Loyalität, die ihm aufgezwungen wurde. Harry fiel es schwer, zu beurteilen, welche Narben die Vergangenheit bei ihm wohl hinterlassen hatte. Doch obwohl er auf der anderen Seite stand, hatten sie sich gegenseitig das Leben gerettet. In einem Krieg, in den sie beide unweigerlich hinein gezogen wurden. »Wir sind quitt«, sagte Harry ruhig. Er machte einige Schritte nach vorne und stand nun direkt vor Malfoy, welcher ihn skeptisch mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen beäugte. »So etwas gibt es nicht im Leben, Potter.« Er trat einen Schritt zurück, um der plötzlichen Nähe zu entkommen, und drückte seine Hüfte gegen den kleinen Schreibtisch, welcher in einer Nische des Raumes stand. »Jeder Mensch erntet die Früchte, die er sät.« Malfoys Stimme klang kalt und wenn Harry es nicht besser gewusst hätte, sah er Unsicherheit in seinen Augen. Sie schwiegen und für wenige Sekunden, wirkte dieses großräumige Zimmer doch so einengend. Wie lange mussten sie noch hierbleiben? Er spürte die Nähe des Anderen und ein angenehmer Schauer durchfuhr ihn. Ein wahnsinniger Kontrast zu dem kalten Wind, welcher durch die hohen Fenster ins Innere des Raumes getragen wurde. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten das Zimmer in ein warmes Licht und sturmgraue Augen fixierten ihn. Dracos Blick flackerte durch die Partien von Harrys Gesicht, bis er sich abrupt unsanft an Harry vorbei schob. Ihre Schultern berührten sich. Seine Hand handelte, bevor er es realisieren konnte, und griff nach Malfoys Unterarm. Es war ein Reflex. Als wenn er versuchen würde, die Wärmequelle für sich zu behalten. Vielleicht nur für einen kurzen Moment? Malfoy drehte sich ihm entgegen und die plötzliche Nähe kam unerwartet, doch fühlte es sich auf eine komische Weise nicht unangenehm an. Harrys Herz setzte einen Takt aus, als heißer Atem gegen seine Lippen stieß. Er schluckte. »Ich kann sehr gut unterscheiden, wer zur falschen Sorte gehört.«, sagte Harry und versuchte, sein wild klopfendes Herz zu beruhigen. »Ich kann das nicht, Potter.« Draco griff mit seiner noch freien Hand in Harrys Pullover und versuchte, ihn von sich wegzuschieben. »Dieses Friede-Freude-Eierkuchen-Wir-Helfen-Einander-Zeug. Waren wir nicht Feinde, Narbengesicht?«, flüsterte er. »Warum hast du das gemacht, die Aussage?« Harry konnte deutlich die Unsicherheit spüren, die in Malfoys Frage mitschwang. »Ich wollte nicht, dass du in Askaban landest.«, antwortete Harry ehrlich. Es erschrak ihn, seinem ehemaligen Feind dies so zu offenbaren. Ehemalig? Ihm Gegenüber ein Gefühl zu zeigen und sich angreifbar zu machen fühlte sich unbehaglich an. Doch es entsprach der Wahrheit. Harry wollte nicht, dass Draco den Rest seines Lebens eingepfercht auf zwei Quadratmeter und umgeben von Dementoren sein Dasein fristen musste. Der Gedanke ließ ihn erschaudern und sein Griff um Dracos Unterarm wurde stärker. »Lass mich los, Potter. Was willst du? Hast du es genossen dich in meinem Elend zu suhlen? Du kannst nicht die ganze Welt retten. Ich hab es verdient. Alles, was sie sagen, weil ich einen Fehler in Kauf genommen habe um meine Familie zu schützen.« Malfoy riss sich los und Harry, der ganz perplex einfach nur da stand, fehlten in diesem Moment die Worte. Hatte er das getan? Wollte er einfach nur wieder irgendwen retten, der in Not war? Waren sie denn noch Feinde? Oder wollte er Draco doch eher als Freund haben? »Eigentlich, denke ich, dass du nicht wirklich eine Wahl hattest. Vielleicht hättest du uns früher vertrauen können. Allerdings angesichts der Tatsache das unser Verhältnis - « Harry bemerkte wie Draco einen Schritt zurückwich. »nicht besonders toll war zu dem Zeitpunkt. Kann ich es verstehen, Dra-« »Sag es nicht! Nenn mich nicht so!«, fauchte Malfoy. »Ich kann das nicht, Potter. Meine Eltern würden mich umbringen.« »Deine Eltern sind in Askaban.«, stellte Harry fest und bemerkte, wie Dracos Hand leicht anfing zu zittern. Dracos Blick verfinsterte sich und Harry wusste, dass seine Gedanken woanders waren. Er beobachtete den Mann vor sich für einen Moment. Man konnte es ihm regelrecht ansehen. Er beachtete Harry nicht einmal, als er seine Hand ausstreckte und langsam näher kam. Lucius Malfoy würde wahrscheinlich in den nächsten Wochen den Kuss des Dementors erhalten. Er erinnerte er sich an die Zeilen aus dem Tagespropheten. Wie es um Dracos Mutter stand, wusste Harry nicht. Das Malfoy Manor war gepfändet worden und Draco hatte zusätzlich zu seinen Eltern auch sein Zuhause verloren. Harry wusste nicht wieso. Er konnte es sich nicht erklären, warum er es tat. Seine Hand berührte nur ganz sachte Dracos Zeigefinger. Wirkte er doch so lang und zierlich in diesem Moment. Harry wollte nur, dass er sich beruhigte, und tastete sich langsam an der Wärmequelle entlang, zog seine Hand jedoch wieder zurück, doch schien diese kleine Berührung nicht unbemerkt geblieben zu sein. »Warum?«, hauchte Draco und hob seinen Blick. »Freunde trösten einander.«, rechtfertigte Harry sich. Brauchte er doch dringend eine Begründung für diese irrationale Geste, die sein Verstand nicht wirklich begreifen wollte.   »Ich will wissen was gewesen wäre, hätte ich deine Hand damals nicht ausgeschlagen.« Für einen Moment starrte ihn sein ehemaliger Feind aus aufgerissenen Augen an. Dann lachte Draco. Er lachte aus vollem Herzen und es war fast ansteckend. Er rieb sich eine Träne aus dem Augenwinkel und Harry sah ihn fragend an. »Du bist ein Idiot. Ich verstehe dich nicht, Potter, und ich weiß nicht ob ich das bereuen werde, aber – Ok, ich werde es wahrscheinlich bereuen-«, korrigierte er sich selbst.   »Aber kein Rumgeschnulze mehr, Potter! Waffenstillstand. Mehr nicht.«, bestimmte Draco und Harry nickte schluckend, konnte er noch nicht ganz realisieren, was gerade passiert war. »Also wenn das nicht ein wunderbares Fazit ist.« Die beiden Männer drehten sich abrupt um. Dort stand McGonagall. »Es freut mich, dass Sie zu dieser Einsicht gekommen sind, meine Herren. Und nun, gehen Sie zu Bett. Es war ein langer Tag.« Sie beendete das Nachsitzen und Dracos und sein Weg trennten sich wieder. Harry hatte keine Kraft, jetzt schon zu entscheiden, wie er die ganze Situation bewerten sollte. Als McGonagall sie entließ, flüchtete Draco fast schon in den Kerker und Harry machte sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, um sich endlich seine wohlverdiente Ruhe zu holen. Darüber Nachdenken, was da jetzt eigentlich mit ihm und seinem Feind geschehen war, konnte er morgen auch immer noch.   ~~~*~~~       Kapitel 5: Partner ------------------   Kapitel 5: Partner Der kalte Wind peitschte gegen seine Kleidung. Seine Glieder fühlten sich durchgefroren an, als er langsam in gebückter Haltung unter dem Fenstersims versuchte in Stellung zu gehen. Er wusste, dass er ihn hier finden würde. Ein Rinnsal Blut lief ihm über die Stirn bis zu seinen Lippen entlang. »Severus«, hörte er Voldemorts Stimme. Harrys Blick huschte kurz zu Hermine und Ron, die beide hinter ihm Position eingenommen hatten. »Severus, denkst du der Elderstab gehorcht mir? Sag es mir, Severus«, zischte er und Harry konnte durch die grünen, vom Regen verschmierten Fenster Snape sehen, wie er mit erschrockenem Gesichtsausdruck Voldemorts Blick erwiderte. Er hörte leise das Zischen von Nagini, welche auf die Befehle ihres Meisters wartete. Es schien so, als wenn Snape in seiner Bewegung eingefroren war. Harrys Narbe schmerzte und verschleierte ihm die Sicht. Mit zusammengepressten Lippen hörte er die Stimme seines alten Trankprofessors.   »Natürlich gehörcht er nur Ihnen, Herr.«, antwortete Snape. Doch er sah, wie Voldemort den Zauberstab erhob. »Du hast ihn getötet Severus-«, ertönte seine Stimme, doch -   Harrys Sicht verschwamm. Es war, als wenn ein Schleier das eingefallene Gesicht von Severus Snape wegwaschen würde. »Na sieh mal einer an, wen haben wir denn da?« Er blickte in sturmgraue Augen. »Warum, Malfoy?«, hörte er seine eigene Stimme sein Gegenüber anschreien, welcher kurz zusammen zuckte. Draco stand vor ihm, Goyle und Zabini an seiner Seite.   »Warum hast du Belatrix nicht gesagt, dass ich es bin?« Harry verstand es einfach nicht. Sein Blick huschte zu dem Schrank direkt neben ihm. Das Diadem. Er musste sich beeilen. Doch Malfoy antwortete nicht, schüttelte nur ganz sachte den Kopf und starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Harry keuchte auf und sah sich hektisch um. Sein Blick viel auf die kleine blinkende Uhr neben ihm. Es war halb 5 Uhr morgens. »Verdammte Scheiße« fluchte er in sein Kissen und starrte an die roten Vorhänge seines Bettes. Sein Verstand fühlte sich leer an. Ein dumpfes Gefühl, welches ihn erdrückte schwebte in seinem Inneren. Mit schweren Bewegungen stand er auf, schnappte sich seinen Tarnumhang und ging in Richtung des Gemeinschaftsraums. Ein bisschen frische Luft würde helfen, vielleicht konnte er sich auf den Astronomie-Turm schleichen. Er hörte das Prasseln des Kamins und das Erste, was Harry sah, als er den Gemeinschaftsraum betrat, war Hermines Haarschopf, die zwischen Büchern vor dem Kaminfeuer saß. Harry überlegte sich kurz, den Tarnumhang überzuziehen und vorbei zu schleichen, doch dann sah er die müden, von Augenringen untermalten Augen seiner besten Freundin und ging langsam auf das wärmende Feuer zu, welches einen Schauer durch seinen Körper jagte. »Konntest du nicht schlafen?«, fragte er sie sanft. »Oh- Harry! Nein, ich bin nur sehr früh aufgestanden um vor dem Unterricht noch einige Sachen durchzugehen. Ich habe nur gerade über etwas nachgedacht. Hattest du wieder einen Albtraum?« Harry konnte Sorge in ihrer Stimme erkennen. Hatte sie Harrys Visionen und Albträume ja schon in der Schulzeit zu Genüge mitbekommen. »Du solltest überlegen, zu einem Heiler zu gehen, Harry.«, schlug sie ihm abermals vor. »Damit mein Leben komplett in den Medien ausgetreten wird? Nein, danke. Ich wüsste nicht, wem ich so weit vertrauen könnte.«, sagte er und setzte sich neben Hermine auf das weiche Sofa. »Du hast Zaubertränke verpasst.« Hermine lächelte ihn an, wusste sie doch, dass diese Diskussion zu nichts führen würde.   »Zum Glück.«, gluckste Harry. Hermines Lächeln wurde schmaler und ihr Blick leicht ernster. »Slughorn hat uns in Projektgruppen aufgeteilt. Wir sollen bis Weihnachten einen Trank in Zweiergruppen fertigstellen. Er muss komplex genug sein, natürlich.« Sie reichte ihm einen Zettel, auf der eine Liste von Tränkenamen aufgeschrieben waren. »Diese könnten in Betracht kommen. Achja, da du mit Malfoy Nachsitzen musstest...« Hermine verzog ein wenig ihr Gesicht und sah ihn zögernd an. »Ihr habt die Gruppen schon aufgeteilt.«, stellte Harry fest. Er würde mit Malfoy an diesem Trank arbeiten müssen. Er schaute sich die handgeschriebene Liste an und begann sie zu lesen. Felix Felicis, flüssiges Glück. Das könnte interessant sein.   Armotentia ... nein, lieber nicht. Harry schüttelte den Kopf.   Vielsafttrank. Er schaute kurz auf Hermine, die ihn wissend anlächelte. Das sollte eine einfach verdiente Note sie werden.   »Arbeitest du mit Ron?«, fragte Harry sie.   »Ja, aber wir haben schon ausgemacht, dass er die Zutaten verarbeitet und ich mich nur um den Kessel kümmere und alles noch einmal kontrolliere. Wird schon schiefgehen, hoffe ich.«, seufzte sie tief. Harry widmete sich erneut der Liste. Der Trank der lebenden Toten. Harry hatte ihn schon einmal erfolgreich gebraut. Doch damals hatte er die Hilfe des Buches des Halbblutprinzen gehabt. Niemals würde er sich an alle handgeschriebenen Notizen und Änderungen erinnern. Kurz dachte er zurück an seinen Traum und an Snape. Er würde gegen diese Träume etwas unternehmen müssen, sonst würde er irgendwann zusammenbrechen. Das Gefühl in seinem Inneren verstärkte sich und er fühlte sich träge. Sein Blick glitt zurück auf die Zeilen. Der Trunk des Friedens. Es schien einer der schwierigeren Tränke zu sein. Hermine hatte daneben ein kleines Ausrufezeichen gekritzelt. Frieden klang jedoch zu traumhaft in Harrys Ohren. Ob Draco Interesse an diesem Trank hätte? Obwohl es wahrscheinlich verboten war, eine keine Menge des Trankes für sich zu beanspruchen. Schien er doch ebenfalls sehr erschöpft auszusehen. Er sah auf den letzten Trank der Liste. Veritaserum, das mächtige Wahrheitselixier. Ob er die Wahrheit gesagt hatte an diesem Abend? Danke, Potter, hörte er die geflüsterten Worte seines Rivalen in seinen Gedanken. Ein Schauer ging durch seinen Körper. Er blickte auf das halbgeöffnete Fenster. Es wurde jetzt schon furchtbar kalt zu dieser Jahreszeit. Er nahm eines der Sofakissen und legte es sich auf den Schoß »Harry.« Hermines Stimme zog seine Aufmerksamkeit auf sich. »Beim Nachsitzen. Was ist passiert? Ihr scheint euch nicht gegenseitig umgebracht zu haben. Vor dem Klassenraum dachte ich noch, du würdest auf ihn losgehen. Du warst so wütend plötzlich. Ist das wirklich in Ordnung, wenn ihr die Projektarbeit zusammen macht? Ich könnte Professor -« »Es ist schon okay.«, unterbrach sie Harry und faltete den Zettel behutsam zwei Mal. »Wir haben uns ... wie soll ich das sagen?« Er schloss die Augen und überlegte. Was waren sie denn jetzt eigentlich? Feinde zumindest nicht mehr. Aber Draco hatte sein Freundschaftsangebot auch nicht wirklich angenommen. Harry hatte sich noch nicht die Zeit genommen, sich darüber Gedanken zu machen. Eigentlich wollte er nur Frieden zwischen ihnen. Sie hatten sich gegenseitig mehrfach das Leben gerettet und irgendwie, tief in seinem Inneren, fühlte es sich falsch an, weiter wütend auf Draco Malfoy zu sein. Hatte dieser doch mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen gehabt. Er erinnerte sich an Dracos Worte zurück. »Ich schätze, wir haben eine Art Waffenstillstand geschlossen.«, murmelte Harry. »Einen Waffenstillstand.«, wiederholte Hermine und starrte ihn an. Harry konnte ihren Blick nicht ganz deuten und das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen, kam in ihm auf.   »Ja, diese ewige Rivalität ist doch sinnlos, dafür sind wir zu alt.« Hermines Stirn runzelte sich noch ein wenig mehr. »Harry.« Ihre Stimme wirkte vorsichtig. »Bitte versteh mich, dass ich dich das fragen muss, Harry. Bist du-« Sie holte kurz Luft. »Bist du in Draco Malfoy verliebt?« Was? Verliebt? Hermine wollte damit sagen, er war ... Schlagartig dachte Harry an den Abend im Trophäenzimmer zurück. Er erinnerte sich an den leichten Geruch von schwarzem Tee, als er Draco so nah war, die wohlige Wärme, welche sich durch seinen Körper gezogen hatte. Harry schüttelte abrupt den Kopf und realisierte, dass er Hermine wohl dringend antworten sollte. »N-Nein! Wieso – ich meine warum? Wie – wie kommst du darauf?« Seine Stimme klang nicht so fest, wie er es gewollt hatte.   »Ich bin nicht schwul, Hermine!«, ergänzte er hastig. »Wie kommst du auf so einen Schwachsinn?« Ihr linkes Auge zuckte ein klein wenig, bevor sie tief seufzte. »Du warst schon immer besessen von ihm, Harry. Die ganzen Jahre. Ob es nun hieß, Malfoy in Quidditch zu schlagen, oder du ihn auf der Karte des Rumtreibers verfolgt hast, jede Nacht. Harry du hast stundenlang im Bett gesessen und auf dieses Pergament gestarrt.« Seine beste Freundin sah ihn aus braunen Augen an und Harry fühlte sich, als wenn er ein Angeklagter vor Gericht wäre. »Und das mit Recht! Er hat die Todesser reingelassen, Hermine. Ich habe ihn zurecht verdächtigt!«, rechtfertigte er sich und versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen. Bu-bumm. Bu-bumm. Er fühlte das schnelle Pochen an seiner Halsschlagader. »Warum hast du dann für ihn ausgesagt, Harry?« Er war Schachmatt. Wollte ihm doch selbst seit diesem Tag keine schlüssige Erklärung einfallen, wieso er so weit gegangen war, Ginnys Gefühle zu verletzen, um Draco Malfoy erneut das Leben zu retten. Harry würde jedoch definitiv nicht einmal im Traum in Betracht ziehen, Malfoy sexuell attraktiv zu finden. Das war falsch! Er war sein erklärter Feind, seit Jahren gewesen. Nur weil Harry das Kriegsbeil nun begraben wollte, hieß das doch nicht ... wie kam Hermine nur auf diesen abwegigen Gedanken? Die plötzliche Erinnerung an den heißen Atem auf seiner Unterlippe kam in ihm auf. Er konnte das Gefühl nicht beschreiben, fühlte er sich wie gelähmt in diesem Moment. Hermines Vermutung konnte nicht wahr sein. Harry hatte nie Interesse an Männern gehabt. Er dachte an Cho und Ginny zurück. Sie hatten jedoch nie miteinander geschlafen. Einmal wäre es beinahe passiert als er mit Ginny abends alleine auf dem Sofa saß. Sie wollte ihn, doch Harry hatte bei dem Gedanken, dass Ginnys Ziel war mit diesem Akt nur Kinder zu zeugen, sehr starke Kopfschmerzen bekommen. Er dachte an ihre Kurven, ihre weichen Brüste. Doch ihre Gestalt veränderte sich vor seinen Augen. Da stand Draco, der ihn mit geröteten Wangen im Tropfenden Kessel angestarrt hatte. Ja, er würde sagen, dass Draco attraktiv war. Allerdings hieß, das doch noch lange nicht, dass er etwas von ihm wollen würde. Man durfte doch wohl auch einen anderen Mann attraktiv finden, ohne Hintergedanken zu haben. Oder nicht? Harry seufzte. Er wusste zumindest, dass er eine Art Sympathie für seinen ehemaligen Erzrivalen entwickelt hatte. Er konnte es schlichtweg nicht mehr leugnen. »Ich denke, ich will mich mit ihm anfreunden. Er interessiert mich irgendwie, nicht auf die Weise die du denkst.«, ergänzte er und schaute sie böse an. Hermine lächelte sanft.   »Ich verstehe ihn nur einfach nicht, Hermine. Als ich ihm meine Freundschaft angeboten habe, hat er sich nur darüber lustig gemacht und meinte, er könne es nicht wegen seiner Eltern.«, erklärte Harry. »Deine Freundschaft?«, fragte Hermine mit durchdringendem Blick und Harry nickte. »Dir ist klar, dass das kein Nein ist?«, fragte sie und wirkte dabei ein wenig verblüfft. Harry schaute sie verdutzt an. Kein Nein? Was meinte sie damit? »Ich denke nicht, dass Malfoy ein schlechter Mensch ist, Harry.« Ihre Stimme klang leise und sie fuhr sich mit der Hand an ihren Unterarm, Harry wusste, dass das Wort Schlammblut dort in roten verblassten Buchstaben unter ihrem Umhang verborgen war. »Aber er ist ein Feigling, Harry. Er wird sich niemals gegen seine Eltern stellen. Selbst wenn du es schaffst dich mit ihm anzufreunden – und Merlin, ich will gar nicht wissen, was Ron dazu sagen wird -« Sie atmete kurz auf und strich sich durch die Haare.   »Keiner wird eure Freundschaft akzeptieren, weder die Medien noch Malfoys Familie. Er ist ein Reinblüter. Er legt viel Wert auf den Ruf seiner Familie. Dass seine Eltern in Askaban sitzen wird nichts an seiner Einstellung ändern.« Ihr Daumen glitt leicht über ihren Unterarm.   »Harry, er hat mir zusehen müssen. In der Nacht als Belatrix mich gefoltert hat. Er hat zwar nicht aktiv eingegriffen oder mitgemacht, aber er hat sie auch nicht aufgehalten, Harry.« Sie schwiegen einen Moment und Harry legte seine Hand vorsichtig auf die von Hermine. Draco hätte Harry an diesem Abend im Manor verraten können. Er konnte sich einfach nicht erklären, wieso er es nicht getan hatte. An diesem Abend hatte Draco sich gegen seine Eltern gestellt. Für Harry Potter, seinem eigentlich erklärten Feind. »Er hat mich nicht verraten als du den Schwellzauber auf mein Gesicht gelegt hattest.«, versuchte er Draco vor ihr zu verteidigen. Ja, Malfoy war in gewisser Weise ein Feigling. Konnte er sich gut an den kreischenden Jungen im verbotenen Wald erinnern. Er musste leicht lächeln. »Er hat so seine Momente.«, kicherte sie. »Allerdings war er trotzdem ein Kotzbrocken und ich hoffe ich habe ihm im dritten Jahr seine Nase gebrochen.« Hermine schaute auf den Zettel in seiner Hand. »Immerhin ist er nicht schlecht in Zaubertränke.«, beschloss Hermine, löste ihre Hand von seiner und stand langsam auf. »Halt mich auf dem Laufenden. Und wenn er irgendwelche dunkle Machenschaften vorhat, kannst du ihn immerhin aufhalten, jetzt da ihr zusammenarbeiten müsst.« »Sei deinen Freunden nah. Aber deinen Feinden noch näher.«, murmelte Harry. Hermines nachdenklicher Blick entgegnete ihm. »Was plant das Frettchen wieder?« Ron war die Treppe herunter gekommen und sah verschlafen aus. Harry stand ebenfalls auf und ging an Ron vorbei zur Treppe »Nichts. Ich muss mit ihm in Zaubertränke zusammenarbeiten.« Er hob ablehnend die Hand. Sein bester Freund schenkte ihm einen angewiderten Blick. »Scheiße, man. Hermine, was haben wir jetzt in der ersten Stunde?«, fragte Ron sie.   »Zwei Stunden Verwandlung mit den Huffelpuffs. Danach haben wir Verteidigung gegen die dunklen Künste mit den Slytherins.«, antwortete sie ihm und blickte fragend zu Harry. Er wusste, was diese Geste bedeutete. Doch Harry war noch nicht bereit dazu. Wie sollte er Ron auch erklären, dass der Hass, welchen er für Malfoy gefühlt hatte, der in gewisser Weise Mitschuld an dem Tod von Rons Bruders hatte, irgendwie verblasst war. Harry senkte seinen Kopf und antwortete Hermine mit einem sanften Kopfschütteln. Remus hatte ihm mal gesagt, dass man sich auch ohne Worte verständigen konnte, wenn man die Person gut genug kannte. Es wäre wie ein unsichtbares Band. Wurde ihm doch wieder einmal bewusst, wie wichtig ihm seine Freunde waren.   Die alten Holzdielen knarrten leise, als Harry die Treppe erneut zum Schlafraum hochging, um sich für den Unterricht umzuziehen.   ~~~*~~~ »Der Animagus ist einer der komplexesten Verwandlungen fortgeschrittener Zauberei.«, sagte McGonagall kühl. »Jeder Animagus muss sich in ein Register eintragen, welches im Ministerium aufbewahrt und geführt wird.« Er hörte das Kratzen einiger Federn, die hastig Notizen aufschrieben. Das Thema war spannend. Immerhin waren Harrys Vater und Sirius auch Animagi gewesen. Nur hatten diese sich nicht registrieren lassen. Sein Blick glitt auf Ron, welcher den Kopf auf seine Armen gebettet hatte.   Welches Tier würde er selbst wohl annehmen, wenn er sich verwandeln würde? Würde es ein Hirsch sein, wie der seines Vaters? »Höchstens einer von tausend Zauberern kann zum Animagus werden. Diejenigen, die sich glücklich schätzen können-« Ihre Gestalt schrumpfte in sich zusammen, ihre Kleidung verschwand, glänzendes graues Fell und stechende Augen kamen zum Vorschein. Mit einem eleganten Sprung landete die Katze auf dem Lehrerpult und sah sie an. Ein Raunen ging durch die Klasse. McGonagalls Verwandlung hatten viele zwar schon einmal gesehen, allerdings nun über das Thema zu lernen, fanden viele der Schüler aufregend. Die Gestalt der Katze verformte sich und vor ihnen saß erneut die nicht mehr so ernst blickende Direktorin, welche sie sanft anlächelte. »Es braucht hervorragende Kenntnisse sowohl in Verwandlung als auch in Zaubertränke um die Verwandlung herbeizuführen. Es ist ein sehr zeitintensiver Prozess.« »Werden wir lernen, wie man ein Animagus wird?«, fragte Neville neugierig. Harry sah zu seinem Schulkameraden und auf die wenigen Huffelpuffs, die zurückgekommen waren. Eigentlich war er froh, dass er Malfoy erst in der dritten Stunde wiedersehen musste. Hatte der er doch keine Ahnung, wie er sich nun ihm gegenüber verhalten sollte. »Nein, Longbottom. Wir lernen die Theorie aber wenn Sie möchten, können wir einen Test durchführen, ob sie die Magie in sich tragen, die für eine Verwandlung notwendig ist. Die Praxis erfordert immerhin einige langwierige Prozesse und das Brauen eines komplexen Elixiers. Da dies hier jedoch nicht Zaubertränke ist, werden wir uns mit der theoretischen Seite dieser komplexen Verwandlung des Körpers bis Weihnachten auseinandersetzen.« Ein Seufzen ging durch die Klasse. Harrys Gedanken drifteten ab. Einen komplexen Trank? Bestimmt würde er diesen nicht in seinem Schulbuch finden. Doch würde Harry es überhaupt schaffen, einen solchen Trank zuzubereiten? So ganz ohne Informationen.   Sein Vater und Sirius hatten es auch geschafft, machte er sich Mut. Der Gedanke als Hirsch über die Ländereien von Hogwarts zu streifen erfüllte sein Herz mit Erleichterung. Könnte er in der verbotenen Abteilung vielleicht nach einem Buch suchen, welches ihm das Rezept verraten würde? Harry konnte schlecht Professor McGonagall danach fragen.   Ein komplexes Elixier. Ob Slughorn, das Brauen dieses Trankes für seine Projektarbeit mit Malfoy akzeptieren würde? Er musste Draco unbedingt danach fragen. Vorfreude stieg in ihm auf. Nun war er froh, dass er ihn in der kommenden Stunde wiedertreffen würde.       ~~~*~~~ Nach Verwandlung machten Harry, Ron und Hermine sich auf dem Weg in den zweiten Stock. Harry fragte sich noch immer, wer ihn jetzt wohl in Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten würde. Er wartete, bis die verzauberte Treppe endlich die Kluft vor ihnen schloss und gingen die Stufen hoch. Am Ende des Korridors konnte er grün entdecken. Sie näherten sich, als er auf Malfoy blickte, welcher an Zabini gelehnt sich an der Wand niedergelassen hatte. Seine Augen waren geschlossen. War Draco etwa eingeschlafen? Seine Augen huschten hastig zu Zabini, welcher ihn mit einem misstrauischen Blick beäugte. Sie näherten sich, als Draco blinzelnd zu ihm aufsah.   »Potter«, murmelte er. »Malfoy.«, begrüßte er ihn. War diese Konversation doch so vertraut. »Entschuldigt bitte meine Damen und Herren, dass Sie warten mussten.« Ein großer Mann drängte sich durch die Schüler. Er hatte dunkelbraunes Haar und eine schlanke Statur. Ein leichter Drei-Tage-Bart verdeckte sein kantiges Gesicht. »Ich müsste hier mal durch, meine Liebe.«, sprach der Mann Hermine an, die prompt errötete und zur Seite wich. Er hörte Rons Schnauben neben ihm. Der Mann schloss die Klasse auf und sie betraten den doch so gewohnten Raum. Doch etwas hatte sich verändert. Dort wo einst die Tafel und diverse Käfige, in denen kleine Kreaturen hausten, aufgestellt waren, stand ein langer massiver Tisch mit einem roten Teppich darauf. Die Stühle samt Tische waren an die Seite gerückt worden, so dass Alle Blick auf die kleine Bühne hatten. Ein Tuscheln breitete sich unter den Schülern aus. Ihr Lehrer, so nahm es Harry zumindest an, sprang mit einem kleinen Hüpfer auf die Bühne und verbeugte sich leicht. »Mein Name ist Samuel Davis. Ich bin 27 Jahre alt und momentan leitender Auror der Abteilung für die Abwehr schwarzmagischer Gegenstände und Flüche.« Professor Davis lächelte.   Er war ein Fluchbrecher. Das war eine hohe Position. Harry schmunzelte. Wenn McGonagall erlaubte, dass das Ministerium einen Auroren herschickte, bedeutete, dass sie ihm vertrauen musste. »Doch dieses Jahr werde ich euer Professor in Verteidigung gegen die dunklen Künste sein. Ich habe diese Lehrstelle in meine Weiterbildung in der Aurorenzentrale mit einbinden können. Die Schulleiterin ist eine alte Freundin von mir und als sich mir diese Gelegenheit bot, wieder in die Schule zurückzukehren, fand ich es als angemessene Maßnahme um etwas herauszufinden.« Er sah sie aus eisblauen Augen an. Die Klasse war komplett still, hing an den Lippen des jungen Mannes in voller Erwartung, was sie dieses Jahr wohl machen würden. Er blinzelte kurz, bevor er weiterredete. »Ich möchte den Wissensstand, insbesondere von eurem Jahrgang, testen. Wie gut könnt ihr euch verteidigen? Wie handelt ihr in einer ernsten Situation? Der plötzliche Krieg hat gezeigt, dass selbst Sie als junge Zauberer vorbereitet sein müssen.« Harry bemerkte, wie Draco seinen Blick suchte. »Wir werden mit einfachen Duellen beginnen.«, sagte Professor Davis.     ~~~*~~~     Kapitel 6: Curiosity --------------------   »Wir werden mit einfachen Duellen beginnen.«, sagte Professor Davis.   ~~~*~~~   Kapitel 6: Curiosity   Viele der Schüler begannen sich hastig zu unterhalten und miteinander zu flüstern. Harry schaute seinen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste aus großen Augen an. Sie würden tatsächlich praktisch arbeiten? Es klang einfach ermutigend. Den Gedanken, dass dieses Angebot wahrscheinlich ein wenig zu spät kam, ignorierte Harry und Vorfreude kam in ihm auf. War die Anwendung von Zaubern doch so viel spannender als die simple Theorie. Er mochte Magie. Vielleicht liebte er sie sogar. Eine der wenigen Konstanten, die in seinem Leben existierten. Er hatte diese Welt jedoch erst viel zu spät betreten dürfen. Jeder wusste von seiner Existenz, doch für Harry selbst blieb sie für 11 Jahre verborgen. Er war nie wie ein normaler Zauberer aufgewachsen und sogar Ron schaute ihn nach all der Zeit, die er mittlerweile in der magischen Welt verbracht hatte, manchmal komisch, an wenn Harry einige Dinge immer noch total unwirklich vorkamen. Wie zum Beispiel, dass Harry die Märchen von Beedle dem Barden nicht kannte. Harry schmunzelte und ließ seinen Blick schweifen. Gespannt sahen die Slytherins und die anderen Gryffindor auf Professor Davis, welcher locker lächelnd an der Bühne lehnte. Er fühlte sich plötzlich irgendwie beobachtet, folgte diesem Gefühl und wandte seinen Blick zu Malfoy, der es sich neben Zabini am Rand bequem gemacht hatte. Kurz traf er auf die silbergrauen Augen, doch Draco wendete hastig seinen Blick ab, als hätte er sich verbrannt. Was war das denn? Was wollte Malfoy ihm damit sagen? Der Slytherin war sich doch sonst nicht zu schade ihm einen hasserfüllten Blick zu schenken, den er wohl wochenlang vor dem Spiegel geübt hatte. Waffenstillstand, mehr nicht. Harrys Stirn legte sich in Falten. Doch wenn das Resultat aus diesem Abkommen ein Malfoy war, der seinen Blick mied, dann wusste Harry nicht, ob er das Feuer in dem hasserfüllten Blick seines Rivalen wenn sie sich stritten nicht bevorzugte. Er seufzte und blickte auf Hermine, die erwartungsvoll eine Hand in die Luft gestreckt hatte und ein wenig auf und ab wippte. »Ja, Miss …?«, lächelte der Lehrer leicht. »Granger, Sir. Hermine Granger.«, antwortete ihm Hermine. »Haben Sie Fragen, Miss Granger?« »Ja Sir! Ich meine … Nein – keine Frage.« Sie strich sich mit einer Hand kurz durch ihre Locken. »Ich wollte Ihnen eine Übersicht geben, welche Zauber wir bereits gelernt haben.« Hermine wollte schon anfangen, etliche Zauberlisten aufzuzählen, als Professor Davis sich jedoch erneut räusperte und sie verstummte. Harry konnte einen leichten Rotschimmer auf ihren Wangen erkennen. »Vielen Dank, aber das ist nicht nötig, Miss Granger. Ich habe sämtliche Notizen Ihrer ehemaligen Lehrkräfte ins Ministerium gesandt bekommen. Ich denke ich bin ausreichend informiert, was Sie behandelt haben. Und ich muss zugeben, dass der bisherige Lehrplan sehr willkürlich gewesen ist. Sie haben weder in der Theorie, noch in der Praxis ausreichende Kenntnisse, wenn man den Aufzeichnungen Glauben schenken mag.«, sprach ihr Professor ruhig und Harry merkte, wie sein Blick an seiner Stirn hängen blieb, bevor er ihn wieder abwandte. Er sah wie Hermine, welche von der Antwort des Lehrers nicht wirklich überzeugt schien, unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. Die Aufzeichnungen würden sicherlich nicht die Übungen der DA beinhalten. Dumbledores Armee, in der Harry vielen Schülern, jedoch hauptsächlich den Gryffindors, verschiedene Zauber beigebracht hatte. Ob Malfoy wohl auch einen Patronus zaubern konnte? »Jetzt schicken sie schon Auroren zu uns in den Unterricht«, murmelte Ron neben ihm und sein Blick ruhte nachdenklich auf Hermine, welche sich zu ihnen umdrehte. »Nein, Ron. Wenn er tatsächlich ein Fluchbrecher ist, hat er genug Erfahrung um uns so Einiges beizubringen.«, flüsterte sie und vermittelte ihnen leise zu sein. Ron schnaubte und verdrehte die Augen. Harry war noch vor ein paar Wochen im Ministerium gewesen, doch Samuel Davis hatte er dort nicht getroffen. Vermutlich war der Auror öfter auf Außeneinsätzen unterwegs. Auror zu werden war immer schon interessant für Harry gewesen. In den vergangenen Jahren hatte er diesen Weg mehrfach in Betracht gezogen. Harry wollte definitiv einen magischen Beruf ausüben, das hatte er nach langer Überlegung beschlossen. Schien die Alternative doch so verlockend. Immerhin wusste in der Muggelwelt niemand, wer er war. Dort war er nur ein Jugendlicher mit zerzaustem Haar und Kleidung, die viele wohl als unmodisch bezeichnen würden. Dennoch, so wusste Harry, würde er es in Kauf nehmen müssen, denn ein Leben ohne Magie war für ihn nicht mehr ohne Weiteres vorstellbar. Normalerweise brauchte man die besten Noten und Abschlüsse, um überhaupt für die Ausbildung zum Auror in die engere Wahl genommen zu werden. Natürlich gab es noch andere magische Berufe, doch er dachte an das Angebot des Ministers. Harry hätte ohne Umwege und ohne Abschlüsse diese begehrte Ausbildung beginnen können. Allerdings wusste er, dass dies auch seinen Preis gehabt hätte. Der Minister hatte schon immer eine Faszination daran gefunden, direkten Einfluss auf Harry zu haben. Immerhin wusste er mittlerweile, wie unberechenbar der Gryffindor mit seiner impulsiven Handlungsweise manchmal sein konnte. Doch war es das, was Harry sich für seine Zukunft wünschte? Ein kontrolliertes Leben, dass die Gesellschaft erwartete? So dass sich niemand vor der großen Macht, die Voldemort getötet hatte, fürchten musste? Professor Davis Stimme ließ das allgemeine Gemurmel seiner Mitschüler verstummen. »Ich möchte, dass Sie sich bitte in zwei Reihen aufstellen. Die eine Reihe wird entsprechende Angriffszauber verwenden, die Andere konzentriert sich bitte auf das Blocken des entsprechenden Zaubers seines Gegenübers. Nachdem Sie dies ausgeführt haben, möchte ich dass Sie aufrücken und Ihren Partner wechseln, so dass sich Jeder einmal mit Jedem duelliert hat.«, sagte er mit ruhiger Stimme. Er begann sie durch einfaches Durchzählen in zwei Gruppen aufzuteilen, bis er bei Harry ankam. Er blickte auf den hochgewachsenen Mann, der ihn schließlich mit der Zahl Vierzehn betitelte. Harry konnte nun, da sein neuer Professor direkt vor ihm stand, ihn zum ersten Mal genauer betrachten. Samuel Davis wirkte viel zu jung auf Harry und hätte er ihn so auf der Straße getroffen, wäre er ihm wahrscheinlich höchstens durch sein gutes Aussehen aufgefallen. Trotz des kurzen Bartes wirkte der Mann gepflegt und es lag eine Ruhe in seinem Blick, die Harry irgendwie beneidete. Der Blick seines Professors wirkte nicht so verzerrt wie sein Eigener, wenn er sich nach einem erneuten Albtraum im Badezimmerspiegel betrachtete und dennoch war sich Harry sicher, dass diese Augen wahrscheinlich auf den Einsätzen bereits viel ertragen mussten. »Die ungeraden Zahlen repräsentieren die Angreifer, Diejenigen unter euch mit den geraden Zahlen, bitte ich die Position des Verteidigers einzunehmen. Nun macht schon, stellt euch dort auf.« Er deutete auf die etwas höher gelegte Bühne. Harry wollte sich schon schulterzuckend in Bewegung setzen, als er die Stimme von Zabini vernahm. »Soll das hier ein Kennenlernspiel werden? Können wir uns nicht einfach einen Partner aussuchen?«, zischte er und Harry fiel auf, dass die Slytherins und Gryffindors getrennt im Raum standen. Es wirkte so, als wenn der Raum in Grün und Rot geteilt worden war. Insbesondere die Slytherins, welche sowieso lieber für sich waren in der momentanen Situation im Schloss, aber auch einige Gryffindors nickten in ihrer Zustimmung zu Zabinis Worten. Professor Davis schmunzelte. »Direktorin McGonagal hat mich bereits informiert, dass hier einige Rivalitäten existieren.« Er verengte seine Augen ein wenig. »Dies scheint insbesondere zwischen den Häuser zu bestehen. Das ist sehr interessant.« Er deutete ihnen mit einer Handbewegung ihre Positionen auf der Bühne einzunehmen. Harry stellte sich neben Zabini zu den Verteidigern und blickte in die Augen von Neville, welcher ihn herausfordernd angrinste. »Ich möchte mit dieser Übung für Sie einen geeigneten Partner für unsere Projektwochen in Vorbereitung für die Abschlussprüfung finden. Dies wird insbesondere wichtig werden, wenn wir uns den fortgeschritteneren Zaubern widmen.« Professor Davis atmete kurz ein und fuhr fort. »Weiß vielleicht jemand weshalb es wichtig ist mit jemandem zu üben, der eine kompatible Magie in sich trägt?«, fragte er die Klasse mit sanfter Stimme, bis sein Blick schlussendlich an Harry hängen blieb. »Mr. Potter, da ich davon ausgehen darf, dass Sie schon Erfahrung mit Duellen besitzen, wissen Sie eventuell eine Antwort auf diese Frage?« Harry wunderte sich schon lange nicht mehr, dass die Leute ihn nie nach seinem Namen fragten. Wäre es doch mal eine angenehme Abwechslung gewesen, immerhin war er Professor Davis noch nie in seinem Leben begegnet. Sein Blick glitt zu Hermine, die ihre Hand in die Luft gestreckt hatte, um wohl nach Harrys Scheitern die richtige Antwort zu geben oder seine zu ergänzen. »Ich denke Hermine könnte Ihnen die Antwort geben, Sir.«, sprach Harry seinen Gedanken müde aus. »Versuchen Sie es immerhin, Mr. Potter. Ihre Bekanntheit und Leistungen im Krieg werden Ihnen in meinem Unterricht keine gute Note garantieren.« Die Stimme seines Lehrers klang ganz ruhig und dennoch fühlten sich seine Worte an wie eine Herausforderung. »Magie kann miteinander harmonieren oder sich abstoßen, soweit ich weiß.«, murmelte Harry. »Richtig, Mr. Potter. 5 Punkte für Gryffindor.« Er lächelte zufrieden. »Jede Magie besitzt ihren eigenen Kern.« Er wandte sich erneut der Klasse zu und Harry sah, wie Hermine ihre Hand zögernd runter nahm. »Das Zusammentreffen von Magie kann viele Effekte haben. Ja, Miss Granger?« »Manche Zauberer sind sogar in der Lage, die Zauberstäbe ihrer Verwandten oder engen Vertrauten zu benutzen, da sie ähnliche Magie in sich tragen. Verbringt man viel Zeit miteinander oder hat selbst eine starke negative Beziehung, harmonisieren Magiestränge miteinander oder stoßen sich ab, was viel Übung erfordert unter Kontrolle zu bringen.«, erläuterte Hermine. Harry erinnerte sich nur zu gut, wie er Hermines Zauberstab benutzt hatte, als sie auf der Flucht vor den Greifern waren. Er hatte sich etwas fremd angefühlt, aber er hatte ihn benutzen können. »Sehr gut zusammengefasst, Miss Granger.« Professor Davis gab auch Hermine ihre verdienten Hauspunkte und lächelte sanft, bevor er fortfuhr. »In der Legilimentik, oder allgemein in der Gedankenmagie ist dies besonders von Bedeutung. Der Einfluss der Magie eines Fremden in seinem Geist kann Konsequenzen mit sich bringen. Dies ist auch der Grund, weshalb es die Oklumentik zur Abwehr gegen dieses Eindringen gibt. Viele schwarzmagische aber auch gutartige Artefakte, die ich in meiner Laufbahn kennenlernen durfte -« er schmunzelte kurz »waren durch solche Magieverbindungen erschaffen worden. Leider waren es deutlich mehr bösartige Verbindungen als Gutartige.« Ron hob zögernd die Hand und Harry sah ihn verwundert an, als Professor Davis dem Rothaarigen zunickte. »Es ist auch möglich eine mentale Verbindung ohne Zauberstab zu erzeugen, wenn das Band stark genug ist. Man kann dann sogar manchmal die Gedanken des Partners verstehen. Hab ich zumindest gehört … « sagte sein bester Freund leise. Hatte Hermine doch mittlerweile auch viel Einfluss auf seinen besten Freund gehabt. Zudem erinnerte Harry sich wage, dass dieses Thema auch einmal bei Fleur und Bill Weasley thematisiert wurde. Die Verbindung einer Veela zu ihrem Herrn war immerhin die Stärkste, die Harry bekannt war. »Das stimmt. 10 Punkte für Gryffindor. Allerdings setzt dies häufig eine sehr intime Beziehung voraus.« Professor Davis schien erfreut über die Aufmerksamkeit zu sein, die auf ihm lag. Selbst die Slytherins lauschten den Worten des Aurors ruhig, ohne störende Kommentare zu machen. Doch Harrys Gedanken schweiften langsam ab. Fühlte er sich zu müde nach der kurzen Nacht, um seine Konzentration aufrecht zu erhalten. Zudem war Oklumentik nun wahrlich nicht sein Lieblingsthema. Harry dachte an seine Sonderstunden mit Snape und ein Schauer ging durch seinen Körper. Nein, danke. Hermine hatte ihn erst vor zwei Monaten zu einem Heiler geschleift. Harry hatte sich eine Zeit lang geweigert, schlafen zu gehen, und war nächtelang wach geblieben. Er konnte diese Albträume nur in geregelten Dosen vertragen. Manchmal kam es Harry sogar so vor, als wenn die Realität verschwamm, und nach einer langen Nacht war er sich nicht mehr sicher, was jetzt der Erinnerung, was seinen Träumen und was der Gegenwart entsprach. Da nahm er doch lieber ein paar durchgemachte Nächte in Kauf. Seine beste Freundin konnte sich dies jedoch nicht mitansehen und als sie ihn tatsächlich überredet hatte, einen Heiler aufzusuchen, stand er vor einem kleineren glatzköpfigen Mann, dessen Statur der eines kleinen Trolls ähnelte.   Er hatte sich als Heiler Bellwick und als Spezialist im Bereich der Gedankenmagie vorgestellt und irgendwie war Harry schon bei der ersten Begegnung mulmig zu Mute gewesen. Er hatte in die glubschartigen Augen sowie in das breite Grinsen gestarrt, welches der Heiler ihm versuchte vorzuenthalten, und sich gefragt, ob dieser nicht vielleicht doch seine Lizenz aufs Spiel setzen würde, um Harry Geheimnisse einfach an den Tagespropheten zu verkaufen. Immerhin könnte er bei den Informationen sich mit dem Erlös zur Ruhe setzen. Waren seine Erinnerungen und die Tatsachen, welche sich in seinen Träumen wiederholten, doch so viel brisanter als zu vermuten, ob eine Vorahnung dahinter steckte, nur weil er zwei verschieden farbige Socken an einem Donnerstag trug. Er hatte nach diesem Besuch bei dem Heiler beschlossen, dass er sich wohl daran gewöhnen musste, unausgeschlafen zu sein. Sie begannen die Übung und Harry wehrte den Klammerfluch ab, den Neville auf ihn schleuderte. Es machte ihm Spaß, all die Zauber abzuwehren. Harry gewöhnte sich einen Rhythmus an und ging in seinem Kopf mögliche Gegenzauber durch. Ihm gefiel defensive Magie. War sie doch irgendwie weniger zerstörerisch und beruhigend. »Petrificus totalus!« Hermine hatte ihren Zauberstab auf ihn gerichtet, doch Harry wehrte mit einem »Protego!« den Zauber ab und grinste süffisant. Seine beste Freundin erwiderte sein Lächeln und stellte sich vor Zabini. Ja, dies hier erinnerte ihn sehr an die DA, nur das Harry nicht mehr unterrichtete. Mit einem Lächeln, welches immer noch sein Gesicht zeichnete, wandte er schließlich den Blick auf seinen neuen Duellpartner, als er in silbergraue Augen blickte, die ihn kampfeslustig betrachteten.   Da war der Ausdruck, den Harry vermisst hatte. Der Blick seines Gegenübers verfinsterte sich und Harrys Lächeln verblasste leicht. »Angst, Potter?«   Harry spannte seinen Körper an, um sich möglichst gerade vor seinen Feind zu stellen, und nahm eine Kampfposition ein. »Träum weiter, Draco.«, flüsterte Harry, wollte ihn etwas aus der Reserve locken und bemerkte zufrieden, wie sich die Augen seines Rivalen verengten, als wenn es ihn verärgerte, dass Harry ihre heimliche Tradition einfach so veränderte. Harry konnte nicht ganz deuten, was dort in dem Blick seines Rivalen lag. Welchen Fluch würde der Malfoyerbe nun einsetzen? Er konnte ja schlecht einen unverzeihlichen Fluch hier im Klassenzimmer anwenden. Doch Draco überraschte ihn und Harry war unvorbereitet. »Expelliarmus!«, schrie Draco und Harrys Zauberstab flog im hohen Bogen durch die Luft. Einige Schüler folgten ihm mit ihren Blicken, bis Professor Davis ihn schließlich auffing. Er klatschte. »Bravo, Mr. Malfoy. Sie scheinen der Einzige zu sein, der unserem Mr. Potter hier wohl ebenbürtig gegenüber treten kann. 10 Punkte für Slytherin«, schmunzelte ihr Lehrer und Malfoy lächelte triumphierend.   Doch sein Lächeln verblasste augenblicklich, als ihr Professor seine Entscheidung verkündete. »Sie beide können sich schon einmal an meinem Pult in die Liste eintragen. Ich denke, Sie werden herausragende Trainingspartner sein.«, bestimmte er und Malfoy schien innerlich zu brodeln. »Das kann doch nicht wahr sein, Professor. Mir wird schon die Ehre zuteil, mit Potter in Zaubertränke zu arbeiten. Erbarmen Sie sich meiner, ich arbeite auch mit Longbottom zusammen«, zischte Malfoy und er sah, wie Neville kurz zusammenzuckte. »Umso besser, Mr. Malfoy. Ich möchte, dass Sie sich auf Mr. Potter als Ihren Trainingspartner einstellen und zusammen ihre Magie verbessern.«, beendete Professor Davis, das Schnauben des Slytherins konsequent ignorierend, mit einem zufriedenen Lächeln die Diskussion und Harry ging langsam in Resignation zum Pult, um sich dort einzutragen. Er blickte auf die Liste des Professors und schrieb seinen Namen möglichst leserlich in eine der Spalten. »Schmierst du jetzt schon die Lehrer um mir nachzuspionieren, Potter?« , zischte Draco plötzlich neben ihm und Harry wurde bewusst, wie nah sie gerade beieinanderstanden. Harrys Augen fanden die seines neuen Projektpartners, welcher seinen Blick schnaufend nur abwandte. Draco nahm den Stift, welchen Harry benutzt hatte, und schrieb seinen eigenen Namen neben Harrys. Für einen Moment betrachtete er nachdenklich die beiden Namen, wie sie auf dem Papier direkt nebeneinanderstanden. Es sah für Harry auf eine komische Art nicht wirklich falsch aus. So verrückt sich das auch anhörte. »Du wolltest doch einen Waffenstillstand, Draco.«, sagte Harry schließlich und lächelte ihn an. »Kannst du dich nicht einfach von mir fern halten, Potter?«, murmelte Draco und biss sich unbewusst auf die Lippe.   Das Läuten der Schulglocke ließ sie zusammenzucken. Draco wandte seinen Blick ab, schnappte sich eilig seine Tasche und verließ das Klassenzimmer, ohne noch einmal zurückzublicken. Harry sah ihm schweigend hinterher.   ~~~*~~~ Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors hatte sich die wohlige Wärme des Kaminfeuers ausgebreitet. Harry hatte es sich zwischen den Sofakissen bequem gemacht und schaute auf den weißen Springer, der gerade Rons Dame mit seinem Pferd niedertrampelte.   »Verdammt, man! Du hast heimlich geübt. Das muss es sein ...«, fluchte Ron und Harry lächelte müde. Der Nachmittag und der Abend waren im Flug vergangen und Harry fühlte, wie durch die Wärme des Feuers seine Glieder wieder zum Leben erwachten.   Ein Kichern erklang vom anderen Ende des Raumes und Harry sah, wie Ginny es sich auf Deans Schoß bequem machte und ihn mit Nüssen fütterte. Genervt von diesem Anblick verdrehte er die Augen. Entweder hatte Ginny wirklich kein Schamgefühl, oder dies war ein eindeutiger Versuch ihn eifersüchtig zu machen. Sein bester Freund folgte seinem Blick, als Harry mit seinem nächsten Zug zögerte.   »Mach dir nichts draus, ich hatte es dir ja gesagt.«, murmelte Ron und zuckte mit den Schultern. »Anschauen muss ich mir das trotzdem nicht.«, zischte Harry und wollte aufstehen. »Harry .. wenn du jetzt aufspringst, dann hat sie das erreicht was sie wollte.« Harry hielt in seiner Bewegung inne und überlegte. Das war doch kindisch. Er fühlte sich einfach nur müde und wollte versuchen zu schlafen. Harry zuckte mit den Schultern, murmelte »Gute Nacht.« und ging an Ginny vorbei zu ihrem Schlafsaal. Ich hab es mir doch ausgesucht, dachte sich Harry, während er bedacht darauf war, Ginnys Blick zu meiden. Er hörte das Knarzen der Treppenstufen und öffnete die Holztür vor ihm. Erschöpft ließ Harry sich auf sein Bett fallen und genoss kurz, wie weich die Matratze war. Mit umständlichen Bewegungen befreite er sich aus seinem Umhang und zog die Decke über die Nase.   Das Mondlicht spiegelte sich am kleinen Turmfenster neben ihm. Dort hatte normalerweise Hedwigs Käfig gestanden. Hatte er doch oft stundenlang das Fenster offengelassen, damit sie nachts wieder zurückkommen konnte. Nun war das Fenster geschlossen und beschützte ihn vor dem kalten Wind, den er draußen Pfeifen hören konnte. Er schloss seine Augen und konzentrierte sich auf das Geräusch, bis er schließlich einschlief.   ~~~*~~~ Ein lautes Scheppern riss Harry aus seinem Traum. Sein Atem ging schwer und er versuchte, den Grund für diese Störung auszumachen, als er hinauf zum Turmfenster blickte. Ein dicker Ast war durch den Sturm dagegen geschleudert worden und ruhte nun auf dem Fenstersims. Einzelne Zweige kratzen immer noch an der Fensterscheibe. Ein langer Riss zog sich durch das Glas und Harry versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Verwirrt starrte er auf die einzelnen Scherben am Boden, welche im Mondlicht schimmerten. Der Wind pfiff durch den neu geschaffenen Zugang und Harry bemerkte, dass es drei Uhr nachts war. Na klasse. Seine Finger glitten zu seinem Koffer, um ein Blatt Pergament hervorzuziehen. Mit einem Schwung seines Zauberstabes schloss er die dunkelroten Vorhänge um sein Bett. »Lumos.« Ein warmes Licht drang aus der Spitze seines Zauberstabes. »Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin.«, flüsterte Harry möglichst leise, um die Anderen nicht zu wecken. Das Pergament faltete sich langsam auseinander und Tintenkleckse bildeten sich auf dem Papier. Sie verliefen und formten den Grundriss von Hogwarts. Hastig blätterte Harry einige Seiten, klappte sie auf und suchte aus einer Gewohnheit heraus nach einem Namen auf der Karte des Rumtreibers. Sein Blick fiel auf die Seite, indem die Kerkerräume eingezeichnet waren. Doch er fand ihn nicht. Seine Stirn zog sich angespannt zusammen. Es war mitten in der Nacht. Wo zum Teufel trieb sich Malfoy wieder herum? Vielleicht liegt er in einem fremden Bett, schoss es durch Harrys Gedanken. Nein. Das konnte er sich nicht vorstellen, so freizügig war Malfoy nicht … oder? Harry fuhr sich mit der Hand durch sein zerzaustes Haar. Es war doch egal. Draco durfte schließlich machen, was und mit wem er wollte. Seine Finger glitten an der Seite des Pergaments entlang und klappten erneut einige Seiten um. Dann sah Harry ihn. Kleine schwarze Fußabdrücke gingen auf und ab unter dem Namen Draco Malfoy. Sein Rivale stand auf dem Astronomieturm und schien hin und herzulaufen. Was machte Malfoy mitten in der Nacht auf dem Turm? Derselbe Turm, auf dem er fast Dumbledore getötet hatte. Um drei Uhr morgens. Konnte er etwa auch nicht schlafen?, fragte sich Harry und griff mit einer Hand in seine Bettdecke. Kannst du dich nicht einfach von mir fern halten, Potter? Ja, das hatte er gesagt ... doch Harry spürte eine Neugier in sich. Er wollte wissen, was Malfoy dazu bewegte, so spät bei Minusgraden auf dem Turm zu verweilen. Sollte er ihn doch verfluchen, es interessierte ihn halt. Außerdem würde Draco nicht mal bemerken, dass Harry dort war. »Nox.«, flüsterte er.   Das Licht erlosch und Harry griff in einer geübten Bewegung den Tarnumhang aus seinem Koffer. Der samtige Stoff glitt über seinen Körper und Harry öffnete auf leisen Sohlen die schwere Tür, bevor er in dem dunklen Gang verschwand.   ~~~*~~~       Kapitel 7: Questions --------------------   Kapitel 7: Questions Das Mondlicht, welches durch die dunkle Wolkendecke drang, spiegelte sich in den feingliedrigen Eiskristallen, die durch den Sturm in verschiedene Richtungen geweht wurden. Der Nebel hatte sich um das Schloss gelegt und der Boden des Astronomieturmes erstrahlte durch die Kälte, die sich in die Steinplatten gefressen hatte. Das reflektierte Licht offenbarte die Gestalt eines jungen Mannes. Wirkten seine Haare doch beinahe weiß, während einige Strähnen vom Wind verstohlen hin und her geworfen wurden. Er stand mit dem Rücken zu ihm und hatte seine Hände um das vom Schnee bedeckte Geländer gelegt. Harry konnte sehen, wie die warme Luft seines Atems gegen die Innenseite des Tarnumhanges stieß. Malfoy war tatsächlich hier. Auch, wenn es eigentlich keine Zweifel gegeben hatte, da die Karte des Rumtreibers ihn noch nie fehlgeleitet hatte, so war Harry dennoch überrascht über den Anblick seines ehemaligen Rivalen, welcher sich leicht gebeugt auf die Brüstung stützte und seine Anwesenheit gar nicht wahrnahm. Draco dachte, er wäre alleine in diesem Moment. Was wohl in seinem Kopf vorgeht, fragte sich Harry und trat ein wenig an ihn heran, suchte seinen Blick. Doch die sturmgrauen Augen waren auf die Ferne gerichtet, schienen kurz am Quidditchfeld hängen zu bleiben, über den schwarzen See zu streifen. Er hörte Malfoy seufzen und sah, dass er die Hände vor der Brust verschränkte, um sich selbst ein wenig zu wärmen.   Von dieser Geste geleitet, wurde Harry sich bewusst, wie kalt es eigentlich war und vergrub seine Nase in die Wärme seines Schals. Ihm fiel auf, dass Malfoy nicht wirklich warm gekleidet war. Er trug seinen normalen Umhang über einem weißen Hemd und eine dünne dunkle Hose. Trotz der Einfachheit seines Outfits sah es dennoch irgendwie elegant aus. Harry wusste insgeheim, dass diese Kleidung an ihm wahrscheinlich einfach nur langweilig aussehen würde, doch bei Malfoy sah es einfach gewollt aus. Trotzdem hatte sich eine feine Eisschicht auf seinem Umhang gebildet und Harry konnte sich gut vorstellen, dass dies nicht gerade angenehm war. Doch was machte er hier mitten in der Nacht bei diesem Wetter?, überlegte Harry als er eine Bewegung unter sich vernahm. Im Gewölbe des Turms konnte er Schritte auf dem nassen Holz wahrnehmen. »Ich will nicht drüber reden, Blaise.« Malfoys Stimme klang gereizt und als er schnaubte, sah Harry, wie die Luft durch seinen Atem kurz sichtbar wurde. Einen Moment starrte er auf die blassen Lippen. Malfoy drehte sich nicht um und schien den Eindringling erwartet zu haben. »Davor wegzurennen bringt aber auch nichts, Draco.« Harrys Blick folgte der ruhigen Stimme und er sah auf Blaise Zabini, welcher noch seinen Schlafanzug trug. Eine kleine Platzwunde klaffte auf der Wange des Größeren. Die Haut wirkte trotz der Kälte sehr gerötet. Hatte ihn jemand geschlagen? Was war hier nur los?   Harry kam der flüchtige Gedanke, dass er sich hier mal wieder in eine unangenehme Situation gebracht hatte.   Ich sollte gar nicht hier sein. »Ich renne nicht weg, Blaise. Das ist einfach nur Wahnsinn.«, fauchte Draco und entgegnete nun Zabinis Blick. Malfoy schien wegen irgendwas komplett aufgebracht zu sein. Sein Atem, welcher vorher noch so ruhig schien, wirkte nun hastig und gehetzt. »Es war eine Scheißidee hierher zurückzukommen. Warum sind wir nicht einfach nach Frankreich gegangen? Wir hätten dort auf die Rückkehr meiner Mutter warten können … «, flüsterte er leise und Harry wunderte sich über seine plötzliche vulgäre Sprache. Unsicherheit lag in seinem Blick. So kannte er Malfoy gar nicht.   Blaise trat einen Schritt auf Draco zu und legte seine Hand vorsichtig auf seine Schulter. Fröstelnd verdeckte Harry seine Nase unter seinem Schal. »Wir sollten darüber reden und das wei-« »Nein, genau das eben nicht! Wir sollten gar nicht mehr darüber reden. Blaise ... wie stellst du dir das vor?«, unterbrach ihn Draco, während Harry bei der plötzlichen Nähe von Blaise einen Schritt zurück stolperte, um nicht entdeckt zu werden. »Sie werden es nie akzeptieren, hör mal ich...«, begann Malfoy und wandte seinen Blick ab. Das leise Knacken des Astes, auf welchen Harry bei seiner Bewegung getreten war, ließ die beiden Slytherins zusammenzucken. »Wer ist da?«, fragte Draco und schaute sich hastig um. »Ist dir jemand gefolgt, Blaise?« »Nein, da war niemand. Es ist stürmisch, Draco … jetzt hör auf abzulenken.«, sagte Zabini bestimmt. »Du wusstest, dass du hier unweigerlich auf ihn -« »Hör auf! Ich hab gesagt, ich will nicht darüber reden, Blaise. Und nun lass mich alleine.«, knurrte Draco. Eine kurze Stille trat ein und Draco sah sich mit wachen Augen gehetzt um. Es wirkte, als wenn er nach etwas suchen würde. Kurz kreuzte sein Blick auch den Harrys und automatisch hielt er den Atem an. Er kann dich nicht sehen, beruhig dich. Sein Herz klopfte spürbar in seiner Brust. Zabini verdrehte die Augen. »Du weißt, dass es nichts bringt davonzurennen, Draco. Es ist doch nicht so schlimm. Hör mal, deine Mutter wird es schon verstehen, dass du-«, versuchte Blaise beschwichtigend auf ihn einzureden, doch Malfoy unterbrach seine Worte, indem er ihn von sich wegstieß. »Wenn du noch ein einziges Wort über dieses Thema verlierst, schwöre ich dir Blaise, dann sind wir keine Freunde mehr.«, zischte Malfoy und sah sich erneut in der Kuppel um. »Wenn du so weiter machst, Draco, dann hast du bald keine Freunde mehr.« Zabini seufzte tief, winkte mit der Hand ab und ging langsam die hölzernen Stufen, hinab bis Harry das dumpfe Geräusch der sich schließenden Tür vernahm. Draco folgte ihm nicht, drehte sich um und umschloss mit zitternden Händen erneut das Geländer des Astronomieturmes. Harry versuchte, seinen Atem zu beruhigen und Blaise langsam hinterherzugehen. Der angetaute Boden knackte verräterisch unter seinen Sohlen und Harry hielt inne. Die Stimme seines ehemaligen Erzfeindes durchbrach augenblicklich das Rauschen des Schneesturms. »Du kannst es nicht lassen, oder Potter?« Malfoy griff nach einem Stein, der am Boden lag und warf ihn in Richtung der Treppe. »Warum schnüffelst du mir hinterher?«, zischte er. Er war am Arsch. Wie sollte er das erklären? Warum war er überhaupt hier? Er war neugierig gewesen und hatte sich erneut in eine Situation verleiten lassen, aus der er sich nun herausmanövrieren musste. Resignierend zog er an dem Tarnumhang und spürte, wie der samtige Stoff über seine rabenschwarzen Haare glitt, sie noch ein wenig mehr zerzauste. Grüne Augen trafen auf Graue. »Ich wusste es.«, schnaubte Draco und drehte seinen Kopf zur Seite. »Malfoy, ich-«, murmelte Harry, wusste er doch nicht, was er nun sagen sollte. Er fühlte sich ertappt. Mich ließ der Gedanke nicht los, was du alleine hier bei der Kälte machst. Ich war neugierig. Das würde Draco nicht verstehen. Nicht einmal er selbst verstand es, also wie sollte er es können? »Jetzt heißt es wieder Malfoy, mh? Was zum Teufel ist dein Problem, ist es irgendwie ein komischer Fetisch von dir, Leuten hinterher zu schnüffeln? Das hast du damals schon immer gemacht, Potter.«, zischte sein Gegenüber. Eigentlich nur bei dir, schoss es durch Harrys Gedanken. Aber Harry konnte doch nichts dafür, dass sich Malfoy wirklich immer verdächtig benahm. War es nicht irgendwo auch seine Aufgabe, als sein Rivale dem nachzugehen? Harry hatte es nie hinterfragt. Doch Draco unterbrach seine Gedanken, indem er seinen Zauberstab zog und auf ihn richtete. »Ich führe nichts im Schilde und ich frage mich allen Ernstes, warum du mir hinterher schleichst. Wenn du das glauben würdest, hättest du bestimmt nicht für mich ausgesagt, aber das Wieso dahinter ist mir auch ein Rätsel. Du bist ein Rätsel, Potter.« Er seufzte und strich sich mit zwei Fingern zwischen seine Augen. »Was meinte Zabini damit? Warum bist du um diese Uhrzeit hier?«, fragte schließlich Harry. Er versuchte die Puzzlestücke in seinem Kopf zusammen zusetzen, doch es ergab einfach keinen Sinn. »Warum interessiert dich das überhaupt, Potter? Warum nennst du mich plötzlich beim Vornamen und setzt dich für mich ein ... vor dem kompletten Zaubergamot?« Seine Stimme wurde leiser. »Ich habe schon gedacht, die Dementoren hätten in den zwei Tagen Untersuchungshaft mein Gehirn vernebelt als ich dich in den Zeugenstand hab treten sehen. Also warum, Potter?« Malfoy zögerte und wirkte so, als wäre er in seiner Bewegung eingefroren. Als würden die nächsten Worte über seine nächste Reaktion entscheiden. Sein Atem ging flach und die helle Haut war leicht gerötet. »Ich weiß nicht wieso, Malfoy. Ich denke ich brauche Antworten.«, beschloss Harry und versuchte, seinen Körper aufzurichten. Er hatte einfach viel zu viele Fragen, die in seinem Kopf einfach keinen Sinn ergaben. Wieso hatte Malfoy ihn nicht verraten im Manor? Wo würde Malfoy jetzt unterkommen, ohne ein Zuhause? Stand er immer noch auf der anderen Seite, auch wenn sie sich gegenseitig gerettet hatten? Wäre er damals nach Slytherin gegangen, dann … hätte er Draco helfen können? Er trat einen Schritt auf sein Gegenüber zu. Harry fixierte seinen Blick auf die Spitze von Malfoys Zauberstab und fragte sich, weshalb er keine Angst hatte. Sein eigener Zauberstab ruhte in der Innentasche seines Umhanges. »Antworten?«, fragte Draco und Harry konnte seinen Blick nicht ganz deuten, als er sah, wie sein Gegenüber die Schultern sacken ließ. »In Ordnung. Es bringt ja sowieso nichts, da du nicht damit aufhören wirst mir hinterher zu stellen, selbst wenn ich höflich darum bitte.«, seufzte Draco. »Jeder hat eine Frage. Wir antworten ehrlich. Danach... wenn du dann deine Antwort hast, lässt du mich dann in Ruhe, Potter?« Dracos Stimme klang schon fast hoffnungsvoll und er sah an seinem Körper hinab. Sein Blick glitt auf Harrys leere Hände, bevor er langsam seinen Zauberstab senkte und an der Außenwand der Kuppel im Schatten platz nahm, wo der Wind sie nicht so einfach erreichen konnte. Von einem ungeduldigen Seufzen untermalt, deutete er Harry sich zu setzen. »Mache ich.«, flüsterte dieser. Wenn du das dann noch willst, fügte er in Gedanken hinzu und Draco suchte seinen Blick. Harry räusperte sich und setzte sich neben ihn. »Dann fang an.«, bestimmte Draco. »Woher weiß ich, dass du mich nicht anlügst?«, kam es Harry in den Sinn und er bemerkte, wie sich Dracos Stirn in Falten legte. Diese Situation kam Harry so skurril vor. »Wir können das auch lassen, Potter. Ich kann mir schönere Sachen vorstellen als eine Therapiestunde mit meinem selbst erklärtem Feind auf der Spitze des Turmes, wo ich fast unseren Schulleiter umgebracht habe.«, spottete Draco und lachte unsicher. »Du bist ein Arschloch.« Harry verdrehte die Augen, aber Draco hatte Recht. Die Situation war sehr merkwürdig. Noch nie hatte er so nah und geradezu friedlich neben seinem Rivalen gesessen, ohne dass sie in den nächsten drei Minuten ihre Fäuste miteinander bekannt gemacht hatten. »Jetzt mach schon, Potter. Jünger werde ich nicht.«, schnaubte Draco. Harry wusste, was er ihn fragen wollte. Eine Frage, die er sich einfach nicht beantworten konnte. Eine der vielen Fragen. Doch würde ihm die Antwort gefallen? Würde es die Antwort sein, die er sich erhoffte? Doch ... was erhoffte er sich eigentlich? »Warum hast du mich nicht verraten? Im Manor. Du hast mich erkannt, Malfoy. Ich hab es in deinen Augen gesehen. Verdammt …«, begann er langsam zu sprechen, schüttelte jedoch den Kopf. »Dein Vater hatte Recht, wenn du uns da ausgeliefert hättest ... das hätte euch erneut in die Gunst von Voldemort gestellt, oder etwa nicht? Dein Vater hat es dir zugeflüstert. Ich habe es genau gehört. Also Warum, Malfoy?« Seine Stimme wurde etwas leiser. »Schon wieder diese Frage, das ist so unkreativ, Potter.« Draco faltete seine Hände und Harry beobachtete diese Geste für einen Moment. »Es ist nicht so einfach … wenn man Entscheidungen trifft und mittendrin merkt, dass man vielleicht doch auf der bösen Seite steht. Es gibt keine Grautöne in diesem Moment. Wenn diese Leute an deiner Loyalität zweifeln, dann hast du dein Leben verwirkt, Potter. Im wahrsten Sinne des Wortes.« Die Stimme seines ehemaligen Feindes klang sacht, zögernd als wenn er sich nicht sicher war, wie viel er seinem Gegenüber von sich offenbaren wollte. »Dennoch hast du gezögert ..«, flüsterte Harry leise. Das Rauschen des Schneesturmes war ruhiger geworden. Nur noch vereinzelt tanzten die Schneeflocken am verhangenen schwarzen Himmel. »Ja .. Ich habe gezögert.« Sein Blick ging gen Boden. »Frag mich nicht warum, Potter. Es hat sich falsch angefühlt und ich konnte es nicht.« Draco hob seinen Kopf und sah in die hellgrünen Augen des Mannes vor ihm.   »Du bist dran.«, sagte Harry und versuchte einzuordnen, wie er diese Antwort deuten sollte.   Draco betrachtete ihn zögerlich und schwieg für einen Moment. »Warum suchst du meine Nähe, Potter?«, fragte er schließlich und eine Gänsehaut zog sich über Harrys Körper. Hunderte Gedanken und Wortfetzen flogen durch seinen Kopf. Bist du in Draco Malfoy verliebt? Er schüttelte hastig seinen Kopf und Draco sah ihn bei dieser Geste fragend an. »Weißt du Malfoy, wenn man ein ganz normales Leben führt, ist es nicht so wichtig in jedem einzelnen Moment die richtige Entscheidung zu fällen. Es ist nicht schlimm, Fehler zu machen. Man lernt aus den Fehlern, entschuldigt sich und das Leben geht weiter ..« Zögernd suchte Harry Dracos Blick. »In meinem Leben … wenn ich da einen Fehler gemacht habe, sind die Menschen um mich herum für diesen Fehler gestorben und irgendwie habe ich das Gefühl, Draco …« Er biss sich auf seine Unterlippe als er unterbewusst seine kalten Finger auf Dracos Unterarm legte. Erschrocken von dieser plötzlichen Nähe huschten die grauen Augen zu seiner Hand, bevor er ungläubig Harrys Blick wieder entgegnete. »Mir kommt es so vor, als wenn unsere Leben beide nicht normal waren und ich frage mich, ob deines nicht anders verlaufen wäre, hätte ich damals deine Hand nicht ausgeschlagen.«, antwortete Harry ihm ehrlich. Er trennte seine Finger von Dracos wärmender Haut und fragte sich für einen Moment, wieso er ihn nicht weggestoßen hatte. Er bot ihm seine offene Handfläche an. Ein Lächeln bildete sich auf seine Lippen. Vielleicht kann ich es ja herausfinden, was es bedeutet, mit ihm befreundet zu sein. Harry musste einfach herausfinden, warum er die Gegenwart von Draco als so angenehm empfand, dass es ihm einen warmen Schauer durch den Körper jagte. »Stoß nicht alle von dir weg.«, wiederholte er Zabinis Worte und zuckte mit den Schultern. »Meine Familie würde mich hassen, Potter …Schlimm genug, dass ich sie verraten habe.«, zögerte Draco und sah auf Harrys Hand. »Draco … deine Mutter.«, flüsterte Harry und sein Gegenüber hob den Blick. »Deine Mutter hat für mich gelogen in der Schlacht um Hogwarts. Sie hat gemerkt, dass ich noch lebe, Draco. Sie hat mich vor Voldemort für tot erklärt …«   Kaum jemand wusste von diesem Detail und dennoch fand er, dass Draco es in diesem Moment wissen sollte. »Du lügst.«, zischte er. »Das kann nicht …«   Harrys Hand fühlte sich schwer an und zögerlich ließ er sie sinken. Doch dann war da eine seichte Berührung an seiner Fingerspitze. Seine Wangen brannten. »Wir müssen doch sowieso als Projektpartner zusammen arbeiten, Draco.« Er versuchte die plötzliche Nervosität weg zu lächeln und verwundert bemerkte er, wie am Horizont langsam die Sonne aufging. »Was hältst du übrigens vom Animagus – Elixier als Trank für Slughorn?«, fragte er ihn. Draco sah auf ihre Hände, zog seine eigene jedoch nicht weg. Harry sah, wie sich ein Schmunzeln auf sein Gesicht zeichnete. »Das wirst du doch niemals hinkriegen, Potter.«, lachte Draco und löste sich langsam von ihm. Doch das Lächeln, was er Harry schenkte, machte den Verlust der Wärmequelle erträglich. Das war ein »Ja« zur Freundschaft, oder?, fragte sich Harry, stand langsam auf und klopfte sich einige Schneeflocken von seinem Mantel ab. Irgendwie war es noch schwierig Dracos Handeln und seine Aussagen wirklich zu deuten, aber es fühlte sich doch wie ein Ja an. Eventuell war es auch nur ein sachtes Mal sehen, wo das hinführt, doch Harry reichte das. »Wenn mir der Eisprinz persönlich hilft, kann ich das nur hinbekommen. Lass es uns versuchen, Draco.«, antwortete er ihm und ging langsam gefolgt von Draco in Richtung der Treppe. »Über die Sache mit den Vornamen reden wir noch einmal, Potter.«, zischte er und Harry konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sich seine Finger um das Geländer schlossen und er langsam wieder nach unten ging. Raus aus dieser Kälte, dachte er sich.   ~~~*~~~  Kapitel 8: Temptation --------------------- Kapitel 8: Temptation Es wurde immer kälter. Insbesondere die Räume, in denen der Zaubertrankunterricht stattfand, empfand Harry immer als sehr kühl und unbehaglich. Doch jetzt, da der Dezember bevorstand, hatte das Wetter sich eindeutig der Jahreszeit angepasst. Es wurde immer stürmischer und vereinzelt fiel auch Schnee, der sogar oftmals liegen blieb. Auch wenn Slughorn eine unbestreitbare Dankbarkeit gegenüber Harry zu empfinden schien, war dieser nicht so begeistert von ihrer Idee Animagi zu werden. Slughorn erzählte ihnen, dass der Trank nicht für die Projektarbeit vorgesehen war und nicht zum prüfungsrelevanten Unterricht in Zaubertränke gehörte, womit er diesen nicht bewerten durfte. Draco war nicht begeistert über diese Entscheidung gewesen, hatte er sich doch sogar irgendwie über diese Möglichkeit gefreut. Harry hatte bei seinem enttäuschten Gesichtsausdruck beinahe überlegt, ob er Draco vorschlagen sollte, dass sie es einfach trotzdem taten und den Trank heimlich brauten, aber er hatte sich dann doch nicht getraut. Draco. Ja, das war er jetzt. Nicht mehr Malfoy, sondern Draco. Es waren einige Wochen vergangen und Harry wunderte sich langsam immer weniger über seinen Projektpartner, der ihn immer wieder vor neue Herausforderungen stellte. Als Harry selbst auffiel, wie oft er ihn mittlerweile beim Vornamen nannte, bemerkte er auch, wie ungewöhnlich der Name Draco eigentlich war. Nicht, dass Harry ein ungewöhnlicher Name wäre. Doch Harry klang eher wie ein Spitzname für Herold oder Harrison. Aber er war einfach nur Harry. Aus reinem Interesse und der Tatsache, dass er sich bei dem gezwungenen wöchentlichen Lernabend mit Hermine in der Bibliothek mit allem lieber beschäftigte als wirklich zu lernen, hatte er es nachgeschlagen. Draco bedeutet Drache.   Obwohl Harry anfangs vermehrt seinen Vornamen benutzt hatte, um eine aufgebrachte Reaktion des Anderen herauszukitzeln, mochte er es mittlerweile. War es doch so schön, einfach die Person hinter dem Familiennamen kennenzulernen. Draco war immer noch sehr eitel und Harry konnte definitiv sagen, dass dieser immer schon eine spitze Zunge besessen hatte. Oft diskutierten sie über die belanglosesten Dinge und Draco ermahnte ihn jedes Mal, wenn Harry einen Fehler machte. Merkwürdig war nur, dass Harry es sogar als angenehm empfand, dass Draco ihm nicht nach dem Mund redete. Es fühlte sich auf eine Art und Weise gut an, nicht als der Junge der lebt gesehen zu werden. Draco war ihm gegenüber nicht ehrfürchtig, aber auch nicht unbedingt feindselig. Es war schwierig zu beschreiben. Harry fühlte sich beruhigt in seiner Gegenwart, da er wusste, dass er sich nicht verstellen brauchte. Draco hinterfragte, ließ sich aber auf die Ideen des Gryffindors ein und dadurch, dass er neben Hermine einer der besten Schüler Hogwarts war, freute sich Harry insgeheim doch ihn als Partner zu haben, auch wenn er das vermutlich niemals in der Öffentlichkeit zugeben würde. »Die Anleitung ist total undurchsichtig.«, schnaufte Draco neben ihm und klappte das Buch zu. »So macht das keinen Sinn, Potter.« Silbergraue Augen suchten seinen Blick. »Es ist die Einzige, die Slughorn hatte.« Harry zuckte mit den Schultern. »Die Anleitungen in den Schulbüchern waren nie sonderlich gut.«, antwortete Harry und packte das Buch zurück in seine Tasche. Im Buch des Halbblutprinzen waren auch etliche Passagen gestrichen oder geändert worden. Wie sollten sie das nur jemals hinkriegen? Professor Slughorn klatschte erfreut in die Hände. »Meine Lieben, ein Wort bevor ich den Unterricht beenden kann. Denkt bitte dran, dass der Trank bis zu den Weihnachtsferien fertiggestellt sein soll. Ich freue mich schon, Ihre Ergebnisse begutachten zu können.« Draco seufzte laut und strich sich eine Strähne, welche ihm ins Gesicht gefallen war, hinter sein Ohr. »Veritaserum ist kein schwieriger Trank, Potter. Aber so -« Er deutete auf die undurchsichtige blubbernde Brühe in ihrem Kessel. »sollte es nicht aussehen.«, murmelte Draco und kippte die Flüssigkeit in den Abguss auf dem Boden. Hermine schaute zu ihnen rüber und sah besorgt aus. Als Harry ernüchtert seinen Blick erneut Professor Slughorn zuwenden wollte, bemerkte er, dass dieser zu ihrem Kessel herangetreten war und verwundert beäugte, wie das schlammige Gebräu langsam im Abfluss verschwand. »Harry mein Junge. Ich weiß doch, Sie sind einer meiner brillantesten Schüler.« Er zupfte mit Zeigefinger und Daumen an seinem Bart. »Veritaserum sollten Sie mit Ihrer Begabung doch mit Sicherheit mit verbundenen Augen brauen können.«, lachte er. »Aber nett von Ihnen dem jungen Malfoy hier einen eigenen Versuch zu lassen.« Er klopfte Draco auf die Schulter, welcher erstarrte und die Stirn in Falten legte. Zufrieden mit sich selbst wandte Slughorn sich ab und verschwand wieder nach vorne, bevor Harry ihm widersprechen konnte. Nachdem sie alles zusammengepackt hatten, verließen sie den Klassenraum und Harry fiel es wiederholt auf, wie unzufrieden Draco dreinblickte. Er schien ihn aus einer Trotzreaktion ignorieren zu wollen. Am Ende des Ganges würden ihre Wege sich trennen und sie würden erst wieder sich beim nächsten Unterricht sprechen können.   In ihrer Freizeit verbrachte Harry weiterhin Zeit mit seinen Freunden, während Draco weiterhin mit Blaise unterwegs war. Schließlich sollte bloß niemand auf die Idee kommen, dass der Goldjunge von Gryffindor und der Eisprinz von Slytherin sich privat als Freunde trafen und sogar miteinander redeten. Das wäre doch mal ein lustiger Skandal, schmunzelte Harry und schaute schweigend auf Dracos Hinterkopf, der mit schnellen Schritten den Gang entlang ging. Er stellte sich vor, wie es sein würde, Draco mit zu seinen Freunden zu nehmen. Wie es wäre, außerhalb des Unterrichts sich zu treffen und zu unterhalten. Er würde sich wahrscheinlich gar nicht schlecht mit Hermine verstehen, immerhin könnte sie in ihm einen guten Lernpartner finden und endlich über Dinge philosophieren, wo sie bei Ron und Harry nur auf taube Ohren stieß. Doch würde Draco es akzeptieren können, mit Ron an einem Tisch zu sitzen? Dem Blutverräter, wie er ihn immer genannt hatte? Draco Malfoy hatte sich verändert und Harry wusste nicht, ob dies seine Worte, oder es die von seinem Vater waren, oder aber ob sich mittlerweile etwas in seinen Ansichten verändert hatte. Außerdem würde Ron mit Sicherheit nicht mit ihm das Brot brechen, wenn er ihm weiterhin die Schuld für den Tod seines Bruders gab. Nach dem Abend auf dem Astronomieturm hatte Draco ihm nichts Persönliches mehr erzählt, fokussierte sich akribisch auf ihre jeweiligen Aufgaben und auf schulische Themen. Ihm schien es wirklich wichtig zu sein, die Abschlussprüfungen zu bestehen. Harry musste sich darüber Gedanken machen, wie sie endlich diesen Trank fertigstellen konnten. Er hätte Slughorn widersprechen sollen. Draco war auf jeden Fall eher der Grund, weswegen sie noch nicht aufgegeben hatten. Ein lautes Seufzen entglitt seiner Kehle. Viel wahrscheinlicher war es, dass seine eigene Unkonzentriertheit dazu führte, dass sie nicht vorankamen. Er war so müde und hatte seit Wochen nicht mehr als 4 Stunden täglich, wenn überhaupt, geschlafen. Harry hatte einmal aus Versehen statt einem Tropfen die ganze Phiole Schlangengift in den Kessel gekippt, worauf sich das klare Gebräu zu einem giftgrün verfärbt hatte. Er war nur kurz abgelenkt gewesen. Harry musste sich wirklich zusammenreißen und schauen, dass er Draco wenigstens die Note nicht versauen würde, aber wie sollte er positiv etwas zu ihrer Arbeit beisteuern? Draco war die ganze Zeit schon unzufrieden mit dem Trankrezept gewesen, vielleicht … »Draco.« Harry blieb stehen. »Was, Potter? Ich muss zu alte Runen um auch mal was Produktives an diesem Tag erledigen zu können.«, fauchte er. »Wir könnten nach einem besserem Rezept in der verbotenen Abteilung suchen.«, teilte Harry seine Idee mit. »Na klar, Potter. Wir marschieren am hellem Tage in die VERBOTENE Abteilung. Was ja auch nie irgendeinem auffallen würde -« Er stockte, als müsse er kurz über etwas nachdenken. Seine Stirn runzelte sich. »Natürlich, dein dummer Umhang.« Er rieb sich die Falten auf seiner Stirn. »So würde ich ihn nicht bezeichnen, aber ja.«, murmelte Harry verlegen. »Harry!« Hermine rief vom anderen Ende des Ganges nach ihm. »Heute Abend?«, flüsterte Harry hastig, damit seine Freunde es nicht mitbekamen. »Wenn alle wegen Halloween beim Essen sind?« Kurz dachte er, ein Leuchten in den Augen des Slytherin zu sehen, als dieser stumm nickte und sich hastig abwandte, in dem Moment, wo er sah, wie Ron und Hermine sich näherten. Also heute Abend, dachte Harry. »Was grinst du denn so, Kumpel?« Ron klopfte ihm auf die Schulter. »Nichts«, sagte er hastig und drehte sich zu seinem besten Freund, welcher eine Augenbraue nach oben zog. »Ich dachte das Frettchen sei so gut in Zaubertränke, aber wahrscheinlich sabotiert er dich absichtlich, damit du schlecht dastehst.« Ron zuckte mit den Schultern und sah zu Hermine. Harry unterdrückte das Bedürfnis, auf den Spitznamen einzugehen. Würde sich Ron jemals damit abfinden können, wenn Harry sich mit Draco anfreunden würde? Doch wenn er sich jetzt für ihn vor seinen Freunden einsetzte, dann würde Ron es mit Sicherheit hinterfragen und dann konnte er sich bestimmt heute Abend nicht unter einem Vorwand vor dem Essen drücken. Warum war das alles so kompliziert? »Er macht es nicht absichtlich, ich hab das Gefühl, dass das Rezept, was wir uns für den Trank rausgesucht haben, nicht gut genug ist.«, versuchte er ihn dann doch wenigstens ein wenig zu verteidigen. Hermine seufzte neben ihm. »Malfoy ist gut in Zaubertränke. Ich verstehe gar nicht weshalb ihr so Probleme habt, Harry.«, sagte seine beste Freundin stirnrunzelnd und betrachtete ihn ruhig. Rons Kichern hallte leise an den steinernen Wänden des Korridors wider. »Vergiss Malfoy einfach! Unser Zaubertrank ist fast fertig also können wir uns komplett auf die Feier heute Abend konzentrieren. Seamus hat Alkohol aus Hogsmeade besorgt, wir wollen im neu aufgebauten Raum der Wünsche feiern. Es soll eine Party für alle sein, die in der Schlacht mitgekämpft haben.«, berichtete ihm Ron und Vorfreude strahlte über sein ganzes Gesicht. »Übertreibt es heute bloß nicht. Ich traue der Sache mit dem Raum nicht. Das Dämonsfeuer hat immerhin einiges an Schaden angerichtet.«, schnaubte Hermine und hob die Hand zum Abschied. Da sie ebenfalls zum Unterricht in Alte Runen musste, eilte sie Malfoy hinterher, während Ron und Harry sich langsam auf den Weg zum Turm machten, um zum nächsten Unterricht zu gelangen.   ~~~*~~~ »Bist du dir sicher, Kumpel?«, fragte Ron mit einer etwas hochgezogenen Augenbraue, während er sich leicht an die Kante seines Bettes lehnte. Er hielt in der einen Hand bereits ein Butterbier, auf dem ein großer Kürbis abgebildet war. »Ja, mir ist nicht nach Abendessen. Mein ganzer Magen dreht sich …«, stöhnte Harry und rieb sich demonstrativ eine Hand über seinen Bauch. »Aber komm wenn es dir besser geht wenigstens heute Abend in den Raum der Wünsche, Harry. Du verpasst sonst etwas. So eine Party wird es nur einmal geben!«, erinnerte ihn sein bester Freund erneut an die unbestreitbare Chance, ein Stückchen ihrer Jugend zurückzubekommen. »Sowas verpasse ich doch nicht. Aber beim Essen passe ich lieber.«, antwortete ihm Harry, bevor Ron ihm mit einem Daumen nach oben symbolisierte, dass ihm das reiche und durch die Tür zum Essen verschwand. Erste Hürde gemeistert, dachte sich Harry und wartete eine Weile im Schlafsaal, bis auch die letzten Stimmen den Gemeinschaftsraum am Fuße der Treppe verlassen hatten. Er schnappte sich hastig die Karte des Rumtreibers sowie den Tarnumhang und eine Vorfreude strömte durch seinen Körper. Er war aufgeregt. Sein Herz pochte in der Brust und er fühlte sich in seine ersten Jahre in Hogwarts zurückversetzt. Einigen Schülern, welche in Scharen in die große Halle strömten, ausweichend, hastete er durch die Gänge. Um nicht aufzufallen, folgte er dem Strom an Menschen und im Augenwinkel betrachtete er die reichlich mit Kürbissen und Kerzen geschmückte Halle, welche ein angenehm einladendes warmes Licht ausstrahlte.   Doch Harry hatte heute Abend einen anderen Plan. Er würde die Regeln brechen. Erneut. Und das mit Draco Malfoy. Harry konnte sich ein leises Auflachen nicht verkneifen. Hätte man ihm das vor ein paar Jahren erzählt, hätte er denjenigen wahrscheinlich verflucht. Es hatte sich wohl einiges verändert, schoss es Harry durch die Gedanken, als er mit schnellen Schritten durch die Korridore ging. Wie zu erwarten waren die Gänge wie leergefegt. Jetzt musste er sich eigentlich nur vor Peeves in Acht nehmen. Dieser würde sich die Chance an Halloween die Schüler zu ärgern nicht entgehen lassen. Er erreichte über die verschiedenen Treppen endlich eine Passage zur vierten Etage. Er streifte sich den Tarnumhang über und öffnete mit einem Quietschen die große Eingangstür der Bibliothek. Er konnte vereinzelt einige Schüler sehen, welche sich hier wohl vor der Festlichkeit zurückgezogen haben und hielt Ausschau nach Draco, als er ihn schließlich zwischen zwei Regalen stehen sah. Draco balancierte ein Buch in seiner linken Hand und blätterte geistesabwesend mit der Anderen langsam die Seite um. Die sturmgrauen Augen huschten über die Zeilen und Harry nahm sich kurz einen Moment, um dieses Bild auf sich wirken zu lassen. Sein ehemaliger Feind wirkte friedlich und entspannt. Einige Haarsträhnen waren ihm ins Gesicht gefallen und sein Blick war leicht gesenkt. Er trug einen Festtagsumhang und Harry konnte ein weißes Hemd unter dem dunkelgrünen Stoff hervorblitzen sehen. Die ersten drei Knöpfe des Hemdes waren geöffnet und helle elfenbeinfarbene Haut kam zum Vorschein. Ein Schauer glitt durch seinen Körper. Er suchte Dracos Blick und stellte aufatmend fest, dass dieser den Kopf gehoben hatte und sich im Raum suchend umsah. »Draco«, flüsterte Harry neben seinem Ohr. Draco erschrak und zuckte in sich zusammen, klappte aus einem Reflex das Buch zu. »Potter! Erschrecke mich doch nicht zu Tode.«, zischte er mit leiser Stimme in die Richtung, wo er Harry vermutete. Harry vergewisserte sich kurz, dass sie unbeobachtet waren, und zog langsam den Umhang über seinen Kopf, so dass dieser nun schwebend in der Luft sichtbar war. Er grinste, als er in Dracos genervtes Gesicht blickte. »Wie machen wir das jetzt?«, fragte Draco schließlich, seine Gesichtszüge entspannten sich jedoch ein wenig. »Na, du kommst mit mir hier drunter -« Er deutete auf seinen unsichtbaren Körper. »Und dann schleichen wir uns in die Abteilung.«, flüsterte Harry und trat einen Schritt auf Draco zu, welcher ihn zweifelnd ansah. »Potter, dir ist aufgefallen, dass wir keine zwölf mehr sind? Wie sollen wir BEIDE dort drunter passen.« Er deutete auf den Umhang. Harry merkte, wie seine Wangen warm wurden. Ja, er hatte sich zwar schon öfters mit mehreren Leuten unter dem Tarnumhang versteckt, doch Draco hatte Recht. Sie waren älter mittlerweile und auch ihre Körper waren erwachsener, von der Statur her größer geworden. Jetzt mach bloß keinen feigen Rückzieher – das ist doch alles genauso wie bei Hermine oder Ron, dachte sich Harry, legte sanft einen Arm um Dracos Mitte, um ihn an sich ran zuziehen. Langsam zog er den Umhang über den blonden Haarschopf. Draco wirkte wie erstarrt, schien sich jedoch zu Harrys Verwunderung nicht wehren zu wollen. »Lass uns gehen.«, flüsterte Draco und Harry konnte seinen Atem an seinem Hals spüren, so nahe standen sie beieinander. Sie schlichen mehr oder weniger elegant und darauf bedacht, dass der Umhang auch ihre Füße verdeckte, zum Gitter, welches die normale Bibliothek von der verbotenen Abteilung abgrenzte. Normalerweise kam man hier nur mit einer ausdrücklichen Erlaubnis rein. Mit einem leisen »Alohomora.« öffnete er das kleine Schloss, welches an den Eisenstäben befestigt war. Er sah, wie Draco ihm bestätigend zunickte, und gemeinsam betraten sie die verbotene Abteilung. Es dauerte nicht lang, bis sie fündig wurden, und das in zweierlei Hinsicht. Nach einer knappen halben Stunde stieß Draco auf ein Rezept, welches wohl seinen Erwartungen entsprach. Doch Harry hatte auch etwas Interessantes gefunden. Ein Tagebuch über die Aufzeichnungen, wie es jemandem gelang, zu einem Animagus zu werden. Schnell und darauf bedacht, dass der Andere es nicht bemerkte, steckte er das kleine Buch in eine Innentasche seines Umhanges. Freudig wedelte Draco mit dem Pergament vor Harrys Gesicht und ein Lächeln zierte seine Lippen. Harry hatte Draco noch nie wirklich aufrichtig Lächeln sehen und er konnte nicht abstreiten, dass er dieses Lächeln erneut sehen wollte. Erfüllte es ihn doch mit einem so warmen und einladenden Gefühl, bei dem Harry am liebsten Aufseufzen würde. Das leise Miauen einer Katze ließ sie aufmerksam werden. Harry sah an Draco vorbei in den Gang und hörte die tapsenden Geräusche eines kleinen Körpers, der sich lauernd näherte. »Verdammt das ist Mrs. Norris.«, zischte Harry. »Aber sie kann uns doch nicht sehen, oder?«, fragte Draco und seine Augen weiteten sich leicht. Harry sah sich hektisch um.   »Doch, bei Tieren bringt der Tarnumhang nichts. Verdammte -«, Ein erneutes Miauen, welches direkt neben ihnen aus dem Gang zu hören war ließ Harry plötzlich handeln. Mit einer schnellen Bewegung packte er Draco an den Schultern und zog ihn hinter die Statue eines alten Zauberers in eine kleine Nische. Er hörte die schnelle Atmung Dracos und sein Körper war an seinen gepresst. Sie standen so nah beieinander, dass Draco zwangsweise eine Hand auf seine Hüfte gelegt hatte, während Harrys Hand immer noch auf dem Brustkorb des Anderen lag. Er konnte das laute hastige Pochen des Herzens unter seiner Handfläche spüren. Langsam legte Harry einen Finger an seine eigenen Lippen, um ihm zu vermitteln leise zu sein. Sein Blick fiel auf Dracos Lippen, welche seinen so nah waren, dass er sich nur hätte vorbeugen müssen, um sie beide miteinander zu vereinen. Er ließ seinen Zeigefinger langsam von seinem Mund gleiten und zog dabei die Unterlippe ein wenig nach unten. Er konnte Dracos Blick nicht deuten, wirkte er doch fast fragend. Harry versuchte, sein Herz zu beruhigen und sich auf die Geräusche in ihrem Umfeld zu konzentrieren. Sie hörten wie sich die tapsenden Schritte von Mrs. Norris, der Katze des Hausmeisters, langsam wieder entfernten und nahm das laute Ausatmen seines Gegenübers wahr. Doch seine Atmung zu beruhigen war gar nicht so einfach, wie er gedacht hatte, und er nahm etwas mehr Abstand zu Draco, welcher ihn mit gehetztem Blick betrachtete. Ein deutlicher Rotschimmer zierte seine blasse Haut und sein Umhang hing ihm dadurch, dass Harry ihn so abrupt gepackt hatte, etwas verrutscht an der Schulter. »Harry, das -«, begann Draco, als ihm jedoch etwas aufzufallen schien. Er biss sich auf die Lippe und Harrys Blick folgte dieser Geste. »Willst du mich heute Abend auf die Party im Raum der Wünsche begleiten, Draco?«, fragte Harry mit sachter Stimme.     ~~~*~~~   Kapitel 9: Consequences ----------------------- »Harry, das -«, begann Draco, als ihm jedoch etwas aufzufallen schien. Er biss sich auf die Lippe und Harrys Blick folgte dieser Geste. »Willst du mich heute Abend auf die Party im Raum der Wünsche begleiten, Draco?«, fragte Harry mit sachter Stimme.     ~~~*~~~   Kapitel 9: Consequences     »Du willst … was? Du bist verrückt, Potter.«, zögerte Draco, welcher Harry am Arm packte und Richtung Ausgang zog. Er spürte das Zerren an seinem Umhang, fühlte sich die Berührung plötzlich nicht mehr sanft, sondern schmerzhaft an. Anders als die Hand, welche er soeben noch an seiner Seite gespürt hatte. Die Berührung seines ehemaligen Rivalen hatte sich auf eine merkwürdige Art wirklich sanft angefühlt.   Doch Harry hatte trotz dieser merkwürdigen Situation noch etwas Anderes wahrgenommen. Draco hatte ihn beim Vornamen genannt. Es brannte ihm auf der Zunge, ihn triumphal darauf hinzuweisen, doch er würde ihn nicht damit aufziehen. Es wäre wahrscheinlich die schlechteste Idee, ihn jetzt auf diese Unachtsamkeit und das Bröckeln seiner Maske aufmerksam zu machen. »Was spricht denn dagegen? Es ist eine Nachkriegs-Party, du warst im Krieg dabei und bist jetzt mit uns hier.«, antwortete er ihm schließlich und zog in einem nahen Korridor den Tarnumhang von ihren Köpfen. Draco fixierte ihn mit einer leicht hochgezogenen Augenbraue und Harry konnte deutliche Zweifel in seinen Gesichtszügen erkennen. »Merkst du noch was? Ja, ich war im Krieg dabei, aber auf der anderen Seite.«, zischte Draco flüsternd, als würde er befürchten, jemand belausche sie. »Und mal ganz im Ernst, Potter. Als ob deine Muggelfreundin und ihr Liebhaber so scharf darauf sind mit mir den Abend zu verbringen.«, seufzte Draco und zuckte mit den Schultern. Er ließ seinen Blick sinken und sah leicht zur Seite. »Wie auch immer.«, flüsterte Draco leise. »Erstens, nenn sie nicht so.« Harrys Blick verfinsterte sich leicht. »Zweitens, es ist nicht wichtig, Draco. Der Krieg ist vorbei und wir wollen nach Vorne schauen. Das ist es doch, worum es bei der Party geht, oder?« Harry lächelte und suchte seinen Blick. Dennoch war es ihm durchaus bewusst, dass er es schön redete. Draco hatte Recht. Er war auf dieser Feier höchstwahrscheinlich ein unerwünschter Gast. Harry hingegen war zu müde für die Zweifel von Draco. Er fühlte sich euphorisch. Sie hatten endlich eine Möglichkeit gefunden, diesen Trank fertigzustellen. Zudem spürte er den dünnen Einband des ledernen Tagebuchs in seinem Umhang. Ron hatte schließlich die ganze Zeit davon geredet. Diese Feier war dazu da, um sie daran zu erinnern, dass es nach dem Krieg auch noch schöne Momente gab und ihre Jugend noch nicht vorbei war. Erinnerte er sich nur zu gut daran, wie müde Draco ebenfalls gewirkt hatte, als er ihn so aufgebracht in der Winkelgasse gesehen hatte. Er hatte ihn noch nicht darauf angesprochen, was er denn nun tun würde. Immerhin war sein einziges Heim gepfändet worden und er saß quasi auf der Straße. Draco würde etwas Ablenkung mit Sicherheit auch guttun. Doch wie soll ich das Ron und Hermine erklären?, fragte sich Harry und strich sich eine schwarze Strähne aus der Stirn. »Wie stellst du dir das vor, Potter?«, seufzte Draco resignierend. »Ich tauche da mit dir auf und sehe morgen die nächste Schlagzeile im Tagespropheten? St. Potter hilft armen Todesser bei der Rehabilitation! Oder - Wechselt Potter jetzt doch zur dunklen Seite...?« Draco schnaufte. Harry besah sich sein Gegenüber. Dracos Haare wirkten zerzaust und sein Umhang war nur halb geschlossen, da sie hastig die Bibliothek verlassen hatten. Eine leichte Röte zierte seine blassen Wangen. Was war gerade eben passiert? Ich hätte ihn fast ...   War er nun komplett wahnsinnig geworden? Die Trennung von Ginny schien ihm zu sehr zugesetzt zu haben, dass er sich dazu hatte hinreißen lassen. Das hier war Draco Malfoy vor ihm. Sein plötzlich nicht mehr so unausstehlicher selbst erklärter Feind und Rivale. Ein Mann. Auf keinen Fall würde er sich noch einmal zu so etwas hinreißen lassen. Viel wahrscheinlicher war es, dass Harry sich einfach nach Nähe sehnte, das musste es sein. Immerhin umarmte er Hermine auch ständig oder griff nach ihrer Hand. Da war doch nichts dabei. Dracos Nähe jedoch hatte sich fast zu gut angefühlt. Verboten gut. Hermine wüsste mit Sicherheit, was ich jetzt tun sollte … Doch dann kamen Harry erneut ihre Worte in den Sinn. Draco hatte Angst. Ein plausibler Grund, nicht euphorisch auf die Einladung zu reagieren. Die Furcht vor der Reaktion seiner Freunde und ob diese ihn ausstoßen würden, musste in ihm existieren, auch wenn er sie wohl gerne unter seiner Maske verbergen wollte. Panik vor der Reaktion der Öffentlichkeit, was sie von ihrer Freundschaft sagen würden. Doch wenn Draco diese Zweifel nicht verlor, würde es in seinem Leben nicht leicht für ihn werden. Harry würde ihm doch helfen können, oder? »Du bist ein Feigling, Malfoy.« Er grinste leicht. Dies war ihre Art der Kommunikation. Harry wusste nicht, ob Draco verstehen würde, wie diese Worte tatsächlich gemeint waren. Dracos Blick verfinsterte sich und Harry sah, dass sein linkes Auge ein klein wenig zuckte. Amüsiert betrachtete er die Bewegung des Muskels und ging an Draco vorbei, versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Was tue ich eigentlich hier? Draco würde sich unweigerlich damit anfreunden müssen, dass die anderen doch gar nicht so schlimm waren, wie er es immer gedacht hatte. Sonst würde es schwierig werden. Harry konnte die Freundschaft und Sympathie für Draco immerhin nicht ewig vor jedem verbergen. Immerhin hatte er in den wenigen Wochen bereits gemerkt, wie gut sie sich eigentlich verstanden. Zudem war er sich sicher, dass die anderen bestimmt auch mit ihm klar kämen, wenn sie Draco erst einmal richtig kennenlernen würden. Immerhin konnte selbst er sich mit ihm arrangieren, oder? Es war immerhin an der Zeit, die alten Streitereien zu begraben. Ron wird das schon verstehen … »Fein.«, zischte Draco. »Aber wenn eine Gruppe Irrer mir auflauert und morgen mein Kopf aufgespießt an einem Pfahl die Schlossmauer verschönert, weißt du dass es deine Schuld ist, Potter.«, schnaubte er und folgte ihm in Richtung des siebten Stocks. Harry merkte, wie sich ein Grinsen in sein Gesicht schlich. Freute er sich einfach darauf ein paar Drinks zu trinken und für einen Abend die Konsequenzen zu vergessen. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken, was sein Handeln bedeuten würde. Harry wollte lediglich einen entspannten Abend mit Draco verbringen, in der Hoffnung noch einmal hinter seine Maske zu blicken. Als er schließlich die Tür öffnete, welche allmählich vor ihnen erschien, blickte er in einen halb-dunklen von Fackeln beleuchteten gemütlichen Raum. Eine große Holztheke zog sich durch die Mitte und einige bequem aussehende kleine Sitzgelegenheiten waren an den Wänden verteilt. Es sah gemütlich aus. Ein magisches Lichterspiel, welches dem Rhythmus der Musik folgte, zog Fäden durch die Luft und glitt über die Köpfe der vielen bekannten Gesichter, bis es schließlich zwischen den Pärchen hindurch über die kleine Tanzfläche flog. Dort tanzte Neville, welcher schüchtern die Arme um Luna gelegt hatte. Das orangene Licht des Zaubers huschte an ihnen vorbei. Die meisten Mitglieder der DA waren hier. Er konnte Ginny erblicken, die sich in einem hübschen dunklen Abendkleid zur Musik hin und her wiegte. Ihre verträumten Augen waren auf ihren Tanzpartner gerichtet. Sie lächelte leicht. Ich hätte genau dort stehen können, bemerkte Harry ernüchternd und suchte den dunklen Raum nach Ron und Hermine ab. Ihre Anwesenheit war noch nicht bemerkt worden. Viele waren auf ihre eigenen Gespräche konzentriert, erzählten Geschichten über den Krieg und über Menschen, die ihren Mut bewiesen, jedoch ihr Leben verloren hatten. Er sah, wie eine Gruppe Mädchen in einer der Sitzecken sich tröstend in den Armen lagen. Schließlich sah er Ron. Die große behaarte Hand des Wildhüters lag auf seiner Schulter. In seiner anderen Pranke hielt er einen Bierkrug, mit dem er fröhlich seinem besten Freund zuprostete. Auch Ron hatte mittlerweile gerötete Wangen und schien über etwas zu lachen, was Hagrid ihm erzählt hatte. Neben der Tanzfläche waren einige kleine Stehtische aufgestellt, auf denen sich selbst füllende Gläser zu mehreren Pyramiden zusammen gestapelt worden waren. Die treuen Augen seiner besten Freundin fixierten ihn. Jedoch nicht sehr lange. Ihr Blick glitt an ihm vorbei zu seiner Begleitung. Draco hatte sich halb hinter ihn gestellt und schien sich im Raum umzusehen. Er sah zögernd aus, fast als wäre er sich plötzlich nicht mehr so sicher, warum er überhaupt hier war. Hermine erwiderte erneut Harrys suchenden Blick. Er zuckte leicht mit den Schultern. Wollte er ihr doch vermitteln, dass alles okay war. Ihre angespannten Schultern entspannten sich. Sie zog aus dem wackelnden Turm drei Gläser heraus und ging mit schnellen und direkten Schritten auf sie zu. Harry bemerkte, wie sich Draco hinter ihm versteifte. »Potter, vielleicht ..:«, murmelte er, doch da hatte Hermine sie bereits erreicht. »Harry.«, begrüßte sie ihn mit einem so freundlichen Lächeln, dass es schon zu aufgetragen wirkte. »Malfoy.« Sie nickte Draco zu, doch dieser bewegte nur seinen Kopf leicht, um zu antworten. »Warum kommt ihr nicht mit mir hier rüber und wir stoßen auf diesen großartigen Abend an, Jungs?« Sie deutete auf eine Sitzecke in der Ecke des Raumes, welche etwas verdeckt lag. Die Reaktion seiner Freundin kam ihm fast zu versöhnlich vor. War es vielleicht doch alles gar nicht so kompliziert und Harry hatte sich umsonst Sorgen gemacht? Sie setzten sich und Hermine überreichte ihnen jeweils ein Glas, nur um ihr eigenes in die Luft zu heben.   »Auf dass wir überlebt haben.« Sie schloss die Augen, nickte ihnen zu und leerte die klare Flüssigkeit. Draco und Harry taten es ihr gleich. Ein bitterer Geschmack brannte in seiner Kehle als er eine wärmende, aber drängende Berührung an seinem Handgelenk spürte. Seine beste Freundin zog ihn ein wenig zu sich herunter, so dass Draco sie nicht verstehen konnte, der immer noch leicht das Gesicht verzogen hatte. »Was macht er hier Harry? Weiß Ron das?«, flüsterte sie bestimmt und Besorgnis lag in ihrer Stimme. »Du musst ihn hier weg bringen. Das ist nicht gut, Harry. Was hast du dir dabei gedacht? Sie werden es nicht verstehen. Nicht so.« Harrys Augen weiteten sich. Noch immer brannte der Alkohol in seiner Kehle. Wie meinte sie das? Er musste Draco wieder wegbringen? Aber wieso? Ein Murmeln ging durch die Partygäste. Mittlerweile schienen sie bemerkt worden zu sein. Hatte er zu überstürzt gehandelt? Harry hatte gedacht, dass wenn eh alle schon etwas angetrunken waren, ein Gast mehr oder weniger doch bestimmt nicht auffallen würde. Jedoch hatte Harry nicht bedacht, dass es beinahe unmöglich war, seine Anwesenheit nicht zu bemerken, während die hellen Strähnen in den verschiedensten Goldtönen schimmerten. Draco sah sich hektisch um. Die Situation schien ihm unangenehm und Harry bemerkte, wie er auf seinem Sitzplatz hin und her rutschte. Seine Finger waren immer noch um das kleine Glas geschlungen. »Was macht er hier, Harry?«, vernahm er die Stimme Nevilles hinter ihnen. »Auf dieser Party?« »Warum nicht? Er ist genauso ein Mensch wie wir auch.«, versuchte Harry genervt das Thema damit zu erledigen. Draco hatte immer noch kein Wort gesagt und Harry erschrak sich beinahe, als dieser sich schließlich zu Wort meldete. »Ich werde deine Heldentaten schon nicht schlecht machen, Longbottom. Also mach dir keine Sorgen, dass ich dich vor deiner Freundin blamiere.«, schnaufte Draco und stand schließlich auf, um Anstalten zu machen zu verschwinden. Harry hielt ihn mit einem bestimmten Griff zurück und dieser sah ihn fragend an. Draco schien mit aller Mühe zu versuchen, seine Haltung zu bewahren. »Was macht er hier, Harry?«, wiederholte Neville seine Frage und Luna trat neben ihn. Dicht gefolgt von seinem besten Freund, der ihn mit fragendem Gesichtsausdruck ansah. Rons Blick schweifte von seinem Gesicht zu Draco und schließlich zu Harrys Hand, die noch auf Dracos Unterarm lag. Hektisch zog er sie zurück. »Wir wollen nur ein wenig was trinken.«, rechtfertigte er sich. »Draco hat genauso ein Recht hier zu sein, wie ihr auch. Wir sitzen in einem Boot, nur dass nicht jeder die gleichen Entscheidungen treffen musste. Also regt euch ab.«, sagte Harry und versuchte, seine ganze Autorität in diese Aussage zu legen. »Draco?«, flüsterte Ron. Seine Stimme wurde lauter und brach. »Das ist er? Was war das heute Abend? Du hast uns versetzt – um was? Dich mit ihm zu treffen?«, zischte sein bester Freund die klagenden Worte. »Ron, Nein – Ich ..«, versuchte Harry ihn zu besänftigen, doch er wusste nicht, was er sagen sollte. »Harry. Das ist Malfoy. Er ist ein Todesser. Warum ist er hier, mit dir?« Ron deutete auf Harry und verschränkte die Arme vor der Brust. Wut lag in seinen Augen, genauso wie Unverständnis über das Handeln seines besten Freundes. »Er hat meinen Bruder auf dem Gewissen, er hat kein Recht hier zu sein, wie du es so schön betont hast.« »Er hat ihn nicht umgebracht, Ron.«, fauchte Harry und seine Faust ballte sich. »Und was jetzt, verteidigst du ihn? Ziehst ihn mir vor?«, hallten die lauten Schreie Rons durch den Raum. Sie hatten nun die komplette Aufmerksamkeit der Party auf sich. Draco räusperte sich. »So angenehm ich eure Gesellschaft auch empfunden habe, entschuldigt mich nun.« Seine Maske saß perfekt. Er entfaltete seine Beine, welche er übereinandergeschlagen hatte und stand auf, blickte kurz in die Runde und verließ mit wehendem Umhang den Raum. Mit einem dumpfen Geräusch, welches kurz die Musik unterbrach, schloss die Tür hinter ihm. Harry spürte ein dumpfes Gefühl in seinem Brustkorb. Es fühlte sich klamm an und Wut kam in ihm auf. Ärger und Enttäuschung darüber, dass es ihm nicht vergönnt war auch nur einen Abend Vorurteile zu vergessen. »Ich zieh ihn dir vor?«, zischte Harry und sein Blick verfinsterte sich. Hermines Hand schloss sich hilfesuchend um seine eigene, doch Harry schüttelte sie ab und schaute zu seinem besten Freund, welcher seinen provozierenden Blick erwiderte. Harrys Blick schweifte über die Menge. Die Menschen, die er immer als seine Kameraden gesehen hatte. Alle erwarteten etwas vor ihm. Das vorbildliche Verhalten eines Helden. Bloß nicht aus der Norm fallen. Und nun standen sie da, verurteilten jemanden genauso, wie sie selbst verurteilt wurden. »Vielleicht sollte ich das.« Harry stand auf.   »Harry .. nein ..«, flüsterte Hermine neben ihm und schüttelte den Kopf. »Jungs, ich bitte euch. Lasst uns doch reden.« Sie griff an ihre beiden Arme und versuchte, sie zurückzuhalten. »Nein, ich bin fertig.«, beschloss Harry und wandte sich ab. Er hatte beinahe die Tür erreicht, als er die nussbraunen Augen Ginnys sah, die ihm verwirrt entgegenblickten. Es lag eine Art der Sorge darin, die Harry nicht wirklich deuten konnte. Doch im Moment hatte er andere Probleme.       ~~~*~~~ Die Kälte peitschte in sein Gesicht. Der Wind ließ den Schweiß an seiner Stirn kalt herunter laufen. Er war aus dem Schloss geeilt, beinahe gerannt. Das Gefühl der Atemlosigkeit hatte ihm seine restliche Kraft geraubt. Die Wut pochte noch in seinen Adern und sein Atem ging hektisch. Er fühlte das dumpfe Pochen und stieß die restliche Luft aus seinen Lungen, während er die kalte Abendluft der Ländereien von Hogwarts in seine Lunge strömen ließ. Rons wütender Blick manifestierte sich vor seinen Augen und Harry schüttelte den Kopf. Wo war Draco hingegangen? Der Ausdruck in dem Gesicht des Slytherin, als er gegangen war, ließ jeglichen Hass erkennen, den dieser noch aufgespart hatte. Eine Arroganz, die keine Möglichkeit der Schwäche offenließ. Harry war es eiskalt den Rücken herunter gelaufen. Dabei hatte er gehofft, nun endlich doch hinter seine Maske blicken zu können. Er verstand das Mysterium namens Draco Malfoy einfach nicht. In einer geübten Bewegung setzte er sich auf eine Bank im Hof und zog die Karte des Rumtreibers hervor. War das die richtige Entscheidung gewesen? Ron so vor den Kopf zu stoßen? Sicherlich hätte er es ihm auch schonender beibringen können … jedoch war Harry noch nie wirklich jemand gewesen, der dafür ein Talent hatte. Sorge breitete sich in ihm aus. Noch immer hatte er ihn nicht gefunden. Harry hatte es wieder verbockt. Nun musste er wenigstens mit Draco reden. Niemals würde dieser es nun in Erwägung ziehen, ihre Freundschaft aufrecht zu erhalten, und Harry konnte es ihm nicht mal übel nehmen. Doch warum rannte er ihm hinterher? Ron hatte Recht, er zog Draco vor. Doch warum? Grübelnd blickte er auf den Namen, welcher ruhend auf einer der Tribünen des Quidditchfeldes zu lesen war. Er seufzte und strich durch den Stoff seines Schals, zog ihn sich weiter ins Gesicht, um der nassen Kälte des leichten Regens zu entgehen, als er mit schnellen Schritten sich in Bewegung setzte.     ~~~*~~~ Die gelben und roten Banner des letzten Quidditchspiels zierten immer noch die Reihen. Der Regen hatte sich in dem Stoff abgesetzt und sie hingen steif herunter, während sie vom Wind hin und her geschleudert wurden. Das dumpfe Klacken von Metall hallte in der Nacht wider, als die Halterungen der Banner immer wieder leicht gegen die Tribüne stießen. Er hatte sich auf dem kompletten Weg hierher Gedanken gemacht, sich Fragen gestellt, auf die er partout keine Antwort wusste. Doch in einem war Harry sich sicher. Er musste mit Draco reden. Es war ihm wichtig, diesen Abend nicht so enden zu lassen. Dann sah er ihn. Draco saß auf eine der Treppen und schaute mit ausdruckslosem Blick auf das Quidditchfeld. Er wirkte verträumt, als er seinen Kopf abrupt Harry zuwandte und ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte. »Das kann nicht dein Ernst sein, Potter.«, flüsterte Draco atemlos. »Warum bist du hier? Bist du wahnsinnig geworden?« Draco stand auf und ging auf Harry zu, verschränkte die Arme, um ein wenig der Kälte zu entgehen. Harry wollte ihn fragen, warum er gegangen war, doch er wusste die Antwort längst. Es war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte, und Harry hatte es nicht verhindern können. »Es tut mir leid, das war nicht fair was sie gesagt haben.«, sagte Harry ruhig und suchte Dracos Blick. »Geh zurück, Potter. Du solltest nicht hier sein. Du solltest dort sein. Bei Ihnen, bei deiner Freundin, die sich gerade einem anderen Kerl an den Hals wirft. Meine Gesellschaft ist Gift für dich. Sie passt weder zu deinem Heldenberuf noch zu deinen Freunden. Also bitte, tue dir selbst einen Gefallen und halte dich endlich von mir fern, Potter.« Dracos Worte wurden immer leiser, übertönte der Wind sie beinahe. Er bemerkte, dass Draco zitterte, hatte er ja nicht wirklich geplant, am heutigen Abend hier zu landen und dementsprechend leicht war er gekleidet. Sein Blick fiel auf die weiße Haut an seiner Halsbeuge. Harry spürte die Wärme des Stoffes unter seinen Fingern und zog sich seinen Schal von den Schultern, legte ihn behutsam um Dracos dünnen Hals. »Wollen wir fliegen?«, fragte Harry ruhig. »Ich habe immer noch den Schlüssel für die Umkleidekabinen, wo die Kiste mit den Bällen aufbewahrt wird. Meinst du, ich kann dich immer noch schlagen, Malfoy?« Harry konnte Dracos Gesichtsausdruck nicht deuten. Wirkte dieser auf der einen Seite sichtlich überrascht von diesem Angebot. Doch Harry wollte vergessen. Nichts hatte ihn je mehr vergessen lassen als das Gefühl, auf einem Besen zu fliegen. »Was für eine Frage, Potter.«, schnaufte Draco.       ~~~*~~~   Es war ein wahnsinniges Gefühl. Es fühlte sich an, als würde jeder Regentropfen Nadelstiche auf seiner Haut verursachen, die ihn einfach fühlen ließen. Er fühlte den Wind, der durch seine Haare strich. Sie jagten durch die Nacht und auch wenn sie mit den Schulbesen flogen, nahmen sie dieses Duell ernst. Sie schenkten sich nichts. Keine Möglichkeit, den Anderen zurückzudrängen, blieb ungenutzt. Mit der Besessenheit zuerst den Sieg erringen zu können, rauschten sie durch die Kälte, bis Harry in etwa 10 Metern Höhe in der Luft langsam an Geschwindigkeit verlor und er seinen Blick suchend über das Feld streifen ließ. Dieses Gefühl war der Wahnsinn. Wie lange war er nicht mehr geflogen? Er fühlte sich frei. Ein goldenes Schimmern spiegelte sich an dem durchnässten Feld am Fuße der Tribüne zu Harrys linker Seite. Er neigte seinen Besen nach vorne und raste gen Boden. Draco, der seine Bewegung bemerkte, schnellte ihm hinterher. Auf dem Boden des Feldes hatte sich der Regen gesammelt und Harry konnte in ihrem Spiegelbild sehen, dass Draco direkt hinter ihm war. Wirkte dieses Bild doch so vertraut, dass es ihn für einen kurzen Moment in alte Tage versetzte. Der Slytherin zog seinen Besen herum und rammte ihn an seiner linken Schulter, brachte ihn leicht aus der Spur, doch Harry drückte den Stiel des Besens weiter nach unten, um noch mehr Geschwindigkeit aufzunehmen. Drängte sich erneut an Draco vorbei. Wenige Meter trennten sie vor dem Aufprall, doch Harry konnte ihn sehen, den goldenen Ball, welcher einen halben Meter über dem Boden hin und her huschte. Er konnte das Surren der kleinen Flügel hören, wie sie hastig gegen den Regen schlugen. Warum zog er den Besen nicht hoch? Sie würden aufprallen. Er wurde schneller, doch Draco war direkt neben ihm. Er stieß seinen Atem aus und griff hektisch nach dem nassen Holz des Besens, rutschte beinahe mit seiner Hand ab als er, genau wie Draco, den Stiel im letzten Moment nach oben zog. Er bemerkte etwas Goldenes in seinem Augenwinkel. Der Schnatz war in etwa 2 Meter vor ihnen. Er sah in die Augen seines Rivalen und konnte die Kampfeslust darin lesen. Harry streckte seine Hand aus, versuchte sie gegen den peitschenden Wind gerade zu halten. Draco war ihm so nahe, dass sich ihre Arme berührten. Wenige Zentimeter. Mit der letzten Kraft, die sie hatten, sprangen sie nach vorne. Für einen kurzen Moment dachte Harry, er würde einfach fliegen. Einfach so, ohne Besen und Zauber. Ein zerrender Schmerz glitt durch seine Schultern, als er auf dem Boden aufkam. Ihre Körper überschlugen sich, bis sie schließlich am Rande des Feldes mit ausgestreckten Gliedern zum liegen kamen. Er keuchte. Richtete seine Brille und versuchte, seinen Blick zu schärfen. Er spürte die Leere in seiner Hand und wusste, dass Draco gewonnen hatte. Doch das war egal. Sie waren überwältigt. Eingenommen von diesem Gefühl. Adrenalin rauschte durch seine Venen und Harry fühlte sich, als wäre er in einem Rausch. Schwer atmend blickte er auf Draco, der mit einem breiten Lächeln den kleinen goldenen Ball krampfhaft mit seinen Fingern umklammerte. »Es ist falsch, Potter.«, sagte Draco atemlos. Seine Lippen waren halb geöffnet und die schwarze Farbe des Wollschals bildete einen wunderschönen Kontrast zu seiner hellen Haut. Fasziniert von diesem Anblick streckte Harry seine Fingerspitzen aus, berührte zaghaft den Stoff. »Wie kann das falsch sein? Wenn sich das so anfühlt.«, flüsterte Harry. Sein Finger glitt langsam über Dracos Wange. Die sturmgrauen Augen fixierten ihn. »Wir müssen überleben, Harry. Das tun, was Andere von uns erwarten. Unsere Bestimmung erfüllen. Das ist das Wichtigste. Wir müssen überleben. Leben, für jeden gottverdammten Moment.« Draco zögerte. Ihre Gesichter waren sich so nahe, dass er seinen Atem spüren konnte. »gottverdammt…«, murmelte Harry wie in Trance. »Wieso?«, hauchte er und strich mit der Kuppe seines Daumens sachte über die Wange. »Weil das hier ein Fehler ist.«, sagte Draco und beugte sich nach vorne, um ihre Lippen miteinander zu vereinen.   ~~~*~~~   Hallöchen ihr Lieben. Na, wie viele von euch sind noch dabei? Jetzt ist es endlich passiert … Ganz liebe Grüße und weiterhin gute Unterhaltung. Eure Refaye   Kapitel 10: Erased ------------------ »Wir müssen überleben, Harry. Das tun, was Andere von uns erwarten. Unsere Bestimmung erfüllen. Das ist das Wichtigste. Wir müssen überleben. Leben, für jeden gottverdammten Moment.« Draco zögerte. Ihre Gesichter waren sich so nahe, dass er seinen Atem spüren konnte. »gottverdammt…«, murmelte Harry wie in Trance. »Wieso?«, hauchte er und strich mit der Kuppe seines Daumens sachte über die Wange. »Weil das hier ein Fehler ist.«, sagte Draco und beugte sich nach vorne, um ihre Lippen miteinander zu vereinen.   ~~~*~~~   Kapitel 10: Erased     Es folgte ein Kurzschluss. Grob prallten ihre Lippen aufeinander. Es war wie ein Rausch. Eine Wärme, die sich ihm unaufhörlich entgegendrängte. Ihn fühlen ließ. Sein dumpfes Keuchen hallte in der Nacht wider und Harry schloss die Augen. Sie vergaßen alles in diesem Moment. Es war nicht wichtig, dass ihre Umhänge mit Schlamm besudelt waren, welcher sich durch den Regen am Boden gesammelt hatte. Es war nicht wichtig, dass ihre zerbrechliche Freundschaft gerade wohl einen Tiefpunkt erreichte. Es war nicht wichtig, dass sie auf der Flucht vor seinen Freunden mitten in der Nacht auf dem Quidditchfeld standen. Geschweige denn, dass das hier jemals jemand akzeptieren würde. Es war bedeutungslos, dass ihre Namen Draco Malfoy und Harry Potter lauten. Das Einzige, was zählte, waren die Gefühle, welche sie in diesem Moment empfanden. Dieses einnehmende Gefühl, welches Harry endlich fühlen ließ, dass er noch am Leben war. Dracos Berührungen schickten ein Kribbeln durch seine Haut. Es zog sich durch seinen ganzen Körper bis in seine Zehenspitzen und er drückte sich seinem ehemaligen Rivalen entgegen. Er spürte, wie Dracos Hand von seinem Hals zu seiner Hüfte wanderte und dort liegen blieb, ihn noch ein wenig näher zu sich ran zog. Alles, was Harry wahrnahm, war die wohlwollende Wärme, die von seinem Gegenüber ausging. Dessen Lippen, die sich fest gegen seine gedrückt hatten und egal, was sein Verstand ihm hätte sagen wollen. Harry tat das, was er für das einzig Richtige in diesem Moment hielt. Er folgte dem Gefühl, welches er so noch nie gespürt hatte. Er begann den Kuss zu erwidern. Harry vergrub seine Finger in dem Schal, den Draco immer noch trug, zog ihn mit einem Ruck am Hals näher zu sich ran, was Draco ein Keuchen entlockte. Er bewegte seine Lippen gegen den Widerstand und bemerkte, wie sich Dracos Hand an seiner Seite kurz anspannte und die Bewegung seiner Lippen erstarrte. Harrys Zunge stupste fragend an die heißen Lippen und bat um Einlass. War das Verlangen dieses Gefühl zu intensivieren doch so greifbar. So einnehmend. Atemlos löste er den Kuss, lehnte seine Nasenspitze gegen die des Anderen. »Fuck.«, keuchte er. »Draco das -« Sein Atem ging flach. Ein plötzlicher Schmerz glitt durch seine Brust, als Draco sich mit all seiner restlichen Kraft von ihm löste, seine Hände fest gegen seinen Brustkorb drückte, um Abstand zu schaffen. Keuchend standen sie sich gegenüber. Die verschleierten sturmgrauen Augen huschten verzweifelt durch die Partien seines Gesichts, als wenn Draco erst jetzt realisieren würde, was sie da gerade getan hatten. Welche Grenze sie überschritten hatten. »Ich kann das nicht.« Die Worte hörten sich fern an, als hätte Draco weit weggestanden. Es war ein Flüstern, welches vom Wind weggetragen wurde. Dracos Stimme wurde lauter. »Das ist ein Fehler. Das hätte nie passieren dürfen, Potter.« Verzweiflung und Unglaube kämpften in seinem Ausdruck. Draco schnappte nach Luft, bevor er fortfuhr. »Das ist nicht passiert. Ich muss mein Erbe erfüllen, Potter. Meine Pflicht ist es, den Familiennamen fortzuführen, während du dein edles Heldendasein fristest und jede Menge Kinder mit der Wieselette zeugst. Das hier. Das ist nie passiert.« Er deutete abwechselnd mit seinem Zeigefinger auf Harry und dann auf sich selbst. Ich kann das nicht vergessen, schoss es durch seine Gedanken.   Wie sollte er auch? Noch nie hatte er so etwas in seinem Leben gefühlt. Dieses Verlangen, jegliche Einzelheit des Anderen in sich aufzunehmen. Ihn mit jeder Pore seines Körpers spüren zu wollen. Jetzt wusste Harry, was Ron mit seiner Erzählung meinte. Ein Kuss konnte berauschend sein. Er konnte einem die Sinne rauben. Und in seinem Hinterkopf manifestierte sich ein Gedanke, den er nun nicht mehr verdrängen konnte. Er wollte es wieder tun. Noch einmal diese weichen Lippen auf seinen spüren. Doch bevor Harry ihn aufhalten konnte, stürmte Draco davon, verschwand in der dunklen Nacht zusammen mit dem Gefühl, welches er versuchte in seiner Erinnerung festzuhalten.   ~~~*~~~ »Wo bei Merlins Bart haben Sie sich denn rumgetrieben, Potter?«, schmunzelte die fette Dame und nippte leicht an ihrem Sektglas, während sie die Gestalt des Gryffindors eingehend betrachtete. »Karamell-Eclairs.«, nuschelte Harry. Sie rollte vorwurfsvoll mit den Augen, als ihr Porträt mit einem Schwung zur Seite klappte und den Eingangstunnel zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum freigab. Harry seufzte. Seine Schuhe fühlten sich schwer an und seine Glieder schlaff. Er schleppte sich durch die Öffnung und hinterließ schlammige Fußabdrücke auf dem rot-goldenen Teppich des fast leeren gemütlichen Raumes. Das Kaminfeuer prasselte immer noch leise, als er das schmale Gesicht Ginnys sah, welche es sich auf dem Sessel vor dem Kamin gemütlich gemacht hatte. Sie wirkte nachdenklich, hatte die Beine an ihren Körper gezogen und er hatte kurz das Gefühl, ertappt worden zu sein. Ginny bemerkte ihn, als das leise Tropfen des Schlammes von seinem Umhang auf den Boden platschte. Ihre Augen waren gequollen und er bemerkte, dass sie geweint hatte. Hastig strich sie mit einer Hand über ihre Augenlider und stand auf. »Wo kommst du her?«, flüsterte sie, doch Harry wusste, dass ihr die Antwort bekannt war. Er kannte Ginny zu gut, als dass er diesen Blick in ihren Augen nicht deuten konnte.   »Bist du ihm wirklich nachgerannt?« Ja das war er. Er war ihm nachgerannt. Blind vor den Konsequenzen ist er diesem Gefühl gefolgt. Die Konsequenzen, mit denen er nun leben musste. »Ja.«, war alles, was er sagen konnte. Er fühlte sich taub. Seine Stimme kratzte, hatte Harry doch die letzten Stunden nach Dracos Flucht nicht ein Wort gesagt. Er war haltlos durch das Schloss geirrt, ohne die nötigen Worte zu finden, die das beschreiben konnten, was passiert war. »Ist es das was du willst?« Sie zögerte, trat zaghaft einen Schritt auf ihn zu. Harry konnte sehen, dass ihre nussbraunen Augen feucht wurden. »Ist er das was du willst?«, flüsterte sie fragend. Ginny war nicht dumm. Sie kannte den Blick, den Harry doch sonst ihr entgegengebracht hatte und als Harry dort im Raum der Wünsche für Draco gesprochen hatte, war es genau dieser Ausdruck, den sie gesehen hatte. Der kämpferische Wille, sich für einen bedeutsamen Menschen einzusetzen. »Ich weiß es nicht.«, gestand Harry und senkte den Blick. »Es fühlt sich richtig an.« Harry wusste nicht warum er es tat, aber er schloss schützend die Arme um Ginny, die ihren Kopf schluchzend auf seine Schulter fallen ließ. »Ich will, dass du glücklich bist, Harry. Ich hab mir so sehr gewünscht, dass ich dir dieses Gefühl geben kann.« Sie sah in seine Augen und küsste ihn. Es war ein zärtlicher Kuss. Tastend bewegte sie ihre Lippen gegen seine und Harry schmeckte den salzigen Geschmack ihrer Tränen. Das taube Gefühl in seinem Inneren verstärkte sich. Das hier war nicht zu vergleichen, mit dem Gefühl, welches er schon verloren hatte. Er sah ihr tief in die Augen und schüttelte leicht den Kopf.   »Es tut mir leid, Ginny.«, flüsterte er. Er löste sich und ging schweigend an ihr vorbei. Harry hörte ihr Schluchzen am Fuße der Treppe, als er die Tür zu seinem Schlafsaal öffnete. Die Anderen schliefen bereits und Rons lautes Schnarchen drang an sein Ohr, welches ihm kurz ein beruhigendes Gefühl vermittelte. Er streifte sich seine Kleidung vom Leibe und schlüpfte fröstelnd unter die Wolldecke, ehe seine schweren Augen zufielen und die Welt um ihn herum in Dunkelheit getaucht wurde.   In der Hoffnung, einfach vergessen zu können.   ~~~*~~~ Alles fühlte sich taub an. Taub von der Kälte, die ihn nicht loszulassen schien. Er konnte nicht schlafen. Er wollte nicht schlafen. Wenn er schlief, dann träumte er und wenn er träumte, dann sah er ihn. Ihn, den er so gerne vergessen wollte. Es wäre doch so einfach gewesen, wenn Draco ihm einfach mit einem Obliviate die Erinnerung genommen hätte, doch er erinnerte sich. An jede Einzelheit. Harry erinnerte sich an die weichen Lippen, welche eine Welle der Erregung und Wärme durch seinen Körper getrieben hatte, genauso wie an seinen Rückzug als er bemerkt hatte, dass Harry genau dasselbe begehrte. War das Gefühl, welches er bei dem Kuss mit Malfoy empfunden hatte, in keinem Vergleich mit Ginnys Kuss zu setzen. Draco hatte ihn eingenommen. Mit jeder Faser seines Körpers. Noch nie hatte er so viel Adrenalin durch seine Venen rasen gespürt. Das konnte auch am Quidditchspiel gelegen haben, meldete sich sein Gewissen und Harry ließ seufzend seinen Kopf in sein Bett fallen. Seine Augen fühlten sich müde an. Träge rieb er sich den Schlaf aus den Augenlidern. Ich muss wach bleiben. Noch so einen Traum verkrafte ich nicht. Eine Woche war vergangen. 168 Stunden, in denen Harry gegrübelt hatte. Er hatte sich krank gemeldet. Hatte er doch keine Ahnung, wie er Draco nun gegenüber treten sollte. Genauso wenig wie er wusste, wie er mit der jetzigen Situation umgehen sollte. Er konnte nicht mit Ron reden, der ihm immer noch vehement aus dem Weg ging und für Hermines mahnende Worte hatte er keine Kraft. So musste er seine Krankheit nicht einmal vorspielen, so kraftlos wie er sich fühlte. Seit Tagen schlief er nicht. Er konnte es nicht zulassen. Er musste es vergessen, aus seinem Gedächtnis verbannen. Immer wieder träumte er von dem stürmischen Regen und die Wärme, die ihm nun fehlte. Er träumte von den sturmgrauen Augen, den Moment, in dem Draco sich zu ihm vorgebeugt und ihn geküsst hatte. Schnaufend strich er mit dem Daumen über das Pergament des Tagespropheten, von dessen Titelblatt ihm eben dieser entgegenblickte. Sachte fuhr er die Zeilen der Schlagzeile nach, bevor er das Papier zerknüllte und mit einem Schnaufen an die Wand warf. Mit festem Blick starrte Harry auf die zerknitterten Buchstaben der auseinandergefallenen Zeitung am Fuße der Kommode. Draco Malfoy hatte sich verlobt. Mit Astoria Greengrass. Die Presse bezeichnete sie als das neue Traum-Pärchen. Malfoys Lösung, um seinen Familiennamen reinzuwaschen. »Du beschissener Feigling.«, zischte Harry. Was verlangte er jetzt von ihm? Dass er einfach so weiter machte wie bisher? Harry hatte es versucht. Hatte versucht, das Gefühl zu vergessen. Aber er konnte es nicht mehr leugnen, dass da etwas zwischen ihnen war, auch wenn er es nicht benennen konnte. Zumindest noch nicht. Das leichte Knarren der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Neville trat ein und er sah besorgt aus. Er setzte sich auf das Nachbarbett und betrachtete nachdenklich die Bettdecke, die Harry sich bei dem Geräusch über den Kopf gezogen hatte. »Es tut mir leid, Harry.«, hauchte Neville. »Wenn ich gewusst hätte, dass dir das so viel ausmacht, hätte ich es gar nicht angesprochen. Ich dachte er hätte dich gezwungen oder so.« Die letzten Worte waren nur geflüstert. Harry hatte, als Neville zu Sprechen begann, den Kopf unter der Decke hervor gezogen und betrachtete seinen Freund, der leicht den eigenen Blick gesenkt hatte. Er hatte nun wirklich keine Nerven für Nevilles schlechtes Gewissen, das er seit der Party zu haben schien. »Vergiss es.«, schnaufte Harry. Er war wütend. Wütend wegen der Erkenntnis, wie aussichtslos seine Optionen schienen. Er würde es vergessen müssen. »Sag mir lieber, wer mir Traumlos-Trank besorgen kann. Damit kannst du es wieder gut machen.«, grummelte Harry und seufzte leicht lächelnd. »Naja ..«, überlegte Neville, kratzte sich leicht hinterm Ohr und schaute sich kurz um. »Hast du mal Slughorn gefragt? Ich hab mal gehört, dass er in seinen Vorräten so Einiges aufbewahrt. So begeistert, wie er immer von dir ist, würde es mich nicht wundern, wenn er dir hilft.«, sagte Neville und Sorge klang in seiner Stimme wider. Natürlich. Das war perfekt. Slughorn, der eine große Hürde auf Harrys Weg dargestellt hatte, würde ihm, dem Jungen, der trotz allem gesiegt hatte, doch bestimmt aushelfen. Er musste ihm nur klar machen, dass er ihm das schuldig war. Vielleicht konnte er nun endlich mal seine Rolle auch für etwas benutzen, was ihm einen Vorteil brachte, auch wenn es ihm Unbehagen bereitete. »Du weißt, dass du es damit nicht übertreiben darfst?«, fragte Neville vorsichtig. »Ich werde mit den Konsequenzen leben müssen.«, flüsterte Harry als er hastig zu seinen Schuhen griff und sich anzog. »Du willst jetzt gehen?« Neville wirkte erschrocken von seiner plötzlichen Eile. »Danke, macht euch keinen Kopf. Ich pack das schon, kennst mich doch.« Harry grinste kurz, bis er die Tür verschloss und in Richtung Kerker eilte. Es war wie ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Eine Lösung, die es ihm möglich machte mit der Situation umzugehen. Ein Ausweg. Kräftig klopfte er an die Tür von Professor Slughorns Büro. Den Schmerz in seinen Fingerknöcheln ignorierte er. Hoffentlich ist er nicht im Unterricht, schoss es durch Harrys Gedanken und sein Atem ging flach. Mit einem schleifenden Geräusch glitt die kleine Blende an der Tür auf und ein Paar grau-grüne Augen blickte ihm verwundert entgegen.   »Harry! Mr. Potter. Wie -« Er stockte kurz und blinzelte, hatte er wohl ein kleines Deja-vu. Er räusperte sich. »Wie kann ich Ihnen helfen?« Die Blende schloss sich und Harry hörte das Knacken einiger Schließmechanismen, bevor die Tür auf glitt und die schlaksige Gestalt seines Zaubertranklehrers zum Vorschein kam. Slughorn trug seinen Kittel, welchen er zum Tränke brauen benutzte. Dämpfe drangen hinter ihm aus dem Raum. »Es ist grade ungünstig, Mr. Potter. Ich arbeite an einem besonders empfindlichen ...«, begann er ihn abzuweisen, doch Harry unterbrach ihn mit fest entschlossener Stimme. »Professor. Ich brauche ihre Hilfe.« Slughorns Mund klappte zu. »Ich werde die Träume nicht los. Träume vom Krieg, verstehen Sie Professor.«, sagte er ruhig. Harry hoffte, dass er an sein Gewissen appellieren konnte. Er war es Harry schuldig, ihn zumindest von dieser Last zu befreien, nachdem er so viele Probleme durch ihn in Kauf genommen hatte. Immerhin hatte er selbst sogar einen Felix Felicis nehmen müssen, um überhaupt an die Erinnerung von Slughorn zu kommen. »Es geht nicht, Mr. Potter. Ich müsste das anmelden.« Er schaute sich hastig um und vergewisserte sich, dass sie nicht beobachtet wurden. »Kommen Sie.«, zischte er. Harrys Augen weiteten sich. »Na los.«, drängte ihn sein Professor und winkte in Richtung des Inneren des Raumes. Hastig folgte er ihm und Slughorn schloss die Tür, nachdem er sich erneut versichert hatte, dass der Gang leer war. Er schlich zu einem Koffer und Harry betrachtete das wabernde Gebräu, von welchem die Dämpfe ausgingen. Es blubberte brodelnd und er war sich sicher, dass er gar nicht wissen wollte, woran sein Professor da arbeitete. Harry hörte das Klacken einiger Phiolen, die aneinanderstießen als Slughorn sich erneut aufrichtete und ihm eine kleine Schatulle reichte. »Ich hab damit nichts zu tun, Potter. Ich kann Sie verstehen und Sie haben meinen höchsten Respekt, aber ich liebe diesen Job.«, zischte er. Harry löste das lederne Band, welche die Schatulle verschloss. Sechs Phiolen lagen in kleinen Fächern, die von samtigen Stoff umzogen waren. Die Flüssigkeit schimmerte leicht lila. Eine Leichtigkeit füllte sich in sein Herz. »Und wenn die leer sind?«, fragte er aufgeregt und steckte die Schatulle in seinen Umhang. Brachte sie in seinen Besitz, so dass keiner ihm diese Möglichkeit wieder verwehren konnte. »Stellen Sie einen offiziellen Antrag.«, murmelte Slughorn und wies ihn an, dass es nun Zeit war zu gehen. »Damit sind wir quitt, Mr. Potter.« »So etwas existiert nicht.«, murmelte Harry geistesabwesend und wandte Slughorn den Rücken zu. Dieser antwortete ihm nicht. Harry verließ die Kerker und ging schnellen Schrittes nach oben. Verwirrte Blicke folgten ihm. Selbst Ron, der im Gemeinschaftsraum neben Hermine saß, sah ihm besorgt hinterher, als er an ihnen vorbei eilte. Er sehnte sich nach Schlaf. Traumlosen Schlaf, der ihn vergessen ließ. Der ihn aus dieser Kälte holte, die ihn seit diesem stürmischen Tag nicht loslassen wollte. Malfoy wollte, dass er ihn vergaß? Ihn ausradierte aus seinen Gedanken und weiter machte? Sie sollten zu ihrer Freundschaft zurückkehren? Oder … Sein Gedanke stockte. Vielleicht sogar zurück zu ihrer Feindschaft? »Ich will es vergessen.«, murmelte er zu sich selbst, setzte sich auf sein Bett und zog das kleine Kästchen aus seinem Umhang. Das lederne Band fühlte sich schwer in seiner Hand an, als er es zur Seite zog. Er löste den kleinen Korken und ein beklemmendes Gefühl umschloss sein Herz, als er die gläserne Phiole an seine Lippen setzte. Warum hatte er ihn geküsst? Warum hatte er Harry Einblick in diese Möglichkeit gegeben, die niemals bestanden hatte? Ein Schauer glitt durch seinen Körper und Gänsehaut breitete sich auf seiner Haut aus, während er seinen Arm langsam hob und die Flüssigkeit seinen Rachen hinunter lief. Er schluckte. Sein Körper fühlte sich schwer an. So schwer, dass er sich kaum aufrecht halten konnte. Scheiß drauf, dachte er und lehnte sich zurück in die weichen Laken seines Bettes. Seine Sicht verschwamm bis das einzige Gefühl, was er noch wahrnehmen konnte, das dumpfe Pochen seines Herzens war, welches sich langsam beruhigte.     ~~~*~~~ Kapitel 11: Friendship ----------------------   Kapitel 11: Friendship     Hastig rannte er durch die Korridore und seine trampelnden Schritte hallten laut an den Steinwänden wider. Er hatte verschlafen. Harry konnte nicht sagen, wann das letzte Mal war, als ihm das passiert ist. Dank des Traumlos-Trankes war es ihm nun endlich vergönnt halbwegs klare Gedanken zu fassen. Er wunderte sich, ob andere Menschen immer diese Freiheit hatten. Sonst fühlte sich Harry immer nach einer erneuten Darbietung einer bereits fast verblassten Erinnerung viel zu müde. Seine Träume riefen ihm immer wieder seine dunkelsten und traurigsten Stunden ins Gedächtnis. Es war unmöglich. Unmöglich zu vergessen, wenn die Ereignisse wie ein warnender Schatten über ihm schwebten. Nun war er frei davon. Schmerz pochte in seiner Lippe als er leicht drauf biss. Frei von den Gedanken und Erinnerungen. Von Momenten, die er am liebsten einfach vergessen wollte, zumindest für eine kurze Zeit bis die Tränke aufgebraucht waren. Dennoch wurde er dieses beklemmende Gefühl nicht los. Es war wie eine kalte Taubheit, die sich um seine Seele gelegt hatte. Waren das die Nebenwirkungen, oder hatte dieses Gefühl einen anderen Grund? Er verlangsamte seine Schritte und kam keuchend vor der Klassentür für Verteidigung gegen die dunklen Künste zum stehen.   Noch vier Phiolen, dachte er und richtete seinen Umhang.   Der Gang war wie leer gefegt. Die Stunde war bereits im vollen Gange und Harry war sich sicher, dass die Meisten davon ausgingen, er wäre noch krank. Der Gryffindor konnte nicht einschätzen, wie Professor Davis auf seine Verspätung reagieren würde und durch die Ungewissheit breitete sich ein dumpfes Gefühl in seinem Brustkorb aus. Denn hatte er noch ein ganz anderes Problem. Er war dort, hinter dieser schweren Holztür und übte wahrscheinlich mit einem Ersatzpartner einige Zaubersprüche. Kurz kam ihm das Bild von Malfoy in den Sinn, wie er ihm auf dem Astronomieturm gegenüber stand. Er hatte den Zauberstab direkt auf Harry gerichtet, während die Schneeflocken sein Haar verwirbelten. Harry hatte nachgedacht. Die Abwesenheit seiner Freunde genutzt, um seine Möglichkeiten abzuwiegen. Bei einer Sache war er sich sehr sicher. Er musste sich mit Ron wieder vertragen und das Gespräch mit Hermine suchen. Am besten sollte er die beiden direkt heute Abend abfangen und es hinter sich bringen. Er brauchte seine Freunde. Immerhin waren sie immer eine Einheit gewesen. Ohne sie hätte er wahrscheinlich nicht einmal überlebt. Doch brauchten sie ihn auch? Nun, da Ron und Hermine viel Zeit zusammen verbrachten und Harry nicht da war, schien ihre Liebe aufzublühen. Ron war nicht mehr eifersüchtig auf Hermines freundschaftliche Zuneigung zu Harry und Hermine brauchte sich keine Sorgen mehr um ihn zu machen. War es egoistisch von ihm, von seinen Freunden zu verlangen ihn wieder aufzunehmen? Harry hatte niemanden, den er mitbringen könnte, um sich nicht neben dem Pärchen überflüssig zu fühlen. Einen Partner an seiner Seite. Er seufzte tief und betrachtete zögernd das dunkle Holz der Tür. Wie würde es sein, Malfoy wiederzusehen, nachdem … Harry atmete kurz auf. Wenn Malfoy damit abschließen wollte, es als Ausrutscher deklarieren, um da weiter zu machen, wo sie aufgehört hatten, dann konnte er nicht viel dagegen tun und anders konnte er die Bekanntgabe von Malfoys Verlobung nicht deuten. Er würde darüber hinweg kommen müssen, es war immerhin nur ein bedeutungsloser Kuss gewesen. Seine Hand ballte sich und seine Fingernägel gruben sich in seine Handinnenfläche. Sie waren erwachsen geworden. Doch war er auch stark genug, diesen Moment, der zwischen ihnen definitiv existiert hatte, zu ignorieren? Es half definitiv, dass ihn der abweisende Blick des Anderen nicht mehr in seinen Träumen heimsuchte, den er ihm nach der Sache - wie Harry es nur noch nannte - entgegen geworfen hatte. Draco hatte versucht, in diesem Moment seine Maske wieder aufzusetzen. Seine Gefühle, vor ihm zu verschließen. Dennoch hatte er existiert. Dieser Moment. Er musste einfach stark genug sein, es zu vergessen. Er durfte es auch nicht hinterfragen. War die Konsequenz dieser Gedanken doch zu weitreichend. Es war keine Möglichkeit. Keine Option. Eben weil sie Draco Malfoy und Harry Potter waren. Das kühle Metall der Klinke jagte einen Schauer durch seinen Körper, als er mit einem Knarren die Tür öffnete. Sämtliche Blicke waren auf ihn gerichtet und kurz überlegte Harry, dass Klopfen wohl gar keine schlechte Idee gewesen wäre als er seinem Lehrer ein entschuldigendes Lächeln schenkte. »Entschuldigen Sie meine Verspätung, Professor Davis. Ich war noch im Krankenflügel um etwas mit Madam Pomfrey zu besprechen.«, log Harry und war glatt stolz auf diese Ausrede. Samuel Davis schmunzelte jedoch nur und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Das ist wunderbar Mr. Potter.« Er stand auf und lächelte ihn an. »Da wir nun einen Experten auf diesem Gebiet hier haben. Möchten Sie uns vielleicht erleuchten?« Sein Professor grinste verschmitzt und Harry sah sich hektisch im Raum um. »Ich verstehe nicht, Professor …«, sagte Harry zögernd. Doch dann sah er hinter Professor Davis ein blaues Leuchten. Die Gestalt eines großen Hundes formte sich aus einem silbrigen magischen Schleier. Das musste Professor Davis Patronus sein. Das hatte er also verpasst. Sie mussten in den letzten Wochen den Patronus üben. Harry schien doch noch Glück zu haben. Sein Professor bestätigte sogleich seinen Gedanken. »Wir haben die letzte Woche in Ihrer Abwesenheit an dem Patronus gearbeitet. Heute sollen Sie Ihre Ergebnisse präsentieren.« Er schmunzelte. »Aber das sollte für Sie ja kein Problem darstellen, Mr. Potter. Wie ich hörte, beherrschen Sie einen beeindruckenden Patronus. Es war ein Hirsch, richtig?« Harry blickte in das Lächeln von Professor Davis und fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Seine Mitschüler musterten ihn aufmerksam in einer Art der abschätzenden Bewunderung, die ihm unangenehm war, als Harry Rons Schnauben in dem Gemurmel ausmachen konnte. »Ja Sir, ein Hirsch.«, murmelte er und biss sich auf die Lippen. »Dann können Sie mir doch sicher verraten, wie es Ihnen gelungen ist einen so großen gestaltlichen Patronus zu beschwören.«, stellte Professor Davis schließlich seine Frage. »Es braucht eine starke glückliche Erinnerung, Sir.«, sagte Harry und wandte seinen Blick ab. »Gut, dass Sie trotz Ihres Fehlens mit dem Kurs mithalten können, Mr. Potter«, sagte er zufrieden und sein Professor wandte sich erneut der übrigen Klasse zu.   Harry suchte, um der unangenehmen Situation möglichst schnell zu entgehen, seinen Platz neben Draco auf der linken Seite. Verwundert nahm er zur Kenntnis, dass dieser jedoch bereits belegt war. Blaise Zabini verdeckte den Blick auf Malfoy, der ihn als Einziger nicht zu beobachten schien. Er hatte seinen Blick abgewandt. »Gibt es ein Problem, Potter?«, zischte Zabini so leise, dass Davis es nicht hören konnte. Seine Augen verengten sich, doch bevor er antworten konnte, wurde er unterbrochen. »Hervorragend, Ms Granger.« Professor Davis klatschte. Ein silberner Otter schwamm spielerisch durch die Luft und glitt zwischen den einzelnen Schülern hindurch. Hermine lächelte zufrieden und ihr Professor begann in einem kleinen schwarzen Notizbuch einige Zeilen abzuhaken. »Mr. Potter, kommen Sie bitte nach Vorne. Ihre Benotung fehlt mir noch und danach sollte die Zeit auch rum sein.«, sagte er bestimmt und sah zu Harry. Der Gryffindor seufzte. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig als der Aufforderung Folge zu leisten. Immerhin wollte er seinen Abschluss schaffen und der Patronus war ein Zauber, den Harry wirklich beherrschte. Er trat neben Professor Davis vor die Klasse und zog mit einer flüssigen Bewegung seinen Zauberstab aus der Innentasche seines Umhanges. Hier konnte ihm niemand etwas vormachen. Die stolze Gestalt des Hirsches begleitete Harry immerhin seit dem dritten Schuljahr. Remus hatte es ihm beigebracht. Sachte hob der Gryffindor seinen Zauberstab und deutete auf einen leeren Fleck im Raum, welcher zwischen den Tischen lag. Seine Augenlider senkten sich und er versuchte sich auf das wohlige Gefühl zu konzentrieren. Er dachte an seine Eltern, an Sirius und versuchte, dieses Bild in seinen Gedanken zu manifestieren. Sein Kopf schmerzte. Er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Nein, du kannst das. Dieses Gefühl. Er musste es sich vorstellen. Dieses glückselige wärmende Gefühl in seinem Inneren. Entschlossen öffnete er die Augen. »Expecto Patronum!« Seine Stimme klang brüchiger, als er es gewollt hatte. Erleichtert blickte er auf den silbernen Schleier, der aus seiner Zauberstabspitze quoll. Gleich würde der muskulöse Hirsch aus diesem hervorspringen und elegant auf dem Boden landen. Er wartete angespannt und blickte auf den dichten weißen Nebel. Doch er kam nicht.   Sein Puls beschleunigte sich und er bemerkte, wie seine Mitschüler zu tuscheln begannen. Er sah in die Augen seiner besten Freunde, die ihn voller Sorge betrachteten. Selbst Ron schien verwundert über das, was er beobachtete. Harry senkte den Zauberstab und schloss erneut die Augen. Er ertrug es nicht, diesen Blick seiner Freunde jetzt auf sich zu spüren. Konzentriere dich, mahnte er sich selbst und versuchte, sich erneut das Gefühl vorzustellen, doch in seiner Vorstellung waren die Gesichter verschwommen und zusammenhanglose Worte hallten in seinem Kopf wider. Er erinnerte sich nicht. Wann hatte er das letzte mal Glückseligkeit gespürt? War die Vorstellung eines Lebens mit seinen Eltern und Sirius doch so unerreichbar. War es das Einzige, was er hatte? Ein Bildnis einer Realität, die nie existieren würde? Träge öffnete er die Augen, als er in silbergrauen Tiefen versank. Draco hatte den Kopf gehoben und sah ihn direkt an. Hatte er wohl die Möglichkeit genutzt, als Harry die Augen geschlossen hatte, um ihn endlich anzublicken. Er konnte es nicht definieren, doch als er seinen mit den Blicken seiner Freunde verglich, bestand kein Zweifel. Dort lag Sorge in den Augen seines ehemaligen Rivalen, seines ehemaligen Freundes, seines ... Die Schulklingel unterbrach seinen Gedanken. »Gut, Mr. Potter. Ein gestaltlicher Patronus wäre wünschenswert gewesen, allerdings sind Sie bestimmt auch noch immer angeschlagen.« Er lächelte sanft und seine Mitschüler begangen ihre Sachen einzupacken. Er beobachtete, wie Malfoy hastig einige Federkiele in die Tasche steckte. Professor Davis trat einige Schritte auf Harry zu, so dass er nun direkt neben ihm stand.   »Wenn Sie sich nicht anstrengen, wird das schwierig ein Ohnegleichen in meinem Kurs zu bekommen. Ich bitte ich um Pünktlichkeit, Mr. Potter. Sonst kann ich Ihnen nicht mehr entgegen kommen. Nächste Woche werden wir zudem ein neues Thema beginnen, also hoffe ich doch, dass Sie und -« Er stockte kurz, als Harry zusammenzuckte. »Mr. Malfoy sich zusammenraufen.« Sein Professor wirkte entspannt und freundlich, doch Harry konnte in seinem Blick einen Funken sehen, der ihm wirklich nicht gefiel. Er wirkte drohend, als könne er jeden Moment allein mit seinem Blick den Klassenraum in Flammen hüllen. »Natürlich Professor.«, flüsterte er und nickte bedächtig.       ~~~*~~~     Harry wunderte es nicht wirklich, dass er in die treuen Augen Hermines blickte, als er den Gemeinschaftsraum der Gryffindors gegen Abend betrat. Ihm war dieser Anblick, seine beste Freundin wartend und mit gerunzelter Stirn am Kaminfeuer zu sehen, sehr bekannt. Die meisten Schüler waren bereits beim Abendessen und wahrscheinlich hatte sich Hermine gedacht, dass er lieber seinen Abend alleine verbrachte und sich hierher zurückziehen würde. »Harry.«, sagte sie sanft und lächelte. »Du siehst müde aus.« »Wo ist Ron?«, fragte er und schaute sich um.   »Er ist schon einmal runter gegangen.« Sie zeigte auffordernd auf den freien Platz neben ihr. Seufzend setzte er sich und ließ die wohlige Wärme des Kaminfeuers durch seine Glieder dringen. Er wusste, dass er einem Gespräch nun nicht mehr aus dem Weg gehen konnte. Sie schwiegen für einen Moment, während er mit den Worten rang und beobachtete, wie einzelne Funken im Kaminfeuer von den Holzscheiten sprangen und in der Asche mit einem Zischen verglühten. »Was ist an Halloween passiert, Harry?«, nahm ihm Hermine seine Entscheidung ab und sah ihn an. Natürlich sprach sie genau diesen Abend an. Es war nun ein paar Tage her und Harry graute es davor, sich zurückzuerinnern. »Sag du's mir. Du warst dabei.«, murmelte er nervös und richtete das Kissen, an welches er sich gelehnt hatte. Er wollte nun definitiv nicht über diese Sache reden. »Verstehe mich nicht falsch, Harry. Ich heiße nicht gut, was auf der Party passiert ist und genauso heiße ich dein überstürztes Handeln nicht gut. Aber du weißt, dass ich das nicht meine. Nach der Party. Nachdem ihr verschwunden seid. Wo bist du dann hin?«, fragte sie ihn ruhig und Harry erkannte an ihrer Stimmlage, dass dies die Chance war ihr alles zu erzählen. Es blieb ihm eigentlich keine andere Möglichkeit als reinen Tisch zu machen, wenn er die Freundschaft zu ihr nicht verlieren wollte. »Ich bin ihm nachgerannt, falls du das wissen wolltest.«, flüsterte er, auch wenn sie alleine im Raum waren. Ihr rostbraunes Haar fiel zur Seite, als sie ihren Kopf zu ihm wandte. »Er ist zum Quidditchfeld gegangen, vermutlich um allein zu sein. Und dann … naja, wir sind geflogen. Gegeneinander! Das war der Wahnsinn, Hermine … Ich vermisse Quidditch. Ich kann einfach nicht verstehen, warum die Abschlussklassen dieses Jahr nicht teilnehmen dürf-« »Und dann?«, unterbrach ihn Hermine und schaute ihn aufmerksam an. »Ihr seid geflogen. Das war's?« Aufgebracht schnaubte er. Hermine sah ihn erwartungsvoll an und ein mulmiges Gefühl fuhr durch seinen Magen. Malfoy würde sicher wollen, dass er den Kuss verschwieg. Immerhin hatte er doch angeblich eh nie stattgefunden. Doch was war er ihm eigentlich schuldig? Was brachte es, den Kuss zu verheimlichen? Hermine würde damit nicht hausieren gehen und selbst wenn, würde Harry sich nicht dafür schämen. Er seufzte. Es war doch sowieso nicht mehr relevant, sollte es Hermine doch wissen, was kümmerte es ihn noch. »Dann hat er mich geküsst.«, sagte Harry und Hermines Augen weiteten sich. »Er hat-«, hustete sie und klopfte sich auf die Brust. »Er hat was?« Ihr Atem ging flach und Harry schmunzelte kurz. Es schien, als wenn Hermine mit seiner Offenheit nicht wirklich gerechnet hatte. »Und wie war es? Und wenn du jetzt nass sagst, hau ich dich, Harry.«, lachte sie nervös. Er lächelte leicht und nahm sie in den Arm, drückte seine beste Freundin an sich und schmiegte nur für einen Moment sein Gesicht an ihre Schulter. Sein Kopf fühlte sich viel zu schwer an, um ihn eigenständig zu tragen. »Da ich weiß, dass er vor kurzem seine Verlobung bekannt gegeben hat, ist es wohl nicht gut ausgegangen, oder?«, hauchte sie und Harry schüttelte sachte den Kopf. »Was hast du jetzt vor? So kann es nicht weiter gehen.« Sie löste die Umarmung und sah ihn besorgt an.   »Ron wird sich damit abfinden müssen, aber du musst es ihm auch erklären. Ihn einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen funktioniert nicht, Harry.« Er spürte ihre Hand auf seinem Unterarm. »Er muss sich mit gar nichts abfinden. Malfoy hat seine Entscheidung getroffen, also gibt es auch kein Problem, was du lösen musst. Außerdem kann ich Ron ja verstehen, aber … er hat sich verändert.«, sagte er und versuchte, ein Lächeln auf seine Lippen zu zwingen, doch es gelang ihm nicht. »Harry, heute im Unterricht. Dein Patronus … Ist alles okay? Selbst Ron hat sich furchtbare Sorgen gemacht, auch wenn er das momentan nicht zugeben würde.«, fragte sie und biss sich leicht auf die Unterlippe. »Du weißt, dass du um ihn kämpfen könntest, Harry? Ja klar, ihr müsstet euch mit der Presse und seiner Familie auseinander setzen, aber eigentlich seid ihr doch -« »Hermine!«, zischte Harry, dessen Hautfarbe ein dunkles Rot angenommen hatte. »Es ist wirklich okay für mich, Harry. Verstehst du das?«, lächelte sie sanft und Harry betrachtete sie für einen Moment, dankbar für das Verständnis, was sie ihm immer wieder entgegengebracht hatte.   »Doch bitte vertrag dich mit Ron. Ihr seid Freunde und ich merke doch, wie ihr einander vermisst.« Sie klopfte ihm sachte auf die Schulter. »Für mich ist es auch okay.« Erschrocken fuhren sie herum und Harry erblickte Ron, welcher sie schuldbewusst ansah. »Auch wenn du mir den Teil, wo du zugibst in Malfoy verknallt zu sein noch erklären musst.« Er hob eine Augenbraue. »Ron!«, schrie Hermine erschrocken auf. »Du hast uns belauscht?«, fragte sie vorwurfsvoll. »Ihr wart nicht zu überhören um ehrlich zu sein. Außerdem seid ihr beide nicht zum Abendessen gekommen, also habe ich mir meinen Teil gedacht.« Sein Blick fiel auf Harry. »Können wir reden, Kumpel?«, fragte er sachte. »Es tut mir leid, Ron.«, nahm Harry ihm seine Worte vorweg und stand auf. Brüderlich legte er seine Hand auf Rons Schulter, welcher ihn angrinste, doch Rons Lippen verzogen sich erneut. »Hermine hat Recht, wir haben uns auf der Party wie …« »Höhlenmenschen.«, ergänzte Hermine Ron's Worte. »Ja … wie Höhlenmenschen verhalten.« Er rieb sich mit der Hand durch seine verstrubbelten Haare. »Es war nicht fair dem Frettch- ehm ... Malfoy gegenüber. Wenn du dich mit ihm anfreunden ...« Der Blick seines besten Freundes legte sich bedacht auf Harry. »möchtest, dann … Harry, ich kann dir nicht versprechen nicht voreingenommen zu sein, aber ich kann es versuchen, okay?« »Es ist nicht nötig, er will nichts von mir wissen.«, murmelte Harry und schnaubte. »Dann ist er tatsächlich ein Vollidiot, Bruder.«, grinste Ron ihm aufmunternd entgegen und rieb sich mit einer Hand über den Magen. »Meint ihr, wir bekommen noch etwas zu Essen? Das Abendessen sollte noch nicht vorbei sein.«, fragte Harry und ein Lächeln zierte seine Lippen. Rons Magen knurrte zur Bestätigung seiner Worte und in Harry kam ein vertrautes Gefühl auf. Einige Sachen würden sich wohl nicht ändern und Harry war froh darüber. Froh darüber, dass ihre Freundschaft alles zu überstehen schien.     ~~~*~~~ Kapitel 12: Circle ------------------ Kapitel 12: Circle     Appetitlos pikste Harry das Stück Speck auf seinem Teller auf, bevor er die Gabel mit der Kante darauf drückte, um es in zwei Stücke zu teilen. Es war früh am Morgen und Harry saß mit Ron und Hermine beim Frühstück an ihrem gewohnten Platz am Gryffindor-Tisch. Endlich war es Wochenende und die Normalität war zurückgekehrt. Er fühlte sich endlich mal nicht müde. Komischerweise hatte sich Harry an den Trank sehr schnell gewöhnt. Wenn er ihn nahm, fühlte es sich so an, als wenn er die Nacht überspringen würde. Er schlief ein und wachte auf, ohne sich an die Geschehnisse der Nacht zu erinnern. Allerdings hatte er nur noch zwei Phiolen des Traumlos-Trankes. Das hieß, wenn er täglich abends einen Trank zu sich nahm, wäre Sonntag Abend der letzte Tag ohne Träume.   Und dann … Ja, was dann? Leise schnaufte Harry und er konnte Rons Blick auf sich spüren. Harry steckte sich das Stück Fleisch in den Mund und ließ es kurz auf seiner Zunge verweilen. Es schmeckte komisch und er fragte sich, ob er vielleicht immer noch krank war. Von seiner Appetitlosigkeit mal abgesehen, ging es Harry jedoch großartig. Es tat gut hier einfach gelassen in der großen Halle zu sitzen und wie ein ganz normaler Schüler seinen Morgen zusammen mit seinen Freunden zu beginnen. Es fühlte sich irgendwie fremd an, mal keine Sorgen zu haben. Es existierte kein großes Böse, welches ihn umbringen wollte. Endlich hatte er sich mit seinen Freunden vertragen und nun konnte er endlich dieses tolle Schuljahr genießen. Wenn er seinen Abschluss wirklich schaffte, könnte er sich dann ganz normal als Auror bewerben, oder eben als etwas Anderes, ohne dass ihm die Leute vorwerfen konnten, dass er dies nur wegen seines Status geschafft hatte. Seine Hand fühlte sich schwer an und er legte das Besteck neben seinen Teller. Das morgendliche Frühstück war wie immer reichlich und Harry kam es für die wenigen Köpfe, die tatsächlich mit ihnen hier saßen zu viel vor. Sein Blick schweifte zögerlich durch die große Halle, blieb an einigen lachenden Gesichtern hängen und betrachtete die grüne Tischdecke des Tisches der Slytherins, bis er schließlich Malfoy sah. Dieser schien genauso wenig Begeisterung für sein Essen entwickeln zu können und er schob geistesabwesend ein kleines Törtchen zur Seite. Für diese Geste erntete Malfoy einen verwirrten Blick von Zabini, welcher ihm so nah saß, dass sich ihre Beine berühren mussten. Warum saß Zabini eigentlich immer so nah bei Draco? Auch vor dem Unterricht saß er oft an die Schulter des Größeren gelehnt. Selbst wenn, Malfoy ist eh verlobt, dachte er sich und erinnerte sich an die verkündete Hochzeit. Er sah, wie Zabini demonstrativ auf das Törtchen zeigte und die Schultern empor zog. Der andere Slytherin schnaubte, sah jedoch auf und blickte direkt zu Harry. Kurz schien es so, als wenn die Zeit zwischen ihnen still stehen würde. Harry nahm umliegende Gespräche nur noch dumpf wahr. Das Einzige, was laut in seinem Ohr pochte, war das laute Schlagen seines Herzens. Blaise sagte etwas, was Harry nicht verstand, und zog Draco an der Schulter. Der Blickkontakt löste sich und Harry bemerkte, dass er die Luft angehalten hatte. Noch immer hatte er keine Gelegenheit gefunden, mit Draco über diesen Abend zu sprechen. Er hatte lange überlegt, ob er dieses Gespräch wirklich wollte. Dennoch, so war sich Harry nun sicher, musste er mit ihm reden, auch wenn es nur ein Treffen war, um die Gewissheit zu erlangen, was sie nun eigentlich waren.   Waren sie Feinde? Freunde? Eine geheime,,,? »Du starrst.«, bemerkte Ron und biss mit einer ausschweifenden Bewegung in die Ecke seines Croissants. »Das musst du probieren, Hermine. Meinst du die Hauselfen backen die Croissants früh morgens?« Er gab ein genüssliches Brummen von sich. »Natürlich tun sie das. Sie haben ja auch keine andere Wahl.«, schnaubte Hermine. Harry sah zu ihr und ihre Blicke trafen sich. »Deine Augenringe werden immer schlimmer und du bist total blass, Harry. Bist du wirklich fit genug für den Ausflug nach Hogsmeade heute?«, fragte sie ihn fürsorglich und legte ihren Kopf leicht schief. Was? Er fühlte sich doch super, Hermine hatte doch keine Ahnung. Er musste die paar Tage, die er dank dieses Trankes genießen konnte ausreichend nutzen. In die drei Besen zu gehen und ein paar Butterbier mit seinen Freunden zu trinken hörte sich doch wundervoll an.   Alles war besser als weiterhin Gedanken an Malfoy zu verschwenden. Erneut glitt sein Blick zu Draco, doch der Platz, an dem die beiden Slytherins gesessen hatten war verlassen. »Erde an Harry.« Hermines Zeigefinger bohrte sich drängend in seinen Oberarm, worauf Harry wehleidig aufschrie und sich demonstrativ mit der Hand über die Stelle rieb. Er funkelte sie böse an, doch sie lachte und lächelte schließlich.   »Jetzt stell dich nicht so an. Hast du mal mit ihm geredet?«, fragte sie sanft. »Mit wem?«, sagte Harry verdutzt und rieb sich feste über die Stelle, die Hermine berührt hatte.   »Mit wem wohl?«, schnaubte Ron und verdrehte die Augen. »Ich habe dir doch gesagt, es ist vorbei Hermine.«, seufzte Harry angestrengt und wandte sich erneut seinem Essen zu. »Ach jetzt stell dich nicht so an, Harry. Schaut lieber dass ihr aufesst, Jungs. Immerhin wollen wir gleich schon los.«, argumentierte sie. Harry stopfte sich die letzte Gabel seines Frühstücks in den Mund und schluckte.   Das Frühstück hatte wirklich schon einmal besser geschmeckt.   ~~~*~~~ Trotz der Tatsache, dass er seine neuen Winterstiefel trug, die Mrs. Weasley ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, blieb er immer wieder im kniehohen Schnee stecken. Gelassen schlenderte das goldene Trio an Zonkos Scherzartikelladen vorbei und sein Blick blieb kurz an dem einladenden Schaufenster des Honigtopfes hängen. Er sah, wie einige jüngere Schüler die diversen Leckereien mit großen Augen bestaunten und ihre Nasen gegen das Fenster drückten. Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Würden seine Kinder später auch dieses Gefühl haben, das erste Mal Hogsmeade zu besuchen? Würden sie auch diese flatternde Aufregung und kindliche Freude erleben, die durch den ganzen Körper strömt? Er ballte die Hände in seiner Manteltasche. Was dachte er da? Er hatte nicht einmal eine Partnerin, wie konnte er da überhaupt an Kinder denken? Es war zwar immer schon ein Wunsch von Harry gewesen, dennoch fühlte sich dieser gerade sehr unerreichbar an. Er war sich ja nicht mal sicher, was er eigentlich wollte, was dieses Gefühl auf dem verregnetem Quidditchfeld bedeutete. Ein Kuss mit einem Mädchen hatte sich nie so angefühlt. Doch musste das zwangsläufig bedeuten, dass er auf Männer stand? Harry konnte es nicht sagen. Aber wäre das so schlimm? Seine Freunde standen hinter ihm und dennoch … Er trat mit dem Fuß einen Kieselstein zur Seite. … war er Harry Potter. Unfreiwilliger Held der Zauberwelt, der keinen Schritt machen konnte, ohne dass die Medien sich darauf stürzten. Er wollte Malfoy am liebsten für sein Verhalten verfluchen … und dennoch … Er seufzte erleichtert auf, als warme Luft ihm entgegen strömte. Sie betraten das drei Besen und blickten in das freudige Lächeln von Madame Rosmerta. Die etwas in die Jahre gekommene Wirtin hatte damals schon seinen Vater und Sirius bedient als diese zur Schule gingen. Sie zwinkerte ihnen aufreizend zu und deutete mit einer Handbewegung auf den freien Platz in einer Ecke des Raumes. Harry klopfte sich den Schnee von seinem Umhang und glitt mit zwei Fingern durch seine Haare, die durch die Nässe noch etwas schwärzer als sonst wirkten. »Wir nehmen drei Butterbier!«, rief Ron Rosmerta zu, die gerade einen großen Krug spülte und ihm schließlich zunickte. »Kommt sofort.«, flötete sie. »Es ist so kalt draußen.«, bibberte Hermine und zog ihren Schal tiefer in ihr Gesicht. Reflexartig fasste Harry sich an seinen Hals, um dasselbe zu tun. Seine Augen weiteten sich leicht als er verdutzt in die Luft griff. Wo war Sirius Schal eigentlich, hatte er ihn verloren? »Wir müssen in alte Runen einen Aufsatz über den Ursprung des germanischen Alphabets schreiben.«, seufzte Hermine und nahm Rosmerta das Butterbier ab, welches ihr soeben gebracht wurde. »Danke.« Sie lächelte sanft, doch ihr Blick wurde ernster, als sie erneut zu Harry sah. »Ich müsste eigentlich in der Bibliothek sein. Ich habe erst vier Seiten geschafft, so werde ich nie rechtzeitig fertig.«, sagte Hermine besorgt und Harry bemerkte, wie sie nervös mit ihren Finger auf ihr Glas tippte. Er setzte sich den Krug an die Lippen und nahm einen großen Schluck des kühlen Butterbieres. Sanft tanzten vor den Fenstern des Schankraumes die Schneeflocken.   »Du wirst es eh schaffen, Hermine. Wenn nicht du, wer dann?«, versuchte Harry sie aufzumuntern. Wenn er zurück an seine eigenen Probleme dachte, wurde ihm mulmig zumute. Er hatte keine Ahnung, ob Malfoy den Trank weiter gebraut hatte. Vielleicht hatte er ihn sogar schon ohne ihn fertig gestellt? Er schloss seufzend seine Augen und stellte das Bier auf dem runden Holztisch ab. Er betrachtete die tiefe hölzerne Maserung und ließ langsam seine Fingerspitzen darüber gleiten.   Harry hatte es endlich geschafft, dass sie ihre Feindschaft beendeten, sogar zu so etwas wie Freunden wurden. Es hatte Spaß gemacht, mit Draco zu diskutieren und sich gegenseitig zu necken. Ihr Verhältnis hatte sich so echt angefühlt, dass Harry es wirklich vermisste. Nun war das Einzige, was er hatte der eisige Blick, welchen Malfoy ihm jedes Mal zuwarf, wenn er ihn überhaupt beachtete. »Ja, Harry kann da ja auch ein Lied von singen. Die Presse lässt ihn sowieso nie in Ruhe.«, hörte er Nevilles Stimme und hob überrascht den Blick. Er sah in das warme Lächeln seines Kameraden, der sich zusammen mit Luna Lovegood anscheinend an ihren Tisch gesellt hatte. »Die sind wie Schmeißfliegen.«, murmelte Harry, welcher nicht wirklich zugehört hatte. Es vergingen einige Stunden und sie genossen den Abend. Neville erzählte, wie er Luna schließlich zu einem Date eingeladen hatte, und Hermine beglückwünschte sie. Die Gespräche der beiden Pärchen waren zwar interessant, konnte Harry aber so wenig bei diesen mitreden. Wirklich tolle Erlebnisse, an die er sich gerne zurückerinnerte er in seinen Beziehungen eher wenig gehabt. Sicher war da die eine oder andere Wohltätigkeitsgala, die gar nicht so tot langweilig gewesen war. Aber ansonsten? Nach und nach breitete sich ein dumpfes Gefühl in Harrys Brustkorb aus. Er versuchte, sich zu konzentrieren, doch es war, als wenn sein Verstand in Watte gepackt wurde. Dem Gespräch noch zu folgen schien fast unmöglich. Harry fixierte das kleine Fenster hinter Luna und bemerkte, dass die Sonne bereits untergegangen war. Er nippte kurz erneut an seinem Butterbier als er beobachtete, wie ein bekannter Blondschopf hastig auf der anderen Seite der Glasscheibe vorbei huschte. Zabini folgte ihm mit schnellen Schritten. Seine Stirn legte sich in Falten. »Ja, aber Minerva meinte es darf noch keiner erfahren.«, kicherte Neville und nahm einen großen Schluck seines Butterbieres. Sie waren nun schon eine Weile hier und Harry spürte, wie der Alkohol seinen Körper erwärmte. Er neigte sich nach vorne, stützte seinen Unterarm auf dem Tisch ab. »Minerva?«, fragte Harry und zog gespielt eine Augenbraue in die Höhe. »Eh – Ja.« Neville rieb sich verlegen den Kopf. »Wie gesagt, wenn ich meine Prüfung bestehe, ist mir die Stelle als Kräuterkundeprofessor nächstes Jahr sicher.« Er lächelte sanft und Luna drückte leicht seine Hand. »Du wirst ein toller Professor.«, flüsterte sie. Als Lehrer in Hogwarts arbeiten. Harry schloss die Augen und stellte sich vor, wie er selbst vor einer Schulklasse stand und an der Tafel schrieb. Er gluckste und trank den letzten Schluck seines Bieres. Verwundert stellte er fest, dass Hermines Gesicht leicht verschwamm und der Raum sich drehte. Die stickige Luft des drei Besen lag schwer in seiner Lunge. »Ich bin kurz draußen, frische Luft.«, japste Harry, stand hastig auf und ließ seine Freunde zurück, die erneut laut klirrend mit ihren Krügen anstießen. Die kühle Luft von Hogsmeade stieß gegen seine Wangen und klärte sogleich seinen Verstand. Es fühlte sich an wie eine kalte Dusche und fröstelnd vergrub Harry seine Hände in den Manteltaschen. Es schneite nur noch ganz leicht und nur vereinzelt wehte der Wind Pulverschnee von den verschneiten Dächern, der leicht in der Luft glitzerte. Sein heißer Atem nahm vor seinen Lippen Gestalt an. Durch die vereisten Fenster des drei Besen beobachtete er seine Freunde, die vergnügt am Tisch saßen und lachten. Fröstelnd strich er sich über seinen Hals. Harry wusste, wo sein schwarzer Wollschal war. Er hatte ihn Malfoy umgehangen, bevor sie geflogen waren. Bevor …   Er biss sich so feste auf die Lippe, dass es schmerzte. Der Geschmack von Eisen lag auf seiner Zunge. Durch das Fenster beobachtete er, wie Luna die Hand schützend vor ihre Lippen hielt, um sich ein Lachen zu verkneifen. Sie schien wirklich glücklich mit Neville zu sein. War sie sonst doch so in sich gekehrt und zurückgezogen gewesen. Harry sah, wie Nevilles Arm sich schützend um sie legte.   Warum schaffte es jeder so einfach die große Liebe zu finden? Gab es ein Geheimnis? Er atmete tief ein und füllte seine Lungen mit der klaren Luft. Doch das dumpfe Gefühl in seinem Brustkorb verschwand nicht. Leise Stimmen drangen durch den Wind, welcher durch die Gassen pfiff. Harry folgte dem Geräusch und zog seinen Mantel noch etwas mehr über seine Handgelenke. Er ging ein paar Schritte, bis er an einer Ecke stehen blieb und lauschte. Die aufgebrachte Stimme Zabinis drang in sein Ohr. »Komm einfach mit nach Frankreich, Dray.« , sagte er vorwurfsvoll. Das dumpfe Gefühl in Harrys Innern verstärkte sich als er die eisige Stimme Malfoys vernahm. »Hör endlich auf damit. Ich werde einfach versuchen heimlich in Hogwarts zu bleiben, da hab ich wenigstens meine Ruhe. Mal ganz im Ernst, Blaise. Ihr Vater hasst mich.«, schnaufte er und Harry stellte sich Malfoys angespanntes Gesicht vor.   Der Gryffindor drehte sich leicht und lehnte sich mit dem Rücken an die kühle Mauer, ließ seinen Kopf gegen den nassen Stein fallen und schloss die Augen. Er verfluchte sein Herz, welches aufgeregt in seiner Brust schlug. Worüber redeten die Slytherins? Er versuchte, die Stimmen zwischen dem pfeifenden Wind herauszuhören. »Bist du bescheuert? Sie schließen die Schule über Weihnachten. Jetzt sei doch nicht so verdammt stur. Willst du unter einer Brücke schlafen?«, versuchte Zabini schlichtend auf ihn einzureden. »Naja in einem Wirtshaus wird es ja wohl nicht gehen. Wir können ja nicht mal in den Eberkopf gehen, ohne mit Blicken getötet zu werden.«, schnaubte Draco und seine Stimme wurde zum Schluss hin immer leiser. Eine Weile herrschte Stille und Harry fragte sich schon, ob sie gegangen waren. Was tat er hier? Er musste zurückgehen. »Meinst du sie halten sich an die Abmachung? Meine Mutter ist alles, was ich noch habe … wenn ihr auch etwas passiert, könnte ich mir das … «, hörte er die Stimme seines ehemaligen Rivalen, welche die Stille durchbrach. Zabini unterbrach ihn. »Ich denke immer noch nicht, dass es das Wert ist, Dray. Es muss einen anderen Weg geben.« »Meine Mutter ist es wert.«, sagte Draco leise in der Ferne. Sie schienen weitergegangen zu sein. Er wollte ihnen reflexartig folgen. Er verstand das nicht. Was für eine Abmachung meinte Zabini? Draco wollte über Weihnachten in Hogwarts bleiben, weil er sonst auf der Straße saß? »Harry, alles in Ordnung bei dir?« Hektisch drehte er den Kopf und erblickte Luna, welche wohl nachsehen wollte, wieso er so lange hier draußen verweilte. Sie neigte ihren Oberkörper zur Seite und sah an ihm vorbei in die leere Gasse. »Ja es geht mir schon etwas besser. Ich vertrage einfach keinen Alkohol schätze ich.«, seufzte Harry und wollte schon an ihr vorbei zurück in die Bar gehen als er jedoch bemerkte, dass Luna ihm nicht folgte. Kurz vor der Eingangstür blieb er stehen und blickte zu ihr. Die Situation war ihm unangenehm, hoffte er insgeheim dass sie nicht mitbekommen hatte, wem er da schon wieder nachspioniert hatte. »Luna?«, flüsterte er gegen die Kälte.   »Ja, Harry?«, antwortete sie in einem ruhigen sanften Ton. »Wie hast du damals gemerkt, dass du in Neville verliebt bist?«, fragte er schließlich und sah sie direkt an.   Sie schien kurz zu überlegen, zupfte geistesabwesend an ihren langen seidigen Haaren und betrachtete ihn eindringlich. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er gedacht, Luna sei Dracos Schwester. Die beiden sahen sich unbestreitbar sehr ähnlich und Harry wurde etwas mulmig zu Mute, da sie ihm immer noch nicht geantwortet hatte, doch dann sprach sie endlich zu ihm. »Ich denke, dass ein Kreis keinen Anfang hat, Harry.«, sagte sie mit ruhiger Stimme. Ihre grauen Augen blickten ihn direkt an.   »Ist er einmal geschlossen, folgst du der Bahn ohne es zu hinterfragen. Solltest du von der Spur ausbrechen ist es schwierig wieder auf Derselbigen zu gehen. Oft verschmieren die Linien und man weiß nicht, wie man weiter macht. Es ist wichtig die Linie nachzuziehen, verstehst du das, Harry?« Ihr wissender Blick fixierte ihn für einen Moment. Es kam ihm so vor, als würde sie durch ihn hindurch sehen. Es ist wichtig, die Linie nachzuziehen. Was sollte das bedeuten?   ~~~*~~~   Am Sonntag erinnerte sich Harry dankbar, dass er ein Zauberer war. Schließlich hatte er damals bei den Dursleys oft beobachten können, was Alkohol am nächsten Morgen mit einem anrichten konnte. Dudley hatte sich, nachdem er die Nächte um die Häuser gezogen war, immer wehleidig in seinem Zimmer versteckt, worauf Petunia ihn von Kopf bis Fuß in dem Versuch verwöhnt hatte, seine plötzlich ausgebrochene Krankheit wieder in den Griff zu kriegen. Seine Stirn pochte durch die Auswirkungen der letzten Nacht nachdrücklich, doch Harry lächelte leicht. Dank des Anti-Kater-Trankes konnte er nun die letzte Ruhe genießen, die ihm vor der anstehenden Woche noch blieb. Mit einem Klirren stellte er die leere Flasche des Zaubertrankes auf den Nachttisch und atmete auf als die Wirkung sich entfaltete und seine Kopfschmerzen verschwanden. Er zog erneut die Bettdecke über sein Gesicht. Er hatte wieder nicht geträumt, die Nächte fühlten sich dennoch nicht erholsam an. Er hatte nur noch eine verdammte Phiole des Trankes. Was sollte er bloß tun, wenn er die Träume wieder anfingen? Mit schweren Gliedern wandte er sich aus der Bettdecke und richtete sich auf. Harry blieb es eigentlich nur noch übrig wach zu bleiben, wenn er dem entgehen wollte. Doch wie lange konnte ein Mensch wach bleiben, ohne verrückt zu werden? Er wollte gerade aus dem Bett schlüpfen, als ein klackendes Geräusch seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Das kleine Turmfenster war mittlerweile repariert worden und durch die vereisten Fensterscheiben betrachteten ihn stechende bernsteinfarbene Augen. Ein Schnabel pickte unaufhörlich gegen das Glas. Verwundert stand Harry auf und streckte sich, um das Fenster zu öffnen. Ein kleiner Steinkauz mit grau-schwarzem Gefieder hüpfte durch die Öffnung. Er plusterte die Federn auf und schüttelte sich. Einige Tropfen des Regens verteilten sich auf seiner Kommode. »Hey, aufpassen!«, rief er und versuchte auszuweichen, um nicht nass zu werden. Die kleine Eule legte den Kopf leicht schief, gab ein helles Kreischen von sich und hob auffordernd ihr linkes Bein, an dem eine kleine Schriftrolle mit einem Lederband befestigt war. Verwundert begann Harry das Pergament aus dem Band zu lösen und rollte es auf. Potter, ich habe während deines Urlaubes vom Unterricht den Trank beinahe fertig gestellt. Für den letzten Schritt brauche ich mehr, als zwei Hände also erwarte ich von dir, dass du mich am Montagabend im Raum der Wünsche triffst. Slughorn will in der nächsten Stunde Ergebnisse sehen und weniger als ein Ohnegleichen für diesen Trank ist inakzeptabel. D. M. Er starrte auf die geschwungenen Zeilen der schönen Handschrift. Das dringende Kreischen des kleinen Steinkauzes ließ ihn seinen Blick heben. Die Eule tapste nun auf dem Geländer seines Bettes herum und zog mit ihrem Schnabel immer wieder an den roten Vorhängen.   Das war keine Schuleule, gehörte sie etwa Malfoy? Der Slytherin wollte sich mit ihm treffen, um an dem Trank zu arbeiten. Er hatte keine Wahl. Er brauchte diese Note und außerdem ... Dies war eine Gelegenheit, um mit ihm zu sprechen, ohne dass Zabini um ihn herumschlich. Hastig zog er etwas Pergament aus seinem Koffer und schrieb seine Antwort darauf. Ich werde da sein. H. P. Er rollte das Stück Papier auf und band es an den Fuß der kleinen Eule. Harry griff in seine Nachttischschublade und zog eine kleine Dose heraus. Eigentlich gehörten die Hedwig, dachte er, entnahm der Dose einen Eulenkeks und streckte ihn ihr entgegen. Die Eule pickte danach, erwischte beinahe seinen Finger, woraufhin sie zufrieden ihre Flügel spannte und zum Fenster hinaus glitt.   Ein Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht, als er sich anzog und die Treppen herunter eilte, um mit seinen Freunden zu frühstücken.   ~~~*~~~   Kapitel 13: Hope ----------------   Kapitel 13: Hope     Träge schleppte sich Harry am Morgen des nächsten Tages zum Frühstück. Er war spät dran und es hatte ihn einige Überwindung gekostet, die warmen Bettlaken zu verlassen. Schließlich war diese Nacht zunächst seine Letzte gewesen, in der er wirklich schlafen konnte. Was sollte er nun tun? Die Rationen des Traumlos-Trankes waren aufgebraucht und nun würden unweigerlich seine Albträume zurückkehren. Er könnte Slughorn zwar erneut bitten, ihm mehr von den Phiolen zu besorgen, doch Harry bezweifelte stark, dass dies so einfach werden würde. Sollte er wirklich einen offiziellen Antrag stellen? Doch was würde das bedeuten?   Er würde offenlegen müssen, dass die Erinnerungen mehr waren als die Geschichten, die er gezwungener Maßen nach dem Krieg der Presse mitgeteilt hatte, dass das selbstsichere Lächeln, welches er dank einiger beruhigender Gläser Alkohol auf der letzten Benefizgala endlich auf sein Gesicht hatte zwingen können, nur ein Ausdruck davon war, dass er nicht einen erneuten Streit mit Ginny riskieren wollte. Die Menschen wollten nicht sehen, was der Krieg aus ihrem Held gemacht hatte. Harry sollte den Sieg repräsentieren, die selbstsichere Erleichterung über das Ende des Krieges und den Menschen ein Gefühl der nun endlich herrschenden Sicherheit geben. Wenn er damit gut umgehen konnte, dann würden auch die Zweifel in den Augen der Bevölkerung verschwinden, das war zumindest Ginnys Argument gewesen und in gewisser Weise hatte er ihr zugestimmt. Er hatte sich keine Schwäche erlauben dürfen.   Harry durchquerte die große Halle auf dem Weg zum Gryffindortisch und ließ seinen Blick wandern. Er sah wie Hagrid die riesigste Tanne, die Harry je in seinem Leben gesehen hatte, mit einem Ruck aufstellte, während McGonagall mit erhobenem Zauberstab leichte Schwenkbewegungen durchführte. Funkelnde Lichterketten schwangen sich in einer fließenden Bewegung um das Nadelwerk und verhakten sich in den Ästen. Nachdenklich betrachtete er die vielen Lichter, die den Raum in eine trügerisch wohlwollende Stimmung zerrten. Dies war die letzte Woche vor den Weihnachtsferien. Sein letztes Weihnachten auf der Schule für Hexerei und Zauberei. Er schaute zum Slytherintisch, um Ausschau nach Draco zu halten, doch er war nirgends zu sehen. Dieses Jahr würde er nicht hierbleiben. Er würde nicht mit seinen Freunden am Weihnachtsabend im Gemeinschaftsraum sitzen und voller Vorfreude diverse Geschenke auspacken. Immerhin war die Schule geschlossen, um die wenigen Korridore, die noch nicht restauriert wurden, wieder aufzubauen und zu renovieren.   Doch wo sollte er dieses Jahr hin? Wahrscheinlich würden Ron und Hermine Weihnachten im Fuchsbau verbringen. Immerhin waren sie nun endlich zusammen und Hermine gehörte nun noch mehr zur Familie als vorher schon. Letztes Jahr noch hätte er dasselbe über sich sagen können. Mrs. Weasley hatte ihn in ihre Arme geschlossen und fest umklammert, nachdem Harry ihr eröffnet hatte, dass er und Ginny ein Paar waren. Sie hatte ihn ihren Sohn genannt und auch wenn sie ihn auch früher als solchen behandelt hatte, hatten ihre Worte eine andere Gewichtung für Harry gehabt. Er verzog grübelnd die Augenbrauen und ließ sich mit einem dumpfen Geräusch auf die Holzbank gegenüber von Hermine und Ron fallen, welche erwartungsvoll von ihrem Frühstück aufsahen. »Morgen.«, murmelte Harry gähnend. »Du schläfst ja wieder, Kumpel«, begrüßte ihn Ron und schlürfte an seinem Kürbissaft.   »Scheint ja besser geworden zu sein, die Sache mit deinen Albträumen. Du hast heute morgen so seelenruhig geschlafen, dass ich dich nicht wecken wollte.« Er kratze sich leicht hinterm Ohr und grinste ihn schief an. »Was macht ihr an Weihnachten?«, wechselte Harry das Thema. »Na wir sind im Fuchsbau, denke ich mal … oder Ron?« Hermine blickte zu Ron und umschloss mit ihrer kleinen Hand sachte sein Handgelenk. »Du kommst doch auch, Harry?«, fragte sie. »Ist das so sinnvoll, jetzt da Ginny und ich kein Paar mehr sind?«, murmelte Harry und nahm sich ein Frühstücksei. Mit einem knackenden Geräusch schlug er es leicht mehrfach auf den hölzernen Tisch, woraufhin die Schale einen leichten Riss bekam. »Aber wir sind doch deine besten Freunde, Kumpel! Ginny soll sich mal nicht so anstellen. Und ich glaube auch nicht, dass Mum etwas dagegen hätte. Weiß sie denn schon, dass ihr nicht mehr zusammen seid?« Ron zog eine Augenbraue nach oben, legte seinen Kopf leicht schief. »Also ich habe es ihr nicht erzählt.«, schnaufte Harry und begann die Schale behutsam von dem Ei zu pellen, doch immer wieder blieben Teile der Haut hängen und rissen einige Löcher in die Oberfläche. Er biss sich auf die Lippe. »Ich könnte auch einfach im Grimmauldplatz bleiben. Feiern Hauselfen eigentlich Weihnachten?«, fragte er und lachte leicht auf. Sein Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln. »Harry … du weißt, dass du im Fuchsbau willkommen bist. Jederzeit.«, flüsterte Hermine sachte als plötzlich das Geräusch von Flügel, die hastig durch die Luft schlugen, ertönte.   Die Morgenpost kam und die verschiedensten Eulen suchten sich ihren Weg zu den Empfängern ihrer Lieferungen. Eine graue Schleiereule flog in ihre Richtung und landete mit einer Kralle in Hermines Müsli. »Dieser verdammte Vogel!«, knurrte sie und nahm der Eule den Tagespropheten ab. Sie legte fünf Knuts in die kleine lederne Umhängetasche der Eule. Sie krächzte einmal, nur um mit einem kräftigen Flügelschlag in die verschneite Decke der großen Halle zu verschwinden. »Warum liest du diesen Müll eigentlich noch?«, fragte Harry sie genervt. »Man sollte sich informieren. Auch über Dinge, die einem nicht gut vorkommen.«, murmelte sie und ihr Blick begann über die Zeilen der Titelseite zu fliegen. Sie begann den Artikel zu lesen und ignorierte ihn.   Es war ein gewohnter Anblick und wenn Hermine sich mit etwas beschäftigte, wirkte es immer so, als wenn sie in eine ganz andere Welt eintauchen würde. Als würde sie Harry und Ron nicht mehr wahrnehmen. Doch Harry nahm es ihr nicht übel, kannte das bereits und normalerweise würde sie ihm bestimmt gleich mitteilen, was sie-. »Lucius Malfoy ist tot.« Sie sah ihn direkt an, betrachtete ihn für einen Moment prüfend, bevor sie den Mund verzog und fortfuhr. »Er hat sich in seiner Zelle das Leben genommen. Drei Stunden, bevor er den Kuss erhalten sollte. Ein Wärter soll wohl nicht aufgepasst haben … sie nennen es eine bedauerliche Lücke des Überwachungssystems, welche umgehend geschlossen werden muss.«, sagte sie und überreichte Harry den Tagespropheten. Graue Augen blickten ihm von einem kleinen Bericht in der rechten unteren Ecke der Zeitung entgegen. Sie ähnelten denen von Draco, jedoch lag eine Bosheit in ihnen, die Harry nicht in Worte fassen konnte. Er konnte sich an die fahlen Gesichtszüge des Familienoberhauptes der Malfoys gut erinnern und das Foto, welches vermutlich bei seiner Verhaftung entstanden war, ließ nur noch wenig von dem einst so arroganten und aristokratischen Gesichtsausdruck erkennen. Die Nachricht von seinem Tod löste keine Trauer in Harrys Inneren aus. Er hatte diesen Mann gehasst und dennoch war er ein Vater. Der Vater von Draco Malfoy, der nun einen Verlust erlitten hatte. Er sah zum Slytherintisch auf den leeren Platz neben Zabini, der voller Genuss in einen Apfel biss. Harry war immer noch in gewisser Weise wütend auf ihn. Sie hatten bisher noch nicht gesprochen und Malfoy tat nichts lieber als dem Gryffindor eisern aus dem Weg zu gehen. Umso mehr, hatte er sich über die Nachricht gewundert, dass er ihn treffen wollte. Ein dumpfes Gefühl zog sich durch seine Brust.   Ob es ihm wohl gut ging? Er seufzte tief und las erneut die Zeilen und dachte an das bevorstehende Treffen heute Abend. Wusste Draco bereits zum Zeitpunkt als er die Nachricht an Harry verfasst hatte, dass sein Vater gestorben war? Stand ihr Treffen noch? Er hatte heute keinen Unterricht mit den Slytherins und überlegte kurz, einfach in den Kerker zu gehen und nach Draco zu fragen, doch … Das wäre nun wirklich seltsam, oder? Sie würden ihn wahrscheinlich nicht einmal zu Draco lassen, wenn dieser niemanden sprechen wollte. »Er war ein Mistkerl.«, hörte er Rons Stimme in der Ferne seiner Gedanken.   »Der Alte stand komplett hinter Voldemort. Da kannst du mir sagen was du willst.« Sein Blick fixierte Harry »Auch wenn du seinen Sohn verteidigst, hast du ihn selbst gesehen, da auf dem Friedhof. Du hast es selbst erzählt, Harry.«, sagte er und beugte sich leicht nach Vorne, nur um seine Aussage mit einer abweisenden Bewegung seiner Hand zu untermalen. »Ja, das habe ich …«, murmelte Harry nachdenklich und biss in sein Frühstücksei.   ~~~*~~~ Als er das Klingeln hörte, welches das Ende des heutigen Schultages verkündete, konnte er seine Aufregung nicht mehr unterdrücken. Hastig schob er mit einer Handbewegung alle Unterlagen von seinem Tisch in seine kleine Umhängetasche und war sich sicher, dass das Tintenfass vermutlich nicht ganz geschlossen war, doch das war jetzt gerade nicht wichtig. Er verließ das Turmzimmer, indem sie Wahrsagen hatten, eilte die nicht enden wollenden Treppenstufen herab und übersprang auch hier und da eine. In seinem Körper herrschte eine Unruhe, die Harry so noch nicht empfunden hatte. Auch wenn das zwischen ihnen passiert war, wofür Harry immer noch keine Erklärung hatte, hasste er sich selbst dafür, dass er die Gegenwart des Anderen vermisste. Harry wollte wütend sein. Wütend, dass Draco ihre zerbrechliche Freundschaft durch diesen Abend zerstört hatte. Wütend, dass er ihn dort stehen gelassen hatte, nach diesem Moment. Dass er ihn von sich weggestoßen hatte, weil er ihm nicht genug vertraute, um ihn hinter seine Maske blicken zu lassen. Draco warf einfach zu viele Fragen in ihm auf, die er nicht zu beantworten wusste, und er fragte sich, wie er die Nachricht über seinen Vater aufnahm. Schließlich hatte er das Frühstück auch ausfallen lassen. Doch ein Gedanke ließ ihn seine laut widerhallenden, schnellen Schritte verlangsamen als er schließlich vor dem Raum der Wünsche zum Stehen kam. Nachdenklich betrachtete er, wie sich die Linien auf der Wand formten, die einen Eingang bilden würden. Er konnte einfach nicht wütend sein. Die Sorge und Neugier in ihm, ihn endlich wiederzusehen, ergriffen sein Herz und er umschloss die Klinke der kleinen halbrunden Holztür. Er atmete tief ein und sein Brustkorb hob sich, ließ schließlich die Luft aus seinen Lungen strömen, als er die Tür mit einem Knarren öffnete. Harry fand sich in einem kleinen gemütlichen Raum wieder. Es wirkte wie eine Trankstube von einem zurückgezogenen Zauberer, welcher heimlich Zaubertrankzutaten und deren Wirkungen erforschte. An der Decke hingen die verschiedensten Kräuter und einige Einmachgläser mit diversen Innereien standen auf einem kleinen Wandregal. In der Mitte des Raumes sah er schließlich Draco, welcher sich über einen großen schwarzen Kessel gebeugt hatte und sachte an den Dämpfen roch, die von dem Gebräu ausgehend durch die Luft waberten. Er schien Harry gar nicht zu beachten und irgendwie wusste er auch nicht wirklich, was er sagen sollte. Sein ehemaliger Rivale sah unbekümmert aus. Amüsiert von seiner Tätigkeit schwang er seinen Zauberstab, woraufhin das Feuer am Fuße des Kessels sich ausdehnte. Ein skurriler Anblick, anhand des eigentlichen Verlustes, den er doch erlitten hatte. »Willst du mich weiterhin anstarren, oder hast du Lust mir zur Hand zu gehen?« Der Klang von Dracos Stimme ließ ihn kurz zusammenzucken. Harry schüttelte den Kopf und trat neben ihn, betrachtete das Innere des Kessels. Das milchige Gebräu kochte langsam unter der Hitze auf.   »Hier, Potter.« Draco reichte ihm ein Schneidebrett, zusammen mit einem Bündel grüner Kräuter und deutete auf die kleine Theke neben der Kochstelle. »Kannst du das hacken? Sobald der Trank kocht müssen wir das dazu geben.«, wies er ihn an. Harry suchte seinen Blick, doch Draco wich ihm aus.   »Was ist das?«, fragte Harry hastig, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Draco sah ihn endlich an und Harry konnte sehen, dass seine Augen rot unterlaufen waren. Draco wirkte erschöpft und dennoch sah er, wie schließlich bei Harrys Frage sein Mundwinkel zuckte. »Das ist nicht dein Ernst, Potter.«, schnaubte Draco.   »Das ist Wermut. Dass du bei Muggeln aufgewachsen bist, ist hier keine Entschuldigung mehr. Wermut gibt es auch in der Muggelwelt und wird dort benutzt um zum Beispiel Absinth herzustellen. Oft wird er auch für verschiedene Teesorten verwendet, die heilend im Bezug auf Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit wirken sollen.« Er verdrehte die Augen und deutete auf das Schneidebrett, um Harry zu vermitteln, dass er mit seiner Arbeit beginnen sollte. Resignierend hackte er das grüne Gestrüpp. Er wusste ja, dass Malfoy intelligent war, aber solche Erklärungen war er eher von Hermine gewohnt. Er lächelte leicht und beobachtete wie Draco sich erneut über den Kessel beugte und sich mit einem prüfenden Blick mit der rechten Hand an die Lippe fasste. Harry stand schließlich auf, um mit dem Schneidebrett an den Kessel zu gehen. Dracos Blick huschte zu den gehackten Kräutern und signalisierte ihm mit einem Nicken sie hinzuzufügen. Harry schob mit einer Bewegung des Messers den Wermut in den Kessel, woraufhin die grünen Kräuter in dem blubbernden Gebräu verschwanden. »Glückwunsch zur Verlobung, Malfoy.«, sagte Harry und bemerkte, wie Malfoy sich neben ihm verspannte. »Harry …«, versuchte er auf ihn einzureden. »Nein, nichts Harry. Es ist in Ordnung. Ich habe deine Nachricht verstanden, Malfoy. Irgendwie verstehe ich es sogar ein wenig, auch wenn mich das mehr verwirrt als alles andere.«, schnaubte er und drehte sich zu ihm um. »Keiner würde es akzeptieren, richtig?«, flüsterte Harry sachte und trat einen Schritt auf Draco zu, welcher wie erstarrt wirkte. Er hatte die Lippen zu einer Linie zusammengepresst. Draco antwortete ihm nicht, nahm ein kleines silbernes Sieb von einer Wandhalterung und beugte sich über den Kessel. Langsam begann er die kleinen Wermutstücke wieder heraus zu fischen und in eine kleine Schale zu extrahieren. »Ich habe keine Wahl, Potter.«, hörte er die seufzenden Worte Dracos, welcher den Blick auf den Kessel gerichtet hatte. Behutsam kippte er den Inhalt einer weiteren Schale in den Kessel. »Du machst es dir zu einfach, Malfoy. Du hast keine Wahl? Natürlich. Man hat immer eine Wahl.«, sagte Harry und betrachtete die blonden Strähnen von Dracos Hinterkopf. »Das Leben ist einfach nicht so romantisch, wie du es gerne hättest, Potter. Vergiss es einfach. Wir beide hatten einen sehr anstrengenden Abend und standen unter Stress. Ich hätte das nicht machen sollen, verstehst du das? Es hätte nicht passieren dürfen.«, flüsterte Draco, legte sachte das Sieb neben den Kessel. Er drehte sich um und Harry blickte endlich in die sturmgrauen Augen, welche in diesem Moment einfach nur matt wirkten. Leblos, wie die Überbleibsel der Verwüstung eines vergangenen Sturmes. »Kannst du die Jobberknollfeder und die Affodillwurzel von da Vorne holen? Ich habe sie vorhin schon vorbereitet.«, riss ihn Draco aus seinen Gedanken und sah ihn erwartungsvoll an. Harry folgte seiner deutenden Geste und nahm eine kleine Schale in die Hand. Ein Gemisch aus blauen und braunen Zutaten war darin enthalten und Harry stellte schmunzelnd fest, dass einige kleine Federreste aus der trockenen Masse hervorlugten. Er ging zurück zu Draco und stellte sich neben ihn. Harry bemerkte, wie ein dumpfes Gefühl sich in seiner Brust ausbreitete. Draco stand sehr nah bei ihm und diese Nähe ließ Harrys Herzschlag schneller pochen. »Und nun?«, fragte er zögernd und schluckte. »Du musst das Gemisch in den Kessel streuen, während ich es im Uhrzeigersinn umrühre. Für 10 Minuten.«, murmelte Draco. Eine kurze Stille lag zwischen ihnen. Harry betrachtete Draco, bis dieser den Blick abwandte und leicht zur Seite sah. Er folgte der Anweisung und begann schweigend mit drei Fingern aneinander reibend das Gemisch hinzuzufügen. Sein Blick glitt zu Dracos Handgelenk, welches in kreisenden Bewegungen die große Kelle durch den Trank zog. Die Bewegung hatte eine Eleganz an sich, die Harry nicht beschreiben konnte. »Es ist ein Deal, Potter.«, durchbrachen Dracos Worte die Stille.   »Die Familie Greengrass will schon seit Jahren, dass ich ihre Tochter eheliche. Immerhin ist Malfoy nach wie vor ein angesehener Name, was die Kreise der reinblütigen Familien angeht. Ich denke ihr Vater will ein Vorkaufsrecht auf das Manor haben, um uns endgültig zu demütigen.« Dracos Worte klangen kühl und er hatte seinen Blick abgewandt. »Warum machst du es dann?«, fragte Harry und war überrascht über diese verletzte Seite, die Draco ihm da gerade offenbarte. »Das ist das Interessante an einer Abmachung, Potter. Sie hat immer zwei Seiten.«, lächelte Draco gezwungen und sah ihn schließlich an. Seine Wangen waren von der Hitze am Kessel leicht gerötet. »Astorias Vater hat Beziehungen zum Ministerium. … und ich … ich scheine Glück zu haben, dass seine todkranke Tochter mir gegenüber nicht abgeneigt ist. Wenn ich sie heirate, wird er mir helfen, dass ich die Haftstrafe meiner Mutter verkürzen kann bevor sie …«, flüsterte Draco leise und biss sich auf seine Lippe. »Mein Beileid wegen deines -«, wollte Harry aus einem Taktgefühl sagen, doch Draco unterbrach ihn. »Spar's dir.«, zischte er. Harry verstummte und starrte auf die Flüssigkeit, welche langsam immer klarer wurde. Warum erzählte Draco ihm das alles? Er hatte keinen Grund, sich vor ihm zu rechtfertigen und ihm so intime Sachen zu erzählen. »Warum erzählst du mir das alles?«, sprach Harry schließlich seine Gedanken aus und suchte die sturmgrauen Augen seines Gegenübers. »Weil ich deine Hilfe brauche, Potter.«, sagte Draco bestimmt und suchte seinen Blick. »Meine …«, fing Harry an, doch war sein Hals zu trocken und er räusperte sich. »Meine Hilfe?«, fragte er schließlich mit kratziger Stimme. »Ich will, dass du mir deinen Tarnumhang leihst.«, sagte Draco als wäre es etwas komplett Nebensächliches. Als wenn er ihn gefragt hätte, ob Harry ihm den Zucker reichen könnte. Ein kurzes Bildnis von Draco und ihm am Küchentisch beim Frühstück flackerte unpassender weise durch seine Gedanken und er merkte, wie seine Wangen glühten. »Ich soll dir meinen Tarnumhang leihen?«, realisierte Harry schließlich Dracos Bitte und runzelte seine Stirn.   »Wofür?« Draco zögerte und Harry konnte erkennen, dass sein ehemaliger Rivale offenbar mit sich haderte. »Der Tod meines Vaters …«, begann Draco und sah Harry an. »Harry, ich habe tausende Anträge gestellt weißt du …«, sagte Draco leise.   »Nachdem das jetzt passiert ist, wird meine Mutter jegliche Hoffnung verlieren. Ich war in Askaban … es waren zwei Tage, aber weißt du was? Ich wollte nicht mehr. Ich muss ihr erzählen, dass es noch Hoffnung gibt.« Dracos Stimme zitterte und Harry spürte das kräftige Pochen in seiner Halsschlagader. Sein Gegenüber so aufgelöst zu sehen überraschte ihn. Ein stechendes Gefühl zog sich durch seinen Brustkorb. »Du willst dich mit dem Tarnumhang nach Askaban schleichen, um deine Mutter zu besuchen.«, schlussfolgerte Harry und trat einen Schritt auf Draco zu. Harry setzte sich neben ihn auf einen Hocker. »Ja.«, hauchte Draco schließlich. Harry war bewusst, dass der Tarnumhang mächtig war. Immerhin war er einer der drei Heiligtümer des Todes. Doch reichte die Macht des Tarnumhanges aus, um die eigene Präsenz vor Dementoren zu verbergen? Harrys Hand glitt durch seine eigenen Haare und seine Stirn legte sich in Falten. In der Geschichte von den drei Brüdern schaffte der Besitzer des Tarnumhanges, sich erfolgreich vor dem Tod zu verbergen. Er dachte an die Gestalt eines Dementors und seine tiefen dunklen Augenhöhlen. Ein Schauder ging durch seinen Körper. Das Gebräu im Kessel war mittlerweile komplett klar und Harry konnte den gusseisernen Boden sehen. Dementoren sahen ihre Opfer nicht. Sie spürten ihre Präsenz. Ihre Emotionen. Brachte es überhaupt etwas, wenn der Tarnumhang das optische Bild der Person verschleierte? »Du willst mir nicht helfen …«, sagte Draco verbittert und ließ Harry erneut aufblicken. Er hatte die Zähne aufeinandergepresst und starrte zur Seite. »Warum sollte ich dir deine rührselige Geschichte glauben, Malfoy? Woher soll ich wissen, dass du mich nicht anlügst?«, sprach Harry sodann seine Sorge aus und achtete auf die Reaktion seines ehemaligen Feindes. Draco sah ihn jedoch ungläubig an und zögerte für wenige Momente. »Glaubst du ehrlich ich würde dich in so einer Situation anlügen? Ich hätte dich überhaupt nicht gefragt, hätte ich eine andere Wahl gehabt.«, rechtfertigte sich Draco schließlich und legte die Kelle neben den Kessel. Harry wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte Dracos Anliegen verstehen. Er wollte seiner Mutter helfen und ihr vermutlich das Leben retten , aber … stimmte das alles überhaupt, oder war dies einfach ein erneuter Demütigungsversuch, um Harry um seinen wertvollen Umhang zu erleichtern? Draco seufzte resignierend und nahm erneut die Kelle in die Hand. Prüfend betrachtete er den Inhalt des Kessels und tauchte sie leicht hinein. »Da wir eh testen müssen ob er wirkt …«, murmelte Draco von ihm abgewandt und führte die Kelle an seinen Mund. Die klare Flüssigkeit schwappte gegen die blassen Lippen, als er schließlich einen Schluck des Veritaserums trank. Geschockt starrte er auf seinen ehemaligen Erzfeind. Sturmgraue Augen fixierten ihn und lag ein Feuer in ihnen. »Frag mich, Potter.«, zischte er. Bubumm. Bubumm. »Frag mich, ob ich dich angelogen hab.« Draco trat einen Schritt auf ihn zu und ergriff sein Handgelenk. Harry fühlte sich wie erstarrt. Warum hatte Draco das getan? Warum machte sich der ehemalige Todesser so angreifbar ihm gegenüber? Es wäre ein leichtes die Situation auszunutzen. Malfoy Fragen zu stellen, auf die er schon immer eine Antwort wissen wollte. Es gab nur eine logische Schlussfolgerung, weshalb er dieses Risiko eingehen würde. Es war der verzweifelte Versuch, seine Mutter zu retten. »Der Tarnumhang wird dich vor den Dementoren nicht verbergen, Draco.«, sagte Harry schließlich und schloss die Augenlider, welche sich unheimlich schwer anfühlten. Die Wärme, die von Dracos Hand ausging, schlich sich langsam durch seinen ganzen Körper, doch Draco sah ihn nur ungläubig an. »Sie spüren deine Emotionen. Die eigene Präsenz zu verbergen wird nicht reichen um sie zu täuschen.«, sagte Harry und zog Draco etwas zu sich. Der Slytherin löste seufzend die Berührung und setzte sich neben ihn. »Das heißt es war alles umsonst?«, murmelte er und ließ langsam seine Schulter gegen Harrys fallen. Blonde Strähnen fielen auf seinen Umhang und er hörte den ruhigen Atem an seinem Hals. Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn und ließ ihn einen Moment nachdenklich inne halten. »Es gibt eine andere Möglichkeit, Draco.«, begann Harry leise zu sprechen und löste sich von Draco um ihn direkt anzusehen, der ihn mit von einer aufflackernden Hoffnung betrachtete. »Mein Patenonkel -«, zögerte er. Er war sich nicht sicher, warum er ihm helfen wollte, doch auf eine komische Weise erschien es ihm richtig. Mit einer Bewegung fuhr er sich durch die Haare und strich sich eine Strähne, die sich an seiner Brille verfangen hatte, hinter sein Ohr.   »Sirius ist damals aus Askaban entkommen.«, sagte er ruhig und betrachtete Draco. »Er war ein nicht registrierter Animagus und konnte so den Dementoren ausweichen und entkommen. Wenn du -« Er suchte die sturmgrauen Augen und fand sie. »Wenn wir zu Animagi werden, könntest du deine Mutter besuchen und gleichzeitig unbemerkt den Dementoren entgehen.«, offenbarte Harry Sirius Geschichte und Dracos Augen weiteten sich mit jedem Wort mehr. »Du willst, dass wir Animagi werden?«, begriff Draco und Unglaube lag in seinem Ausdruck, anhand dieses riskanten Plans.   »Wie soll das funktionieren, Potter? Hat dein großartiger Patenonkel auch zufällig eine detaillierte Anleitung verfasst?«, schnaufte er. »Das nicht, aber ...«, sagte Harry und zog mit einer fließenden Bewegung das kleine Tagebuch aus seinem Umhang, welches er seit dem Abend in der Bibliothek mit sich herum schleppte. »Das hier sind Aufzeichnungen die wir verwenden könnten.«   Er überreichte Draco den ledernen Einband, der hastig begann es aufzuschlagen und darin zu blättern. Die Einträge waren handschriftlich verfasst und sein Blick huschte über die Zeilen, wobei seine Augen immer größer wurden. Vereinzelt legte er seinen schmalen Zeigefinger auf das Papier und fuhr einige Wörter nach. »Das könnte tatsächlich funktionieren.«, murmelte Draco leise. Er hob den Blick. Hoffnung lag darin. »Du willst das wirklich für mich machen?«, fragte Draco. »Ich denke schon, ja.«, antwortete Harry ehrlich und Draco lächelte. Eine Wärme durchfuhr seinen Körper, als ihm jedoch ein plötzlicher Gedanke kam, der ihn leicht zum Schmunzeln brachte.   »Hat das Veritaserum jetzt eigentlich gewirkt?« »Natürlich, Potter.«, hustete Draco, als hätte er sich verschluckt. Er klopfte sich mit der Faust auf die Brust. »Hinterfragst du wirklich meine Kenntnisse in Zaubertränke?« Er funkelte ihn angriffslustig an. »Sag mal, Malfoy …«, sagte Harry langsam und ein Grinsen schlich sich auf seine Züge. »Stopp! Potter wage es. Unterstehe dich.« Draco stand gestikulierend auf und stellte sich schnaufend vor ihn. »Hey, du wolltest doch, dass ich dir Fragen stelle.«, verteidigte sich Harry und hob abwehrend die Arme, doch Draco hatte sein Gesicht wütend verzogen und dieser Anblick sorgte dafür, dass er ein ehrliches Lachen nicht mehr zurückhalten konnte. Sie würden also tatsächlich Animagi werden. In welches Tier würde er sich wohl verwandeln und ... wie zum Teufel sollte er das bloß Hermine und Ron erklären?     ~~~*~~~ Kapitel 14: Request -------------------     Kapitel 14: Request     Seine Füße fühlten sich taub an, während sich sein Körper bewegte, ohne dass er darauf Einfluss hatte. Ein Schritt nach dem anderen. Dies hier war seine Bestimmung. Sein Weg. Seine Prophezeiung. Es war, als wenn Wortfetzen durch die knöchernen Äste des verbotenen Waldes rauschten. Er musste weitergehen. »Das bedeutet der Junge muss sterben, wenn der Zeitpunkt da ist?« Die Stimme seines alten Trankprofessors hallte in seinem Kopf wider. Harry konnte seine Umgebung nur noch schemenhaft wahrnehmen. Der Schmerz in seiner Narbe ließ die Konturen verschmieren. Als wenn sich ein Nebel um die hohen Bäume gelegt hätte, der die wenigen Konturen verschwimmen ließ, die er in der Dunkelheit ausmachen konnte. »Sie haben ihn wie ein Schwein zum Schlachten am Leben gelassen, damit er im richtigen Moment sterben kann?«, hörte er die fragenden Worte und versuchte, seinen Blick zu klären, doch es gelang ihm nicht. Wortfetzen der Erkenntnis, der Lösung, die er sich erhofft hatte strömten durch seine Gedanken. Bis er schließlich eine Stimme hörte, die sich von den Anderen unterschied. »Harry …« Es war ein Flüstern, doch er kannte diese Stimme. Sie wirkte flehend und doch so weit entfernt. »Wir müssen überleben, Harry. Leben, für jeden gottverdammten Moment.« Eine Wärme durchströmte ihn und für einen Moment verschwand seine Angst. Adrenalin rauschte durch seinen Körper und sein Atem ging flach. Er wollte stehen bleiben, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Er konnte nicht überleben. Dumbledore hatte gewusst, dass er hierzu fähig war. Er hatte keine Wahl, wusste das die Stimme etwa nicht? Vor ihm spalteten sich die Bäume und er betrat schweren Herzens die Lichtung. Seine einzige Aufgabe war es, dem Tod mit offenen Armen entgegenzugehen. Alle Verbindungen zu trennen, die ihn noch hier hielten. Er blickte in das totengleiche Gesicht vor ihm und atmete tief ein. Sein Herz setzte einen Moment aus, als das gleißend grüne Licht das Letzte war, was er wahrnehmen konnte. Er merkte, wie das Gefühl in seinen Beinen schwand und er langsam zu Boden sackte, während die Welt sich drehte. Die schemenhaften Gestalten verschwammen vor ihm in einer endgültigen Dunkelheit und seine Augenlider fielen zu. »Harry!« Wieder sein Name. Doch das war eine andere Stimme, sie wirkte aufgeregt und außer Atem. Ein Druck ging von seiner Schulter aus und er schlug schwer atmend die Augen auf. Das sommersprossige besorgte Gesicht Rons tauchte vor ihm auf. »Verdammt, Kumpel.« Er atmete tief. »Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht. Du hast die ganze Zeit irgendwas vom Tod gemurmelt.« Ron gestikulierte mit seinen Händen, doch Harry brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er sich im Schlafsaal der Gryffindors befand. Sein Herz klopfte spürbar in seiner Brust. Ron beobachtete ihn ruhiger als noch soeben und rang wohl mit den richtigen Worten. »Ich dachte es sei besser geworden.«, murmelte er schließlich. Harry fasste sich gedankenverloren an seine Narbe und strich leicht über die Kontur. Er hatte, seit Voldemorts Tod keine Schmerzen mehr verspürt, doch sein Traum hatte sich so real angefühlt, dass es ihm eiskalt den Rücken runter lief. »Anscheinend nicht.«, murmelte er und stand auf. Sein Nachthemd war von seinem Schweiß durchtränkt und klebte unangenehm an seinem Rücken. Mit einer ablehnenden Geste verschwand Harry im Badezimmer und ließ einen verdutzten Ron zurück, der nachdenklich auf die geschlossene Tür blickte, die Harry laut hinter sich ins Schloss knallte.   ~~~*~~~ Nach dem Frühstück machte er sich zusammen mit seinen Freunden auf den Weg zu Zaubertränke. Sie gingen durch das unterirdisch gelegene Gewölbe des Schlosses und kamen schließlich vor der in Stein eingelassenen Holztür zum Stehen. Als sie den Raum betraten, huschte Dracos Blick zu ihm und er betrachtete ihn für einen Moment. Draco sah zwar müde aus, hatte jedoch bestimmt mehrere Stunden heute früh damit verbracht, sich fertig zu machen. Anders konnte Harry es sich nicht erklären, warum Draco so unglaublich gut aussah. Es lag nicht einmal an seiner sorgfältig ausgewählten Kleidung, oder an seiner Frisur, welche seine spitzen Gesichtszüge untermalte. Er hatte einfach eine Ausstrahlung an sich, die keine andere Schlussfolgerung zuzulassen schien. »Bis später.«, murmelte Harry geistesabwesend zu Ron und Hermine, welche sich kopfschüttelnd ansahen. Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Projektpartner und setzte sich auf die Bank neben ihn. Auf dem hölzernen Tisch standen einige Phiolen der glasklaren Flüssigkeit des Veritaserums in einer Halterung. Sie hatten es tatsächlich noch geschafft, den Trank fertigzustellen. Dies war eine Sorge weniger, auf dem Weg zu seinem Abschluss. »Morgen, Potter.«, sagte Draco, wandte seinen Blick ab und Harrys Stirn runzelte sich. »Morgen, Malfoy.«, antwortete er ihm schließlich, wobei er den Nachnamen jedoch besonders betonte. Draco hatte ihn gestern, bevor sie gegangen waren, noch gebeten Stillschweigen über ihr Vorhaben zu wahren. Er wollte nicht, dass es an die große Glocke gehangen wurde. Harry hatte schließlich zugestimmt und hatte selbst Ron und Hermine kein Wort gesagt, auch wenn es ihm schwergefallen war. Draco rollte mit den Augen, als schließlich Professor Slughorn zu sprechen begann. »Wunderbar, meine Damen und Herren. Es scheint als hätten alle-« Er schielte auf eine Gruppe in der ersten Reihe, bevor er schließlich lächelte »zumindest ein Ergebnis fertig gestellt. Bitte stellen Sie die Proben des Trankes in das kleine Regal hier beim Lehrerpult. Ich werde über die Weihnachtsferien Ihre Tränke bewerten und Ihnen dann Ihr Ergebnis per Eule zukommen lassen.«, erläuterte Slughorn und setzte sich. »Aber Professor, wir haben doch noch einmal Unterricht vor den Ferien.«, hörte Harry Hermines Protest und er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Ist sie eigentlich immer so neunmalklug?« Dracos Atem strich an Harrys Ohr und eine Gänsehaut zog sich durch seinen Körper. »Leider nein, Ms. Granger. Ich bin für die letzten Tage freigestellt worden, da ich einige Besorgungen erledigen muss. Sie werden eine Freistunde dann haben.«, sagte Slughorn und ein freudiges Murmeln ging durch die Reihen. Belustigt betrachtete Harry Hermines enttäuschten Gesichtsausdruck. »Ja, so ist sie nun einmal. Man gewöhnt sich dran, Draco.«, flüsterte er zu seinem Sitznachbar. Sein Bein berührte sachte das von Draco als er sich bei den Worten leicht zu ihm neigte, so dass sie niemand hören konnte. Harry mochte die Wärme, die sich durch seinen Körper zog, doch fühlte sich diese Berührung so verboten intim an, dass er sich fragte, ob es ihm erlaubt war, so nah bei ihm zu sitzen. Nachdenklich betrachtete er den freien Platz neben ihm. Er sollte wegrutschen, doch Draco schien sich nicht an der Berührung zu stören und schaute ihm stattdessen wütend entgegen. »Potter.«, zischte er leise, um ihn auf seinen Fehler hinzuweisen. »Uns hört schon keiner, Draco.«, sagte Harry und grinste. Draco schaute sich hektisch um und schien zu bemerken, dass ihre Mitschüler damit beschäftigt waren, ihre Tränke zur Abgabe vorzubereiten als schließlich ein tiefes Seufzen seine Lippen verließ. »Ich habe die Aufzeichnungen gelesen, die du gefunden hast. Wir sollten direkt nach den Winterferien mit dem Trank anfangen um keine Zeit zu verlieren. Immerhin sind das zwei weitere Wochen. Länger kann ich nicht warten …« Harry konnte Sorge in seiner Stimme hören. »Es wird klappen«, versuchte er Draco zu beruhigen, der sich leicht angespannt hatte. Sie gaben ihre Proben ab und Professor Slughorn entließ sie vorzeitig. Draco verabschiedete sich sogleich mit der Begründung, dass er noch dringend in die Eulerei müsse. Harry seufzte und hielt Ausschau nach Ron und Hermine, welche noch im Gespräch mit Professor Slughorn vertieft waren. Widerwillig packte er seine Sachen, um vor dem Klassenraum auf die beiden zu warten. Der Trank würde eine gute Note einbringen. Immerhin hätte Draco ihn nicht probiert, wenn er fehlerhaft gewesen wäre, oder?   Ob er nun funktioniert hatte? Harry konnte sich nach wie vor nicht davor verwehren, beeindruckt von seiner Entschlossenheit zu sein. Vielleicht hätte er es doch ausnutzen sollen, um ihn zu fragen, wie er über den Kuss-. »Potter, hast du kurz Zeit?« Verwundert blickte er in die Augen von Blaise Zabini, welcher ihn unsicher betrachtete. »Worum geht es?«, fragte Harry zögernd und blickte sich um, verwirrt von der plötzlichen Initiative. Er hatte nie wirklich mehr als ein paar Wörter mit ihm gewechselt, doch bis auf ein paar Schüler, die er nicht kannte, war niemand bei ihnen. »Nicht hier, komm mit.«, sagte Zabini kopfschüttelnd und ging in ein leeres Klassenzimmer, welches in der Nähe lag. Harry sah ihm kurz hinterher und fragte sich, was der Slytherin wohl von ihm wollen würde. Eigentlich konnte das nur etwas mit Draco zutun haben. Er folgte ihm schließlich, ein ungutes Gefühl breitete sich jedoch in seinem Inneren langsam aus. Er betrat nach wenigen Schritten ein naheliegendes Klassenzimmer und fand Zabini vor, wie er lässig gegen einen Tisch lehnte. Er strahlte eine Arroganz aus, die Harry nicht in Worte fassen konnte. »Potter, versteh mich nicht falsch - «, begann er zu sprechen, doch Harry unterbrach ihn. »Was soll ich nicht falsch verstehen?«, zischte er. »Du bist ja wie eine wilde Katze.«, lachte Zabini amüsiert. »Na klar, der Löwe muss auf jeden Fall seinen Mut beweisen. Kein Wunder, dass Dray so interessiert an dir ist.« Ein breites Grinsen legte sich auf seine Züge und Harry hob eine Augenbraue, entspannte aber seine Schultern. »Was willst du, Zabini?«, fragte er ihn nachdrücklicher.   Eine Katze? Was fiel ihm ein ihn so zu nennen … doch viel wichtiger, Draco war interessiert an ihm? Was meinte Zabini damit? »Gut.« Zabini schnaufte, stieß sich mit den Händen vom Tisch ab und hob seine Schultern entschuldigend. »Dann überspringen wir halt das Vorgeplänkel. Ich brauche deine Hilfe, Potter.«, sagte er schließlich und Harry blickte verblüfft auf den zweiten Slytherin, der ihn in dieser Woche um seine Hilfe bat. Wann war das eigentlich zur Gewohnheit geworden? Er versuchte, sich ein Schmunzeln zu verkneifen, und blickte ernst Zabini entgegen, der ihn zögernd betrachtete. »Ich weiß nicht, ob und was er dir erzählt hat, Potter. Allerdings weigert sich Dray vehement über Weihnachten mit mir nach Frankreich zu gehen.«, offenbarte Blaise die Tatsache, die Harry eigentlich nicht wissen konnte, und er versuchte überrascht zu klingen. »Achso, ist das so? Und was geht mich das an?«, fragte er.   Wollte der Slytherin etwa, dass er Draco überzeugte mit ihm Weihnachten zu verbringen? War er wahnsinnig geworden? Was ging es ihn an, ob die beiden zusammen Weihnachten verbringen würden? »Ehrlich gesagt, bin ich mir deswegen nicht sicher, Potter.«, unterbrach Blaise seine Gedanken und sah ihm nun zweifelnd entgegen. »Ich weiß nicht, was das zwischen euch Beiden ist.«, begann er zu sprechen und Harry schluckte bei dieser Aussage. »Aber Draco lässt niemanden an sich heran. Er stößt jeden von sich weg. Jeden, außer dich.« Sein Blick fixierte Harry und er konnte die Absichten seines Gegenübers nicht deuten. »Er hat es dir bestimmt erzählt, so oft wie ihr euch mittlerweile trefft, aber … Naja, wir wurden vor der Einschulungszeremonie angegriffen.«, gestand Blaise. »Angegriffen?«, hauchte Harry atemlos. »Ja … es gibt trotz dessen, dass du … naja, ihn kalt gemacht hast, immer noch fanatische Anhänger, die auf seine Rückkehr vertrauen. Immerhin war sein letztes Ableben auch nicht von Dauer. Die Malfoys gelten in diesen Kreisen als Verräter und als wir aus dem Zug stiegen wurden wir auf dem Weg zu den Kutschen abgefangen.«   Harrys Atem beschleunigte sich.   »Draco tut zwar unbeeindruckt, aber wir wurden auch schon in der Winkelgasse verfolgt. Ich muss einfach sicher stellen, dass er über die Weihnachtsferien nicht unter irgendeiner Brücke schläft. Er sollte am besten mit mir nach Frankreich kommen, aber er weigert sich. Ich werde keine ruhige Nacht haben, wenn ich weiß, dass sie nach seinem Leben trachten. Er ist immer noch mein bester Freund.«, erklärte Zabini ihm bestimmt und faltete seine Hände. Harrys Augen hatten sich bei der Erzählung des Slytherin immer mehr geweitet. Warum hatte er ihm das nicht erzählt? Draco hatte kein Sterbenswörtchen davon gesagt, es nicht einmal erwähnt. Er wurde bedroht? Schwebte in Lebensgefahr? Er erinnerte sich, dass er sich schon gewundert hatte, wieso der Slytherin zu Beginn des Jahres nicht da war. Er hatte kurz gedacht, Draco hätte sich dagegen entschieden, in Hogwarts seinen Abschluss zu beenden. Sorge stieg in ihm hoch und ein dumpfes Gefühl lag in seiner Brust. »Du wusstest es nicht.«, stellte Zabini fest, legte den Kopf leicht schief und stützte seinen Kopf mit seiner rechten Hand. »Nein …«, murmelte Harry und verzog die Lippen. »Mach dir nichts draus.«, versuchte er ihn aufzumuntern. »Dray war nie wirklich gut darin, Schwäche zu zeigen. Besonders nicht bei dir.« Sein Blick schien ihn zu durchbohren, aber wirkte dennoch freundlicher, als Harry es von Zabini erwartet hätte. »Er vertraut mir anscheinend nicht so viel, wie du es gedacht hast. Also wie soll ich dir dabei helfen?«, schnaufte Harry und seufzte tief. »Du bist der Einzige, den er momentan in seine Nähe lässt, Potter. Vielleicht kannst du ihn überzeugen. Er ist so stur, was seine Sicherheit angeht. Er ist einfach zu stolz, um Hilfe anzunehmen, die er wirklich braucht ... Draco scheint dir doch auch irgendwie am Herzen zu liegen, oder liege ich da falsch?« Blaise suchte seinen Blick und fand ihn. »Ich denke schon, ja.« Harrys Stimme fühlte sich heiser an als er es schließlich zugab. War es doch so schwierig, es immer noch zu leugnen. Zabini schien es doch auch bemerkt zu haben, genau wie Hermine … Doch … es gab keine wirkliche Zukunft für sie. Dieses Gefühl, egal wie intensiv es auch zu sein scheint, würde unerwidert bleiben. Draco hatte seinen Standpunkt deutlich gemacht. Sie lebten in verschiedenen Welten. »Dann helf mir.«, sagte Blaise schließlich und Harry öffnete erneut seine Augenlider, betrachtete den doch eigentlich ganz netten Slytherin für wenige Momente. »Ich werd's versuchen. Aber du weißt, wie schwierig es ist den Eisprinz zu überzeugen.« Harry grinste verlegen und Blaise lachte. »Tut mir leid, aber ich muss jetzt echt los zum Unterricht.« Er hob die Hand zum Abschied und wunderte sich, dass anscheinend nicht alle Slytherins so schlecht waren, wie er dachte. Blaise war Draco wohl wirklich ein guter Freund und Harry verstand einfach nicht, wieso Draco jeden von sich wegstieß.   Vielleicht würde er heute Abend Antworten finden.   ~~~*~~~ Am Ende des Schultages schleppte sich Harry in die große Halle. Das Abendessen war im vollen Gange und sein Blick huschte zögernd zum Slytherintisch, als er mit schnellen Schritten zu seinen Freunden eilte. Zabini sah in diesem Moment von seinem vollgefüllten Teller auf und grinste ihm entgegen. Draco folgte seinem Blick und hob eine Augenbraue, was Harry unweigerlich zum Lachen brachte, als er sich neben Hermine setzte, welche stirnrunzelnd den Kopf schief legte. »Alles okay, Harry?«, fragte sie und pustete in ihre Suppe, um sie abzukühlen. Harry wollte ihr antworten, als jedoch ein magisch verstärktes Räuspern in der Halle ertönte. Professor McGonagall schritt zum Rednerpult, welches eine bronzefarbene Eule zierte. Sie spannte sogleich die Flügel und die langen Finger ihrer Schulleiterin legten sich sachte auf die Federn. »Meine Lieben, ein weiteres erfolgreiches Halbjahr neigt sich dem Ende zu. Ich bin froh, dass es uns allen erlaubt war, den Alltag an der Schule zurückkehren zu lassen. Ich bin stolz auf euch, dass ihr es schafft, nach Vorne zu sehen. Besonders die Abschlussklassen, möchte ich daran erinnern, dass auch das Wiederholen des Stoffes innerhalb der Ferien sehr wichtig ist. Insbesondere, da ich so kurz vor den Festtagen noch eine Ankündigung zu machen habe.« Sie hielt kurz inne und zögerte. »Da das Ministerium, nach den kürzlichen Ereignissen neue Sicherheitsstandards als Auflage für prüfbar sinnvoll erachtet hat ...«, seufzte sie und betrachtete die Schüler, ließ ihren Blick über die Halle schweifen.   »... bin ich gezwungen den Umbaumaßnahmen mehr Raum und Zeit zu geben.« Ihre magisch verstärkte Stimme klang im Raum wider und Harry suchte Dracos Blick. »Die Weihnachtsferien werden auf sechs Wochen verlängert, was euch wiederum mehr unter Druck setzen wird, eigenständig Stoff innerhalb dieser Zeit von zu Hause aus zu lernen. Die Lehrkörper werden Ihnen Aufgaben zuteilen. Des weiteren ...« Ein lautes Stöhnen drang durch die Halle. Vereinzelt waren Protestrufe zu hören. Harrys Aufmerksamkeit fokussierte sich jedoch auf Draco, der schockiert auf McGonagall starrte.   Sechs Wochen? So viel Zeit hatten sie nicht! Sein Körper fühlte sich schwer an, doch eine Bewegung erweckte seine Aufmerksamkeit erneut. Draco stand auf und eilte aus der Halle. Zabini war aufgestanden, setzte sich jedoch zögernd wieder hin. Ein Mädchen neben ihm klopfte ihm sachte auf die Schulter. Mit sich ringend, was er nun tun sollte, wandte er den Blick zur Seite und fand Hermines leicht verzogenes Lächeln.   »Nun geh ihm nach, Harry.«, sagte sie sanft und nickte ermutigend. Ohne weiter zu zögern stand er auf und folgte Draco mit immer schneller werdenden Schritten, fand ihn schließlich zwei Korridore weiter. Er saß auf einer Treppenstufe und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, seine langen Finger in sein platinblondes Haar vergraben und den Blick leicht nach unten geneigt. Warum nahm dieser bescheuerte Slytherin nur einfach keine Hilfe an?   Harry blieb schließlich vor ihm stehen und Dracos Blick hob sich und schnaubte laut bei seinem Anblick, wedelte mit einer abwehrenden Geste vor Harrys Gesicht herum.   »Es ist gelaufen, Potter. Verschwinde.«, zischte er abweisend. »Wir haben keine Chance es in dieser Zeit noch zu schaffen...« Dracos Stimme wurde immer leiser. »Komm zu mir über Weihnachten.«, sprach Harry schließlich die Möglichkeit aus, die sich seit dem Gespräch mit Zabini in seine Gedanken geschlichen hatte, ohne weiter drüber nachzudenken, und Dracos Augen weiteten sich. Er konnte sehen, wie sein ganzer Körper sich anspannte. »Na klar, Potter. Dann feiere ich Weihnachten mit der ganzen Wieselschaft in ihrem Wieselbau, die mich total gerne bei sich haben wollen.«, protestierte Draco und stand auf. Er wollte an Harry vorbeigehen, doch dieser packte ihn an der Schulter und zog ihn zurück. Harry ignorierte das aufkeimende warme Gefühl und versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen. »Zu mir.«, sagte er ruhig. »In den Grimmauldplatz. Das alte Haus der Familie Black und somit auch deiner Vorfahren, Draco. Wir können den Trank brauen und werden uns ansonsten wahrscheinlich kaum begegnen. Das Haus ist riesig, ich verlauf mich ständig.«, versicherte Harry, doch Draco sah ihn zweifelnd an. »Ist das dein Ernst? Wie zum Teufel kommst du da ran? Und Potter, ich werde kein romantisches Weihnachten mit dir verbringen, das ist dir doch klar, oder?«, fragte er zögernd und hob eine Augenbraue. Ein romantisches Weihnachten? »Wir würden uns sogar Zeit sparen auf diese Weise, Draco. So könntest du deine Mutter schneller wiedersehen.«, argumentierte Harry und legte eine Hand auf seine Schulter. Draco sah hinab zu dieser Geste und verweilte so einen Moment, hob langsam, zögernd seine Hand und legte sie auf Harrys. Ihr Blick kreuzte sich erneut und er sah das stürmische graue Meer, in dem er soeben zu ertrinken drohte. Draco biss sich auf seine Lippe und musterte die Züge seines Gesichtes. Harry wollte, dass Draco sicher war. Wenn er nicht nach Frankreich wollte, war dies eine vernünftige zweckmäßige Lösung. Oder nicht? Draco schnaufte und ließ sich erneut auf die Treppe fallen. »Du kannst nicht einfach auf deinem weißen Pferd heran geritten kommen und jeden aus der Not retten, Potter. So funktioniert das nicht.«, sagte Draco und blickte schließlich zu ihm hoch. »Es hat bisher eigentlich ganz gut funktioniert.«, lächelte Harry und setzte sich neben ihn. »Du bist verrückt, Potter. Ich hoffe das ist dir bewusst.« »Ist das ein Ja?«, musste Harry es diesmal wissen und betrachtete Draco, der mit sich zu hadern schien. »Wir brauen den Trank. Ohne weitere Verzögerungen. Und ich will ein eigenes Zimmer, immerhin ist das ein Haus meiner Verwandten. Ich war als Kind nur ein einziges Mal im Grimmauldplatz. Wie kann es sein, dass du dieses Haus besitzt?« Harry antwortete ihm zunächst nicht, war sein wild klopfendes Herz, viel zu ablenkend, das bei der Realisation seiner Worte höher schlug. »Ich habe eine Menge Gepäck musst du wissen.«, verkündete Draco und Harry gab sich Mühe, sein Grinsen zu verbergen, doch es gelang ihm nicht. »Ich habe es von Sirius geerbt.«, sagte Harry zögernd und wurde sich immer mehr dem bewusst, was er Draco eigentlich gerade angeboten hatte. Sechs Wochen. Er würde sechs Wochen mit Draco verbringen. »Meinst du, es wird funktionieren, Harry?«, fragte ihn Draco leise und legte seine Hand sachte auf seinen Unterarm. »Mhm?«, murmelte er, konzentrierte sich auf die leichte Berührung. »Dass wir Animagi werden.«, flüsterte er und strich leicht mit dem Daumen über seinen Handrücken. »Es wird funktionieren.«, versicherte ihm Harry und schloss die Augen. Konzentrierte sich auf das Kribbeln, dass sich zu der Gänsehaut mischte, die über seinen ganzen Körper fuhr.   ~~~*~~~ Kapitel 15: Hesitation ---------------------- Kapitel 15: Hesitation     Der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien kam schneller, als es Harry lieb war. Noch hatte er keine Lösung dafür gefunden, wie er seinen Freunden das Arrangement mit Draco erklären sollte. Die Vereinbarung, dass sein ehemaliger Rivale über die Weihnachtsferien bei ihm einziehen würde. Immerhin erwarteten seine Freunde, dass er zumindest Weihnachten im Fuchsbau verbringen würde. Doch wie bei Merlins Bart sollte er das erklären, ohne ihnen die nötigen Details verraten zu dürfen? Er seufzte und ließ seinen viel zu schweren Kopf auf das Schulbuch für Verteidigung gegen die dunklen Künste fallen. Er versuchte, das Murmeln der Klasse auszublenden, und legte schützend seine Arme um seinen Kopf. Sein ganzer Körper fühlte sich träge an. Würde Professor Davis es auffallen, wenn er jetzt für eine Sekunde die Augen schloss? Er bemerkte, wie Draco neben ihm eine Bewegung machte und spürte seinen Blick auf sich ruhen. Nur für einen kurzen Moment … Müde flogen seine Augen zu und er konnte die Stimmen im Klassenzimmer nur noch gedämpft wahrnehmen. Er hatte die ganze Nacht wachgelegen und dagegen angekämpft. Gegen die Müdigkeit und das Verlangen seines Körpers, sich endlich der Ruhe hinzugeben. Doch nun konnte er nicht mehr, ein winziger Moment der Ruhe würde doch nicht schaden ... Schließlich würde er keine Erholung finden können, solange diese Träume existierten. Er hatte sich schlussendlich geweigert zu schlafen. Was blieb ihm auch anderes übrig? Jedoch musste Harry zugeben, dass die Stille der Nacht für ihn wirklich etwas Faszinierendes an sich hatte. Es zog ihn quasi magisch an. Die letzten Nächte war er durchs Schloss geschlichen oder hatte sich im Schlafraum an das kleine Dachfenster gesetzt und mit starrem Blick das Mondlicht beobachtet, welches Hogwarts sanft umschlossen hatte.   In solchen Momenten konnte er sich beruhigen. Die Erinnerungen vergessen und die Welt mit klaren Augen sehen … Er konnte eine schüttelnde Berührung an seiner Schulter spüren. »Potter.«, flüsterte Draco an seinem Ohr. Müde blickte er seinem Sitznachbar entgegen. Draco sah ihn entschuldigend an und blickte sogleich stirnrunzelnd an ihm vorbei, fixierte mit seinem Blick etwas über ihm. »Mr. Potter.«, erklang die eisige Stimme von Professor Davis. Ein amüsiertes Kichern aus einer der vorderen Reihen ließ ihn bemerken, dass die komplette Aufmerksamkeit der Klasse auf ihm lag. Es war, als hätte ihm jemand einen Eimer Wasser ins Gesicht geschüttet. Sein Kopf fuhr hoch und blickte in die strafenden Augen von Professor Davis, welcher mit seinem rechten Fuß in einem gleichmäßigen Rhythmus auf dem Boden tippte. »Können Sie mir denn mitteilen, mit welchem Thema Sie sich in den Winterferien und darüber hinaus beschäftigen sollen?«, fragte ihn Davis mit schneidender Stimme. Sein Verstand fühlte sich benommen an. Er wäre tatsächlich beinahe eingeschlafen, hier mitten im Unterricht. Seine müden Augen fixierten seinen Professor, der ihn wartend und abschätzend betrachtete. »Entschuldigen Sie Professor.«, nuschelte Harry und ließ seine Finger durch die rabenschwarzen Haare gleiten. »Sie sollten lernen, ihren Geist zu stabilisieren. Vielleicht lernen Sie dann auch, wie wichtig es ist, die Nacht tatsächlich zum Schlafen zu benutzen.« Ruhig entfernte er sich von ihrem Tisch und ging zurück nach vorne. Er lehnte sich lässig gegen das Pult und hob den Blick. »Die Beherrschung des Geistes. Was versteht man darunter?«, fragte er die Klasse und Hermines Hand schoss in die Höhe. »Ja, Mr. Malfoy.«, nahm Davis schließlich seinen Sitznachbar dran und Harry schaute zur Seite und betrachtete nachdenklich Dracos entschlossenen Blick. »Wenn man von mentaler Kontrolle spricht, stehen sich im Grundsatz zwei Gegensätze gegenüber.«, fing Draco schließlich an zu sprechen. Einige blonde Haarsträhnen waren ihm ins Gesicht gefallen.   »Auf der einen Seite existiert die Legilimentik. Die Kunst der Infiltration eines Fremden in den Geist seines Opfers ...« Seine Stimme klang ruhig und Harry konnte beobachten, wie er tief einatmete und er eine Haarsträhne hinter sein Ohr strich. Harrys Blick folgte dieser Geste und stellte verwundert fest, wie zierlich seine Finger für einen Mann eigentlich waren. »Das Gegenstück ist gleichzeitig auch die einzige Abwehrmöglichkeit eines solchen mentalen Angriffes.« Er räusperte sich. »Die Oklumentik. Das Verschließen des eigenen Geistes. Die komplette Kontrolle über seine eigenen Gedanken.«, sagte er und seine Worte verklangen im Klassenzimmer. »Eine ausgezeichnete Definition, Mr. Malfoy. Ich bin beeindruckt. 20 Punkte für Slytherin.« Professor Davis klatschte erfreut in die Hände und stieß sich mit beiden Händen vom Tisch ab. »Leider ist es mir nicht erlaubt, euch die Praxis dieser beiden Gegenstücke, wie Mr. Malfoy sie passender Weise genannt hat, zu zeigen.«   Ein Murmeln ging durch die Reihen. »Man möchte sich auch gar nicht Vorstellen, was für Auswirkungen ein willkürliches untrainiertes Eindringen in den Geist eines Anderen zur Folge haben würde.«   Ihr Professor griff mit einer Hand in seinen Nacken und kratze sich verlegen. Harry konnte sich gut vorstellen, dass er liebend gerne diesen Versuch mit ihnen durchgeführt hätte. Er wusste nicht ganz wieso, aber er traute es dem Fluchbrecher irgendwie zu. »Wie dem auch sei.«, fuhr Professor Davis fort. »Einfache Übungen sind uns dennoch erlaubt, also möchte ich, dass ihr euch vorab in einem Aufsatz schon einmal etwas mit der Theorie auseinander setzt. Nach den Ferien werden wir dann sehen, was hängen geblieben ist, okay?« Er zwinkerte der Klasse zu und Harry hörte, wie einige der Mädchen aufseufzten. Wie er dieses Thema hasste. Unweigerlich musste er sich an die Stunden mit Snape erinnern, sobald die Thematik aufkam. Harrys Aufgabe war es damals gewesen, die Oklumentik zu erlernen, um Voldemort den Zutritt zu seinem Geist zu verwehren. Ihn auszusperren, damit sie einen Plan entwickeln konnten. Einen Plan, der ihn am Ende umgebracht hatte.   Er hatte es gehasst. Dieses Gefühl einer fremden Präsens, die ihm so vertraut, aber dennoch so furchterregend vorkam, der er einfach nicht entkommen konnte. Die Schulklingel erlöste ihn schließlich. »Ich dachte immer dir gefällt das Fach, Potter.«, hörte er Dracos Worte neben ihm, während sie langsam ihre Unterlagen einpackten. »Ja...«, seufzte Harry und wusste nicht so recht, was er ihm antworten sollte. Es stimmte. Harry mochte Verteidigung gegen die dunklen Künste unheimlich gerne. Es war mitunter eines seiner Lieblingsfächer. Jedoch … »Es gibt genug Leute, die versuchen über mein Leben zu bestimmen. Da brauche ich nicht auch noch Jemanden, der in meinen Gedanken herumwühlt.«, sagte Harry trotzig, stand auf und schulterte seine Umhängetasche. Er ging ein Paar Schritte in Richtung Ausgang, als er jedoch erneut innehielt. Dies war vorerst ihre letzte Stunde gewesen. Jetzt musste er in den Schlafsaal und seinen Koffer packen, damit sie noch rechtzeitig den Zug nach Hause heute Abend erwischen würden. Der Ablauf hatte sich durch die anstehenden Renovierungsarbeiten geändert und sie würden noch heute Abend abreisen müssen. »Ich wünsche euch frohe Festtage.«, verabschiedete sich Professor Davis mit einer winkenden Handbewegung und Harrys Blick glitt zu Draco, welcher noch als Einziger an seinem Platz saß. Er trat einige Schritte auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. Draco zuckte bei der Berührung kurz in sich zusammen, als sei er aus einer Trance erwacht. »Draco.«, sprach Harry ihn an, wollte er ihn eigentlich nicht erschrecken. »Wie …«, begann er, doch fand Harry nicht die richtigen Worte, die zu seiner Frage passen würden, während Draco ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue nachdenklich betrachtete. »Ja, Potter?«, fragte er sachte und begann zu grinsen. Draco schien seine Zögerlichkeit zu amüsieren und Harry bemerkte, wie seine Wangen warm wurden. Er räusperte sich, um den Kloß runterzuschlucken, welcher in seinem Hals hing. »Fahren wir zusammen nach London zurück?«, nahm er seinen Mut zusammen und fragte ihn schließlich, doch sein verräterisches Herz pochte laut in seiner Brust. Konnte es sich nicht endlich beruhigen? Das hier war nur Malfoy verdammt noch mal! Sie würden einen Trank brauen und ein paar Tage zusammen wohnen. Was war denn schon dabei? Kein Grund, in Panik auszubrechen! Dracos Blick verdunkelte sich und er hob abwehrend die zierliche Hand in die Luft. »Vergiss es, Potter. Es ist viel zu auffällig, wenn wir gemeinsam in einem Abteil reisen. Wir sollten uns in Kings Cross treffen, nachdem der Zug in London angekommen ist. An der großen Standuhr am Gleisaufgang?«, bestimmte Draco schließlich und Harry nickte. Ja, das machte Sinn. Bloß keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Harry würde gar nicht erfahren wollen, was die Medien sich aus dieser Information heraus holen würden. Ein Schauder glitt durch seinen Körper, bis in seine Zehenspitzen. Der schlanke Körper Dracos erhob sich schließlich in einer eleganten Bewegung. Er ging an ihm vorbei und ein gemurmeltes »Bis nachher. Potter.«, war zu hören. Harry sah ihm nach, wie er das Klassenzimmer verließ. Sein Herz schlug immer noch viel zu laut in seiner Brust, als er schließlich tief ausatmete. »Bis nachher.«, hauchte er atemlos in den leeren Raum hinein.     ~~~*~~~ Seine hellgrünen Augen huschten wiederholt zur Seite, als er mit starrem Blick durch das Fenster sah. Der Zug fuhr gerade über eine große Metallbrücke am Hang eines Berges. Nachdenklich beobachtete Harry die Szenerie. »Und Mum wird wieder ihren berühmten Karottenkuchen machen.«, verkündete Ron verträumt und grinste bis hinter beide Ohren. »George musste den ganzen Garten entgnomen. Er war total sauer.«, gluckste er und richtete sich etwas auf. »Angeblich soll Percy dieses Jahr auch kommen, Mum war total aufgeregt. Sie ist den ganzen Tag im Haus herum gehetzt. Das meinte George zumindest in seinem Brief.«, erzählte er und Hermine seufzte tief. »Wird auch Zeit, dass sie das Kriegsbeil endlich begraben. Die Familie sollte zusammen halten.«, bestimmte sie und umschloss sachte Rons Hand mit ihren Fingern. »Harry, was machst du an Weihnachten?«, wiederholte sein bester Freund die Frage, die er nicht wusste, wie er sie beantworten sollte. Er ließ seinen Oberkörper in die Sitzpolsterung des kleinen Abteils zurückfallen und schloss kurz die Augen. »Keine Ahnung, ehrlich gesagt …«, murmelte er. Er hatte zuvor schon viel darüber nachgedacht und Harry war nach langem Grübeln schließlich zu zwei Optionen gekommen. Doch beide schienen irgendwie ihre Probleme mit sich zu bringen. Planen war einfach nicht so sein Ding und wenn Harry ehrlich war, fiel es ihm schwer eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten … na ja, gut war. Jedoch ... da gab es Option Nummer eins. Er fragte seine Freunde, ob Draco mit in den Fuchsbau kommen könnte. Nein …   Ein Kopfschmerz zog sich von seinem Nacken aus in seine Schläfe und er rieb sich seine müden Augenlider. Das war nie und nimmer eine gute Idee. Aber da war noch Option Nummer zwei … Er ging in den Fuchsbau und ließ Draco Weihnachten allein und unbeaufsichtigt im Grimmauldplatz. War das eine gute Idee? Harry konnte nicht bestreiten, dass er Draco mittlerweile ein Vertrauen schenkte, dass ihm selbst ein bisschen Angst machte. Sicher würde er keinen Unsinn machen, wenn Harry ein paar Stunden das Haus unbeaufsichtigt in seiner Obhut ließ, immerhin würde er ihm auch als Geheimniswahrer den Standort mitteilen, was schon ein Vertrauensbeweis in sich war. Er machte sich durch die Hilfe, die er seinem ehemaligen Rivalen versprach, angreifbar. Es fühlte sich auf der einen Seite komisch an, jemanden der nicht Ron und Hermine war so in sein Leben zu lassen. Und dennoch … Dracos Gesellschaft war angenehm. So gern er es auch leugnen würde, so freute sich Harry ungemein auf die Seiten, die er noch an Draco kennenlernen würde. Immerhin war das gemeinsame Wohnen selbst für Freunde oft eine Zerreißprobe jeglicher Nerven. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Sicherlich würde Draco morgens stundenlang das Bad blockieren, dachte sich Harry und blickte schließlich zu Hermine, welche ihn schmunzelnd betrachtete. »Irgendwas verheimlichst du uns, Harry James Potter.«, meinte sie nachdenklich und Harry lächelte ertappt. »Meint ihr wirklich, es ist okay Weihnachten zu kommen? Ginny würde es bestimmt komisch finden.«, sagte er schließlich und richtete seinen Blick erneut aus dem Fenster. Der Himmel hatte sich in tiefschwarzes Blau gefärbt, während der Nebel zwischen den Tannen lag, die in der Ferne immer kleiner wurden. »Komm wenigstens zum Essen.«, sprach schließlich Ron und fixierte seinen Blick. »Du bist immer Willkommen in unserem Haus.« Er lächelte warm und Harry war sich sicher, dass er diese Worte ernst meinte. »In Ordnung, ich werde kommen.« Harry sah ihn aufmunternd an. Es blieb ihm doch keine andere Wahl als dieser gut gemeinten Einladung zuzustimmen. Immerhin hatte er keine wirkliche mögliche Erklärung, die eine Rechtfertigung für eine Ablehnung darstellen könnte. Sie genossen die restliche Zugfahrt mit alten Geschichten und Vermutungen darüber, wie ihre Schulzeit in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, nach all diesen Erlebnissen wohl ihr Ende finden würde. Nach wenigen Stunden, die viel zu schnell vorbei waren, erreichten sie am frühen Morgen den Bahnhof Kings Cross. Mit einem ohrenbetäubenden Pfeifen kündigte der Hogwarts Express seine Ankunft an als sie schließlich in die engen Tunnel fuhren, die zum Bahnsteig führen würden. Er konnte das Gemäuer sehen, wie es nahe am Fenster vorbei glitt und eine Unruhe breitete sich in ihm aus. Das bevorstehende Treffen mit Draco manifestierte sich in seinen Gedanken. Wirkte es doch so greifbar und dennoch … fühlte es sich für Harry unberechenbar an. Irgendwie machte ihm der Gedanke auch Angst, sechs Wochen diesen Mann in seiner Nähe zu wissen. In seinem Haus. Harry hasste es, wenn er den Umständen ausgeliefert war. Er fühlte sich machtlos. Was würde das bedeuten? Wie würde ein Zusammenleben sein? Er kannte es nur, sich das Schlafzimmer im Gryffindor-Turm mit den anderen Jungs zu teilen, oder das gemeinsame Wohnen mit den Dursleys, was er nun wirklich nicht als toll bezeichnen würde. Wie würde es sein, mit dem Menschen zusammen zu leben, den er so viele Jahre gehasst hatte? Den er jetzt … Seine Hand krallte sich in den Stoff seiner Hose. Er verwarf den Gedanken, der in seinem Unterbewusstsein schwebte und dachte daran, dass er Weihnachten in den Fuchsbau zurückkehren würde. Trotz der Trennung von Ginny wusste Harry, dass er im Fuchsbau immer einen Unterschlupf finden würde. Auch dort hatte er lange mit Menschen an seiner Seite gelebt, die er sehr mochte. Er dachte an das zu Festtagen geschmückte Esszimmer und die lachenden Gesichter der Menschen, die er Familie nannte. Jedoch wollte er diese Familie nicht in die Gefahr mit hineinziehen. In die Gefahr, die wabernd um ihn herum schwebte, egal was er tat. Die Bedrohung, die ihn und jene, die ihm am wichtigsten waren, verfolgte. Er hatte nie gewollt, dass sie verletzt wurden. Diese Angst, den Menschen weh zu tun, die ihm nahe standen, alleine aus dem Grund, weil sein Name Harry Potter war, hatte ihn Abstand nehmen lassen. Er hatte sich schließlich distanziert und zurückgezogen. Schmerz pochte in seiner Lippe und ein eiserner Geschmack legte sich auf seine Zunge. Er würde den Fuchsbau nie als seine Heimat bezeichnen können. Er dachte an die lodernden Flammen, die das Hochzeitszelt mit sich gerissen hatten. Nie wieder wollte er, dass sie wegen ihm zu Schaden kamen. Schließlich war da noch der Grimmauldplatz. Sein Zufluchtsort. Ein Platz, an dem er sich verstecken konnte. Sowohl vor der Öffentlichkeit als auch vor dem Rest. Ein Ort, den er mit Sirius verband. Nur wenige Menschen wussten von ihm und die Meisten, die ihn kannten, waren mittlerweile gestorben. Ein Haus, in das sie immer zurückgekehrt waren. Dass ihnen ein Heim war, als sie nach den Horkruxen gesucht hatten. Draco nun an diesen Ort zu lassen, ihm ebenfalls Zuflucht zu gewähren, sorgte für ein Gefühl in seiner Brust, welches Harry nicht zu beschreiben wusste. Es fühlte sich verlockend an und dennoch … Es war irgendwie unberechenbar, was seine Kehle sich unweigerlich zuschnüren ließ. Mit ratternden Rädern kam der Zug schließlich zum Stehen. Hermine sprang auf und begann ihr Gepäck eilig von der Ablage zu ziehen. Sie schlossen sich dem Menschenstrom an und stiegen aus. Der Bahnhof wirkte um die Uhrzeit leer und nur wenige Passanten waren auf dem Gleis zu sehen.     ~~~*~~~ Mit vielen Umarmungen und Küssen hatte er sich von den Weasleys und Hermine schließlich verabschiedet, was bei so vielen Menschen schon einige Minuten gedauert hatte. Als Mrs. Weasley ihn jedoch das dritte Mal auf die Wange geküsst und in seine Seite gekniffen hatte, gingen sie schließlich in Richtung des Parkplatzes, wo ihr Auto stand. Ginny würdigte ihn keines Blickes und Harry war im Endeffekt an sich sogar ganz froh, dass sie vor Molly und Arthur keine Szene gemacht hatte. Er seufzte und die kalte Morgenluft drang gegen seine Lippen. Seine Schritte wurden schneller und er eilte die Treppe hinunter zu der Uhr, wo er sich mit Draco verabredet hatte. »Eine Verabredung … «, murmelte Harry und wurde langsamer. Seine Hand glitt zögernd über das metallene Geländer, welches sich ganz kühl unter seiner Haut anfühlte. Wie sich das anhörte … als wenn dies hier ein Date wäre.   Er spürte, wie seine Wangen warm wurden, und blickte zur Seite. Er beobachtete ein Pärchen, welches auf einer Bank nebeneinandersaß. Sie hatten um der Kälte zu entgehen ihre Hände ineinander verschränkt, während sie leicht aneinander lehnten. Nein … Das hier war kein Date, keine romantische Verabredung. Draco hatte seinen Standpunkt klar gemacht. Eine zweckmäßige Wohngemeinschaft, mehr würde das nicht werden. »Träumst du wieder, Potter?«, drangen Dracos Worte sachte in sein Ohr. Erschrocken bemerkte er, dass der Andere sich unbemerkt an ihn herangeschlichen hatte. »Ich hab mich schon gewundert, ob du dich verlaufen hast. Aber nein … du stehst hier, als hättest du plötzlich begriffen, dass der Weihnachtsmann gar nicht existiert.«, schnaubte er belustigt und legte den Kopf schief. Ein leichtes Grinsen zierte seine Lippen. »Sorry ...«, nuschelte Harry nur und strich sich eine störende Strähne von seiner Stirn.   »Komm, lass uns hier um die Ecke gehen. Dann können wir aparrieren.«, sagte er kopfschüttelnd und ging an Draco vorbei in eine kleine Nische, die hinter der Treppe lag. Zögernd folgte Draco ihm und betrachtete ihn für wenige Momente. Seine Lippen hatten sich verzogen und sein Lächeln war verblasst. Harry hätte fast aufgelacht, konnte sich jedoch gerade noch zurückhalten, als er den verbissenen Ausdruck bemerkte. »Apparieren ist wohl nicht so dein Ding, oder? Mach dir keinen Kopf, Draco. Ich mag es auch nicht. Aber ich habe kein Flohpulver mehr, also müssen wir es so machen.« Er streckte ihm seinen Arm entgegen und bedeutete ihm, sich festzuhalten. Doch Draco rührte sich nicht. Harry spürte, wie die Nervosität in ihm hochkroch. Warum zögerte er? Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen ihnen, die das immer noch präsente dumpfe Gefühl in seinem Brustkorb intensiver werden ließ. »Du kannst immer noch einen Rückzieher machen, Potter.«, sagte Draco kalt und sein Blick war eisern auf die Menschen gerichtet, die in einem fernen Gang vorbei zogen. »Weißt du, es ist nicht schlimm jemanden mal nicht zu retten. Einfach mal egoistisch zu sein und nicht zu helfen.« Dracos Stimme zitterte leicht, auch wenn er versuchte dies mit allen Mitteln zu verbergen. Er drehte schließlich seinen Kopf zu ihm. Dieser Ausdruck in seinen Augen … Es war wie ein Sturm. Ein reißender Sturm aus Rauch, welcher das Meer aufwirbelte. Ein Sturm, in dem er schon längst gefangen war. Unfähig sich diesem Mann zu entziehen, der so interessant für ihn war. Draco musste es bemerkt haben. Sein Zögern. Seine Unsicherheit. Bedeutete dies doch irgendwie so viel für ihn. Mehr als es eigentlich sollte. Er schluckte und griff nach Dracos Hand, welcher bei der Berührung zurückzuckte. Unverständnis lag in seinen Augen. Die blassen Lippen öffneten sich ein Stück, schlossen sich jedoch sofort wieder. »Ich halte mein Wort, wenn ich es einmal gegeben habe«, sagte Harry bestimmt und kurz dachte er, ein Aufleuchten in den Augen seines Gegenübers zu sehen. Sie hatten ihren Blick nicht gelöst, sahen sich immer noch an. Die Welt um sie herum schien verblasst, als Draco schließlich nickte. Ein dankbares Lächeln zierte seine Lippen und Harry war sich nicht sicher, ob er schon einmal etwas Schöneres gesehen hatte. Er hatte sich entschieden. Er würde diesen Weg gehen und herausfinden, was dieses Gefühl bedeutete. Dracos Finger umfassten mit einem leichten Druck Harrys Unterarm als ihre Körper sich verzerrten und sie disapparierten.     ~~~*~~~ Kapitel 16: Trust -----------------   Kapitel 16: Trust     Ein pochender Schmerz pulsierte in seinem Arm. Die Welt drehte sich, verzog sich in Schlieren um Harry herum und sein Verstand hatte Mühe sich zu konzentrieren. Lange Finger krallten sich in seine Haut und er versuchte, sich die dunkle hölzerne Tür genau vorzustellen, bis er sie schließlich zwischen den verworrenen vorbeiziehenden Bildern ausmachen konnte. Seine Finger griffen nach vorne, um nach ihr zu greifen, während er spüren konnte, wie Draco sich immer stärker an ihm festhielt. Er schloss die Augen und seine Finger berührten die Klinke. Die Tür gab nach und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde standen er und Draco im Eingangsbereich des Grimmauldplatz Nr. 12. Die plötzliche Stille und staubtrockene Luft sammelte sich in seiner Lunge, während er nach Atem rang. Er schaute zu Draco, welcher sich immer noch an ihm festhielt und sich mit der freien Hand an die Brust griff, dabei stark hustete. »Potter.«, zischte er trocken. Er ließ Harrys Handgelenk los und öffnete fahrig den obersten Knopf seines Hemdes, um besser atmen zu können. Seine Augen wanderten durch den schmalen Flur und blieben kurz an dem Trollfuß-Schirmständer hängen, der direkt neben ihnen stand. Harry konnte sehen, wie sich die Stirn seines neuen Mitbewohners in Falten legte. Dicker Staub hatte sich über die Zeit, in der das Haus leer stand, auf den Kommoden und kleinen Schränken abgesetzt und Harry hatte sich nicht die Mühe gemacht, in der kurzen Zeit vor Beginn des Schuljahres hier aufzuräumen. Das große Bild von Walburga Black wurde von schweren mottenzerfressenen Vorhängen verdeckt und auch die alten Holzbretter des Bodens hatten definitiv schon bessere Jahre gesehen. Harry hatte sich nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, dass Draco vermutlich bessere Behausungen gewohnt war, doch fiel es ihm nun schlagartig auf, dass das Malfoy Manor vermutlich deutlich prunkvoller war. Er wusste zwar, dass der Grimmauldplatz langsam in sich zusammen fiel, allerdings hatte er auch nicht wirklich eine Ahnung, wie er das ändern sollte. Von den insgesamt sieben Etagen waren nur die Wenigsten nutzbar und manchmal hatte Harry das Gefühl, dass das Haus ihn am liebsten gar nicht hier haben wollte. Es hatte immerhin fast eine Woche gedauert, bis er den Türknauf des Küchenschrankes hatte überreden können, dass er ihm keinen Finger abbiss, nur weil er eine Tasse haben wollte. »Besser als auf der Straße zu schlafen.«, sagte Harry seufzend und zog schulterzuckend seine Schuhe aus. Der Grimmauldplatz war ein Zufluchtsort und dafür reichte es allemal, damit würde sich Draco einfach arrangieren müssen. Eitelkeit hin oder her.   Dieser murmelte jedoch nur etwas Undeutliches und folgte ihm die Treppe hoch in das kleine Wohnzimmer. Es handelte sich um einen kleinen Raum mit einer dunkelroten Sitzgarnitur, die definitiv schon ein paar Jahrhunderte alt aber auch ziemlich bequem war. Auch hier waren die Fenster mit schweren Vorhängen verhangen, was nur wenig Licht in den Raum ließ. Einzig das Kaminfeuer erhellte den Raum, während die Schatten im Rhythmus des prasselnden Feuers tanzten. Harry hatte oft seine Abende hier vor dem Feuer verbracht und nachgedacht. Viele Zimmer in diesem Haus trugen Erinnerungen. An den Orden des Phoenix, an Sirius, Remus und Tonks. Sein Blick verdunkelte sich. Mit Schwung nahm Draco eine Couch in Beschlag und lehnte sich in das nachgiebige Polster, ließ seinen Kopf in den Nacken fallen. Für einen Moment betrachtete Harry seinen ehemaligen Feind in dieser skurrilen Szene. Die Situation war unangenehm. Doch es hatte keinen Zweck jetzt noch zu zögern. Jetzt waren sie nun einmal hier. Harry hatte zugestimmt, dass Draco bei ihm wohnte und dies ließ sich jetzt nicht mehr so einfach zurücknehmen. Doch was sollte er jetzt sagen? Sicher würde er gerne auf sein Zimmer und schlafen gehen, immerhin hatten sie die ganze Nacht im Zug verbracht. Musternd betrachtete er Draco, welcher die Augen geschlossen und eine Hand auf der Hüfte liegen hatte. Er sah so unglaublich erschöpft aus und Harry konnte es gut nachempfinden. Er ließ seinen Finger über das Polster gleiten, bis hin zu einem kleinen gemusterten Kissen. Der Stoff des Kissenbezuges fühlte sich rau an, als er das weiche Objekt zu sich zog. Er setzte sich neben Draco und legte es zwischen sie. Eine Weile blieben sie so sitzen und einzig das leise Knistern des Kamins war zu hören. Die Wärme des Feuers hatte die Kälte der winterlichen Morgenluft mittlerweile aus seinem Körper vertrieben. Das dumpfe Gefühl in seinem Brustkorb blieb jedoch. Er hatte mehrfach abgewogen, die eiserne Stille zu durchbrechen, wurde jedoch schlussendlich von der Entscheidung befreit, als das faltige Gesicht Kreachers mit einem Plopp vor ihnen auftauchte. Harry atmete beim genervten Anblick des Hauselfen überrascht auf, rieb sich mit zwei Zeigefingern seine Schläfe.   Das hatte er vergessen, verdammt. Während Harry den Hauselfen betrachtete, welcher zunächst zu seinem unfreiwilligen Herrn blickte und empört einen zischenden Laut von sich gab, richtete sich Draco langsam auf und legte seine Aufmerksamkeit nun auch auf die gekrümmte Gestalt. Kreacher schien mit sich zu hadern, griff in den Lumpen, welchen er sich um seinen Körper gewickelt hatte, und erkannte schließlich entsetzt, dass Harry nicht allein war. Es schien so, als wäre der Hauself zunächst über diese Tatsache verärgert, waren die üblichen Gäste, die Harry hierhin brachte, doch nicht von dem reinblütigen Status, den die Familie Black immer so verehrt hatte. Doch als Kreachers Blick schließlich auf Draco fiel, schien dieser in seiner Position festgefroren zu sein. Die glubschartigen Augen waren so weit aufgerissen, dass Harry meinte, sie fielen beinahe heraus, doch Kreacher rührte sich keinen Millimeter und Harry konnte beobachten, wie eine Augenbraue Dracos bei diesem Anblick langsam in die Höhe wanderte. Mit einem lauten dumpfen Geräusch krachte Kreachers Kopf auf den Boden. Er presste die klumpige warzige Nase so fest auf das Holz, dass sie leicht abknickte. »Meister Malfoy, Sir. Kreacher ist es eine E-Ehre.«, schluchzte er lautstark. Der Rotz aus der Nase des Elfen verteilte sich auf dem Teppich. »Kreacher ist untröstlich, dass er nichts von Ihrer Ankunft wusste, Sir ...« Mit glänzenden Augen blickte er Draco entgegen, welcher amüsiert über das Verhalten des Hauselfen sein Gesicht verzogen hatte. Ein leichtes Grinsen hatte sich auf seinen Lippen gebildet, was Harry ungemein an den Malfoy erinnerte, den Harry in seiner Schulzeit doch immer verachtet hatte. »Einem Malfoy gebührt eine bessere Begrüßung, darf ich annahmen, Elf?« Dracos gespielt böser Blick ließ Harry kurz auflachen. Demonstrativ stand Draco auf und sah mit gefalteten Armen auf den Hauselfen herab. »Natürlich, Sir … Kreacher wird sich sofort um ihr Gepäck kümmern, Meister Malfoy, Kreacher nimmt an, dass das ehemalige Zimmer von Meister Sirius Black genehm ist, Sir?«, sagte der Hauself ergeben und senkte den Kopf. Die Erwähnung des Namens ließ Harry hellhörig werden. »Nicht dieses Zimmer.«, sagte er hastig und verschluckte sich beinahe an den Worten. Kreachers Blick wandte sich zum ersten Mal erneut zu Harry. Die kleine Gestalt rümpfte die Nase, als wenn ihm der Befehl seines eigentlichen Hausherren missfallen würde. »Aber Meister Potter … Das Zimmer von Meister Sirius ist das, welches am besten erhalten ist. Meister Malfoy sollte nur die beste Unterkunft beziehen.« Der Elf zog geräuschvoll die Nase nach oben und legte seinen Kopf leicht schief. Nein das ging nicht. Das fühlte sich falsch an. Nervös nestelte Harry an dem Saum seines Umhanges. »Schon okay, Potter.«, sagte Draco schließlich, welcher leicht verwirrt über Harrys Reaktion zu sein schien. »Hol uns etwas Tee, Elf. Earl Grey. Einen Schuss Milch und einen Löffel Zucker«, befahl er Kreacher, welcher heftig nickend sich mehrfach tief verbeugte, nur um rückwärts aus dem Zimmer zu eilen. Verwundert über die plötzliche Folgsamkeit des doch eigentlich sehr sturen Hauselfen schüttelte Harry den Kopf. »Du hast einen Hauselfen, Potter?«, fragte Draco schließlich und ein müdes Lächeln zierte seine Lippen. »Er scheint dich mehr zu mögen als mich, also behalte ihn ruhig.«, schnaubte Harry und grinste. Draco zögerte kurz und legte seinen Kopf schief. »Wir hatten viele Hauselfen im Manor.«, sagte er leise, seufzte und setzte sich neben Harry auf das kleine Sofa. Er war froh, dass Draco es nicht hinterfragte, warum er nicht in diesem Zimmer schlafen durfte. Dies war eine Eigenschaft, die er wirklich an ihm bewunderte und die ihm in der kurzen Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, mehrfach aufgefallen war. Es war, als wenn er spüren konnte, dass Harry nicht bereit war, gerade darüber zu sprechen. Schweigend betrachtete er sein Gegenüber. Die plötzliche Nähe ließ das klamme Gefühl in seiner Brust überhand ergreifen. Das Kissen, welches er schützend zwischen ihnen platziert hatte, war bei Dracos Bewegung von der Couch gerutscht. Seine Kehle fühlte sich zugeschnürt an und am liebsten hätte Harry nach Luft geschnappt. Er rutschte ein wenig zur Seite, was Draco beobachtete und ihn die Lippen schürzen ließ. »Versteh mich nicht falsch, Potter. Ich würde niemals das hier -« Er blickte sich abfällig im staubigen Wohnzimmer um »angesichts deiner Großzügigkeit kritisieren … aber …« »Es ist heruntergekommen.«, beendete Harry seinen Satz. »Das ist noch wirklich nett formuliert.« Sie grinsten sich an und für einen Moment löste es die Spannung, die zwischen ihnen herrschte. Vielleicht machte er sich auch einfach zu viele Gedanken, dachte sich Harry und betrachtete das schmale Gesicht seines Gegenübers. Die hohen Wangenknochen spannten die blasse Haut und ein leichter Rotschimmer zierte seine Wangen. Wenige blonde Strähnen hingen ihm ins Gesicht und Harry fielen plötzlich einige weiße Fäden auf, die sich an einer Stelle in die Haare verworren hatten. Ohne wirklich drüber nachzudenken streckte er die Hand aus und griff in das weiche Haar vor ihm, um die Spinnweben vorsichtig herauszuziehen. Sein Zeigefinger glitt sanft zwischen die Strähnen. Draco wirkte wie erstarrt, unfähig etwas zu tun oder zu erwidern, jede Bewegung mit den grauen Augen verfolgend. Der Faden klebte leicht an seinem Zeigefinger, als Harry ihn berührte. Sachte zog er die Reste des Netzes aus dem Haar und strich es wieder glatt. »Ehm … du hattest …«, stammelte Harry, als ihm die Situation bewusst wurde. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals und er stand hastig auf. »Der Tee.«, sagte Kreacher und stellte mit einem klirrenden Geräusch ein Tablett mit zwei Tassen auf den kleinen Beistelltisch. »Kreacher.« Harry atmete auf. Das dumpfe Pochen seines Herzens schlug gegen seine Brust und er befürchtete, dass Draco es hören musste, so laut, wie es war. Hastig griff er nach einer Tasse und trank einen Schluck, als ihm schließlich eine Idee kam. »Das Zimmer von Regulus Black, kann Draco darin schlafen, Kreacher?«, fragte er den Hauselfen und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Das Schlafgemach von Sirius Bruder war direkt im Nachbarzimmer im vierten Stock und Harry war das letzte Mal dort drin gewesen als er die goldenen Initialen R. A. B. auf der Tür entdeckt hatte. Die gleichen Initialen, die der Dieb des Medaillons hinterlassen hatte. »Kreacher kann das Zimmer herrichten, Meister Potter.«, murmelte der Hauself genervt und machte sich auf dem Weg. »Vielleicht solltest du auch ein wenig schlafen, Potter. Deine Augenringe haben Augenringe.«, sagte Draco, der ebenfalls aufgestanden war. »Ich komm schon klar.« , meinte Harry und versuchte ihn anzulächeln, doch es gelang ihm nicht so recht. Er musste sich wirklich zusammen reißen, sonst würde sich das Zusammenleben mit Draco als schwierig darstellen. »Ich weiß nicht, ob im Unterricht einschlafen die Definition von klar kommen ist«, sagte er zweifelnd und näherte sich ihm. Doch wenige Zentimeter vor ihm stoppte Draco, betrachtete ihn und schien auf eine Reaktion zu warten, doch Harry war nicht fähig zu antworten. Regungslos stand er da und starrte in die sturmgrauen Augen, die durch die Partien seines Gesichts huschten. Er konnte seinen Blick nicht deuten als er sich jedoch abwandte und laut schnaufte. »Wie auch immer.«, seufzte Draco und zuckte leicht mit den Schultern. »Ich brauche meinen Schönheitsschlaf, also werde ich mir jetzt das Zimmer angucken. Könnte dir auch mal gut tun, Potter.« Er zwinkerte ihm zu und verließ den Raum. Ruhig betrachtete er, wie sein neuer Mitbewohner auf den oberen Treppenstufen verschwand, bis Harry ihn schließlich nicht mehr sehen konnte. Erschöpft stieß er den restlichen Atem aus seiner Lunge und ließ sich erneut auf das Sofa fallen. Schlafen war wahrscheinlich das Letzte, an das Harry nun denken konnte.     ~~~*~~~ Kurz vor Mitternacht wurde er durch ein lautes Poltern aus seinem dösenden Zustand gerissen. Ein fluchender Schmerzensschrei folgte dem Geräusch unmittelbar. Harry gähnte ausgiebig und schlängelte sich aus der warmen Wolldecke. Er hatte sich die letzten Stunden vor dem Kaminfeuer bequem gemacht und gegen die Müdigkeit gekämpft. Neugierig ging er langsam in Richtung Flur nur, um Draco vorzufinden, wie er am unteren Treppenabsatz auf dem Boden hockte und sich seinen Knöchel rieb. »Alles okay?«, fragte ihn Harry besorgt und ging in die Hocke, um sich die Verletzung genau anzugucken. Draco hatte das Hosenbein leicht hochgerafft und Harry konnte eine leichte Bissverletzung an seinem Knöchel erkennen. Aus der Wunde sickerte etwas Blut, welches auf den Boden tropfte. »Sieht das etwa so aus?«, zischte Draco aufgebracht und wischte mit einem Tuch das Blut auf. »Die vorletzte Stufe beißt manchmal. Hätte ich vielleicht erwähnen müssen …« Harry lächelte leicht und zog seinen Zauberstab. Draco schnaubte laut, erhob jedoch bei dieser Geste seinen Kopf und fixierte den Stab in Harrys Hand. »Darf ich?«, fragte Harry nervös unter dem prüfenden Blick. »Kannst du das denn?«, fragte Draco unsicher. Harry nickte sachte und deutete auf die Wunde. Heilzauber fielen ihm mittlerweile ziemlich leicht. Die ewige Flucht in der Wildnis hatte letztendlich auch ihre Vorteile gebracht. Harry hatte sich Fähigkeiten angeeignet, die er normalerweise nie gebraucht hätte. Doch sein Leben war schließlich nie normal gewesen, oder? »Das fühlt sich warm an.«, nuschelte Draco und sah auf das grüne wabernde Licht, welches sachte aus Harrys Stab drang und seinen Knöchel umschloss. Das Blut verblasste und die Verletzung begann zu heilen. »Und wieder der Retter in der Not.«, witzelte er und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Kannst du aufstehen?« Harry streckte ihm seine Hand entgegen. Diese Szene kam ihm bekannt vor, doch diesmal zögerte Draco nicht und ergriff die Hand, die ihm angeboten wurde, ließ sich ohne zu Knurren hochziehen. »Komm mal mit.«, sagte Draco bestimmt und ging an ihm vorbei in das Wohnzimmer. Inmitten des Raumes blieb er stehen. Das Kaminfeuer war fast erloschen und die blonden Haare Dracos leuchteten im Mondlicht, welches durch das Fenster fiel. Er drehte sich um und blickte ihm entgegen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Vertraust du mir, Potter?« Draco grinste verschmitzt und Harry war sich nicht ganz sicher, worauf er eigentlich hinaus wollte. Was sollte diese Frage? Was hatte er schon wieder vor? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Dennoch nickte er langsam. Neugierig trat er ein paar Schritte an sein Gegenüber heran, dessen Grinsen immer breiter wurde und auch Draco trat einen Schritt auf Harry zu, so dass er nun direkt vor ihm stand. »Dann mach den Mund auf und die Augen zu.«, sagte Draco und sie standen sich so nahe, dass sein heißer Atem gegen seine Lippen stieß. Harry fühlte sich zurückversetzt an diesen Abend. Der Abend, der seine Gefühlswelt so durcheinandergebracht hatte. Dieser regnerische Abend und die weichen Lippen, welche sich so fest und begierig gegen seine gepresst hatten. Der feste Griff der langen Finger, die seine Hüfte umfasst hatten. Die Wärme, welche jetzt auch wieder so präsent war … Zu nah, schoss es durch seine Gedanken und Harry trat instinktiv einen Schritt zurück. »Na komm schon, Potter. So funktioniert das nicht.«, schnaufte Draco und öffnete demonstrativ seinen eigenen Mund. Weiße Zähne blitzen ihm entgegen. »Ist gar nicht so schwer siehst du? Oder hast du etwa Angst?« Die letzten Worte waren nur geflüstert. Er würde noch den Verstand verlieren, wenn das so weiter ging. »Nein, natürlich habe ich keine Angst.«, sagte er trotzig und schloss seine Augen. Es brachte doch nichts. Resignierend seufzte er und öffnete schließlich den Mund einen Spalt breit. Vertrauen … Wenn Harry ehrlich zu sich selbst war, fiel es ihm sehr schwer, sich einfach fallen zu lassen. Es fiel ihm schwer, sich so unbewaffnet nach all den Ereignissen im Krieg jemanden Gegenüber zu zeigen, der nicht Ron oder Hermine war. Und nun mit geschlossenen Augen vor Draco zu stehen … Doch zunächst passierte nichts. Als er jedoch eine Berührung auf seiner Unterlippe wahrnahm, entfloh ihm ein leises Keuchen. Draco hatte den Daumen auf seine Lippe gelegt und umfasste sanft seinen Kiefer, um ihn ein wenig nach unten zu ziehen und weiter zu öffnen. Die Berührung brannte auf seiner Haut und Harry war sich sicher, dass er jeden Moment in Flammen aufgehen würde. Es fühlte sich komisch an, so mit geschlossenen Augen und geöffneten Mund vor ihm zu stehen, doch Harry hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken als Draco ihm etwas auf seiner Zunge platzierte. Ein bitterer Geschmack drang durch seinen Mundraum und Harry musste sich davon abhalten, dass er, egal was Draco ihm gerade gegeben hatte, es nicht unmittelbar wieder ausspuckte. »Behalt es drin, Potter. Und wehe du schluckst.«, sagte er bestimmt und Harry öffnete die Augen. Grinsend stand Draco ihm gegenüber und streckte ihm seine Zunge entgegen, auf der ein dunkelgrünes Blatt lag. »Was ist das?«, fragte er verwundert und schob das Blatt in seinem Mundraum hin und her. Es war schwierig, mit dem Fremdkörper zu sprechen. »Ein Alraunenblatt. Heute ist Vollmond. Das ist der erste Schritt für den Trank. Wir müssen das Blatt einen Monat im Mund aufbewahren.«, erklärte Draco und kratzte sich verlegen. »Einen Monat?«, fragte Harry entsetzt. Ihm fiel es schwer, das bittere Gefühl in seinem Mund zu ignorieren. »Ja und du darfst es nicht vermasseln, Potter. Wir haben nur diese eine Chance. Du darfst es weder verschlucken, noch zerstören, sonst müssen wir bis zum nächsten Vollmond warten.« Sturmgraue Augen fixierten ihn und Harry konnte eine aufkeimende Hoffnung in ihnen erkennen. Die Hoffnung, an die sich sein Gegenüber klammerte, die Harry am liebsten niemals verblassen sehen wollte. Ein Bröckeln seiner doch sonst so präsenten Maske. Ein zaghaftes Grinsen zierte Dracos blasse Lippen, worauf schließlich Harry ergeben nickte. »Niemals.«, sagte Harry bestimmt und ihm wurde bewusst, dass das Ganze etwas komplizierter werden würde, als er es sich zunächst ausgemalt hatte.   ~~~*~~~   Kapitel 17: Gift ---------------- Kapitel 17: Gift     Das gleißende Licht blendete, während der Schweiß mühsam von seiner Stirn tropfte. Alle Lichtquellen waren auf den den metallenen Stuhl gerichtet, der inmitten des Gerichtssaals stand. Doch die ausgemergelte Gestalt saß in den Schatten, schützend verdeckt von Harry selbst, der seinen Blick hob, um die Zauberer und den Minister auf den höheren Rängen besser erkennen zu können. »Dennoch ...«, hörte er seine eigene Stimme im Saal widerhallen. Ein weiterer Schweißtropfen suchte sich seinen Weg über seine Schläfe und blieb am Gestell seiner Brille hängen, während das dumpfe Hämmern seines Herzens ihn jeden einzelnen Blick spüren ließ, der in diesem Moment auf ihm haftete. »Dennoch stehe ich nur vor euch …«   Er drehte sich um und zeigte mit einem Finger auf die Gestalt hinter ihm auf dem Stuhl, die ihn schockiert aus leblosen mattgrauen Augen anstarrte. Ein einziger Funken war in ihnen zu erkennen. Eine unweigerliche Reaktion auf das Erscheinen seines Rivalen an dem letzten aussichtslosen Wegzweig seines Lebens. »Nur weil Draco Lucius Malfoy mir vor der Schlacht das Leben gerettet hat. Meines, das von Hermine Granger und das von Ronald Weasley. Hätte Malfoy nicht vor seinen eigenen Eltern gelogen, für uns, würde Voldemort jetzt wahrscheinlich dort an ihrem Platz sitzen, Herr Minister.« Er deutete auf die höheren Ränge, wo er Kingsley hinter dem blendenden Licht vermutete, und ein empörtes Aufkeuchen ging durch die Reihen des Zaubergamots. »Sie werden diesen Gerichtssaal nun verlassen, Mr. Potter. Sie sollten den natürlichen Schutzschild Ihrer Taten nicht zu sehr strapazieren.«, mahnte ihn der Minister und Harrys Herz setzte einen Moment aus. Das Letzte, was Harry wahrnahm, war, wie Draco hinter ihm leise etwas flüsterte, als Rauschwaden seine Sicht vernebelten und der Gerichtssaal vor seinen Augen verschwamm. Hektisch versuchte er, sich zu Draco zu drehen, wollte ihn fragen, was er gesagt hatte, doch das Einzige, was er sah, war die tiefschwarze Dunkelheit, die ihm umgab. Er versuchte zu Blinzeln, um seinen Blick zu schärfen, und dann sah er sie, die sturmgrauen Augen, die ihn nachdenklich betrachteten. Überrascht, dass Harry plötzlich aufgewacht war, brach er jedoch schnell den Blickkontakt und widmete sich erneut seinem Buch, das auf seinem Schoß lag. Die einzelnen Holzscheite des Kaminfeuers glühten nur noch vereinzelt und das Wohnzimmer hatte die winterliche Kälte in sich aufgenommen. Fröstelnd zog er die warme Wolldecke näher an sich heran. Wie spät war es? Sein Blick suchte das Fenster, um die Tageszeit auszumachen. Am Horizont konnte er beobachten, dass gerade die Sonne aufging und die ersten Sonnenstrahlen den Park vor ihrer Tür in ein warmes Licht tauchten. Ein Seufzen entglitt seiner Kehle. Eigentlich hatte er es ja vermeiden wollen einzuschlafen. Doch die Müdigkeit und die lange Zugfahrt saßen in seinen Knochen und hatten schlussendlich ihren Tribut gefordert. »Wie lange geht das schon?«, rissen ihn Dracos zaghafte Worte aus seinen Gedanken und er drehte erneut seinen Kopf zu ihm. Harry fiel auf, dass er deutlich besser aussah als damals im Gerichtssaal und ließ seinen Blick über den Körper gleiten. Sein Gesicht wirkte nicht mehr so eingefallen, die Züge sanfter. Er trug keine Gefängniskleidung mehr, sondern einen grau-blauen Morgenmantel, welcher sich seicht an die blasse Haut schmiegte. Vermutlich war es ein teurer Stoff, den Harry nicht einmal benennen konnte. Und dennoch ... Ob es ihm jetzt besser ging?, fragte er sich und überlegte, worauf sein Gegenüber mit seiner Frage hinaus wollte. »Was meinst du?«, schnaufte er schließlich, um einer Diskussion über seine Träume zu entgehen, doch Draco antwortete nicht und Harry sah, wie seine Augen für einen Moment durch sein Gesicht huschten. Harry zögerte, sein ehemaliger Rivale musste nun wirklich nicht wissen, dass er dieses kleine Problem hatte. Es reichte schließlich, dass Ron und Hermine ihn ständig deswegen ausfragten und aus Sorge belagerten. Es fehlte ihm gerade noch, dass Draco sich auch noch … »Machst du dir etwa Sorgen um mich?«, fragte Harry verwirrt und bereute es im gleichen Moment wieder, als er bemerkte, wie Draco kurz nach Luft schnappte und kopfschüttelnd aufstand. »Bild dir nicht zu viel ein, Potter.«, zischte er und ging ein paar Schritte durch den Raum, verweilte jedoch dann an diesem Punkt, den Rücken zu ihm gewandt. »Deine Unkonzentriertheit, welche jeden guten Trankbrauversuch zu nichte macht und deine ledierte Unterlippe sind Indizien genug, damit jeder Vollidiot bemerkt, was mit dir los ist.«, sagte Draco trotzig und drehte sich erneut zu ihm um. Instinktiv fasste Harry sich an seine Lippe und fuhr mit der Fingerkuppe über die eingerissenen Stellen, die er mit seinen Zähnen verletzt hatte. Es war eine schlechte Angewohnheit. Ein nervöser Tick, den er nicht ablegen konnte. Doch dass Draco es aufgefallen war … »Warum schläfst du hier unten?«, fragte dieser ihn schließlich und setzte sich seufzend erneut auf das Sofa neben ihm. Harry beobachtete, wie Draco grazil die Beine übereinander faltete und ihm entgegenblickte. »Schlafen war eigentlich nicht der Plan den ich hatte....«, seufzte Harry doch Draco unterbrach ihn. »Nein, du wolltest mal sehen, wie lange es dauert, bis dein Körper einen Schlussstrich zieht und du zusammenbrichst.« Ertappt lächelte er und Dracos Blick verfinsterte sich. »Also, Harry, wie lange geht das schon?« »Jetzt sind wir doch wieder bei den Vornamen, Malfoy?«, lachte Harry in seiner Unsicherheit und nestelte an dem Saum der Decke. »Verdammt, Potter. Ich versuche nett zu sein, okay?«, zischte Draco und senkte seinen Blick. Harry blinzelte mehrfach, da er von der Aussage überrumpelt war. Er war so ein Idiot. Natürlich wollte er nur nett sein. Als ob sich Draco jemals Sorgen um ihn machen könnte. Was hatte er sich eigentlich gedacht? »Seit ich denken kann eigentlich … Aber nach dem Krieg haben sich meine Träume verändert.« Seine Stimme war lediglich ein zögerliches Flüstern, als wenn sich der Ton weigern würde, aus seinem Mund zu entweichen. Was brachte es noch, es vor Draco zu verheimlichen? Wenn sie hier zusammen wohnten, würde er sowieso früh oder spät davon Wind bekommen. Harry betrachtete schweigend das Gesicht seines Gegenübers, versuchte, eine Reaktion herauszulesen, doch Draco sah gedankenverloren aus, in dem Versuch, die Information einzuordnen, als plötzlich pure Angst in seinem Blick aufflackerte. »Aber du hast ihn doch … Es ist vorbei richtig?« »Nein, er wird nicht zurück kommen.«, versicherte Harry hastig, um sein Gegenüber zu beruhigen, welcher sogleich tief ausatmete. Ein paar Minuten lag eine Stille zwischen ihnen. Harry wusste, dass Draco nicht erneut nachfragen würde, war er selbst doch schon verwundert gewesen, dass er überhaupt Interesse an seinen privaten Angelegenheiten zeigte. Er hatte ihm hier seine Hand gereicht. War es nicht das, was er die ganze Zeit gewollt hatte? Doch warum fühlt es sich dann so verboten an?, fragte er sich und begann zu erzählen. »Die Geschehnisse … verfolgen mich. In meinen Träumen. Es fühlt sich unwirklich an. Als würde die Gegenwart mit der Vergangenheit verschwimmen. Manchmal weiß ich gar nicht, was wirklich echt ist, verstehst du das?«, gab er es schließlich mit brüchiger Stimme zu. Doch bevor er sich fragen konnte, ob dies so richtig war, ihm das alles zu offenbaren, wurde Dracos Blick sanfter und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Ja, ich verstehe das … nur zu gut, Potter.«, murmelte er und Harry fiel es schwer, seinen Blick zu deuten. Er versank in diesen Augen, die ihm gerade so viel Verständnis entgegenbrachten, wie Harry es nie für möglich gehalten hätte. Draco Malfoy war wahrscheinlich einer der wenigen Personen, die seine Lage wirklich nachempfinden konnten. Auch er hatte keine Wahl gehabt. Keine Wahl in dieses Leben, in diesen Krieg hineingeboren zu werden. »Das Frühstück ist angerichtet, Meister Malfoy, Sir.« Der bucklige Hauself, welcher soeben seinen Kopf durch den Türrahmen steckte, beäugte sie misstrauisch. Hastig stolperte er durch die Tür und verbeugte sich tief. »Das Frühstück?«, sagte Harry verwundert und blickte zu Draco, der zweifelnd leicht den Kopf schief gelegt hatte. Kreacher hatte ihm noch nie Frühstück gemacht, doch Dracos Anwesenheit in diesem Hause, schien die Arbeitsbereitschaft des Elfen neu entfacht zu haben. »Ja, Kreacher hat nur die besten Sachen aus dem Vorratsraum ausgewählt. Ganz wie es Meister Malfoy gebührt, Sir.« Seine glasigen Augen fixierten Draco und betrachteten ihn hoffnungsvoll. Draco zögerte. Er schien mit sich zu hadern, wahrscheinlich viel zu überfordert mit der Situation und der Aussicht mit Harry zu frühstücken, doch das laute Magenknurren von eben diesem ließ Malfoy seinen Blick Harry zuwenden, eine Augenbraue in die Höhe gezogen. »Danke eh ..«, sagte Draco, den Blick immer noch Harry zugewandt. »Kreacher, Sir.« Mit einer letzten tiefen Verbeugung verließ der Hauself schließlich den Raum. »Sehr engagiert, der Gute.«, bemerkte Draco und sah Harry zweifelnd an, der jedoch laut auflachte. »Bei dir vielleicht, Meister Malfoy, Sir« Er verbeugte sich tief, um Kreacher nachzuahmen, was Draco wiederum auch ein kleines Lachen entlockte. »Immerhin weiß er, wem Respekt gebührt, Potter. Da könntest du dir ruhig ein Beispiel dran nehmen.«, sagte Draco gespielt grimmig und hob eine Hand, um ihm zu signalisieren ihm zu folgen. Harry starrte jedoch nur ungläubig auf diese Geste. »Na komm schon, Potter. Ich werde das bestimmt nicht alles alleine essen.«, bestimmte Draco und verließ den Raum. Er konnte nicht verhindern, dass sein Herzschlag sich bei diesen Worten kurz beschleunigte. Nickend stand er auf und folgte ihm in das Esszimmer.   ~~~*~~~ »Ach wer soll dir das denn glauben, Potter?«, lachte Draco unbeschwert und nippte an seinem Ginger Ale. Am frühen Abend hatte er Kreacher doch tatsächlich überreden können, ihnen einige Getränke aus dem Vorratsraum zu holen. Harry hatte nie gewusst, dass der Grimmauldplatz diesen Raum überhaupt besaß und er hätte vermutlich gewettet, dass der Hauself es auch tunlichst vermieden hatte, Harry von seinen eigenständigen Einkäufen im Supermarkt abzuhalten. »Nein ehrlich. Ich habe meinen Namen nicht in den Kelch geworfen.«, gluckste Harry und grinste. Draco tippte mit zwei Fingern auf dem hohen Holztisch herum und sah ihn skeptisch an. »Ich meine … wer würde das schon freiwillig mitmachen?«, fragte er schließlich, um seine Aussage glaubhafter zu machen. »Wahnsinnige, Potter.«, murmelte Draco. »Oder Leute die nichts mehr zu verlieren haben.« Sie saßen nah beieinander und Harry fiel zum ersten Mal auf, wie schwarz und dicht Dracos Wimpern eigentlich waren. Wie ein Kranz aus eleganten Federn legten sich die Wimpern um die Augenlider. Sie sahen für einen Mann schon sehr feminin aus, doch irgendwie … mochte Harry es. »Naja … vielleicht bin ich ja wahnsinnig.«, sagte er seufzend, stand auf und schnappte sich seine Jacke, welche über dem Stuhl hing. »Willst du noch weg?«, fragte Draco neugierig. Er musste unbedingt noch in die Winkelgasse, um die Geschenke für Weihnachten zu besorgen. Schließlich war er bei den Weasleys eingeladen. Doch … musste Draco etwa auch noch Besorgungen machen? Sie hatten bisher noch nicht darüber gesprochen gehabt, ob Draco den Grimmauldplatz verlassen sollte. Harry hatte das Thema möglichst vermieden und am liebsten wäre ihm es gewesen, wenn Draco keinen Fuß mehr nach draußen setzen würde. Wir sind angegriffen worden, schossen ihm Zabinis Worte durch den Kopf. War es sicher für Draco nach draußen zu gehen? Der Grimmauldplatz stand unter dem Fidelius-Zauber. Hier würde niemand an ihn herankommen. Doch er konnte Draco ja schlecht wie eine Prinzessin im Turm einsperren, bis ihr Prinz zurückkehrte. Verlegen kratze sich Harry an seinem Hinterkopf. Was für ein Gedanke. Seine Wangen glühten und sein Blick glitt leicht zu Seite. »Hast du etwa ein Date?«, fragte Draco zögernd und hob eine Augenbraue angesichts der Gesichtsfarbe seines Gegenübers. »Ein -« Harry stockte und schaute ihm schockiert entgegen. »Wie kommst du … Nein, ich habe kein Date, Malfoy.«, zischte er und schlüpfte in die Ärmel der warmen Winterjacke. »Ich will Weihnachtsgeschenke kaufen gehen.«, murmelte er schließlich und ging in den Flur, um seine Schuhe anzuziehen. Draco holte ihn kurz vor der Tür ein und blieb hinter ihm stehen. »Weihnachtsgeschenke … Stimmt, da war ja was.« Er zögerte kurz. »Bist du … Naja …«, wollte Draco sagen, doch Harry unterbrach ihn. »Ja ich weiß, ich bin spät dran.«, sagte Harry ohne ihn anzusehen und band sich die Schnürsenkel seiner Schuhe zu. Er wusste, dass es vermutlich einen Zauber dafür gab, doch Harry war es einfach gewohnt, sie so zuzubinden. »Aber morgen ist bereits Weihnachten und ich habe noch gar nichts gekauft.«, seufzte er und suchte schließlich Dracos Blick. »Achso.« Mehr sagte Malfoy nicht. Einen kurzen Moment schwiegen sie. Es war, als wenn etwas zwischen ihnen stehen würde, doch Harry konnte es nicht wirklich definieren also brach er die Stille und murmelte ein »Ich bin in so einer Stunde wieder da … « und verließ den Grimmauldplatz durch die Haustür, ohne sich noch einmal umzudrehen.   ~~~*~~~ »Für Ihre Freundin?«, flötete die junge Verkäuferin des Schmuckgeschäftes und lächelte sanft. Sie beugte sich so weit über die Glastheke, dass Harry einen guten Ausblick in ihr Dekolletee hatte. »Eine Freundin.«, sagte er schließlich genervt und drehte die goldenen Ohrringe einmal gegen das Licht. Würde Ginny das tragen? Während der Zeit, in der sie beide zusammen waren, hatte Ginny immer wenig Schmuck getragen. Doch sicher war es egal, da sie nicht erwartete, dass Harry ihr überhaupt etwas schenken würde. »Wie teuer sind die?«, fragte er schließlich die Hexe. »Eine gute Wahl. Meine Kundinnen lieben dieses Design, Sie können sich glücklich schätzen, dass -«, plapperte die junge Hexe, doch Harry schnaufte nur. »Wie teuer?«, zischte er und seine Stimme wurde ernster. Es hatte ein kurzer Ausflug werden sollen, doch Harry hatte den vorweihnachtlichen Trubel in der Winkelgasse wirklich unterschätzt. Seit drei Stunden war er bereits unterwegs und dies war das letzte Geschenk auf seiner Liste. Seine Nerven waren am Ende und er wollte einfach nur noch nach Hause. »Fünfzehn Galleonen für dieses Schmuckstück.«, sagte die Verkäuferin hastig nickend und ging auch sogleich zur Kasse, ohne sich von seiner schlechten Laune beeinflussen zu lassen. Es wunderte ihn zwar nicht, war die Hexe es vermutlich gewohnt, dass Kunden nicht immer freundlich waren, und dennoch verspürte Harry ein Schuldgefühl in sich aufkommen, als er erneut in ihr Lächeln blickte. »Sie können hier an der Kasse bezahlen, Mr Potter.«, sagte sie und winkte ihn zu einem kleinen Tisch heran. Er kam näher und konnte erkennen, dass auf der Tischplatte noch weitere Schatullen ausgestellt waren, in denen verschiedene Medaillons und andere Ketten auf weichem Samt präsentiert wurden. Ein hellgrüner Smaragd fiel ihm ins Auge. Er wurde von einem silbernen Drachen gehalten, welcher vielleicht so groß wie sein Daumen war. Die Klauen, sowie der ganze Körper des Geschöpfes, umschlangen den Stein und hielten ihn behutsam in einer kleinen Verankerung, an der eine silberne feingliedrige Kette befestigt war. »Oh!«, schrie die Hexe verzückt auf. »Die scheint es Ihnen ja angetan zu haben. Doch lieber die Kette anstatt der Ohrringe?«, fragte sie lächelnd. Harry hatte ihre Anwesenheit beinahe vergessen und sah sie überrascht an. »Was?« »Sie haben einen guten Geschmack Mr. Potter. Das ist ein Schutztalisman.«, begann sie zu erklären. »Sie schenken die Kette einer Person, die Ihnen am Herzen liegt. Es gibt ein Gegenstück, hier.« Sie zog eine kleine Schatulle heraus und öffnete sie. Derselbe Stein, wie der Drache ihn beschützte, nur ein wenig kleiner, lag in der Schatulle und war an einem silbernen Armband befestigt. »Der Stein.« Sie deutete auf den blassgrünen Smaragd. »Spürt wenn der Träger der Kette in Gefahr ist und verfärbt sich.«, sagte sie leise und ihr Lächeln wurde etwas verträumt. »Eine Einzelanfertigung, die ich noch nicht lange im Sortiment habe. Viele wollen in der aktuellen Lage nach dem Krieg ihre Angehörigen in Sicherheit wissen. Ich dachte sie würde sich schnell verkaufen, doch da es sich um ein handgefertigtes Schmuckstück handelt, ist der Preis leider etwas höher …« Sie betrachtete die Kette und seufzte. »Auch wenn sie echt schön ist.« »Ich nehme sie.«, sagte Harry, ohne weiter drüber nachzudenken, und kramte nach seinem Geldbeutel. »Eh – natürlich, ich kann verstehen .. Moment, was? Sie nehmen sie?« Die Hexe blinzelte zwei Mal ungläubig, kramte jedoch hastig ihren Quittungsblock hervor. »Natürlich. Eine tolle Wahl, Mr. Potter.« Harry hatte nicht gedacht, dass ihr Grinsen noch breiter werden konnte, doch er täuschte sich. »Zusätzlich oder...«, fragte sie zaghaft. »Zusätzlich, nun sagen sie schon, was sie von mir bekommen.«, seufzte er erschöpft und wollte am liebsten einfach den Laden verlassen. »Zweihundert-«, murmelte sie, doch Harry verstand sie nicht ganz. »Wie bitte?« Er versuchte sie mit einem Lächeln zu ermutigen und es klappte, als die junge Hexe ihm schließlich den vollen Preis nannte. »Zweihundertachtundneunzig Galleonen.« Sie errötete kurz, doch Harry schüttete seinen Geldbeutel auf die Holzplatte und einige goldene glänzende Münzen fielen heraus. »Das sind dreihundert. Behalten Sie den Rest.« Er schnappte sich die kleine Tasche, in der seine Einkäufe waren und verließ den Laden, während die Verkäuferin immer wieder ungläubig ihm hinterher und sodann auf das verstreute Geld blickte. »Beehren Sie uns wieder!«, schrie sie ihm noch hinterher, doch Harry hatte den Laden bereits verlassen und betrat die Winkelgasse erneut. Ein Seufzen entglitt seiner Kehle, als er die schweren Einkaufstaschen kurz auf den Boden stellte. Das hatte länger gedauert, als ihm lieb war. Wie er es hasste, shoppen zu gehen. Es war einfach eine unglaubliche Anstrengung. Das es kurz vor Weihnachten war und sein Name Harry Potter lautete, vereinfachte das Ganze nicht unbedingt. Nachdenklich betrachtete er die kleine weiße Tragetasche, in der sich die Kette befand. Warum hatte er sie jetzt eigentlich gekauft? Er trug eigentlich keinen Schmuck. Und dennoch hatte es sich richtig angefühlt sie zu kaufen. Das Gesicht von Draco tauchte vor seinen Augen auf und er schüttelte den Kopf. Durch die Kälte wurde ihm erst richtig bewusst, wie heiß seine Wangen waren. Sicher würde Draco die Kette gefallen, immerhin war ein kleiner Drache ein passendes Sinnbild, wenn man seinen Namen bedachte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Harrys Lippen. Er konnte sich ja immer noch entscheiden, ob er die Kette Draco wirklich schenken würde. Immerhin wüsste er auf diese Weise, ob er in Gefahr schwebte, wenn er das Haus verließ und ehrlich gesagt, beruhigte dieser Gedanke ihn ungemein.   Harry schulterte die schweren Tüten, in denen sich auch einige Bücher befanden, die er extra für Hermine ausgesucht hatte, und apparierte endlich zum Grimmauldplatz zurück, um sich seine wohlverdiente Ruhe zu gönnen. Eine leichte Übelkeit ergriff ihn, als er schließlich erneut im Eingangsbereich ankam und seine Schuhe auszog. Er konnte leise Stimmen aus dem Esszimmer wahrnehmen. Neugierig, was das zu bedeutet hatte, näherte er sich und betrat den länglichen Raum, nur um von einem sehr skurrilen Anblick begrüßt zu werden. Hermine saß am Hochtisch zusammen mit Malfoy und schwenkte ihr Weinglas ihm entgegen, während sie ihn anlächelte. Als sie jedoch beide Harry bemerkten, verdunkelte sich ihr Blick und sie schürzte ihre Lippen. »Harry.«, sagte sie bestimmt. »Ich kann das erklären …« sagte er und entgegnete ihrem mahnenden Blick entschuldigend. »Da bin ich aber mal gespannt.«   ~~~*~~~ Kapitel 18: Heartbeat --------------------- »Ich kann das erklären …« sagte er und entgegnete ihrem mahnenden Blick entschuldigend. »Da bin ich aber mal gespannt.«   ~~~*~~~ Kapitel 18: Heartbeat     Unruhig huschten seine Augen zwischen seiner besten Freundin und seinem neuen Mitbewohner hin und her, versuchten, die Situation zu realisieren. Dracos Blick in seine Richtung war vorsichtig, bedacht und Harry konnte etwas darin erkennen, was er so nicht ganz definieren konnte. Doch bevor Harry Hermine antworten konnte, erhob sich Malfoy mit einem Seufzen von dem Barhocker, hob abweisend die Hand und ging an ihm vorbei. Harrys ganzer Körper spannte sich an, als er die Präsenz neben sich wahrnahm. Der vertraute Geruch von schwarzem Tee und Pergament drang in seine Nase und ließ ihn kurz tief einatmen. Er blieb an dieser Stelle stehen, unfähig sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, bis er schließlich die Tür hinter sich ins Schloss fallen hörte, was den Raum in eine unangenehme Stille tauchte. Hermines aufbrausendes Stöhnen brachte ihn erneut in die Realität zurück und er blickte zu seiner besten Freundin, welche die Hände gefaltet hatte und ihn mit schief gelegtem Kopf nachdenklich fixierte. »Was mache ich bloß mit dir, Harry?«, seufzte sie und nippte an ihrem Weinglas, bevor sie es mit zwei Fingern erneut auf die Tischplatte stellte. Harry zögerte kurz, doch seine angespannten Schultern fielen nach unten und er setzte sich neben sie an den Hochtisch. »Er brauchte meine Hilfe …«, sagte er leise, ohne sie anzusehen. Es war unmöglich, ihr jetzt in die Augen zu blicken, denn Harry war sich sicher, dass sie vermutlich mehr hinter seinem Handeln vermutete als lediglich ein Versuch, alte Feindschaften zu beenden. »Er ist ...«, begann sie schließlich und neigte ihren Kopf, suchte seinen Blick, doch Harry fand nicht den Mut, seinen Kopf zu heben. »Harry… immerhin ist es Malfoy, über den wir hier sprechen. Aber ...« Sie tippte mehrfach mit den Fingerspitzen auf die Holzplatte, als wenn sie nach den richtigen Worten suchen würde. Sie schien unzufrieden damit zu sein, dass ihr bester Freund sie nicht ansah, ihr auswich, dass er ihr eine so wichtige Information verschwiegen hatte. »Ich wollte eigentlich nur fragen, ob du morgen auch wirklich in den Fuchsbau kommst. Und dann finde ich ihn hier, bei dir ...« Sie zögerte. »Warum wohnt er hier Harry?«, fragte sie schließlich und Harry wusste nicht ganz, was er ihr antworten sollte. »Ich meine … Ich … Harry, ich bin seit etwa zwei Stunden hier. Er hat mich weder beleidigt, noch verflucht. Verdammt, er hat mir sogar etwas zu trinken angeboten.« Sie hob mit einem deutenden Blick auf ihr Weinglas eben dieses und schwenkte die Flüssigkeit demonstrativ vor seiner Nase. Seine Zähne gruben sich in seine Unterlippe und er betrachtete diese Geste. Sah, wie der Wein gegen die Glaswand schwappte und ein dumpfes Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus, als er schließlich seine Stimme wiederfand. »Er hat mich darum gebeten, es geheim zu halten. Er ..«, versuchte er, sich rauszureden, wurde jedoch sofort von den schneidenden Worten seiner besten Freundin unterbrochen. »Treibt ihr es?« Die Worte Hermines drangen an sein Ohr und als er realisierte, was sie eigentlich damit meinte, hob er schließlich erschrocken seinen Blick und fixierte ihre warmen Augen, welche ihn ungläubig fixiert hatten. Bilder schlichen sich in seine Gedanken. Draco, wie er sich leicht über ihn beugte. Eine Hand, die über seine Seite strich und verführerische Lippen, die langsam seinen Hals entlang streiften. Ein Körper, welcher sich von Lust verzerrt gegen ihn presste. Heißer Atem, welcher gegen sein Ohr stieß. Er schluckte. »Wa - ?«, war das Einzige, was seine Lippen verließ. Sein Hals fühlte sich rau an. Unglaube und Unsicherheit schwangen in seiner Stimme. Seine Wangen brannten und Unruhe zog sich durch seinen Brustkorb. »Naja … warum sollte er ansonsten hier sein, Harry?« Sie lächelte sachte, jedoch konnte Harry deutlich ihren verbissenen Ausdruck erkennen, genauso wie den Vorwurf der mit dieser Frage einherging. Kopfschütteln zwang er sich, die Bilder aus seinen Gedanken zu vertreiben. »Du irrst dich.«, sagte er bestimmt und er konnte seine eigene Stimme beinahe nicht wieder erkennen. Sie wirkte dunkel, trüb. »Er brauchte eine Bleibe um nicht auf der Straße zu sitzen. Und du weißt, dass ich ein Hilfegesuch nicht so einfach ausschlagen kann. Auch wenn es …« er betrachtete seine beste Freundin und versuchte, ihre Reaktion zu beobachten, doch Hermine sah ihn nur schweigend an. Es war keine Lüge. Immerhin hatte Draco ihn wirklich um seine Hilfe gebeten. Zwar unter anderen Beweggründen, aber dennoch … »Auch wenn es Malfoy ist.«, sagte er und stand seufzend auf, drehte ihr den Rücken zu und griff sich ein Butterbier, welches auf der Anrichte stand. Kurz verweilte er dort. Schaffte es nicht, ihr bei seinen nächsten Worten in die Augen zu sehen, und dennoch wusste er, dass es richtig war es ihr zu sagen. Hermine war eine der wenigen Menschen in seinem Leben, die ihn niemals verurteilen würden. Die Worte wollten seinen Mund allerdings nicht verlassen und seine Finger verkrampften sich um die Flasche. Es auszusprechen würde bedeuten, es zuzugeben, oder? Zuzugeben, dass dieses Gefühl in ihm existierte. Nervosität schwappte in seinem Inneren. Schien beinahe überzulaufen und ließ ihn nervös ein Teil des Etiketts der Flasche abknibbeln. »Du magst ihn, hab ich recht?«, hörte er ihre fürsorgliche Stimme hinter sich. Immer noch von ihr abgewandt nickte er schließlich. Riss die letzten Reste des Etiketts ab und drehte sich zu ihr um. Er hatte einen abfälligen Blick erwartet, oder einen Vorwurf. Er hatte erwartet, dass sie ihn anschreien würde, oder dass sie einfach aufstehen und gehen würde. Aber sie saß dort, machte keine Anstalten sich zu rühren. Nur ein warmes verstehendes Lächeln zierte ihre Lippen. Mit einer Geste deutete sie ihm, sich erneut zu ihr zu setzen. Er folgte der Aufforderung, immer noch verwirrt von dem Gefühlschaos in seinem Inneren. Unfähig dieses Gefühl zu beschreiben, welches sich durch seine Adern zog.   Bevor er noch ein Wort sagen konnte, merkte er wie sich weiche, wärmende Arme um seinen Körper schlossen. »Oh, Harry ...« Für einen Moment verweilten sie in dieser Position. Genießerisch, von der Wärme und Geborgenheit umgeben schloss er seine Augen und schmiegte seinen Kopf in ihre Halsbeuge. »Ich muss bescheuert sein, oder?«, murmelte er kaum merklich, was Hermine sogleich ein leises Kichern entlockte. Verwundert über ihre belustige Reaktion hob er den Kopf und sah sie fragend an. »Nicht wirklich, nein. Es war eher ...« Ein verschmitztes Grinsen zierte ihre Lippen und es wirkte ein wenig entschuldigend. »Was?« Er hob eine Augenbraue. »Naja, vorhersehbar? Immerhin seid ihr schon immer umeinander herum geschlichen. Ich hatte die Vermutung schon länger … seitdem das im Raum der Wünsche passiert ist. Aber ehrlich gesagt, habe ich aufgehört darüber nachzudenken, doch als du dann für ihn ausgesagt hast, wusste ich es, Harry.«, sagte sie schließlich und Harrys Augen hatten sich bei jedem Wort immer mehr geweitet. »Aber -« begann er, doch fehlten ihm die Worte. So viele Fragen schwirrten in seinem Kopf und schienen jeden klaren Gedanken zu verdrängen. Im Raum der Wünsche? Sie konnte nur den Moment meinen, als sie erneut umgedreht waren, um die Slytherins aus den Flammen zu retten. Er konnte es sich damals nicht erklären, doch alles in ihm hatte geschrien, dass er Draco dort nicht sterben lassen konnte. Dass er nicht als verbrannte Leiche in diesem Raum zurückgelassen werden sollte. Dass Harry ihm helfen musste. Nachdenklich nippte er an seinem Bier und ließ die kalte Flüssigkeit seinen Rachen herunter laufen. »Weiß er es?«, fragte seine beste Freundin und er hob erneut den Kopf, um sie anzusehen. Sorge lag in ihrem Ausdruck. »Nein und ich werde es ihm auch nicht auf die Nase binden. Schlimm genug, dass -« »Harry! Verdammt.«, zischte sie mahnend und ihr Blick verfinsterte sich. »Du musst mit ihm reden. Wie soll das denn weiter gehen? Ihr wohnt hier zusammen. Ihr seht euch jeden Tag. Das wird niemals gut gehen! Du musst verdammt nochmal ehrlich zu ihm sein.« »Er ist verlobt.«, erinnerte sich Harry, trank das Bier in einem Zug leer und stellte die Flasche seufzend weg. »Außerdem … Hermine, ganz ehrlich. Das ist doch verrückt. Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte aber es ist unmöglich.«, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr und strich sich durch seine Haare. »Und trotzdem hat er dich geküsst.« »Hermine!«, rief er ihr vorwurfsvoll entgegen. Konnte sie denn nicht verstehen, dass es keine Zukunft für sie gab? Dass dieses … diese Vorstellung viel zu unrealistisch war? »Ich glaube Malfoy ist auch nicht ganz ehrlich zu sich. Genau wie du. Harry, du musst es ihm sagen. Ihr müsst miteinander reden. Du wirst sonst daran kaputt gehen, verstehst du das?« Seufzend legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Es ist nicht gesund, was du machst. Wenn du Gefühle für ihn hast ist dieses Verhalten einfach nur selbstzerstörerisch. Ihn hier wohnen zu lassen. Ihn in deine Nähe zu lassen, Harry. Ich …« Sie zögerte und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas. »Harry schau dir an was bei mir und Ron war. Ich hatte nie den Mut es zuzugeben, was ich wirklich für ihn empfinde. Selbst als ich es endlich realisiert hatte, hat es schließlich Jahre gedauert.« Ihr Daumen fuhr sachte über seine Haut und strich die feinen Härchen zur Seite. Die Berührung hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. »Ich bin glücklich, Harry. Glücklich, trotz dessen, dass er ein Schwachkopf ist.« Sie schmunzelte und ein aufrichtiges Lächeln schlich sich auf Harrys Lippen. »Danke, Hermine. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.«, sagte er, löste ihre Hände jedoch voneinander. »Doch … ich weiß nicht ob ich das kann.«   ~~~*~~~ Eine Stunde nachdem Hermine gegangen war, saß er im Wohnzimmer vor dem Kamin und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Der bittere Geschmack des Alraunenblattes lag auf seiner Zunge und vermischte sich mit dem Kloß in seinem Hals. Das Gespräch mit seiner besten Freundin hatte zu viel Chaos in seinem Inneren verursacht. Mit einer Bewegung seiner Hand führte er sein mittlerweile fünftes Butterbier an seine Lippen und trank einen großen Schluck. Er konnte den Alkohol durch seine Venen rauschen spüren, vertrug er es doch eigentlich gar nicht und hatte sich einfach von der Situation leiten lassen. Gedankenverloren drehte er die kleine Schatulle in seiner anderen Hand. Das Knarren der Holzdielen hinter ihm ließ ihn aufhorchen. Harry drehte sich um, war bereit, Kreacher zu sagen, dass er verschwinden solle, dass er seine Ruhe haben wollte, doch er fand nur die sturmgrauen Augen, welche ihn zögernd vom anderen Ende des Raumes aus betrachten. »Verdammt, Kreacher! Ich … Draco.«, sagte er und starrte dem Eindringling entgegen, welcher langsam auf ihn zukam und sich schließlich neben ihn auf das Sofa fallen ließ. Harry betrachtete den Mann, welcher der Grund für das Chaos in seinem Inneren war. Sein Blick glitt über die zarte, helle Haut, die weichen, aber dennoch spitzen Züge seines Gesichts und die grauen Tiefen, welche ihn nachdenklich fixiert hatten. »Wie spät haben wir?«, fragte er schließlich, wandte seinen Blick ab und nahm einen weiteren Schluck seines Bieres. »Kurz vor Zwölf.«, sagte Draco und richtete seinen Blick auf die Flammen. Eine Weile saßen sie so nebeneinander. Unfähig etwas zu sagen oder die Stille zu durchbrechen, die einzig durch das knisternde Feuer untermalt wurde. Dracos Gegenwart fühlte sich angenehm an, doch merkte Harry auch, dass etwas zwischen ihnen stand. Wie ein waberndes Unheil, das über ihnen zu schweben schien, sie erdrückte und gleichzeitig immer weiter voneinander entfernte. »Muss ich gehen?«, vernahm Harry schließlich die geflüsterten Worte neben sich. Er sah ihn nicht an. Hatte den Blick vehement nach vorne gerichtet und fixierte einen Punkt in den Flammen des Kamins. Der bewölkte Himmel draußen gab das Mondlicht frei und ließ die hellblonden Haare beinahe weiß wirken. Er stellte das Bier auf dem Couchtisch ab und verstaute die Schatulle in seinem Umhang. Draco durfte die Kette nicht sehen. Nicht jetzt. Nicht in diesem Moment. Er betrachtete den Mann neben ihm, der ihn jedoch kaum zu beachten schien. Draco wirkte gefasst, schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben und war bereit, die Abweisung, die ihn unweigerlich erwarten würde, zu akzeptieren. Harry vernahm ein Seufzen, welches kaum merklich durch die Stille hallte. Dracos Blick wandte sich zu ihm, als Harry nicht antwortete. Trübheit lag in seinen Augen, doch da war noch etwas anderes. Harry konnte eine leise Hoffnung in ihnen erkennen und wusste in diesem Moment, dass Hermine recht hatte. Wenn er Draco weiterhin hier wohnen ließ, würde er es nicht mehr verbergen können. Er würde mit den Konsequenzen leben müssen. Mit den Konsequenzen, die dieses Gefühl mit sich brachte, welches genau in diesem Moment sein Herz spürbar gegen seinen Brustkorb schlagen ließ und ihm klar machte, dass er ihn nicht zurückweisen konnte. Doch war dies die richtige Entscheidung? Er hatte hier und jetzt die Möglichkeit, es zu beenden. Ihn vor den Kopf zu stoßen, Hermine als Ausrede zu benutzen und ihm zu sagen, dass er verschwinden sollte. Aus seinem Haus, aus seinem Leben und aus seinen verfluchten Gedanken. »Nein …«, hauchte Harry leise, nicht fähig mehr zu sagen, und merkte, wie sich Dracos Augen leicht weiteten. Er ließ seinen Kopf gegen die Schulter von Draco fallen und nahm wahr, wie dieser sich unter ihm verspannte. Er fühlte sich so müde. Ausgelaugt von diesem Chaos in seinem Inneren und dem Alkohol, den er besser nicht hatte trinken sollen. Erdrückt von der Entscheidung, die er treffen musste. Es war ihm egal, dass Draco dies hier vermutlich nicht wollte, doch er brauchte es gerade. Er brauchte diese Nähe. Die warme Schulter des Mannes, welcher sich so heimlich in sein Herz geschlichen hatte. »Du kannst bleiben.«, nuschelte Harry kaum hörbar und merkte, wie sich Draco langsam entspannte, als wenn eine Last von ihm gefallen wäre. Harry schloss die Augen und konzentrierte sich auf die gleichmäßige Atmung, welche ihn komplett einnahm, als er noch etwas anderes bemerkte. Ein schnelles pochendes Geräusch drang an sein Ohr und Harry war für einen Moment verwirrt, woher es kam. Als er jedoch realisierte, dass dieses Geräusch nicht von seinem eigenen Herzen herrührte, spürte er schon, wie sich Draco unter ihm bewegte und ihn hastig von sich schob. Harry richtete sich auf, sein Atem ging flach. Verwirrt von dieser Erkenntnis und das, was es bedeuten könnte, suchte er Dracos Blick. Das laute Läuten der Standuhr im Flur hallte durch das Haus und vermittelte ihnen, dass es Mitternacht war. Harry fiel es schwer, doch schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter und starrte in die grauen Tiefen vor ihm, welche ihn undefinierbar betrachteten. »Potter -«, drangen die ungläubigen Worte an sein Ohr, doch Harrys Körper handelte, bevor Draco seinen Satz beenden konnte. Mit einem bestimmten Griff in seinen Kragen zog er ihn zu sich heran und überbrückte die letzten Zentimeter. Weiche Lippen schmiegten sich gegen seine und ein wohliges Seufzen drang aus Harrys Kehle. Er konnte nicht mehr. Er hatte keine Kraft, mehr sich dagegen zu wehren. Seine zitternde Hand krallte sich immer fester in den Stoff von Dracos Pullover, als er langsam begann seine Lippen gegen den Widerstand zu bewegen. Sein Verstand war vernebelt. Nur noch dumpf nahm er seine Umgebung war, denn alles, was er spüren konnte, war sein eigenes Herz und dieses wahnsinnige Gefühl, welches durch deine Adern strömte. Erschrocken schnappte er nach Luft, als er spürte, wie starke Hände ihn packten und ihn gegen die Rückenlehne des Sofas drückten. Gierig drängte sich Draco ihm entgegen und begann den Kuss verlangend zu erwidern. Harry konnte den Körper spüren, der sich gegen seinen Brustkorb drückte und merkte, wie sich zwei Hände neben ihm positionierten. Ihn einsperrten, ohne einen Ausweg, eine Flucht aus dieser selbst gewählten Situation zuzulassen. Es lag keine Zärtlichkeit in ihren Bewegungen. Sie waren wie Tiere, die übereinander herfielen. Die sich nach der Beute verzerrten, die sie wochenlang beobachtet hatten. Doch Harry war das egal. Er wollte das hier. Ihn. Diesen Mann, den er so lange als seinen Feind bezeichnet hatte. Er verzerrte sich nach diesem einnehmenden Gefühl des Adrenalins, welches auch jetzt wieder durch seinen Körper schoss. Ein Stöhnen entglitt Harrys Kehle, als er eine Zunge an seinem Hals wahrnahm, die sachte über seine Halsschlagader strich. Zähne, die an ihr knabberten. »Fuck -«, entwich es ihm und seine Hände suchten Dracos Körper, schlichen sich unter seinen Pullover und strichen über die warme, weiche Haut, streichelten sachte seinen freigelegten Rücken entlang. Und dann waren da wieder diese Lippen, welche seine in Beschlag nahmen, sich gegen ihn drängten. Der Alkohol vernebelte seine Sinne. Warum hatte er Angst hiervor gehabt? Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gefühlt. Atemlos löste er den Kuss und sah in den vernebelten Blick seines Gegenübers. Schluckte den restlichen Speichel runter, der sich in seinem Mund gesammelt hatte. »Du bist betrunken, Potter.«, hörte er in der Ferne die klagenden Worte an seinen Lippen und spürte den heißen Atem gegen seine Haut schlagen. Nein. Nicht reden, schoss es durch seine Gedanken und er beugte sich erneut nach vorne, um ihn wieder zu küssen, dieses Gefühl erneut in sich aufzunehmen. Draco versuchte, etwas zu sagen, ihn zu bremsen, hatte er mittlerweile auch bemerkt, dass Harry einiges bereits getrunken hatte. Bestimmt griff er an Harrys Schultern, um ihn zurückzuhalten. »Verdammt, Potter.«, zischte er ihn an. Unsicherheit lag in den grauen Augen. Doch Harry, enttäuscht davon, dass ihm ein weiterer Kuss verwehrt wurde, drückte seine Nase unbeholfen gegen Dracos Hals und sog seinen Geruch in sich auf. Er begann an der Haut zu knabbern, immer weiter, bis er sachte in das Ohrläppchen biss. Dracos Keuchen war für ihn Bestätigung genug, um seine Hände erneut unter den Pullover zu schieben. Jeglichen Zentimeter zu erkunden. Alles in sich aufzunehmen. Ein enttäuschtes Seufzen entglitt Harrys Kehle als Draco abrupt aufstand und sich von ihm entfernte. Ihr Atem ging schwer, beeinträchtigt von dem Sauerstoffmangel und der Erregung, die durch ihre Körper fuhr. Mit verschleiertem Blick betrachtete Harry den Mann, dem er sich eben noch hingegeben hatte, dem seine unbedachte Aktion auch nicht wirklich kalt zu lassen schien. Eine deutliche Beule hatte sich in der Hose abgezeichnet und eine Röte, zeichnete die blassen Wangen. Harry versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen, doch die plötzliche Entfernung und der Verlust der Wärme ließen ihn realisieren, was gerade passiert war. Er stand auf, wollte auf Draco zugehen, welcher sogleich einen Schritt zurückwich. »Es tut mir -«, wollte Harry sagen, doch der schockierte Blick seines Gegenübers ließ Panik in ihm aufsteigen. Seine Gedanken überschlugen sich und er sah sich hektisch nach einer Möglichkeit um, der Situation zu entfliehen. Was hatte er getan? Hektisch verließ Harry den Raum, ließ einen verwirrten Draco zurück, der wie angewurzelt vor dem Kamin stand. Seine Augen folgten ihm, doch er hielt ihn nicht auf. Stolpernd hastete Harry in den Flur. Der Flur um ihn herum drehte sich. Seine Sicht verschwamm und es fiel ihm schwer, das Gleichgewicht zu behalten als er mit schwerem Atem durch die Haustür hetzte und die kalte Luft gegen sein Gesicht peitschte. Ohne darüber nachzudenken, aparrierte er augenblicklich und fand sich im Kieselbeet des Fuchsbaus wieder.   Seine Beine gaben nach, war diese Art zu reisen doch zu viel für seinen Zustand. Er fiel zu Boden und die spitzen Steine schnitten in seine Handinnenflächen. »Verfluchte Scheiße.«, schrie er in die Stille der Nacht hinein, als die Tränen haltlos sich den Weg über seine Wangen bahnten.       ~~~*~~~ Kapitel 19: Christmas ---------------------   Kapitel 19: Christmas     Tausende Lichter glänzten an der riesigen Tanne, welche das Wohnzimmer der Weasleys noch kleiner wirken ließ, als es eigentlich war. Sie saßen alle beisammen an dem länglichen Tisch, welcher mit allerlei Leckereien gefüllt war. Ron, der schon angesichts der anstehenden Bescherung immer nervöser wurde, stopfte mittlerweile seine dritte Portion in sich hinein, während Hermine dies mit einem abfälligen Blick bedachte. Obwohl kurz nach dem Krieg die Gelder knapp und die Gemüter erschöpft waren, hatte Mrs. Weasley keine Mühe gescheut, um ihnen das perfekte Weihnachtsessen zu zaubern. Dies sorgte für eine Wärme in seiner Magengrube, die sich mit dem dumpfen Gefühl vermischte, dass seit gestern Nacht in seinem Inneren herrschte. Nervös rutschte er auf dem viel zu bequemen Sitzkissen hin und her und sah sich um. Percy unterhielt sich am anderen Ende des Tisches mit Mr Weasley und er nahm mit einem Lächeln zur Kenntnis, dass Zeit wohl doch einige Wunden heilen konnte. Sein Blick kreuzte den Ginnys, die ihn nervös betrachtete. Sie schien sich unwohl zu fühlen und für Harry war dieser Anblick sehr ungewohnt. Normalerweise kannte er Ginny als die starke Frau, die dafür kämpfte, was sie liebte. Ob sie es bereute, dass sie ihre Beziehung beendet hatten? Doch bevor Harry es weiter hinterfragen konnte, wandte sie ihren Blick wieder ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Eingangstür. »Hab ich die Bescherung schon verpasst?« George grinste über beide Ohren und Mrs. Weasley sprang auf, um ihren Sohn in den Arm zu nehmen. Er sah müde aus, genauso erschöpft wie Harry sich gerade fühlte. Nachdenklich nippte er an dem Glas Punsch und ließ die Flüssigkeit sein Innerstes erwärmen. »Warst du noch bei .. ?«, sagte sie sachte und legte eine Hand behutsam auf Georges Wange. »Ja, ich war am Grab. Ich wollte ihm frohe Weihnachten wünschen, Mum.«, sagte er und sein Lächeln war verblasst. Er umarmte seine Mutter und ließ seinen Kopf auf ihre Schulter fallen, wobei Harry die großflächige Narbe sehen konnte, an der einmal sein Ohr gewesen ist. Das Bild erzeugte einen faden Beigeschmack. Es gab so viele Menschen, die in diesem Krieg Opfer für ihn gebracht hatten … Würde er das jemals akzeptieren können? Die Schuld hing an ihm wie ein Ballastsack, der ihn immer und immer weiter nach unten zog. Und doch war es ihm erlaubt hier zu sein, zwischen diesen Menschen, die er so sehr schätzte. Sie genossen das restliche Essen und Harry biss zum Abschluss in das letzte Stück seines Karottenkuchens, den er wirklich zu lieben gelernt hatte. Vorsichtig darauf bedacht, das Alraunenblatt nicht zu zerstören, schluckte er den letzten Bissen genüsslich herunter als die Stimme von Mr. Weasley ertönte. »Na gut, ich weiß ihr könnt es eh nicht abwarten also bringen wir die Bescherung hinter uns.« Ein Grinsen zierte sein Gesicht. »Ich fange an.«, sagte er und griff nach einer kleinen Schachtel unter dem Baum. »Molly, Schatz.« Sein Blick suchte träumerisch seine Frau, welche auch nach all den Jahren ein wenig errötete.   »Du bist mein Weihnachtsstern in dieser dunklen Nacht. Ich hoffe sie gefällt dir.« Mrs. Weasley öffnete die kleine Schachtel und zog eine Kette heraus, an der ein kleiner Stern befestigt war. Harry konnte sehen, dass etwas in das Gold graviert war, konnte es aber aus der Ferne nicht entziffern. »Ach Arthur. Das ist doch viel zu teuer.« Sie zog ihn mit einer kräftigen Bewegung in ihre Arme und küsste ihn mit einem schmatzenden Geräusch auf den Mund. »Igitt«, raunte es durch die Menge, während die Frauen aufseufzten und Harry lachte. Harry war so froh hier sein zu dürfen. Er konnte sich doch glücklich schätzen, dass es ihm erlaubt war, dies zu genießen. Dass er jetzt diesen wundervollen Moment miterleben durfte und er Teil dieser Familie sein konnte. Alle hier Anwesenden hatten überlebt, das war doch das Wichtigste, oder? Sie, die Menschen, die ihm so am Herzen lagen. Mit einem Knistern zog er die Tüte neben seinem Stuhl hervor und übergab seine Geschenke den Empfängern. War er doch froh, dass er Kreacher heute Mittag noch dazu gebracht hatte, ihm die Tüte zu bringen, die er bei seiner Flucht vergessen hatte. Eine Flucht. Ja, mehr war das nicht gewesen. Mutiger Gryffindor, dass er nicht lachte. »Oh die sind wunderschön, Harry.« Ginny lächelte ihm warm entgegen und hob die Ohrringe in die Höhe, die er in dem kleinen Schmuckladen erstanden hatte. »Schau mal wie schön die sind!«, rief sie ihrer Mutter zu und beugte sich zu ihr rüber, um ihr das Geschenk zu zeigen. »Danke Harry.«, hörte er sie noch sagen. Auch die anderen bedankten sich herzlich für die Kleinigkeiten, die er ihnen besorgt hatte. Gedankenverloren strich er über die kleine Schatulle in seiner Hosentasche. Er hatte sie mit der Hand umfasst, drückte immer wieder und überprüfte, ob sie noch da war. Doch sie war da. Lag in seiner Tasche, ohne dass sie jemals ihren Empfänger erreichen würde. Er hatte es verbockt. Wenn es jemals eine Chance gab, dass etwas zwischen ihnen existierte … wenn es auch nur die kleinste Hoffnung gab, dass sie miteinander klar kamen, dann hatte er es versaut. Er war davon gerannt, erneut der Situation entflohen. Vor diesem Gefühl, welches ihn auch jetzt immer noch übermannte. Es verzehrte ihn von innen. Fraß ihn auf und riss Stück für Stück sein Herz auseinander. Der verfluchte Alkohol. Er hatte sich mitreißen lassen. Nach dem Gespräch mit Hermine war er so durcheinander gewesen. Es hatte ihn schlichtweg überrumpelt. Die Erkenntnis, was dieses Gefühl in seinem Inneren zu bedeuten hatte. Er mochte ihn. Vielleicht war er sogar etwas verliebt in den starrköpfigen Slytherin, der ihn immer noch zur Weißglut trieb. Er war so glücklich, hier zu sein, und dennoch fehlte etwas. Nein nicht etwas … Draco fehlte. Er sehnte sich nach der Nähe seines ehemaligen Feindes so sehr, dass es ihn schmerzte. Der schockierte Gesichtsausdruck, in dem Moment als Draco den Kuss unterbrochen hatte, erschien vor seinem Inneren. Ja, er hatte es abgebrochen … aber … Harry erinnerte sich an die bebenden Lippen, die sich verlangend gegen ihn gedrückt hatten. Die Hände, welche ihn bestimmt in das Polster geschoben hatten. An den Atem an seinem Hals. Seine Zunge ... Oh Gott. Sie hatten sich wirklich geküsst. Sie hatten … rumgemacht und … Es hatte Draco gefallen. Harry hatte deutlich sehen können, wie es ihn erregt hatte. Er war nicht allein schuld, an dieser Situation, oder? Immerhin schien Draco nicht abgeneigt gewesen zu sein. Er war es doch gewesen, der ihn wieder von sich gestoßen hatte. Bevor sie … So weit hatte er noch gar nicht gedacht. Wie weit wäre er gegangen, wenn Draco es nicht beendet hätte? Das Blut schoss in seinen Kopf und er bemerkte, wie seine Wangen warm wurden. »Harry, Schatz?«, flötete Mrs Weasley neben ihm und weckte ihn damit aus seiner Trance. »J-Ja?« Haspelte er und sah sie erschrocken an.   »Alles okay?« Sie betrachtete ihn kurz, teilte ihm aber sogleich ihr Anliegen mit. »Bist du so lieb und holst die Zimtplätzchen aus dem Ofen? Ich glaube Ron hat die Temperatur zu heiß eingestellt, er pfeift schon die ganze Zeit.« Sie lächelte entschuldigend und legte ihre Hand auf seine Schulter. Harry erwiderte ihr Lächeln gezwungen, nickte verstehend und ging schließlich in die Küche. Doch bevor er die Tür öffnen konnte, wurde er im Flur zurückgehalten und herumgewirbelt. Er fand sich gegen die nächste Wand gedrückt vor, weiche Lippen auf seinen und lange Wimpern, die zärtlich an seiner Nasenspitze kitzelten. Der Geschmack von Wein und Schokolade drang an seine Zunge, als er jedoch mit aller Kraft den Kiefer zusammenpresste, um Ginnys keinen Einlass zu gewähren. Zu hoch war die Chance, dass das Blatt zerstört würde. Die letzte Verbindung, die er noch zu Draco hatte. Wenn das Blatt nun kaputt gehen würde, hatte er gar keinen Grund mehr, um zurückzukehren. Und er wollte zurückkehren, schoss es ihm durch den Kopf und drückte Ginny mit einem Ruck von sich. Ihr Bein, welches sie zwischen seine Eigene geschoben hatte, verfing sich und sie stolperte zurück. Harry fing sie auf und schaute in braune Rehaugen, die ihn verzweifelt betrachteten. Tränen schimmerten in ihnen. »Ich dachte … Du … die Ohrringe ...« Sie schluchzte und griff mit einer Hand in sein Hemd, um ihn von sich zu schieben.   »Es ist wirklich vorbei?«, flüsterte sie atemlos, rieb sich mit ihrem Ärmel über die Augen. Mit gerötetem Gesicht starrte sie ihm entgegen. Ein bitteres Lächeln hatte sich auf ihre Züge gelegt. Es wirkte gezwungen.   »Ich ...«, begann sie, wandte jedoch den Blick ab. »Ich werde es akzeptieren. Doch bitte, geh jetzt. Ich brauche Zeit für mich.« Sagte sie und sah ihm ein letztes Mal in die Augen. Schmerz lag in ihrem Blick und Harry tat es in diesem Moment leid, dass er ihr einfach nicht das geben konnte, was sie verdiente. »Ich verstehe.«, murmelte er, schnappte sich eine Flasche Feuerwhisky, welche auf einer Kommode stand, und verließ durch die Hintertür das Haus. Er musste gehen. Ginny hatte das Recht, ihn hier raus zu schmeißen. Immerhin war dies ihr Zuhause. Ihrs, nicht seins.     ~~~*~~~ Da er nicht wirklich den Mut gefunden hatte, zum Grimmauldplatz zurückzukehren, kletterte er in das kleine alte Baumhaus, welches im Garten in einer Baumkrone mit Brettern und Nägeln errichtet worden war. Der kleine Raum war deutlich für Kinder ausgelegt, doch hatte Harry hier trotzdem noch genug Platz, um aufrecht zu sitzen. Der kalte Wind pfiff durch die Holzbretter und er zog mit einer Handbewegung die kleine silberne Kette aus der Schatulle, wiegte sie im Mondlicht, was den Smaragd leicht schimmern ließ. Er hätte die Kette gar nicht kaufen sollen und doch hatte er sich hinreißen lassen, ein so einfühlsames und dummes Geschenk zu erstehen.   Ein knackendes Geräusch ließ ihn zusammen zucken. Hastig steckte Harry die Kette erneut in seine Umhangtasche, so dass die Schatulle mit einem dumpfen Geräusch auf den Brettern aufprallte. Jemand stieg die Leiter hinauf. Überraschte braune Augen scannten das Innere der Hütte und erkannten Harry. George, welcher offenbar ebenfalls eine Flucht von dem Weihnachtsessen in Betracht gezogen hatte, streckte seinen Kopf durch die kleine provisorisch zusammengezimmerte Tür und musterte ihn prüfend. »Schon klar, dass mein großartiges Versteck nicht lange unentdeckt bleibt.«, witzelte er und kurz schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Er setzte sich neben Harry in den nassen Staub und starrte durch die kleine Öffnung, welches als Fenster fungierte. Es herrschte eine Weile Stille zwischen ihnen, doch Harry fand es nicht unangenehm, dass George bei ihm war. Mittlerweile musste es mindestens 22 Uhr sein, denn der Nebel lag in der Ferne um die hohen Büsche und Sträucher, welche teils mit Schnee bedeckt waren. Der Garten wirkte so friedlich, als könne kein Unheil dieser Welt diese Idylle trüben. Harry reichte ihm den Feuerwhisky, um ihn zu fragen, ob es okay war, dass sie sich diesen Ort kurz teilen würden. George senkte seinen Blick, fixierte den Alkohol und seufzte. Die roten Haare fielen in seinen Nacken als er den Kopf nach hinten warf und einen tiefen Schluck nahm. Er verzog sein Gesicht und schaute ihm mit einem zugekniffenen Auge entgegen. »Sagst du mir, was mit dir los ist?«, hörte er Georges kratzige Stimme. Harry suchte seinen Blick, doch er hatte ihn erneut abgewandt, sah in die Ferne und als Harry seinem Blick folgte, beobachtete er, wie ein Gnom zurück über die tiefe Steinmauer hinein in den Garten kletterte. »Der Ausdruck in deinen Augen, den du vorhin beim Essen hattest. Ich kenne ihn.«, seufzte George in die Nacht hinein und das dumpfe Gefühl in Harrys Brust verstärkte sich. War es wirklich so offensichtlich, dass es jeder bemerkte? »Hermine hat mich um Rat gefragt.«, fuhr er fort und Harry schaute erneut auf, als er ein leises Auflachen vernahm, was aus Georges Kehle drang.   »Kannst du dir das vorstellen? Hermine bittet mich um Hilfe. Wenn er das miterlebt hätte ...« Seine Stimme verhallte, war sie doch so leise, dass er ihn kaum verstanden hatte. George hob endlich seinen Blick und sah ihm entgegen. Ein gezwungenes Lächeln lag auf seinen Zügen. »Was hat sie dich gefragt?«, hörte Harry sich selbst fragen und war eingenommen von dem Schmerz, der auf seinem Freund lastete.   George war ein Schatten seiner selbst. Der sonst so fröhliche Junge wirkte matt. Seine Gesichtszüge waren eingefallen und er hatte einiges an Gewicht verloren. »Dein Patronus.«, fand George schließlich seine Stimme wieder. »Weißt du, seitdem … ich kann es nicht mehr. Es ist als wenn mein Patronus mit ihm gestorben wäre. Hermine hat mir erzählt, dass es dir auch nicht mehr gelungen ist, einen gestaltlichen Patronus zu erzeugen. Harry …« Er sah ihn nun direkt an und Harry konnte den letzten Funken Lebenswillen in ihnen aufflackern sehen. »Bitte, Harry. Wir haben gewonnen. Du musst versuchen dein Glück zu finden. Lass sie nicht umsonst gestorben sein.«, sagte er und blickte erneut in die Ferne. Eine kurze Stille lag zwischen ihnen und Harry wusste nicht, wie er das Chaos in seinem Kopf entwirren konnte. Er richtete seinen Blick erneut aus dem Fenster, sah, wie der Gnom an einem Ast hängen blieb und in einen von Schnee bedeckten Laubhaufen fiel. »Ich denke, ich bin in einen Mann verliebt.«, drangen seine Worte gegen den Wind und George blickte zu ihm. Er betrachtete ihn kurz, als sich ein Schmunzeln auf seinen Lippen bildete. »Was für ein Skandal. Ich würde ein Vermögen damit verdienen.« Er grinste über beide Ohren, was sein Gemüt aufhellen ließ. Es war, als wenn ein Stück seiner damaligen Unbeschwertheit zurückkehren würde. Harry lachte das erste Mal ehrlich an diesem Abend und grinste George entgegen. »Wer ist es?«, fragte George, als sie nach Luft schnappten. »Kann ich dir nicht sagen.«, sagte er atemlos und ließ seine Schulter hängen. Sie fühlten sich schwer an. »Also kenn ich ihn.«, schlussfolgerte George, was Harry erneut die Röte in die Wangen trieb. Fahrig fingerte er nach dem Feuerwhisky und trank einen großen Zug aus der Flasche. »So schlimm?«, witzelte George und ein trauriges Lächeln lag in seinem Gesichtsausdruck. Harry antworte nicht, murrte nur etwas Unverständliches und lehnte sich gegen die Wand hinter ihm. Das Holz fühlte sich kühl an und er merkte, wie kalt es eigentlich war. Eine Gänsehaut hatte sich in seinem Nacken gebildet und zog sich mit einem kribbelnden Gefühl durch seinen ganzen Körper. »Harry ..«, durchbrachen Georges gehauchte Worte nach einer Weile die Stille. »Wenn du ihn liebst, warum bist du dann heute nicht bei ihm?«, hörte er die klagende Frage, die den ganzen Abend schon in seinem Innern brannte. George fixierte ihn mit einem nachdenklichen Blick, den Harry nicht zu deuten wusste. War es richtig gewesen, davonzurennen? Draco alleine zurück zu lassen? Ein stechender Schmerz zog sich durch seinen Brustkorb als sich ein Gedanke in seinem Hinterkopf manifestierte, den er am liebsten sofort wieder vergessen hätte.   Würde er auf ihn warten? »Ich muss gehen.« Er stand auf und sah noch beiläufig, wie George ihm verstehend zunickte und ein zufriedenes Lächeln sich auf sein Gesicht zeichnete.   Mit jeder Strebe, die Harry an der rutschigen Leiter herunter kletterte, pochte sein Herz schneller gegen seinen Brustkorb. Den letzten Meter sprang er und landete im kniehohen wilden Gras, welches um den meterhohen Baum herum wucherte.   ~~~*~~~   »Master Potter ...« Das wimmernde Geräusch, welches Kreacher von sich gab, war kläglich. Harry hatte Mühe, seinen Atem zu beruhigen. Er würde sich wohl nie an das Apparieren gewöhnen. Er richtete seine Brille und konnte schließlich den Eingangsbereich des Grimmauldplatzes erkennen. Sein Blick fiel auf Kreacher, welcher sofort bei seiner Ankunft her geeilt war. Der Hauself wirkte aufgelöst. In den glubschartigen Augen hatten sich große kugelrunde Tränen gebildet, welche haltlos über die Tränensäcke quollen. Er betrachtete dieses klägliche Bild für einen kurzen Moment, wirkte festgefroren in seiner Bewegung, unfähig auch nur eine Gliedmaße zu bewegen als ihm bewusst wurde, was dieser Auftritt zu bedeuten hatte. Nein, war das einzige Wort, was durch seine Gedanken hallte. Natürlich hatte er es in Betracht gezogen, dass Draco seine Sachen packen und verschwinden würde. Natürlich war dies eine Befürchtung gewesen, die ihm ein paar Mal in den Sinn gekommen war. Ein Gedanke, den er in die hinterste Ecke seines Verstandes verfrachtet hatte. Doch als er, außerstande zu atmen und keuchend, die Räume nach und nach durchsuchte, hatte er die Befürchtung, sein Herz würde einfach aufhören zu schlagen. Es pochte schmerzhaft und unregelmäßig in seiner Brust. Dieses Gefühl nahm ihm die Luft zum Atmen. Keuchend versuchte er die Staubreste aus seiner Lunge zu befreien. Er betrat die Küche, welche kühl und verlassen wirkte. Vereinzelt drangen die Strahlen des Mondlichtes durch die Fenster, doch ansonsten wirkte der Raum einfach nur trostlos. Seine Lippe schmerzte als er fest darauf biss. Er konnte einfach nicht gegangen sein. Wie konnte er ihn nur mit dieser Situation alleine lassen? Doch Draco war schon immer ein Feigling gewesen richtig? Er schnaubte. Harry wusste, dass es eine Ausrede war, die er sich selbst erzählte. Er selbst war es gewesen, der davon gerannt war. Seine Beine fühlten sich schwer an. Träge. Er musste jegliche Kraft, die noch in seinen müden Gliedern übrig war, aufbringen, um die letzten Stufen bis in den vierten Stock zu überwinden. Dies war das Ende. Die letzte Möglichkeit. Er betrat den schmalen Flur und seine Hände krallten sich in das hölzerne Geländer. Sein Blick glitt über Sirius Zimmertür zur linken Seite bis er einen Namen erblickte, der in goldenen Buchstaben in das Holz eingearbeitet worden war. Regulus Arcturus Black Das Zimmer, was Draco die letzten Tage bezogen hatte, welches Harry ihm bereitwillig angeboten hatte. Als Rückzugsort. Was würde passieren? War der Mann, der ihn so unendlich verwirrte, hinter dieser Tür? Würde er vielleicht friedlich schlafend im Bett liegen? Sicherlich würde er genervt fragen, ob er noch ganz bei Sinnen sei, dass er ihn um die Uhrzeit weckte. Ein verbittertes Lächeln legte sich auf seine Lippen und er umfasste die Türklinke. Mit einem Quietschen drückte er die Tür auf und blickte in den Raum. Sein Herz stockte. Verzweifelt ließ er den Blick über das möblierte aufgeräumte Zimmer streifen, welches sehr spärlich eingerichtet war. Doch nichts an diesem Zimmer ließ vermuten, dass jemand es in der Vergangenheit bewohnt hatte. Es war als wenn Draco nie dagewesen war und kurz stellte sich Harry die Frage, ob er sich das alles nur eingebildet hatte. War es denn nicht auch völlig verrückt, sich einfach so mit seinem fein anzufreunden und sich dann auch noch … Harry konnte kaum atmen. Es fühlte sich so endgültig an. Die Chance, die nie bestanden hatte, hatte sich verflüchtigt. Seine Augen brannten und er wusste, dass er die Tränen nicht mehr lange zurückhalten konnte. Es war zu viel für ihn. Haltlos ließ er sich auf das Bett fallen, welches leicht nachgab. Seine Hand strich über das weiche olivgrüne Bettlaken und krallte sich fest. Der Stoff raffte sich auf, als sein Oberkörper kraftlos auf die Matratze fiel. Er drückte sein Gesicht in die Kissen und schrie. Der Druck der letzten Wochen sammelte sich in seinem Kopf und verdrängte jeden klaren Gedanken. Atemlos hob er den Kopf und schnappte nach Luft, zog fahrig seine Hände unter dem Kopfkissen hervor, als seine Finger etwas berührten. Seine Augen weiteten sich und er hielt den Atem an, als seine Finger ein Stück Wolle umfassten. Er zog es hervor und erkannte verwundert Sirius alten Schal. Warm schmiegten sich die Fasern um seine Finger, als er versuchte, den dicken Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken. Er hatte ihn behalten. Seit diesem stürmischen Abend hatte er ihn aufbewahrt.   Mit einer automatisierten Bewegung zog er den warmen Stoff über seine Haare, wodurch sie leicht knisterten. Ein Seufzen entfloh seiner Kehle, als er Dracos Geruch wahrnahm, der von dem Schal ausging. Ein Krächzen ließ ihn ertappt aus seinem verträumten Delirium aufschrecken. Hektisch suchte er den Verursacher und erblickte schließlich den kleinen Steinkauz, welcher mit seinem Schnabel von außen immer wieder gegen die Fensterscheibe pickte. Er funkelte ihn aufmüpfig an und hüpfte immer wieder von einem Bein auf das andere. Das war doch Malfoys Eule, wunderte er sich und ging zögernd zu dem kleinen Fenster, um es zu öffnen. Kaum, dass es nur einen Spalt offen war, hüpfte die kleine Eule hindurch und kletterte mit ihren Krallen an seinem Ärmel hoch, was ihn vor Schmerzen aufkeuchen ließ. Doch bevor Harry sich über den Vogel beschweren konnte, hörte er eine Stimme hinter sich. »Kasper! Du verdammter Vogel, hier bist du. Ich glaube es nicht …« Harrys Herz setzte einen Moment aus, als er seine Stimme erkannte. Er konnte eine schmale Hand fühlen, die auf seiner Schulter lag. Kasper flatterte aufgeregt mit den Flügeln und versuchte wegzufliegen, war jedoch mit einer Kralle in seinem Hemd hängen geblieben. »Nun halt still, Potter.«, fluchte Draco und Harry konnte kaum atmen. Mit einer geschickten Bewegung befreite er die Eule aus ihrer Misere und beide atmeten auf. Kasper hatte es sich aufgeplustert und beleidigt auf dem hohen Kleiderschrank bequem gemacht. »Na klasse.«, schnaubte Draco und sah zu dem Vogel hinauf. Harry konnte seinen Blick nicht von ihm abwenden, auch wenn er ihn anscheinend gar nicht beachten wollte. Draco jedoch schien seinen Blick bemerkt zu haben und drehte sich zu ihm um. Seine Maske saß perfekt und sein Blick war kühl. Die grauen Augen huschten durch sein Gesicht, bis sie an dem Schal um seinen Hals hängen blieben. Eine deutliche Röte schlich sich auf die zartblassen Wangen. »Du bist wieder da.«, waren die einzige Worte, die Harry fassen konnte. »Ja.«, sagte Draco kühl und wandte seinen Blick zur Seite.   »Ich packe Kasper ein und dann gehe ich, du brauchst nicht wieder davon rennen.«, hallten die schneidenden Worte Dracos durch das leere Zimmer, was Harry hastig einen Schritt auf ihn zugehen ließ, bevor er jedoch innehielt. Er hatte sich den ganzen Abend ausgemalt, wie wichtig dieses Gespräch war und nun fehlte ihm der Mut, um einen Schritt weiter auf ihn zuzugehen. Die simple Bewegung hatte schon all seine Kraft von ihm verlangt. Doch Draco schien es zu verstehen, denn er ging nicht. Still stand er da, betrachtete Harry mit diesem undefinierbaren Ausdruck in seinen Augen. »Bitte, Potter. Lass mich einfach gehen. Ich tue dir nicht gut.«, sagte Draco leise, der ebenfalls einen Schritt auf ihn zugegangen war, so dass er nun direkt vor ihm stand. »Ich kann nicht.«, drang es aus Harrys Kehle und er umfasste seine Hand, welche sich kühl in seine eigene schmiegte. Vermutlich war er bis eben noch draußen gewesen. Wo wäre er denn hingegangen? Hatte er vorgehabt irgendwo auf der Straße zu schlafen, obwohl es Menschen gab, die ihn am liebsten verblutend in einer Gasse sehen wollten? Das dumpfe Gefühl in seinem Brustkorb nahm zu und ihm fiel das Atmen schwer. Haltesuchend verstärkte er seinen Griff, was Draco seinen Blick heben ließ. »Ich habe keine Wahl, Harry. Egal wie sehr mich das hier …« Sein Blick fiel auf ihre verschränkten Hände, als er jedoch die Verbindung löste. Draco presste seine Lippen so fest aufeinander, so dass seine Lippen nur noch so breit wie ein Strich waren. »Ich mag es, Potter. Deine verdammte Gegenwart. Dein hoffnungloser Optimismus, welcher mich am Leben hält. Deine trottelige treudoofe Art, die mich immer wieder aufs neue verblüfft. Harry ich …« Er zögerte, schaffte es nicht, dem Blickkontakt standzuhalten und ließ sich seufzend auf das Bett fallen. »Verflucht, Potter. Muss ich das alles wirklich sagen?« Der Sturm in seinen Augen loderte bedrohlich, schien auszubrechen und spiegelte wieder, was in seinem Inneren vorging. Ein Gefühl, welches einen so verrückt machte, dass man vergisst zu atmen. Als hätte der Sturm jegliches Sauerstoffmolekül aus der Luft gesaugt. »Ich mag es auch.«, sagte Harry schließlich und setzte sich neben ihm. Er musste jetzt stark sein, musste Draco die Ruhe zeigen, die er so dringend brauchte. »Ich mag dich.«, ergänzte er leiser und schaute ihm entgegen. »Es geht nicht ...«   Draco war ihm so nah, dass er seinen Atem spüren konnte. Er müsste sich nur vor lehnen. Ein kleines, winziges Stück, bis … »Warum?«, fragte Harry ihn und das dumpfe Gefühl kehrte zurück, welches kurz von den Schnatzen in seinem Bauch verdrängt worden war. »Deine Aussage in meiner Verhandlung ...«, begann Draco und faltete die Hände ineinander. Er sah reumütig aus. Ein Anblick, den er noch nie bei dem Malfoyerben gesehen hatte. Er war sich nicht sicher, ob er ihn noch einmal sehen wollte. »Du sollst die ganze Wahrheit wissen, Potter. Ich bin es dir schuldig. Und danach kannst du entscheiden, ob du mich noch in deinem Leben haben willst.« Dracos Stimme klang sachte, vorsichtig, doch Harry konnte nicht ganz verstehen, was er damit meinte. »Deine Aussage hat mich zwar vor Askaban bewahrt, jedoch habe ich strenge Auflagen bekommen, was die Jahre nach meinem Abschluss anbelangt.«, fing Draco an zu erzählen und Harry betrachtete ihn schweigend. »Was für Auflagen?«, fragte Harry. Draco verzog die blassen Lippen zu einem verbitterten Lächeln. »Drei Jahre Zauberstabentzug. Ich darf keine Magie anwenden und werde unter Hausarrest gestellt.« In seinen Worten lag keine Emotion. Sie klangen kalt, als wenn er sein Schicksal bereits akzeptiert hatte.   Er würde wie ein Muggel leben müssen. Für drei beschissene Jahre. Harry kannte dieses Leben. Er selbst würde das wahrscheinlich durchstehen, doch Draco hatte sicherlich wenig Ahnung, wie man eine Waschmaschine bediente, oder sich selbst etwas zu essen kochte. »Die Hochzeit.«, sagte Draco und es fühlte sich an, als würde bei der Erwähnung ein Stich durch Harrys Herz fahren. Ein Gefühl, welches ihn erneut ein Stück zurückweichen ließ, mehr Abstand zwischen sie brachte. Draco blickte geistesabwesend auf diese Bewegung und fuhr fort. »Es ist keine romantische Verbindung, Harry.«, sagte Draco atemlos und Harry brauchte einen Moment, um zu realisieren, was er damit eigentlich meinte, doch er verstand es nicht. »Astoria ist todkrank. Sie wird das nächste Weihnachten vermutlich nicht mehr überleben.«, sagte Draco kalt und sein Blick verfinsterte sich. »Ihr Vater zwingt sie der guten Ehre Willen noch zu heiraten. Wir kennen uns seit Kindheitstagen und hatten uns damals bereits mit 11 Jahren aus Spaß verlobt gehabt. Ich wollte ihr helfen. Sie war das schüchterne Mädchen, was bei Festen in der Ecke stand und zu viel Angst hatte, jemanden anzusprechen. Ich konnte sie verstehen, weißt du? Die Gesellschaft der Reinblüter ist beängstigend. Viel zu viele falsche Werte und Traditionen, die insbesondere bei solchen Veranstaltungen aufeinander prallen.« Seine Hand suchte nach Harrys, doch er hatte seine Faust um die Kette geballt, die in seiner Tasche lag. Seufzend hob Draco seinen Blick und sah nach Kasper, welcher mittlerweile ein wohlig gurrendes Geräusch von sich gab. Er schien eingeschlafen zu sein. »Wir haben uns mit dem Deal gegenseitig geholfen. Sie muss keinen Widerling heiraten, der sie zu irgendwas zwingen würde und im Gegenzug hilft mir ihr Vater meine Mutter früher aus dem Gefängnis zu befreien.« Nervös nestelte Draco mit seinem Zeigefinger an dem Stoff der Bettdecke. »Das war zumindest sein Versprechen.«, sagte er und Harry konnte Zweifel in seinem Ausdruck erkennen. Seine Gefühle in seinem Inneren überschlugen sich. Bedeutete das, dass Draco keine Gefühle für Astoria hatte? Dass es eine Scheinehe für den Zweck war? Bedeutete das … »Und dann bist da du.« Nun sah er ihn direkt an. Sturmgrau traf auf hellgrün und Harry konnte spüren, wie sein Puls an seiner Halsschlagader pochte. »Draco ...«, fand er endlich seine kratzige Stimme wieder. Sein Hals fühlte sich trocken an und er glitt mit seiner Zunge nervös über seine Zähne. »Dieser Deal. Es wäre als ...« Würdest du dich verkaufen. Für das Wohl deiner Familie. Beendete er seine Worte in seinen Gedanken. War es ihm überhaupt erlaubt, darüber zu urteilen? Über diesen Mann zu urteilen, der erneut in eine für ihn aussichtslose Situation geraten war. Von dem verlangt wurde, dass er den letzten Rest seines eigenen Daseins aufgab, um seiner Familie den gebührenden Respekt zu zollen. Ein Mann, der dazu verdammt war seine Bestimmung erfüllen zu müssen, da es einfach von ihm erwartet wurde. Harry konnte seine Situation nachempfinden. »Heirate sie nicht.«, sagte er die Worte, die ihm auf der Zunge lagen. Er hatte genug gezweifelt. Er wollte für diesen Mann da sein. Für seinen ehemaligen Feind, welcher ihn noch irgendwann um den Verstand bringen würde. »Ich könnte mit dem Minister-«, wollte Harry sagen, doch Dracos zischende Worte unterbrachen ihn. »Nein, Potter! Ich stehe verdammt nochmal genug in deiner Schuld.« Harry betrachtete den schnaubenden Slytherin und fragte sich, ob dieser je in der Lage sein würde, die Mauer die ihn umgab, einzureißen. »Wenn ich eine Aurorenausbildung anfangen würde, dann hätte ich Einfluss auf den Minister.« Harry schaute Draco mahnend an, als dieser ihn wieder unterbrechen wollte. Doch er klappte seinen Mund wieder zu und ließ Harry ausreden. »Er will Einfluss auf mich haben. Ich denke ich könnte dafür einen Gefallen einfordern, Draco. Zum Beispiel deiner Mutter einen neuen Prozess zu besorgen. Eine neue Chance.« Die letzten Worte hatte Harry nur noch gehaucht. Er war bereit dazu. Bereit, Draco aus diesem Leben zu befreien, seiner Mutter, die ihm in dem Wald das Leben gerettet hatte, die Freiheit zu schenken, kam ihm nicht falsch vor. Es fühlte sich richtig an. Dann würde er halt vor dem Minister kuschen und ein bisschen Drecksarbeit machen. Das schaffte er schon. Doch wachsame grausilberne Augen betrachteten Harry nachdenklich. »Also willst du deine eigene Freiheit opfern, damit du mich aus meinem Leben als kleines Zahnrad im Getriebe befreien kannst? Bist du verrückt?« Dracos Hand legte sich sachte an seine Wange. »Ich könnte dieses Opfer nie von dir verlangen, Harry. Du weißt, dass auch ich meinen Stolz habe. Und wenn es deine Lösung ist, vor mir ins Kreuzfeuer zu springen, um mich aus einem Dilemma zu retten, kann ich das nicht gutheißen.« Harry konnte fühlen, dass Dracos Daumen sachte über seine Haut strich, an seinem Hals herunter wanderte und auf seiner Schulter zum liegen kam. Die Berührung war sanft, brannte jedoch unangenehm auf seiner Haut. Doch wie sollte er ihm dann helfen?, fragte er sich und sah so viel Schmerz in den grauen Augen, welche ihn weiterhin musterten. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun kann.«, seufzte Harry schließlich atemlos und neigte seinen Kopf gegen Dracos Schulter. Er konnte den pochenden Herzschlag hören. Es ging ihm nicht alleine so. Auch Harrys Herz schlug vehement und nachdrücklich gegen seinen Brustkorb und die Erkenntnis, dass es Draco genau so ging, beruhigte ihn auf eine komische Weise. Es war doch komisch oder? Sie waren Feinde gewesen, Rivalen, standen auf verschiedenen Seiten und nun wollte er nichts lieber, als diesen Mann vor ihm glücklich sehen. Auch wenn das bedeutete, dass er nie der Partner an Dracos Seite sein konnte. »Lass mich dir wenigstens helfen, das alles in den Griff zu kriegen. Den Trank, das mit deiner Mutter. Ich will …«, sagte Harry und versank in den Augen seines Gegenübers, der mit sich zu hadern schien. Er fragte sich, wie lange er diesem Mann wohl insgeheim schon verfallen war. »Ich will Teil deines Lebens sein, auch wenn …« Er zögerte, tat es weh, es wirklich auszusprechen, doch Dracos plötzliches Lächeln ließ ihn aufmerksam werden.   »Ich werde es niemals schaffen, dir zu entkommen. Oder, Potter?«, seufzte er und lehnte sich gegen ihn. Es war, als wenn eine Last von seinem Herzen fiel. Das war ein Ja, oder? Das war definitiv ein Ja. »Kann ich dann wieder hier einziehen?«, nuschelte Draco an seinem Kragen und Harry beobachtete wie sich durch die Bewegung die seidigen Haare etwas verstrubbelten. Dracos Nähe fühlte sich verboten intim an, ging ihm durch Haut und Haare, doch er musste sich beherrschen. Dies war der richtige Moment, eine Möglichkeit, die sich ihm darbot.   Auch wenn es eine dreiste Lüge war. »Unter einer Bedingung.«, sagte Harry und versuchte sich etwas gerader hinzusetzen, wodurch Dracos Kopf von seiner Schulter rutschte. Er legte seinen Kopf schief, als wenn er gerade darüber protestieren wollte, doch Harry hatte gepokert und hoffte, dass ihn Draco nicht durchschauen würde. »Na gut, was ist die Bedingung?«, fragte der er, eine Augenbraue in die Höhe gezogen und Adrenalin schoss durch Harrys Körper. »Du nimmst das entgegen, ohne mich nach den Gründen zu fragen.«   Er zog die silberne Kette aus seinem Umhang. Die feinen Glieder der Kette hatten sich an einigen Stellen leicht verknotet, weil er sie so in der Tasche transportiert hatte, aber man konnte den Anhänger gut sehen. Der kleine silberne Drache umschloss mit großen Klauen den schönen Smaragd. Dracos Augen fixierten das Geschenk ungläubig und weiteten sich, als er zögernd die Hand danach ausstreckte. »Keine Fragen.«, erinnerte ihn Harry, als Draco den Mund aufmachen wollte, um etwas zu sagen. »Frohe Weihnachten, Draco.« Draco war wie erstarrt, wiegte den Anhänger sachte zwischen den Fingern, wie etwas unglaublich Zerbrechliches. Dann suchte er nach Harrys Blick und als sich ihre Augen begegneten, konnte Harry ehrliche Freude in ihnen sehen. Freude daran, dass Harry an ihn gedacht hatte, doch sein Blick verdunkelte sich erneut. »Ich habe gar nichts … ich meine ...«, stammelte Draco und sah sich hilfesuchend herum, als suche er nach einer greifbaren Lösung um nicht schon wieder in seiner Schuld zu stehen. Doch Harry konnte nur auf die Lippen starren, welche wenige Zentimeter vor ihm zu beben schienen. »Ich hätte einen Wunsch.«, sagte Harry schließlich, näherte sich ihm. Er konnte seinen Atem auf seinen Lippen spüren.   Wieder nur einige Zentimeter. »Ein Kuss.«, hauchte er und spürte, wie Draco unter ihm erschauderte. Gänsehaut zog sich durch seinen Nacken. »Das hier .. das ist nicht möglich, Harry. Es ist so unglaublich irrational und kompliziert, dass es nie funktionieren würde.« Sein ganzer Körper spannte sich an. Er hielt einen Moment inne. In dieser berauschenden verwirrenden Zwischenwelt, in der sie zu schweben schienen. Harry wollte das Draco es tat und er wurde nicht enttäuscht als dieser schließlich die letzten Zentimeter überbrückte, um seine Lippen hauchzart auf seine zu legen. Der Kuss war sanft, fast schon keusch und schneller vorbei, als es Harry lieb war. Sie ließen sich fallen, sanken in die Bettlaken. Erschöpft von all dem Chaos in ihrem Inneren und die Last die über ihnen schwebte. Ohne es weiter zu hinterfragen ließ er seinen Kopf auf den Brustkorb des Slytherin fallen und atmete den Geruch von schwarzem Tee ein, welcher seine Sinne wieder zum Leben erweckte. »Lass uns bitte jetzt gerade etwas irrational sein … «, hauchte er an Dracos Halsbeuge. Das pochende Schlagen seines Herzens, welches immer wieder an seinem Ohr pulsierte, war das Letzte, was Harry wahrnahm. Seine Augen schlossen sich, eingenommen von der Wärme und der verbotenen intimen Umarmung, in die er seinen ehemaligen Feind gezogen hatte. Nur für heute Nacht wollte er es genießen. »Frohe Weihnachten, Potter.«, flüsterte Draco neben ihm und ein leichtes Lächeln schlich sich auf Harrys Lippen.   ~~~*~~~  Kapitel 20: Breakfast --------------------- Kapitel 20: Breakfast       Ein wohliges Seufzen entglitt Harrys Kehle. Er streckte seine Glieder, was seine Muskeln leicht erzittern ließ. Der Stoff des Bettlakens fühlte sich weich an, erwärmt von den ersten Sonnenstrahlen, die sich durch das halb geöffnete Fenster in den Raum schlichen. Blinzelnd öffnete er seine Augen und rieb sich den Schlaf aus den Lidern. Wie spät war es? Verwundert realisierte er, dass dies hier nicht sein Zimmer war. Gedankenverloren glitt sein Blick auf die leere Bettseite. Eine kleine Kuhle in der Matratze war immer noch an der Stelle neben ihm zu erkennen. Ein Beweis dafür, dass er die Geschehnisse von gestern Abend nicht geträumt hatte. Bilder des Weihnachtsabends huschten durch seine Erinnerung und Harry merkte, wie seine Wangen warm wurden. Er wandte seinen Blick zur Seite. Sturmgraue Augen tauchten in seiner Erinnerung auf. Bebende Lippen, wie sie nur Zentimeter vor seinen eigenen schwebten. Das stetige verräterische Klopfen seines Herzens ließ ihn nun geistesgegenwärtig wahrnehmen, was eigentlich zwischen ihnen passiert war. Seine Gefühle hatten ihn übermannt. So überflutet von der Panik, dass Draco einfach gegangen sein könnte, hatte er jedes rationale Handeln freiwillig über Bord geworfen, als sein ehemaliger Rivale schließlich hinter ihm aufgetaucht war. Er hatte … Harrys Augen weiteten sich ein Stück, als ihm die Erinnerung von seinem Geständnis kam. Oh Gott! Er hatte ihm gesagt, dass er ihn mochte. Er hatte … er hatte ihn um einen Kuss gebeten! Sie hatten …   Hastig hob er die Bettdecke ein Stück an und schaute an seinem Körper herunter. Er trug immer noch dieselbe Kleidung vom Vorabend, die verschwitzt und eng auf seiner Haut lag. Er seufzte tief, zog die Bettdecke über seinen Kopf und drückte sein Gesicht in das Kissen, in dem Versuch diese verwirrenden Gedanken aus seinem Kopf zu bekommen, doch Dracos Geruch war allgegenwärtig und half nicht unbedingt dabei, sich von den Geschehnissen abzulenken. Er fluchte, zog die Bettdecke zur Seite und stieg aus dem Bett. Harry blies mit einem tiefen Seufzer die Luft aus seinen Lungen, als er langsam das Zimmer verließ, um sich im angrenzenden Badezimmer zu waschen. Er knöpfte auf halben Weg bereits sein Hemd auf, wollte endlich seine Haut von dem klebrigen unangenehmen Stoff befreien und ließ es sanft von seiner Schulter gleiten. Vor dem Badezimmerspiegel kam er zum Stehen, verzog die Lippe und betrachtete sein Gesicht. Hellgrüne Augen spiegelten das leicht flackernde Licht der Deckenlampe, umrandet von tiefen Augenringen und dunklen Schatten, die darunter lagen. Sein rabenschwarzes Haar stand noch mehr in alle Richtungen ab als sonst und verlieh seiner verwahrlosten Erscheinung den letzten Schliff. Wenn Harry es nicht besser wüsste, könnte er auch als Obdachloser durch gehen, der nun seine vierte Woche unter einer Brücke verbracht hatte. Der Gedanken an dieses Schicksal ließ ihn erneut an seinen Mitbewohner denken, der diesem gerade so entkommen war. Er schnaubte. Doch Draco war wieder da. Ein Zweifel lag in seinem Inneren. Draco musste bereits sehr früh aufgestanden sein, hatte das Bett, welches sie geteilt hatten, verlassen und ihn weiterschlafen lassen. Harry erwischte sich selbst bei dem Gedanken, dass dies nun das zweite Mal war, dass Draco ihn hatte beim Schlafen beobachten können. Was war nur aus ihnen geworden? Er strich mit der rechten Hand durch sein Haar, ließ seine Finger dazwischen gleiten und versuchte, die Unordnung zu bändigen. Das dumpfe Gefühl in seinem Brustkorb verstärkte sich. Wenn man ihm vor einem Jahr gesagt hätte, dass er mit Draco Malfoy mal das Bett teilen würde, hätte er höchstpersönlich dafür gesorgt, dass dieser Jemand ohne weitere Umwege ins St. Mungos eingeliefert würde. Doch es war passiert. Und die Erkenntnis, dass es wohl nie wieder passieren würde, lag schwer in seinem Herzen. Es war nicht möglich. Zu sehr waren sie vorbelastet. Als die Personen, dessen Leben sie nun einmal führten. Draco hatte klar gemacht, dass er Harrys aufopfernde Hilfe nicht wollte und er schämte sich für einen Moment sogar dafür, dass er sie überhaupt angeboten hatte. Er war bereit dazu gewesen. Eine Ausbildung zum Auror zu beginnen, um ihn aus dieser Situation zu befreien. Von den Werten und Erwartungen, die er zu erfüllen versuchte um … Ja um was? Kaltes Wasser spritze in sein Gesicht und er ließ seine Hände darüber gleiten. Er versuchte, die dunklen Augenringe weg zu reiben, wusch sich den Schweiß von der Stirn. Sachte glitt er mit den Fingerspitzen über die verblasste blitzförmige Narbe. Das Gefühl, keine Wahl über sein eigenes Leben zu haben, kannte er zu gut. Auch er hatte sich nicht gewehrt, als er schließlich die Erkenntnis erlangt hatte, was er tun musste, um dem Krieg zu beenden, war er bereitwillig in den Tod gegangen. Er hatte sein Schicksal mit offenen Armen akzeptiert. War es heuchlerisch nun von Draco zu erwarten sich dem zu widersetzen, was die Familienehre von ihm verlangte? Um … an seiner Seite sein zu dürfen? Wieder diese weichen Lippen auf seinen zu spüren und sich von dem Gefühl mitreißen zu lassen. Schon damals in der Schulzeit hatte Draco es verstanden, wie er Harry aus der Ruhe bringen konnte. Ob es nun durch Streitereien oder durch die ewige Rivalität zwischen ihnen war. »Immerhin hat sich das nicht geändert ...«, flüsterte er leise in den kleinen Raum hinein und drehte den Wasserhahn zu, worauf die letzten Tropfen im Abfluss verschwanden. Ein müdes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Er machte einen Zwischenstopp in dem Zimmer von Sirius, wo er einige seiner Klamotten aufbewahrte, um sich anzuziehen. Vermutlich war Draco unten, dachte er sich und ging nach einigen Minuten zögernd die hölzernen Treppenstufen hinab. Das laute Scheppern, welches aus der Küche drang, bestätigte sogleich Harrys Gedanken und als er durch die Tür trat, sah er ihn. Draco stand frisch geduscht und immer noch mit leicht feuchten Haaren hinter der Küchenzeile und rieb sich fluchend über sein Handgelenk. Das heiße Öl, welches sich vorher in der Pfanne befunden hatte, war nun komplett über die Herdplatte verteilt und schien auch zum Teil auf seiner Hand gelandet zu sein. Draco gab ein zischendes Geräusch von sich, schien Harry noch nicht bemerkt zu haben, der mit zwei großen Schritten bei ihm war und nach seinem Unterarm griff. »Verflucht, Potter.«, stieß dieser erschrocken aus und betrachtete Harry mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. »Halt still.«, murmelte er und befeuchtete ein Küchentuch, um es sogleich sachte auf das Handgelenk von Draco zu legen. Das kühle Gefühl sorgte dafür, dass Draco zusammenzuckte und scharf die Luft einzog. Harry betrachtete das Chaos vor ihm und bemerkte stirnrunzelnd, dass er wohl versucht hatte, Frühstück zu machen. Sachte strich Harry mit seinem Daumen über den Handrücken, als Draco jedoch hastig zwei Schritte nach hinten taumelte, um der Berührung zu entgehen. Eine leichte Röte zierte seine Wangen. »Danke …«, hörte er die gemurmelten Worte. Harry versuchte, stark zu sein, doch seine Stimme zitterte unaufhörlich und das stetige Pochen drang immer lauter gegen seinen Brustkorb. »Was hast du hier überhaupt versucht?«, fragte Harry zögerlich.   Es fühlte es sich nicht richtig an, die gestrige Nacht nun anzusprechen, wenn Draco selbst bei so einer kleinen Berührung aus der Fassung geriet, doch er konnte es ihm nicht verübeln. Es brachte ihn genauso aus dem Konzept. Egal, was da zwischen ihnen war, es war etwas sehr Zerbrechliches und Harry kam es so vor, als hätte ein einziges falsches Wort die Macht, es in tausende winzig kleine Stücke zu zerschmettern. Harry fiel es schwer, es zuzugeben, doch er hatte seit langem nicht mehr so gut geschlafen wie gestern Nacht. An die Seite seines ehemaligen Feindes gekuschelt, während die Wärme des Anderen seinen Körper wohlig umschlossen hatte. Vielleicht war es genau das, was ihm gefehlt hatte, doch hätte er diese Intimität nicht auch mit Ginny haben können? Was also hatte Draco an sich, dass er jedes Mal das Gefühl hatte, sein Herz würde jeden Moment aus seiner Brust springen und Urlaub wegen Überarbeitung anmelden. Bei dem Gedanken schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Ja lach mich ruhig aus.«, schnaubte Draco verächtlich und rieb stirnrunzelnd mit dem Tuch über die Verletzung. Er zog eine Augenbraue in die Höhe und sah ihn nun direkt an. Die anfängliche Unsicherheit schien verschwunden. »Ich werde drei Jahre ohne Magie leben müssen … wenn ich nicht verhungern will, muss ich das ja irgendwie lernen …« Er seufzte resignierend und begann mit dem Stück Stoff die Ölreste von der Anrichte zu entfernen. Harry konnte nicht anders als über den Anblick zu schmunzeln. Draco, der zwar wie immer ein elegantes Hemd trug, hatte eine Küchenschürze umgebunden, welche ein kleines Blumenmuster aus roten Lilien zierte. Die Blumen erinnerten Harry an seine Mutter und wie diese bestimmt früher für ihn und seinen Vater diverse Leckereien gezaubert hatte. Nun Draco so zu sehen, trieb eine vermeintlich vertraute Wärme durch seinen Körper. Er hatte ihn nie wirklich als Familienmensch gesehen, geschweige denn als jemanden, der in der Küche kochen würde. Er wirkte fehl am Platz und unbeholfen in seiner Tätigkeit, was seiner ganzen Erscheinung eine Niedlichkeit verlieh, die Harry sehr amüsant fand. »Scheint ja gut zu klappen.«, neckte Harry ihn und sein Lächeln wurde zu einem Grinsen, was Draco nur die Augen verdrehen ließ. »Als ob du es besser könntest, du glorreicher Held.«, schnaufte Draco, auf dessen Lippen sich ebenfalls ein leichtes Grinsen geschlichen hatten. Tatsächlich war Kochen und die tägliche Arbeit im Haushalt etwas, was er über die Jahre bei den Dursleys zwar nicht wirklich gemocht, aber dennoch zu beherrschen gelernt hatte. Immerhin hatte er damals auch nicht wirklich eine andere Option gehabt. Nun für Draco zu kochen, fühlte sich jedoch nach einer Tätigkeit an, die er gerne machen würde. Schulterzuckend griff er nach der Pfanne und stellte die Temperatur etwas niedriger. Er schlug einige Eier auf, die lose auf der Theke lagen und begann einige Kräuter und andere Zutaten hinzu zu mischen. Mit großen Augen beäugte Draco seine geschickten Hände, sagte jedoch kein Wort. Nach etwa fünfzehn Minuten hatte er ein mit Käse, Speck und Kräutern gefülltes Omelett gezaubert, was selbst ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Skeptisch sah Draco auf den Teller, den Harry ihm vor die Nase stellte. Bei diesem Anblick verdrehte Harry unweigerlich die Augen.   »Na iss schon. Es ist nicht vergiftet, immerhin hast du mir dabei zugesehen.«, sagte Harry, was Draco irgendwie zu beruhigen schien. Zögerlich betrachtete er, wie Draco das Essen probierte. Seine Augen schienen sich aufzuhellen, in dem Moment als das Gericht seinen Mundraum erreichte. »Das ist … Potter, ich kann es nicht glauben. Ich muss zugeben, das ist echt lecker.« Die Unsicherheit schien verschwunden und genüsslich verspeiste Draco den Rest des Omeletts. Zufrieden tat Harry es ihm gleich. »Wie kann es bitte sein, Potter. Dass du kochen kannst, aber kein Talent für Zaubertränke hast?«, fragte Draco und zog eine Augenbraue nach oben. Harry wollte ihm antworten als er jedoch von dem Geräusch von Flügeln, die durch die Luft schlugen, unterbrochen wurde. Kasper, welcher ebenfalls Interesse an ihrem Frühstück zu haben schien, krächzte aufmerksam, hob das Bein und legte seinen kleinen Kopf etwas schief. Er trug mehrere Briefe bei sich, die eigentlich viel zu groß für die kleine Eule waren, und wollte nun voller Stolz seinen Lohn für seine Arbeit entgegen nehmen. »Na gut, aber nur ein Stück.«, seufzte Draco und hielt ihm ein Stück Ei hin, was Kasper sogleich begierig von der Gabel pickte. Harry hätte es Draco nie zugetraut, tierlieb zu sein und bemerkte erneut, wie wenig er den Mann vor ihm eigentlich kannte. Ob es ihm erlaubt war, noch mehr dieser Seiten an ihm zu entdecken? Mit schlanken Fingern löste Draco die Kordel, welche die Briefe zusammenhielt, als sich jedoch ein skeptischer Ausdruck auf seine Züge legte. Er zog einen Umschlag aus dem Bündel hervor und überreichte ihn zu seiner Überraschung Harry, der verwundert auf das Siegel von Hogwarts starrte. »Sie scheinen zu wissen, dass ich zusammen mit dir hier bin.«, sagte Draco kühl, sein Blick verfinsterte sich. »Das wusste Dumbledore damals auch immer.«, sagte Harry unbeeindruckt von dieser Tatsache, merkte aber, wie Draco bei der Erwähnung des Namens leicht zusammen zuckte. Harry riss den Brief auf, der einige Seiten gefalteten Pergaments enthielt. Neben einer deutlichen Warnung McGonagalls, wie wichtig das kommende Halbjahr für ihre Zukunft sein würde, fand er einige Listen seiner Lehrer mit dem Stoff, den sie in den verlängerten Winterferien selbstständig erlernen sollten. Für Verwandlung sollten sie sich im Detail mit der Materie und der Zersetzung von mit Magie versiegelten Gegenständen auseinandersetzen. Wie man sie trotz des Schutzes teilt und wieder zusammensetzt, ohne dass ein Einfluss erkennbar war. Er hatte Hermine vor Beginn der Ferien bereits ein Buch lesen sehen, welches in diese Richtung ging. Die Hexe hatte vermutlich den kompletten Stoff bereits vorab in Erfahrung bringen können. Professor Trelawney quälte sie mit einer verlangten Recherche über das Karten legen und Harry realisierte seufzend, dass er auch für Zauberkunst und Zaubertränke noch viel Arbeit vor sich hatte. Grübelnd betrachtete er Draco, welcher auf die Listen schaute und vereinzelnd mit dem Finger über die Zeilen fuhr. Die blonden, noch leicht feuchten Strähnen hingen ihm ins Gesicht, verdeckten die aufmerksamen sturmgrauen Augen, die auf das Pergament fixiert waren. Harrys Hand unter dem Tisch verkrampfte sich etwas, krallte sich in seine Hose als er eine feingliedrige silberne Kette erkannte, die sich um Dracos Hals schmiegte und unter dem Hemd verschwand. Er trug sie. Die Kette, die Harry ihm geschenkt hatte. Sein Atem stockte und als Draco den Blick verwundert erhob, sah Harry hastig zurück auf die Liste vor ihm, blätterte eine Seite um. Er erkannte die etwas unsaubere Schrift von Professor Davis und begann diese zu entziffern. »Er meinte das echt ernst. Wir sollen uns tatsächlich mit Gedankenmagie beschäftigen.« Auch Harry hatte mittlerweile die Anweisung gelesen. Sie sollten einen Aufsatz über eigene Erfahrungen und Erwartungen schreiben, welche sie mit dem Thema verbinden würden und den Rest recherchieren sowie am Ende ein Fazit ziehen. Am Fuße des Pergaments waren einige Buchtitel vermerkt, die sie sich für die Vorbereitung anschauen sollten. Die eigenen Erfahrungen? Die Thematik schwankte bedrohlich in ihm und er merkte, wie er sich verspannte. Harrys negative Reaktion blieb jedoch nicht unbemerkt. Schweigend betrachtete Draco seine Reaktion, beobachtete wie sich Harrys Stirn immer mehr in Falten legte. »Verrätst du mir, wieso du so eine Abneigung gegen das Thema hast?«, drangen Dracos Worte an sein Ohr und rissen ihn aus seinen Gedanken. Blinzelnd sah Harry ihn an. War es immer noch ungewohnt, dass sie neuerdings auf einer Ebene miteinander kommunizierten, die solche privaten Fragen zuließ. Einen Draco Malfoy vor sich sitzen zu sehen, der offensichtliches Interesse an seinen Sorgen zeigte, war befremdlich, aber fühlte sich nicht falsch an. »Schon gut.«, murmelte Draco, der sein Zögern wohl als Zeichen gewertet hatte, dass Harry nicht bereit war, darüber zu reden. »Weißt du …«, begann Harry leise zu sprechen und seine Augenlider senkten sich ein Stück. Stirnrunzelnd betrachtete er, wie Kasper die letzten Reste seines Frühstückes aufmerksam beobachtete. Mit einer Handbewegung schob er den Teller der Eule zu, welche sogleich begierig begann, mit dem Schnabel das Essen aufzupicken. »Im fünften Jahr hatte ich Oklumentikunterricht. Bei Snape.«, sagte er und Harry konnte sehen, wie sich Dracos Augen bei der Erwähnung weiteten. »Es war nicht …« Er zögerte, wollte es nicht zu negativ formulieren. Immerhin hatte sich sein Bild von Severus Snape mittlerweile gewandelt. Der Zaubertrankmeister hatte eine Rolle im Krieg gespielt, die Harry schlussendlich zum Sieg verholfen hatte und auch wenn er Snape nicht immer gemocht hatte, respektierte er diesen für seinen Einsatz. Für die bedingungslose Liebe, die er seiner Mutter entgegengebracht hatte. »Er war so unglaublich charmant, wie immer, schätze ich?«, beendete Draco seinen Satz und lächelte ihm entgegen. »Ich kenne Onkel Sev. Er kann wirklich, naja …«, wollte Draco erklären und Harry zog bei dem Spitznamen für den grimmigen Zaubertranklehrer, welcher immer viel zu kalt gewirkt hatte, eine Augenbraue in die Höhe. »... beängstigend sein?«, versuchte Harry das Gefühl zu benennen, was bei der Erinnerung an die große schlanke Statur und dem kühlen Ausdruck in den mahnenden Augen in ihm hoch kroch. Er hatte damals von Dumbledore die Aufgabe bekommen, seinen Geist zu verschließen, um seine Gedanken abzuschirmen und der dunklen Präsenz, die in seinem Unterbewusstsein lauerte, den Eintritt zu verwehren. »Ihr hattet eine Verbindung, richtig?«, fragte Draco sachte und Harry konnte seinen Blick nicht ganz deuten. Er wirkte zögernd, bedacht darauf nicht die falschen Worte zu wählen. »Du hast es erwähnt als du ihm gegenüber standest. Du und … der dunkle Lord. So haben sie ihn immer genannt.«, sagte Draco kühl und sein Blick glitt geistesabwesend zu dem kleinen Steinkauz, welcher seinen Kopf im aufgeplusterten Gefieder vergraben hatte. Draco hob seinen Arm und strich mit einem Finger sachte über die Federn. »Snape sollte es mir beibringen, ja. Er sollte mich lehren, wie ich Voldemort aus meinem Kopf raus halte.« Harry bemerkte, wie Draco bei der Erwähnung des Namens die Lippen verzog, waren anscheinend auch bei ihm noch nicht alle Wunden verheilt, die der Krieg mit sich brachte. Narben, die man nicht sah. Die sich tief durch das Unterbewusstsein zogen. »Meine Mutter wollte, dass ich es lerne.«, sagte Dracos leise und durchbrach die kurzweilige Stille, die kurz zwischen ihnen geherrscht hatte. Seine Hand ließ von Kasper ab und die langen Finger falteten sich haltsuchend ineinander. »Potter … was soll ich dir sagen? Er hat bei uns verdammt nochmal gewohnt. Wir haben zusammen mit ihm gegessen. Einmal hat er unsere alte Muggelkundelehrerin über dem Tisch schweben und sie von dieser Schlange fressen lassen. Verflucht …« Seine Stimme zitterte, doch er hob schließlich seinen Blick und fixierte Harry entschlossen. Seine Glieder fühlten sich steif an. Der starre Holzstuhl war unbequem und er streckte leicht sein linkes Bein, um es wieder aufzuwecken. Er konnte eine Berührung an seinem Knie wahrnehmen. Es fühlte sich warm und Harry könnte schwören, dass Draco kurz überrascht geblinzelt hatte.   Die Berührung war angenehm und ließ eine Gänsehaut auf seinem ganzen Körper entstehen, doch Draco schien kein Interesse daran zu haben, diese vorsichtige tastende Geste zu unterbrechen. Er schien es eher konsequent ignorieren zu wollen. Also ließ Harry sein Knie an Dracos gelehnt und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, was Draco wohl seine Fassung zurückerlangen ließ. »Was ich meine ...« Er räusperte sich. »Er war ein herausragender Legilimentiker, der auch noch grandioser Weise in unserem Haus gewohnt hat und … mein Vater hat es mir beigebracht.« Die letzten Worte waren kaum merklich gewesen, nur noch gehaucht. Die Erinnerung an seinen Vater schien Draco aus dem Konzept zu bringen. Er wirkte wie in Trance. »Ich habe es nie gelernt. Ich fand es furchtbar … eine fremde Präsenz in deinem Geist fühlt sich beängstigend an. Ich habe aus seinen Augen gesehen, wie er gemordet hat, Draco.«, sagte Harry kühl und bemerkte, wie Dracos Knie leicht gegen seines drückte, als er etwas mehr in den Stuhl sank. Die Wärme, die von dieser seichten Bewegung ausging, half ihm weiter zu sprechen. Den Mut zu finden, darüber zu reden. Er hatte bisher nur Ron und Hermine davon erzählt. Na ja, sie hatten es immerhin Live miterlebt, wo auf der Jagd nach den Horkruxen waren. Immer wieder hatte sich Voldemort Zutritt zu seinem Geist verschafft. Einer der Gründe, weshalb er nie Hermines Vorschlag bezüglich einer Legilimentiktherapie gefolgt war. Klar war die Angst, dass seine größten Ängste in die Öffentlichkeit getragen wurden, vorhanden. Allerdings mochte Harry das Gefühl auch nicht wirklich, wenn jemand in seinem Geist herumwühlte. Er konnte einem dahergelaufenen Therapeuten niemals genug Vertrauen entgegen bringen, damit das funktionieren würde. Draco hatte ihn die ganze Zeit still betrachtet. Sorge lag in seinem Ausdruck und Harry bemerkte, dass dieser ihm die Zeit geben wollte, die er brauchte, um weiter zu sprechen. »Hermine wollte, dass ich eine Therapie mache. Wegen der Albträume …«, seufzte Harry schließlich. »Potter -« Draco zögerte, schien kurz zu bereuen überhaupt gesprochen zu haben. »Heute Morgen …« Er brach den Blickkontakt und sah zur Seite. »Da ich jetzt weiß, dass es durchaus möglich ist, dass du ohne Albträume durchschlafen kannst ...«, sagte Draco und ein plötzliches Krächzen von Kasper brach seinen Satz ab als dieser mit einem Flügelschlag aus dem Raum verschwand. »Ungehobelter Vogel.«, zischte Draco und starrte ihm hinterher. »Was ich meine, Potter … das bedeutet, dass nicht alles hoffnungslos verloren ist, verstehst du das?« Er lächelte leicht und Harrys Stirn legte sich in Falten. Nicht hoffnungslos verloren? Was zum Teufel meinte er damit? »Du wirst dich mit deinem Unterbewusstsein auseinander setzen müssen, Potter.«, hörte er die kühlen Worte, welche im kompletten Kontrast zu der Wärme an seinem Bein standen. »Ich kann dir dabei helfen.«   ~~~*~~~ Kapitel 21: Fear ---------------- Kapitel 21: Fear       Blinzelnd starrte er ihn an. Die Bedeutung seiner Worte machten keinen Sinn für Harry. Wie sollte Draco ihm helfen können? Doch die Erkenntnis, die durch seinen Hinterkopf jagte, ließ ihn die Luft anhalten. Er wollte ihm wirklich helfen. Das hier war kein böser Scherz, der ihn aufziehen sollte. Doch … vertraute er ihm so sehr, dass es möglich wäre? Dass er sich … Ja. Das Wort war sofort da und raste durch seine Gedanken. Er vertraute ihm. Viel zu sehr als dass es vermutlich gesund für ihn war, doch hatte Draco überhaupt Erfahrung mit sowas? Sein Vater hatte es ihm beigebracht … doch was bedeutete das? Und … da war noch was. Etwas, dass das dumpfe Gefühl in seiner Magengrube nur verstärkte. Es nährte, bis es unaufhörlich und wabernd in ihm lauerte. »Wie stellst du dir das vor, Draco?«, sprach er die Frage laut aus, die in seinem Kopf widerhallte. Insgeheim hoffte er auf eine patzige Antwort, die ihm einen Grund gab, sich dem zu entziehen. Alles in ihm wehrte sich so vehement dagegen, ihn nicht einfach abzuweisen. Malfoy zu verfluchen und ihm zu sagen, dass dies eine bescheuerte Idee sei, die nur von ihm kommen konnte. Doch er wollte es nicht. War es nicht die Konsequenz, wenn er ihn in seinem Leben haben wollte? Auch wenn er immer noch nicht beschreiben konnte, was das zwischen ihnen jetzt eigentlich war, wenn er Draco besser kennenlernen wollte, würden sie über den Krieg reden müssen. Das gehörte doch dazu … doch … Er wusste einfach nicht, ob er bereit dazu war. Bereit, sich diesen Erinnerungen zu stellen, die ihn in der Nacht immer wieder verfolgten. Es erneut zu erleben. Den Schmerz erneut zu fühlen. Die Fetzen der Vergangenheit in seinen Träumen wieder zu erleben war eine Sache. Doch sich mit ihnen wirklich auseinanderzusetzen eine andere. Erinnerungen verworren sich in seinen Gedanken, flackerten ungebändigt durch seinen Kopf. Er hatte doch versucht sie zu verdrängen, sie wegzuschließen, damit er endlich atmen konnte, doch es fühlte sich an, als wenn sein Hals pochen würde. Er keuchte, konnte es nicht verhindern, dass sein Blick sich trübte und zur Seite wich. Die Möglichkeit, tatsächlich sich bereit zu erklären, diese Erinnerungen erneut zu erleben, legte sich beklemmend um seinen Körper und trieb den Schweiß auf seine Stirn.   Atmen!, rief er sich selbst in Gedanken zu, doch kein Laut verließ seinen Mund. Harry sah, wie sich Dracos Lippen bewegten, doch er verstand es nicht. Wie ein Rauschen in der Ferne wurden die Worte von dem drückenden Gefühl in seiner Brust verdrängt. Sein Herz pumpte das Blut durch seine Venen und pochte schmerzhaft. Sein Hals war zugeschnürt, das Atmen fiel ihm schwer und hastig schnappte er nach Luft. »Potter …«, hörte er Dracos Stimme zwischen dem Rauschen, doch Harry verzog schmerzhaft das Gesicht. Es war, als wenn die Geschehnisse an ihm zerren würden, sie zogen ihn immer näher an den Abgrund. Seine Hand zitterte und Gänsehaut zog sich über seinen Körper. »Harry, schau mich an.«, zischte Draco verzweifelt und Harry konnte schemenhaft wahrnehmen, dass er aufgestanden war und auf ihn zukam. Die Worte hallten in seinem Hinterkopf und in seinen Gedanken herrschte so ein Durcheinander, dass er sich an diese klare Anweisung klammerte, Halt suchte. Er hob den Blick und sah in die sturmgrauen Augen seines Gegenübers. Seine ganze Erscheinung strahlte eine Ruhe aus, die Harry unweigerlich aufseufzen ließ. Erst jetzt bemerkte er den festen Griff Dracos Hände, die auf beiden Seiten seine Oberarme umfassten. Seine Schulter sackten zusammen und sie entfernten sich zögernd, ließen ihn zur Ruhe kommen. Eine Weile schwiegen sie. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, zog Luft in seine Lunge. Tief atmete er aus und seine Augen schlossen sich, als ihm bewusst wurde, dass Draco immer noch vor ihm stand. Ruhig lag sein Blick auf ihm. »Alles okay?« Die Worte waren gehaucht, sachte und zögernd. Nie hatte er Draco in so einem Tonfall sprechen hören. Es klang fürsorglich und Harry konnte fühlen, wie ihm ganz warm wurde. »Was ist ...« Ein kratziger Laut entkam seiner Kehle. Sein Mund fühlte sich trocken an und ein Kloß saß fest in seinem Hals. Er versuchte zu schlucken, begann jedoch augenblicklich zu husten. »Ich glaube … du hattest gerade eine Panikattacke. Ich hätte nicht gedacht, dass dich der Gedanke mit mir … Ich …« Er zögerte, griff hinter seinen Rücken und öffnete die Schleife, um die Schürze auszuziehen. »Aber immerhin geht es dir jetzt besser.«, lachte Draco kaum merklich und neigte seinen Kopf kurz zu ihm rüber, sah ihn jedoch nicht an. Sprachlos betrachte Harry die Bewegung und beobachtete, wie er die Schürze faltete und auf einen Stuhl legte. »Es ist nicht wegen dir.«, hörte Harry seine eigenen Worte in dem Raum widerhallen, doch Dracos hatte seine Maske aufgesetzt, wandte mit starrem Ausdruck den Blick ab und wollte die Küche verlassen. »Verdammt, Malfoy.«, knurrte er und griff nach seinem Handgelenk, wodurch Draco sich zu ihm drehte. »Was willst du, Potter? Hör doch verdammt noch mal endlich damit auf … Nichts ergibt mehr Sinn!«, schrie Draco und starrte ihm entgegen. Er konnte ihn schlucken sehen, ruckartig zog er seinen Arm aus Harrys Umklammerung. »Ich wollte doch nur ...«, begann er zu sprechen, doch er zögerte, verzog seine Lippe und hob seinen Blick um Harry direkt anzusehen. »Verdammt, du beschissener Mistkerl. Ich wollte dir helfen, verstehst du das denn nicht?«, schrie er ihn beinahe an, sein Atem wurde hektischer und Dracos Brustkorb hob und senkte sich wieder. Harry saß da. Mit geweiteten Augen betrachtete er seinen ehemaligen Feind, wie dieser schnaufend vor ihm stand. »Es fühlt sich an wie eine Gnadenfrist.«, flüsterte Draco atemlos. »Wie meinst du das?«, fragte Harry sichtlich verwirrt. Dracos Stimme klang traurig, verletzt und Harry gelang es nicht, sein Gegenüber einzuschätzen. Eine Gnadenfrist? »Das hier mit dir. Dass ich hier wohnen darf, dass wir versuchen meine Mutter zu retten.« Ein Seufzen entglitt seiner Kehle. »Ich darf sogar meinen Schulabschluss machen. Noch einen Moment lassen sie mich das Dasein eines Zauberers auskosten, damit ich genau weiß, was ich da verliere.« Draco lachte leise. Harry antwortete ihm nicht, still blickte er auf den Mann vor ihm, der so verletzlich wirkte. Vor drei Jahren hätte er ihn vermutlich ausgelacht. Verspottet, ihn ein verweichlichtes Frettchen genannt. Ein müdes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. »Weißt du … Potter …« , drangen die gehauchten Worte an sein Ohr. »Ich habe alles verloren. Jegliches Privileg, welches mein Name mit sich brachte. Mein Heim, meine Familie. Alles was noch in mir ist, fühlt sich einfach nur leer an. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich …« Er brach ab, wandte seinen Blick zur Seite als er jedoch plötzlich schnaubte und ihn direkt anblickte. Entschlossenheit lag in seinem Blick. Der letzte fast verrauchte Funke kämpfte sich hervor, um seinen Willen zu beweisen. Doch die Dunkelheit, welche in seinen Augen mitschwang, überwog. Und dann verstand Harry es. Draco wollte ihm auf Augenhöhe gegenüber stehen. Wie es immer schon war. Wie es immer sein sollte, huschte es durch seine Gedanken und in seinem Inneren breitete sich ein Gefühl des Verständnisses aus. Dieses Angebot war ein Versuch, ihm zu helfen. Ihm, Harry Potter, den unfreiwillige Retter, der es gegen jegliche Logik doch geschafft hatte. Es war unglaublich paradox und ungewohnt, dass Harry lange gebraucht hatte bis er es erkannt hatte. Draco wollte sich revanchieren. Ihm die Hand reichen und ihm beistehen, genau wie er es auch getan hatte. Resignierend seufzte Harry und griff erneut nach dem schmalen Handgelenk, um Draco mit einem Ruck in seine Arme zu ziehen. Er keuchte überrascht auf, umschloss jedoch zögerlich seinen Oberkörper. Eine Weile verweilten sie in der Position. Genossen die Wärme als Harry sachte etwas an Dracos Schulter sagte. »Okay.«, flüsterte Harry und er konnte Draco überrascht aufatmen hören. Draco löste die Umarmung und starrte ihn an. Unsicherheit flackerte in seinem Blick.   »O-okay?«, wiederholte Draco zögernd. »Heißt das, du willst es versuchen?« »Nicht heute.«, erklangen seine müden Worte, doch Draco schien dies auszureichen. Harry wusste, dass er es damit bestätigt hatte, was die Unruhe in seinem Inneren verstärkte, doch er wollte mutig sein. Dass es nicht einfach werden würde, hatte er sowieso gewusst. Was war er denn bitte für ein Gryffindor, wenn er bei jeder Gefahr davon rannte. Nein das passte nicht zu ihm, beschloss er. Er konnte noch erkennen, wie Draco ihm schwach zunickte und schließlich den Raum verließ.   Für einen Moment war es Harry nicht möglich sich auch nur einen winzigen Zentimeter zu bewegen als er mit matten grünen Augen den Flur fixierte, in dessen Dunkelheit der Andere verschwunden war.   ~~~*~~~ »In Steve's Erzählung hörte es sich irgendwie besser an.«, schnaufte Ron neben ihm. Der starke Regen prasselte hartnäckig auf ihre Kleidung und Harry merkte, wie einige Tropfen an seinem Hals hinunter liefen. Zweifelnd starrte er auf die Bar, welche in einer Seitengasse in London lag. Ein Muggelviertel. Ron hatte gemeint, ein Bekannter seines Vaters hatte es ihm empfohlen, als er letzte Woche für ein Vorstellungsgespräch im Ministerium war. Sein bester Freund beabsichtigte, trotz dessen, dass Harry es nicht mehr wollte, eine Aurorenausbildung anzufangen. Ein weiterer Grund, warum Ron die letzten Wochen vor den Weihnachtsferien sehr viele Stunden mit Hermine in der Bibliothek verbracht hatte. Sein Vater war fast geplatzt vor Stolz, als Ron es am Weihnachtsabend verkündet hatte. Harry verzog angenervt sein Gesicht und sah verschwommen durch die Regentropfen auf seinen Brillengläsern auf das Neonschild der Bar. Ein Buchstabe flackerte und reflektierte sich an den Backsteinwänden der Gasse. Harry hatte schließlich eingewilligt auf das ewige Bedrängen seines besten Freundes etwas mit ihm trinken zu gehen. Und war dies eine gekonnte Ausrede, um mal ein paar Momente seine Gedanken ordnen zu können. »Na komm schon, Ron.«, sagte Harry bestimmt und überquerte die letzte Entfernung zu der großen Eichentür. Eine wohlige Wärme strömte ihm entgegen, als er den kleinen gemütlichen Pub betrat. Die verdunkelten Fensterscheiben ließen nur leicht das Licht der Straßenbeleuchtung durch. Sie durchquerten die Schankstube und setzten sich an die große Theke. Der blonde Barmann, Harry schätzte, er war in ihrem Alter, schenkte ihnen ein freundliches Lächeln. »Habt ihr euch verirrt, oder sucht ihr Schutz vor dem Regen?«, schmunzelte er und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Vermutlich kamen hier nicht oft neue Gäste hin, so versteckt, wie der kleine Pub gelegen war, doch es war auf eine komische Art und Weise sehr gemütlich. Neben der Theke gab es noch zwei weitere Sitzmöglichkeiten, die etwas verdeckter lagen sowie ein Billardtisch, der mitten im Raum stand. Zwischen den Sitzgelegenheiten konnte Harry eine freie Fläche erkennen, auf der man wohl auch tanzen konnte. Es sah alles sehr gepflegt aus, schien jedoch in die Jahre gekommen zu sein. Definitiv konnten die Sitzpolster einige Reparaturen vertragen, was mit einem kleinen Zauber schnell erledigt wäre, doch war dies ein Luxus, der den Muggeln nicht vergönnt war. Reparaturen kosten Geld. »Der Regen ...«, sagte Harry. Der Kellner nickte verstehend und nahm sich erneut das Trockentuch zur Hand, um es in das große Bierglas zu stopfen und darin zu drehen. Eigentlich war es der Schutz der Anonymität, den sie gesucht hatten. Das konnte er dem Muggel jedoch nicht verraten. Es war Harrys Bedingung für diesen Abend gewesen. Sie hatten einmal versucht, im tropfenden Kessel was trinken zu gehen, was jedoch darin endete, dass eine Traube von Menschen sie alle fünf Minuten in ihrem Gespräch unterbrochen hatte. Diese Bar hier war leer. Keine Reporter, die schlecht versteckt hinter Pflanzen standen, nur um ein gutes Foto für einen neuen Artikel zu bekommen. Es waren kaum andere Gäste da, aber immerhin war es auch noch relativ früh. »Wir führen leider keine Cocktails hier, aber wenn ihr möchtet, mische ich euch einen Longdrink.«, sagte der Kellner lächelnd und kam erneut zu ihnen rüber. »Mein Name ist übrigens Oliver.« Er zwinkerte Harry zu. Er fragte sich, ob es ihm plötzlich irgendwie aufs Gesicht geschrieben stand, dass er demselben Geschlecht nun doch nicht so ganz abgeneigt war. Ansonsten fand er keine schlüssige Erklärung, für das offensichtliche Flirten seines Gegenübers. Oder wurde er jetzt komplett verrückt? Er schnaubte. »Gerne.« , sagte Harry, um keinen Verdacht zu erregen, und betrachtete Oliver mit einer hochgezogenen Augenbraue, was diesen leicht kichern ließ. Er wandte sich dem großen Regal hinter der Theke zu und schien zu überlegen, welches Getränk für sie geeignet wäre. Kurzerhand nickte er und zog eine dunkle Flasche hervor. Er beugte sich hinunter zu dem kleinen Kühlschrank, was Harry bemerken ließ, dass er den kleinen festen Hintern des Kellners doch für einen Moment zu viel betrachtet hatte, denn Rons Schnauben ertönte neben ihm und ein Unglaube lag in seinem Blick, als er bemerkt hatte, was Harry da eigentlich beobachtete. Hochrot sah Harry zur Seite, verpasste sogar fast die Ankunft der zwei Gläser, die Oliver vor ihnen auf die Theke stellte. »Der Junge hat ein Talent für gute Mischungen.«, gluckste ein älterer Mann am anderen Ende, woraufhin der Kellner sich verlegen am Kopf kratzte. Der Gast hob sein Glas und sein Schnauzbart hüpfte ein Stück, während er seine Lippen zu einem Grinsen verzog. »Cuba Libre. Etwas Einfaches aber sehr lecker. Eigentlich ist es nur Rum mit Cola.« Oliver lachte leise. »Wüsste nicht, was man da falsch mixen könnte.« Seine Wangen waren immer noch zart rosa. Die blonden Haare trug er sehr kurz, anders als die von Draco, und dennoch standen sie in alle Richtungen wild von seinem Kopf ab. »Klingt doch super.«, flötete Ron unbekümmert und griff beherzt nach einem Glas. Mit einer Handbewegung wandte sich Oliver wieder den anderen Gästen zu. Harry seufzte. Die Neuentdeckung seiner Sexualität war nicht etwas, was er unbedingt beabsichtigt hatte, bei diesem Ausflug zu erfahren. Er hatte schließlich eingewilligt, um genau dieser Thematik für einen Moment zu entkommen. Das Gespräch vom Frühstück heute Morgen hatte ihn so unendlich verwirrt, dass er unbedingt aus diesem Haus raus musste. Was war das jetzt eigentlich zwischen ihnen? »Also Malfoy wohnt jetzt bei dir?« Riss Rons Stimme ihn aus seinen Gedanken und Harry starrte bei der Direktheit seiner Worte ihn für einen Moment erschrocken an, bis er realisierte, dass Hermine ihn wohl eingeweiht haben musste. »Sie hat es dir erzählt.«, sprach er das Offensichtliche schließlich aus und ein Kopfschmerz zog sich durch seine Schläfe. Mussten sie jetzt über das Thema reden? »Kumpel, seit wann erzählen wir uns so etwas nicht mehr?« Ron zögerte, kaute auf seiner Lippe herum und nahm beherzt einen weiteren Schluck des Getränkes, was Harry noch nicht angerührt hatte. Der Blick seines besten Freundes fixierte ihn vorwurfsvoll und Harry wusste, dass er recht hatte. Es war nicht fair gewesen, ihn auszuschließen, doch war es für ihn immer noch ungewohnt, dass sein bester Freund wohl akzeptiert zu haben schien, dass er Gefühle für ihren ehemaligen Schulfeind hegte. Doch wusste Ron nicht, was heute Morgen passiert war, welchen Zusammenbruch er vor den Augen ihres einst so verhassten Feindes gehabt hatte, wie tief er ihn schon in sein Inneres gelassen hatte. »Du hast Recht.«, bestimmte Harry, was ein dümmliches Grinsen auf das Gesicht seines besten Freundes zeichnete. »Nur bitte lass mich nicht dabei zusehen, wie du mit dem Frettchen rumknutschst, ja?« Ron würgte gespielt und Harry musste lachen. Ron musste Draco nicht mögen. Für Harry reichte es allemal, dass er einfach akzeptierte, dass ihr ehemaliger Feind sich in sein Leben geschlichen hatte, auch wenn er noch nicht das ganze Ausmaß der Geschichte kannte. Rons und seine Freundschaft war immer sehr einfach gewesen. Sie stritten sich zwar oft, wenn es um wichtige Dinge ging, verziehen sich aber genau so schnell wieder. Selbst wenn man sich erst nach Monaten wiedersah, fühlte es sich so an, als hätte er den jüngsten Sohn der Weasleys erst wenige Minuten davor das letzte Mal gesehen. Sie hatten so viel durchgemacht, dass Harry einfach angenommen hatte, dass Ron ihm diesmal diese Gedanken nicht verzeihen würde. Dass dies vielleicht die eine Sache war, die er nicht akzeptieren konnte. Sich dem Feind hinzugeben, war irgendwo immerhin auch ein Verrat, oder nicht? Ein Schmerz pochte in seiner Lippe und er spürte die gutmütig klopfende Hand seines besten Freundes auf seiner Schulter, die ihm mitteilte, dass sich das Thema damit erledigt hatte. So einfach war es. »Ich hab dich aus einem anderen Grund heute eingeladen, Kumpel.«, grinste Ron und Harry bemerkte, wie er sich im Raum umsah. »Ich will, dass du mein Trauzeuge wirst, Harry.« Er strahlte und Harry wurde sich bewusst, was diese Bitte eigentlich bedeutete. »Ihr heiratet!«, rief er laut aus, was den bärtigen Mann am anderen Ende des Tresens erfreut zum Klatschen brachte. »Meinen Glückwünsch!« Er erhob sein Glas und prostete ihnen zu. »Harry!«, zischte Ron verlegen und beugte sich zu ihm. »Verdammt ich hab sie noch nicht gefragt. Aber ich habe den Ring schon, verstehst du?« Er zog eine kleine schwarze Schatulle aus seinem Mantel und zeigte sie Harry, bevor er sie hastig wieder einsteckte. »Nach dem Abschluss.«, sagte Ron mit ruhiger Stimme und atmete tief aus. »Dann frag ich sie ...«, murmelte er und trank den letzten Rest seines Getränkes aus. Harry schaute auf sein immer noch randvolles Glas und nahm den Henkel in die Hand um einen großen Schluck zu trinken. »Ich mach's.«, beschloss er dann einfach, fühlte es sich richtig an, seine Freunde auf dem Weg in ihr neues Leben noch zu begleiten. Vielleicht sogar zu verabschieden, ergänzte er traurig in Gedanken. Wenn Hermine und Ron erst einmal verheiratet waren, hatten sie bestimmt weniger Zeit, um sie mit Harry zu verbringen. Andere Sorgen und Probleme, die nur die beiden betreffen würden. Sie wurden nun einmal älter und er wusste, dass dies eigentlich ziemlich normal sein sollte. Es fiel ihm jedoch unendlich schwer, es einfach hinzunehmen. Sein eigenes Leben war so ungewiss. Die Zukunft, der Morgen würde von den Entscheidungen geprägt sein, die er in den nächsten Wochen treffen musste. »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Danke, man.« Ron klopfte ihm erneut feste auf die Schulter und grinste ihm entgegen. »Harry ...«, sprach er nach kurzem Zögern weiter. Rons Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln.   »Seid ihr … Bist du … ?« »Wir sind nicht zusammen, falls es das ist, was du fragen wolltest.«, seufzte Harry und er konnte den Blick von Oliver spüren, der bei diesen Worten zu ihnen herübergesehen hatte. Gedankenverloren drehte er das silberne Armband an seinem Handgelenk.   »Ein Geschenk?«, fragte Ron, der seinem Blick gefolgt war. »Ja, sowas in der Art …«   ~~~*~~~ Nach zwei Stunden hatte sich Harry schließlich von Ron verabschiedet. Er freute sich unheimlich für die beiden, jedoch verschlimmerte der Gedanke auf eine komische Weise auch das beklemmende Gefühl in seiner Brust. Mit einer Hand zerknüllte er das kleine Stück Papier, welches der Kellner ihm zusammen mit der Rechnung gebracht hatte. Stopfte es in seine Tasche und hing die Jacke im Flur auf. Seufzend und schweren Herzens betrat er das Wohnzimmer des Grimmauldplatzes und stellte erstaunt fest, das Draco noch wach war. Er hatte es sich, in eine Decke eingemummelt vor dem Kamin bequem gemacht und las ein Buch. Er hob seinen Blick. »Du bist zurück.«, sagte Draco und ließ das Buch neben sich auf die Couch fallen. Er trug einen seidenen Schlafanzug, seine Haare waren etwas verwuschelt und anscheinend war er noch einmal aufgestanden. »Ja …«, hauchte der Harry müde in das dunkle Zimmer, welches allein von den Flammen des Kamins in ein flackerndes Licht getaucht wurde. Er hatte eigentlich gehofft, dass Draco schon schlafen würde, wusste er einfach nicht, wie sie miteinander umgehen sollten. Harry wollte nicht derjenige sein, der es kaputt machte, diese unsichere Spannung, die zwischen ihnen schwebte. »Ich wollte eigentlich ...« , begann Harry zu sprechen, schaffte es jedoch nicht, weiterzureden. Eigentlich wollte er sich nur ins Bett schleichen und diesen Abend zu Ende gehen lassen. Ron mal wieder zu treffen hatte Spaß gemacht, doch der Morgen und das, was zwischen Draco und ihm herrschte, wühlten sein Inneres auf. Seine Glieder fühlten sich kalt und angespannt an, sein Herz pochte leise und dumpf in seiner Brust. »Ich gehe ins Bett.«, seufzte Harry und drehte sich um, ohne Draco noch einmal anzusehen. Schleppend zwang er seine Beine die letzten Stufen hoch, bis er Sirius Zimmer erreichte und sich haltlos in das gemütliche Bett fallen ließ. Heute Nacht wach zu bleiben stand nicht zur Wahl. Er war so erschöpft, dass es keine fünf Minuten dauerte, bis seine Augen zufielen und sein Bewusstsein in die Dunkelheit eintauchte. Doch das Knarren der Dielen ließ ihn erneut im Halbschlaf aufhorchen. Mit geschlossenen Augen hörte er das leise Quietschen der Tür, sowie die zögerlichen Schritte, die sich durch den Raum tasteten. Das Gewicht, welches die Matratze kurz nachgeben ließ, bestätigte seine leise Hoffnung, als sich seine Bettdecke ein Stück anhob und schlanke Arme ihn von hinten umschlossen. »Sag jetzt bitte nichts.«, flüsterte Draco an seinem Nacken und der heiße Atem ließ eine Gänsehaut auf seiner Haut entstehen. Ein wohliges Lächeln schlich sich auf Harrys Lippe, als die Wärme des Körpers ihn einnahm. Er merkte, wie sein Herz sich langsam wieder beruhigte und sein Bewusstsein in einer tiefen Schwärze versank.   ~~~*~~~  Kapitel 22: Infinite Loop ------------------------- Kapitel 22: Infinite Loop       Ein ganz normales Leben zu führen, war immer etwas gewesen, was Harry als erstrebenswert empfunden hatte. Mit zehn Jahren hatte sich Harry nichts mehr gewünscht, als einfach genau das verkörpern zu können. Eine langweilige Normalität bestehend aus Geburtstagen, Teenachmittagen und abendlichen Stunden mit der Familie vor dem Fernseher, um sich über den neusten Tratsch in den Nachrichten aufzuregen. Genug zu sein, um als Sohn anerkannt zu werden, der mehr als nur ein Hausmädchen war. Der einen Zweck erfüllen sollte, um überhaupt eine Daseinsberechtigung zu erhalten. Jemand zu sein, den man nicht vor den Nachbarn verstecken musste, weil alleine seine Anwesenheit ein Übel darstellte, was so gar nicht zu der vorstädtischen Vorstellungskraft und Grundeinstellung in Little Whinging passte. Ein Ort, in dem es mehr als gewollt war, der langweiligen Normalität zu entsprechen. Wenn er nun darüber nachdachte, hatte er sich vermutlich in diesem Alter nie wirklich damit auseinandergesetzt, wie abstrus dieser Wunsch eigentlich gewesen war. Doch damals waren selbst die kleinsten Momente kostbar gewesen. Der kleinste Funken Anerkennung fühlte sich wertvoll an, auch wenn er lediglich daraus bestand, dass man ihn nicht für seine Fehler bestrafte. Ihn einfach existieren ließ. Harry hatte sich damals einfach damit abgefunden, dass die bebende Abneigung und Verachtung, die aus den Augen der Dursleys ihm entgegen schwappte, sobald er den Raum betrat, irgendwo wahrscheinlich ihre Art zu zeigen war, dass der kleine Junge mit den zerzausten Haaren doch irgendwie ein Teil dieser Familie war. Dass er einen Platz im Leben der Dursleys einnahm, auch wenn es nur ein kleiner Raum unter der Treppe war. Wie ein Parasit, der dieses normale vorzeigbare Leben von Vernon, Petunia und Dudley Dursley durcheinanderbrachte.   Diese winzige Tatsache verlieh ihm zumindest die Sicherheit, dass er am Leben war. Dass es ihn gab. Ihn, Harry Potter, der immer noch den Namen seiner Eltern trug. Ein Überbleibsel einer Geschichte, die nie erzählt wurde. Ein Tabu-Thema, das im Hintergrund seines Unterbewusstseins lauerte und ihn davon abhielt normal zu sein. Ein Leben, welches er akzeptiert hatte. Bis zu dem Zeitpunkt als ein hochgewachsener behaarter Mann ihn aus diesem Leben befreit hatte. Wenn man die Art und Weise betrachtete, wie Hagrid Harry schließlich in die Welt der Zauberer geholt hatte, die Harry nun ganz selbstverständlich als seine Welt bezeichnete, könnte man nach allgemeiner Meinung von Normalität eigentlich auch von einer klassischen Entführung sprechen. Für Harry hatte sich allerdings nach seinem elften Geburtstag eine Welt aufgetan, in der seine Existenz plötzlich zu einer nicht widerruflichen Schlagzeile wurde, die sich durch sein bisheriges Leben zog. Er wurde verehrt, verleumdet, verstoßen, schlussendlich als Held gefeiert und dennoch hatte sich etwas Entscheidendes in seinem Leben verändert. Er hatte gelernt, dass nicht normal zu sein gar nicht so schlimm war. Plötzlich hatte er Freunde, die ihn trotz jeglichen Widerwillens seinerseits bedingungslos unterstützen. Feinde, die er fürchtete. Die ihm nach dem Leben trachteten, das plötzlich eine Relevanz besaß, die Harry bis heute nicht wirklich verstehen konnte. Rivalen, mit denen er gestritten und gewetteifert hatte. Die … »Manchmal würde ich echt gerne wissen, was so in deinem Kopf vorgeht, Potter.«, sagte Draco und schlürfte einen Schluck seines frisch gebrühten Kaffees. Nachdenklich betrachtete Harry sein Gegenüber und seufzte. »Es ist vermutlich normaler, als du denken würdest.«, seufzte er und biss in das frische Croissant, welches Draco in der Früh vom Bäcker geholt hatte. Die letzten Wochen hatten sich angefühlt, als wären sie wie ein Film an Harry vorbei gezogen. Nun hatten sie nur noch wenige Tage, bis der Monat vorbei war und er sich endlich von dem bitteren Geschmack des Alraunenblattes befreien konnte. Wie in einer Endlosschleife aus Tagen, die ähnlich verliefen und ihm doch so viel bedeuteten, hatte sich eine Normalität eingeschlichen, die Harry bereitwillig akzeptiert hatte. Dracos Anwesenheit hatte ihn eingenommen und in eine Welt gezerrt, in der sie miteinander existieren konnten, ohne dass die Außenwelt Einfluss darauf hatte. Die mittlerweile so vertrauten Räume des Grimmauldplatzes offenbarten sich als Rückzugsort, der ihn in eine Geborgenheit und Struktur einlullte, die Harry nur genießen konnte. Er hatte schließlich aufgegeben es zu hinterfragen. Es war, als wären sie in ihrer eigenen kleinen Blase gefangen, unwillig überhaupt einen Weg nach draußen in Betracht zu ziehen. Schmunzelnd beobachtete er, wie Draco langsam begann das Frühstück abzuräumen. Ein Anblick, der für Harry in den letzten Tagen auch irgendwie normal geworden war. Draco hasste es, wenn überall Geschirr herum lag, doch da er irgendwann auch festgestellt hatte, dass Harry nun nicht der reinlichste Mensch in dieser Hinsicht war, hatte er begonnen selbst einfach hinter ihm her zu räumen. Ihm war es irgendwann aufgefallen, als er seine Schuhe gesucht hatte, die er voller Müdigkeit neben das Sofa geschmissen hatte, und diese schließlich sorgsam nebeneinandergestellt im Flur vorgefand. Da ein sauberes Zuhause nun nichts war, worüber er sich in erster Linie beschweren würde, hatte er Dracos Verhalten mit einem Lächeln zur Kenntnis genommen. Am Abend saßen sie oftmals zusammen am Esstisch und redeten über Stunden. Harry hatte sich dazu breitschlagen lassen für sie zu kochen. Wie konnte auch jemals jemand einem bittendem Draco Malfoy widerstehen, der mit flehenden Hundeblick darauf aufmerksam machte, dass sein Handgelenk nach seinem Versuch zu kochen immer noch schmerzen würde. Eigentlich eine durchschaubare Taktik, wie Harry jetzt feststellte. Dennoch konnte er nicht beschreiben, welche Freude es ihm bereitete, wenn Draco genüsslich sich auf das von ihm gekochte Essen stürzte. Harry empfand ihr Zusammenleben als eine Art Traum, aus dem er partout nicht aufwachen wollte. Fernab der Realität, der Bedeutsamkeit der Zweifel, die in seinem Inneren strauchelten, lebten sie und genossen die Gegenwart des Anderen. Es hatte angefangen, als Draco abends zu ihm ins Bett geschlichen war. Diese Übereinkunft, dass es okay war, die Nähe des Anderen zu genießen, solange sie es nicht hinterfragen würden. Es gab seither keine Nacht, in der Draco nicht an seiner Seite geschlafen hatte und Harry wollte ehrlich gesagt auch nicht darüber nachdenken, was sich nach den Winterferien zwischen ihnen ändern würde. Wenn die Gnadenfrist abgelaufen war. Lange hatte er über die Worte seines ehemaligen Rivalen nachgedacht. Kam es nicht auch für ihn einer Gnadenfrist gleich, die ihm gewährt wurde? Eine kurze Weile, in der er die Illusion einer Realität erleben durfte, in der eine Partnerschaft zu Draco Malfoy kein Hirngespinst war, über das die Menschen hinter vorgehaltener Hand witzelten, da es nie passieren würde. Auch wenn nach ihrem Kuss an Weihnachten nichts mehr passiert war, fühlten sich die Tage mit Draco unglaublich intim an. Die Befürchtung, er würde darauf beharren, ihm zu helfen und ihn vielleicht mittels Legilimentik dazu zwingen, seine Gedanken immer wieder zu erleben, verrauchte bereits am ersten Abend, da sie die ganze Nacht wach blieben und redeten. Sie redeten über die banalsten Dinge. Über Staubsauger und Angewohnheiten der Muggel an Feiertagen. Der Sinnhaftigkeit von Geschenken an Geburtstagen oder darüber, dass Pfaue keine guten Haustiere waren. Und auch wenn sie nicht weiter über seine Träume gesprochen hatten, fühlte es sich nicht so an, als würde Draco damit sein Wort brechen. Einige Male war er schweißgebadet mitten in der Nacht aufgewacht, nur um von der festen Umarmung Dracos und dem wärmenden Gefühl der Geborgenheit erneut in den Schlaf geführt zu werden. Die Erkenntnis, dass er nicht zwangsweise darüber reden musste, damit der Draco ihn verstehen konnte, half ihm seine Überwindung zu finden, an einigen Abenden auch über die Vergangenheit zu reden. Es fiel ihm immer noch schwer und dennoch erwies sich Draco als guter Zuhörer, der einfach still seinen Erzählungen lauschte.     ~~~*~~~ Der Tag verflog schnell und am Abend saß er, umgeben von einer Menge Büchern und Pergament im Wohnzimmer vor dem Kamin. Sie brüteten seit einigen Stunden über den Aufsätzen, die sie für die Schule fertig stellen sollten und Harrys anfängliche Bereitschaft, es hinter sich zu bringen, war mittlerweile verraucht. Müde lehnte er sich gegen das Couchbein und rückte das Kissen etwas zurecht. Sie hatten es sich schließlich auf dem Boden bequem gemacht, nachdem der Platz auf dem schmalen Couchtisch nicht ausreichend für die diversen Nachschlagewerke war, die sich über die Zeit auf dem Boden gesammelt hatten. Selbst sein Lernpartner schien fast fertig mit seiner Arbeit zu sein, was die Unruhe in seinem Inneren nur noch mehr verstärkte. Draco, der bei Harrys tiefen genervten Seufzen den Blick gehoben hatte, betrachtete ihn nachdenklich. »Ach sieh mich nicht so vorwurfsvoll an, ich brauche wirklich eine Pause.«, schnaufte Harry und strich sich durch die Haare. »Ich verstehe es einfach nicht. Was soll bitte so toll an Magieverbindungen sein? Klar ich verstehe, dass es kompatible Magie gibt, aber … ach keine Ahnung.«, sagte er resignierend und suchte Dracos Blick. »Gib mir deine Hand.«, forderte er und Harry betrachtete die Hand, welche ihm auffordernd entgegen gestreckt wurde. Zögernd umschloss er sie mit seiner eigenen, wie bei einer simplen Begrüßung. Er wollte schon einen Witz machen, um der Nervosität zu entgehen, die sein Herz dumpf gegen seinen Brustkorb schlagen ließ, doch als er beobachtete, dass Draco sachte die Augen schloss, und die dunklen langen Wimpern sich in einem einzigen schwarzen Kranz ineinander verflochten, tat er es ihm gleich. Dunkelheit umgab ihn und das Einzige, was er fühlen konnte, war die stetige Wärme, die seine Hand umgab. »Versuche einfach zu fühlen, Potter.«, hörte er die geflüsterten Worte in der Ferne und eine Gänsehaut zog sich durch seinen Körper.   Wie ein warmer Schleier legte sich ein Gefühl um seine Hand und suchte sich schleichend seinen Weg durch seinen Körper. Dracos Magie umschloss ihn, tastete zaghaft und verwob sich mit seiner eigenen. Sein Herz schlug eine Spur schneller und er merkte, wie sich sein Körper entspannte. Harry konnte es nicht verhindern und ein wohliges Keuchen entkam seiner Kehle. Anders als Snapes Präsenz in ihrem Oklumentikunterricht oder als Voldemorts wabernde Existenz in seinem Geist fühlte sich Dracos Magie nach schwerem Samt an, der sich um ihn schmiegte, ihn schützend mit einer Wärme umschloss. Doch bevor er es noch besser beschreiben konnte, löste Draco ihre Hände voneinander. Erst jetzt merkte Harry, dass er den Atem angehalten hatte. Hastig atmete er ein und hätte beinahe das kaum merkliche Lächeln verpasst, was sich auf Dracos Züge geschlichen hatte. Umgeben und eingenommen von dem abfallenden Gefühl öffnete er die Augen und blickte in sturmgraue Tiefen, die ihn betrachteten. »Magie kann sehr … intim sein.«, sagte Draco leise. »Sich zu informieren und zu lernen hat nicht nur schlechte Seiten, Potter.«, erklärte Draco, seinen Blick erneut auf seinen Aufsatz gerichtet hatte. »Als wir für eine Weile in den Ferien in unserem Haus in Frankreich untergekommen sind, hat meine Mutter mir jeden Morgen etwas Zitronenkuchen von dem kleinen Café am Marktplatz gekauft.« Draco zögerte und Harry, der immer noch eingenommen von dem Gefühl einfach still dasaß, fragte sich, was dies nun damit zu tun hatte. »Es war als Motivation gedacht, dafür dass ich meine Noten verbessere und dennoch mochte ich diese mütterliche Geste so sehr, dass das Lernen mir irgendwann Spaß gemacht hat. Manchmal braucht man nur die richtige Überwindung, um sich mit etwas zu befassen schätze ich.«, sagte Draco ruhig und blickte ihm aufmunternd entgegen. »Bekomme ich denn auch einen Zitronenkuchen, wenn ich endlich diesen fürchterlichen Aufsatz beende?«, lachte Harry und fing an zu grinsen. Draco, der nun nicht mit dieser Aufforderung gerechnet hatte, schien kurz zu überlegen. Er betrachtete ihn mit ruhigem Blick und ein Schmunzeln hatte sich auf seine Züge gelegt. »Vielleicht.«, sagte Draco, bevor er sich erneut auf die geschriebenen Zeilen vor sich konzentrierte und Harry das leise Kratzen der Feder hörte. Ein leichtes, kaum merkliches Lächeln hatte sich auf seinen Lippen gebildet.   ~~~*~~~ Am vorletzten Abend vor Ende der Monatsfrist erreichte ihn ein mahnender Brief von Hermine, in der sie ihre Hoffnung ausdrückte, dass Harry seinen Schulaufgaben doch ebenfalls so gewissenhaft entgegentreten würde wie Ron, über dessen neu entfachte Bereitschaft zu lernen sie nur zu schwärmen wusste. Harry wunderte es nicht unbedingt, immerhin war der fabelhafte Abschluss, den man für die Ausbildung zum Auror benötigte, durchaus bekannt und sicherlich spielte auch die Tatsache mit, dass Ron Hermine irgendwo imponieren wollte. Dieser Brief erinnerte ihn allerdings daran, dass außerhalb dieser Zwischenwelt, in der er mit Draco zu schweben schien, auch noch eine andere Welt existierte. »Morgen ist es soweit, Potter.«, sagte Draco kühl und riss ihn aus seinen Gedanken. »Hast du …« Draco zögerte, die sturmgrauen Augen waren bedacht auf Harry gerichtet, der es sich auf dem Sofa gegenüber bequem gemacht hatte. Er faltete seine Hände und einige der blonden Strähnen lösten sich hinter seinem Ohr und fielen ihm vors Gesicht. »Hast du dir eigentlich mal Gedanken gemacht, was wir als nächstes tun müssen wenn der Monat vorbei ist und wie es weiter geht nachdem wir Animagi geworden sind, Potter?« fragte ihn Draco, der den Blick leicht gehoben hatte. »Du willst deine Mutter besuchen.«, fasste Harry es in der Einfachheit zusammen. Ein genervter Blick war die Antwort.   »Es ist wirklich unglaublich fastzinierend, wie wenig Planung du eigentlich in deine Vorhaben steckst, Potter. War das schon immer so?«, schnaubte er und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Eigentlich ist jeder Plan, den ich bisher geschmiedet habe, sowieso hoffnungslos in die Hose gegangen und im Endeffekt musste ich immer improvisieren.« Harry zuckte mit den Schultern und lächelte entschuldigend. Draco seufzte tief. »Ich habe den Tau, welchen wir brauchen bereits am Anfang der Woche auf den Hügel im Park vor der Tür präpariert. Die Lichtung ist perfekt, da laufen die Menschen nicht durch und der Mond scheint durch die Äste der Bäume auf einen einzigen Punkt.« »Der Mond?« »Meine Güte, Potter! Hast du die Anweisung für den Trank überhaupt gelesen?« Draco rieb sich mit zwei Fingern die Stelle zwischen den Augen. »Ich war wirklich froh als ich den Silberlöffel in der Küche gefunden hatte. Immerhin scheint die Familie Black in dieser Hinsicht Geschmack zu beweisen.« Draco stand auf und ging im Zimmer zögernd auf und ab, bis er schließlich stehen blieb und erneut zu Harry sah. Schweigend beobachtete er, wie Draco mit sich haderte und eine Lösung für das Problem suchte, welches er noch nicht so ganz begriffen hatte. »Es ist eigentlich alles perfekt. Morgen Abend ist Vollmond und die Nacht soll klar und nicht bewölkt werden. Aber dann wäre da noch ...«, sagte Draco mehr zu sich selbst als zu Harry, sah ihn jedoch plötzlich an. Eine Erkenntnis flackerte in Dracos Blick, als dieser mit den Schultern zuckte. »Es führt kein Weg dran vorbei. Ich muss in die Winkelgasse.«, bestimmte Draco kühl und verzog leicht den Mund. »Was fehlt denn noch?«, fragte Harry neugierig, der nun gemerkt hatte, dass wohl noch eine Zutat fehlte, die sich nicht ohne weiteres beschaffen ließ. »Die Puppe einer Acherontia. Eigentlich eine nicht unbedingt seltene Zutat, jedoch nichts was ich hier in irgendeinem Gebüsch im Park finden könnte, geschweige denn hier einfach so im Keller rumliegt.«, sagte Draco und rieb sich mit zwei Fingern über die Stirn. »Ich sollte sie in in dem kleinen Zaubertrankladen in der Nähe der Nocturngasse bekommen. Das wird nicht lange dauern. Ich werde einfach mir die Kapuze ins Gesicht ziehen, dann wird mich schon keiner erkennen.« Allein die Erinnerung an Harrys letzten Ausflug in die Nocturngasse sorgte für ein dumpfes Gefühl in seinem Inneren. Das war nie und nimmer eine gute Idee, Draco alleine dorthin gehen zu lassen. »Ich werde gehen.«, beschloss Harry schließlich, was Draco protestierend seine Arme vor seiner Brust verschränken ließ. »Na klar.«, schnaufte er. »Weil du auch mit deinem unglaublichen Talent erkennen würdest, ob du überhaupt die richtige Zutat in der Hand hast. Die Acherontia ist eine Faltergattung die oft auch als Totenschwärmer bezeichnet wird.« Einen kurzen Moment schwiegen sie angesichts dessen, dass Harry keine Erwiderung darauf mehr einfiel. In einer ersten Vermutung hätte Harry getippt, dass es sich vielleicht um eine Spinne oder so handelte, aber Draco hatte recht, der Verkäufer könnte ihn komplett übers Ohr hauen und er würde es wahrscheinlich nicht einmal bemerken. Und wirklich Zeit, etwaige Fehlkäufe auszubügeln, blieb ihnen nun auch nicht mehr. Harry stand auf und trat auf Draco zu, welcher seine Augen leicht weitete. Sanft legte er eine Hand auf seine Schulter. Eine unterstützende Geste, die sie bereits häufig geteilt hatten. Dennoch schickte die leichte Berührung jedes Mal ein Kribbeln durch seine Fingerspitzen, welches er in die letzten Winkel seines Bewusstseins schob. »Lass mich dich wenigstens begleiten, Draco.«, sagte er zögernd und betrachtete sein Gegenüber. Denn da war sie, die Grenze die Draco nicht überschreiten wollte. Die unsichtbare Linie, welche die Außenwelt vom Grimmauldplatz abgrenzte. »Du weißt, dass das keine gute Idee ist, Harry.«, sagte Draco kühl und die Tatsache, dass er seinen Vornamen verwendete, beruhigte ihn auf eine komische Weise. »Wir würden mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen als ein tanzender Oger im Tütü, welcher im tropfenden Kessel von einem Tisch zum anderen springt.«, lachte Draco unsicher und Harry musste schmunzeln bei der Vorstellung, wie die kräftigen warzigen Beine versuchten elegant auf den dünnen Holztischen zu balancieren. Vermutlich würde ein Harry Potter, der plötzlich mit ehemaligen Todessern in der Nocturngasse gesehen wurde, ein Leuchtfeuer entfachen, was noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. »Ich werde alleine gehen.« Ein entschuldigendes Lächeln legte sich auf seine Züge. »Das ist mein letztes Wort. Du musst nicht immer auf mich aufpassen, Potter. Ich bin alt genug denke ich.«, sagte Draco und setzte sich zusammen mit Harry auf die Couch. »Verdammt, Harry. Ich will doch nur, dass du nicht wegen mir in irgendwelche Schwierigkeiten hineingezogen wirst. Außerdem würde Astorias Vater Fragen stellen, wenn ich plötzlich mit dir in der Öffentlichkeit gesehen werde. Ich kann nicht riskieren, dass er den Deal platzen lässt. Es ist immer noch mein Leben und meine Entscheidung.«, sagte Draco und auch wenn er versuchte sie ruhig zu halten, zitterte seine Stimme ein wenig. »Dein Leben, ja?«, zischte Harry und sah zur Seite. Sie hatten schon vor einer Woche eine Diskussion darüber geführt, dass es keine gute Idee war, wenn der ehemalige Todesser draußen alleine herum lief. Draco hatte sich schnaubend und verärgert dazu bereit erklärt, das Haus nicht weiter als den angrenzenden Park zu verlassen. Er hatte es als Kompromiss ihres Zusammenlebens hingenommen. Eine klamme Stille schwang nach Harrys Worten durch die staubtrockene warme Luft des Wohnzimmers. Doch Draco, der Harry immer noch zögerlich betrachtete, biss sich auf die Lippe und rutschte ein wenig näher zu Harry heran. »Ich komme schon klar, Harry. Morgen bevor du überhaupt daran gedenkst aufzustehen werde ich in die Winkelgasse flohen und die fehlende Zutat besorgen. Du wirst nicht mal merken, dass ich weg war und ich bringe wieder die Crossaints von heute morgen mit.« Er lächelte. »Du kannst auch mal zwei Minuten durchatmen, ohne zu befürchten jemanden retten zu müssen.«, sagte Draco sanft und strich mit den Fingern sachte über Harrys Wange. Noch immer nicht von der Idee überzeugt versuchte Harry das Feuer, welches in seinem Inneren loderte, zu beruhigen. Wann hatte er eigentlich so einen Beschützerinstinkt entwickelt, dass er keine ruhige Minute mehr hatte, wenn jemand der ihm wichtig war, in möglicher Gefahr schwebte.   Wann hatte er damit angefangen, stets das schlimmste Szenario in Betracht zu ziehen, dass in der Situation passieren konnte, die sich vor ihm aufbaute, wie ein waberndes Unheil in das er direkt hinein steuerte, unfähig den Kurs zu ändern oder die Segel neu zu setzen. Und doch vermittelte die graue tiefe See in den Augen seines ehemaligen Feindes ihm ein beruhigendes Gefühl, was ihn in Sicherheit wog. Ihn mit einer Erkenntnis strafte, die mit Nachdruck in seinem Hinterkopf widerhallte. Er hatte kein Recht dazu, über Draco zu bestimmen. Sie waren kein Paar. Draco war nicht sein Partner, den er zu beschützen versuchte und war jemand anderem versprochen. Die Geschehnisse der letzten Wochen würden nichts daran ändern und sobald ihre Blase zerplatzte, würde Draco in ein anderes Leben gehen. Alles, was er noch hatte, waren die wenigen Momente, die er noch mit ihm teilen durfte. Harry neigte seinen Kopf ein wenig nach vorne und lehnte behutsam seine Stirn gegen die von Draco. Die blonden Strähnen kitzelten auf seiner Nase, als er leise etwas gegen seine Lippen murmelte. »Sei vorsichtig, versprich es mir.« Die grauen Augen weiteten sich kaum merklich und als Draco leicht seufzte, stieß der heiße Atem gegen seinen Lippen. »Ich verspreche es.«, flüsterte er.   ~~~*~~~ Kapitel 23: Nightmare ---------------------   Kapitel 23: Nightmare     Das Geräusch von tausenden winzigen Glasscherben, die in einem hellen Kreischen ineinander fielen, verhallte in dem großen Raum hinter seinen schnellen dumpfen Schritten und übertönte die umliegenden Schreie. Er keuchte, stieß mit dem linken Fuß gegen ein Stundenglas, das mit einem Scheppern zur Seite rollte. Er konnte ihn riechen, der Gestank, der von seinem Gegner ausging. Mit einer Handbewegung zog er hinter sich an einem Regal, welches sogleich bedrohlich zu wackeln anfing und rannte weiter.   Harry konnte seinen Puls spüren, wie er sein Blut in Schüben durch seine Halsschlager pumpte. Das drückende einnehmende Pochen schnürte ihm jegliche Luft ab. Es war seine Schuld. Dies hier war seine Schuld. Es war eine Falle gewesen. Wie konnte er nur so dumm sein? Mit bebenden Lippen versuchte er nach Atem zu schnappen, als der Korridor um ihn herum in Schlieren verschwamm. Das ohrenbetäubende Dröhnen der kleinen Glassplitter verhallte und das siegessichere Grunzen seines Verfolgers war verschwunden. Die Stille schwang im Raum geradezu bedrohlich und ihm fiel es schwer, der trügerischen Sicherheit und Ruhe zu glauben. Die Lufttemperatur hatte sich nicht verändert. Noch immer hing die stickige Luft der Gewölbe des Ministeriums schwer in seiner Lunge und er versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Sein Verfolger schien ihn verloren zu haben. Mit flatternden Augenlidern blickte er sich um, suchte nach einer Erklärung für die plötzliche unerklärliche Veränderung. Er kannte diesen Raum. Die dunklen langen Korridore mit der Mosaikwand, die zu einer Tür führte, die ihn jede Nacht heimgesucht hatte. Er würde sie nicht vergessen können, diese verdammte Tür, die er immer wieder versucht hatte zu erreichen bis er … Sie hatten diese Tür geöffnet. Sie barg kein Geheimnis mehr, dass er nicht kannte, schoss es Harry durch den Kopf und eine komische Klarheit mischte sich zu dem dumpfen Gefühl unter seinem Herzen. Mit drei bestimmten langen Schritten erreichte er die Tür und wollte sie öffnen. Was war das hier? Wiederholten sich die Ereignisse? Das ergab keinen Sinn. Er würde ihn nicht retten können. Es war seine Schuld. Er war darauf reingefallen, auf die Lüge, die Voldemort in sein Gehirn gepflanzt hatte. Seine Hand zitterte. Die Klinke fühlte sich kalt an seinen Fingerspitzen an und in dem Moment als er sie zögernd berührte, fuhr ein gleißender Schmerz durch sein Handgelenk. Er stolperte zwei Schritte zurück, bis er mit dem Rücken gegen etwas Weiches stieß. Warme starke Arme zogen ihn an sich und ein bekanntes wohliges Gefühl strömte durch seinen Körper. Er lehnte sich gegen die Brust des Mannes, wollte sich in der Bewegung umdrehen, um ihm zu sagen, dass sie fliehen mussten, als er im Augenwinkel etwas Hellrotes tropfen sah. Das Gewicht der Arme an seinem Körper wurde schwerer und er stolperte einen halben Schritt nach hinten. Dracos Kopf rutschte von seiner Schulter und färbten den Stoff in ein dunkles, totes Rot. Die hellblonden Strähnen hatten durch das klebrige, dunkle Blut ihren Glanz verloren. Eine klaffende Wunde zog sich über die bleiche Haut von Dracos Stirn. Er folgte dem blutroten Pfad über sein geschlossenes linkes Auge, bis hin zu zitternden Lippen. Zögerlich streckte Harry seine Hand aus, berührte sachte die weiche Haut, verwischte mit dem Daumen das frische Blut. Er spürte, wie lange Finger sich haltsuchend in seinem Kragen verkrallten. Mattes, lebloses Grau suchte blind nach seinem Gesicht, als ein einziges Wort gehaucht die zitternden Lippen verließ. »H-Harry ...« Keuchend richtete er sich auf und es brauchte drei Herzschläge, bis sich seine Sicht klärte und er die staubigen Umrisse der alten Kommode seines Zimmers im Grimmauldplatz ausmachte. Noch immer pochte das Blut in seinem Körper und eine Welle aus Angst und Verwirrung beherrschte seine Gedanken. »Meister Potter ...« Kreacher öffnete mit einem Quietschen die marode Holztür und sah ihn zaghaft an. »Ist Meister Potter wohlauf? Kreacher hat Geräusche gehört …«, murmelte der Hauself, ohne dabei allzu fürsorglich zu wirken. Abschätzend betrachtete er Harry und zog mit einem Schniefen geräuschvoll die Nase hoch, doch Harry antwortete ihm nicht. Da er sich nun überzeugt hatte, dass sein Meister noch lebte, wollte Kreacher bereits das Zimmer verlassen, als Harry jedoch aus seiner Starre erwachte und vom Bett aufsprang. Unelegant landete er gut einen halben Meter neben dem buckligen Hauselfen, der zwei Schritte zurückwich. »Wo ist Draco?«, fragte Harry ihn hastig und hielt Kreacher an dem Stück Stoff zurück, welches über seiner Schulter hing. Die glubschartigen Augen weiteten sich und betrachteten Harry für einen Moment, während dieser tief ausatmete, um sich zu beruhigen. Die heftige Reaktion seines Meisters schien Kreacher zu verunsichern und er schob zögernd, aber bedacht, Harrys Hand zur Seite. »Meister Malfoy ist in die Winkelgasse gegangen. Vor zwei Stunden etwa und er sollte jeden Moment zurück sein.« Nachdenklich legte der Elf den Kopf schief und betrachtete den keuchenden Mann vor ihm. Es war nur ein Traum Nur ein beschissener Traum. Du musst dich beruhigen. »Soll Kreacher Meister Potter ein Glas Wasser bringen?«, sagte der Hauself zögernd und bevor Harry wirklich über die neuerliche Hilfsbereitschaft nachdenken konnte, nickte er, worauf der Elf mit schnellen Schritten um die Ecke floh. Ob er wohl wieder kommen würde?, schoss es durch seinen Kopf und für einen Moment war er sich nicht sicher, ob er Kreacher oder Draco damit meinte. Mit schweren Armen hob er die Bettdecke auf, die er bei seiner überhasteten Frage auf den Boden gezogen hatte. Sein Ärmel fiel dabei ein wenig herunter und sein Blick fiel auf das zierliche Armband, welches sich um sein Handgelenk schloss. Nachdenklich betrachtete er den grünen Smaragd, welcher matt und glanzlos wirkte. Seine Augen weiteten sich ein wenig. Was war, wenn der Schmerz durch dieses Armband verursacht worden ist? Was ist wenn … Zwei Stunden. Wie lange dauert es, um mit Hilfe von Flohpulver zu einem Gasthaus in London zu reisen und die Pflastersteine der Einkaufsstraße zu durchqueren, um zum Eingang der Nocturngasse zu kommen? Zu dem kleinen Zaubertrankladen … In seinem Kopf verfolgte er den Weg und realisierte mit klopfendem Herzen, dass es maximal und auch nur unter wirklich schlechten Voraussetzungen eineinhalb Stunden dauern würde bis Draco wieder hier wäre. Selbst wenn er beim Bäcker noch vorbei ging, hätte er nach zwei Stunden längst wieder hier sein müssen. Erneut fixierte er den dunklen Smaragd und ein Schmerz pochte in seiner Unterlippe, welcher das Blut in seinen Ohren rauschen ließ. In einer hastigen und ungeordneten Abfolge von Bewegungen griff er sich diverse Kleidungsstücke und eilte die Treppe herunter. Du musst nicht immer auf mich aufpassen, Potter. Seine Finger verkrallten sich in das Holz des Treppengeländers und seine Schritte wurden langsamer. Es ist immer noch mein Leben und meine Entscheidung. »Verdammte Scheiße …«, fluchte Harry, schüttelte den Kopf und ging die letzten Stufen hinab. Der verfluchte Mistkerl hatte doch keine Ahnung, wovon er da eigentlich sprach. Mit schnellen Schritten durchquerte er den Flur, ließ einen verdutzten Kreacher zurück, der mit einem Wasserglas in der kleinen Hand am unteren Treppenabsatz stand und seinen Meister nachdenklich beobachtete. Das dumpfe Gefühl in seiner Brust verstärkte sich als er die Haustür öffnete, mit zitternden Lidern die Augen schloss und apparierte.   ~~~*~~~ Es hatte wie geplant nicht lange gedauert, den Weg abzulaufen, den er sich bereits in seinen Gedanken ausgemalt hatte. Die frühe Morgensonne lächelte ihm entgegen. Der Schnee war mittlerweile getaut und nur noch matschige Schlammpfützen zeugten davon, dass der Winter dagewesen war. Seine Schritte platschten zwischen den Pflastersteinen und er beschleunigte sein Tempo. Morgen, bevor du überhaupt daran gedenkst aufzustehen, werde ich in die Winkelgasse flohen. Er beobachtete, wie die angrenzenden Geschäfte langsam zum Leben erwachten. Wie die Besitzer und Angestellten Ladenschilder aufstellten und die Fenster erleuchteten. Du wirst nicht mal merken, dass ich weg war. Wütend schnaufte Harry und seine Finger ballten sich zu einer Faust. Ja, verflucht es war ungewöhnlich, dass er überhaupt so früh wach war. Normalerweise stand Draco spätestens um halb sechs auf, um einen Kaffee zu kochen. Nachdem Harry ihm gezeigt hatte, wie die alte Maschine funktionierte, hatte Draco es sich zur Morgenroutine gemacht. Und dennoch habe ich es gemerkt, Malfoy, rauschte es durch seinen Kopf, als er in der Ferne die dunklen Fenster des Zaubertrankladens erblickte. Mit einem Klingeln öffnete er die Ladentür und ein kleiner älterer Zauberer blickte unter seinem türkisfarbenen langen Filzhut auf. Seine schmale Brille rutschte etwas auf seine warzige Nase. »Mr. Potter.«, raunte der Zauberer dunkel und blickte sogleich auf eine Liste, welche er in den faltigen gelblichen Händen hielt. Suchend fuhr Harrys Blick durch den Raum, doch bis auf allerlei Zutaten, die Harry besser nicht hinterfragen sollte, waren nur der alte Zauberer und er anwesend. »G-Guten Morgen.«, fand Harry seine Stimme wieder und räusperte sich. Sein Hals fühlte sich kratzig an und es fiel ihm schwer, eine professionelle Maske aufzusetzen. Er durfte jetzt keine Szene machen. »Wie kann ein alter Tränkemeister wie ich Ihnen helfen, Mr. Potter?« Die Stimme des Alten klang melodisch, summend. Der alte Mann drehte ihm den Rücken zu und begann einige Phiolen zu polieren. »Ein seltener Gast …So so ...«, gackerte er leise und sah Harry erneut an. »Ich brauche … eine Information, über einen Kunden.« , sagte Harry kühl und der Blick des Tränkemeisters verfinsterte sich. »Also sind Sie doch dem Beruf des Aurors gefolgt, Mr. Potter?« Er lächelte abfällig und schnaufte. »Eine Verschwendung von Talent, wenn Sie mich fragen. Ich gedenke, Sie haben einen Durchsuchungsbefehl?«, fragte der alte Mann mit schneidender, plötzlich nicht mehr so freundlicher Stimme. Genervt seufzte er tief. »Er ist ...« Harry trat einen Schritt auf den alten Mann zu, sein Blick glitt jedoch nachdenklich zur Seite. »Ein Freund von mir. Ich denke, ihm könnte etwas passiert sein.«, sagte er mit klarer Stimme und versuchte den Ladenbesitzer von seinen guten Absichten zu überzeugen. »Es ist mir wirklich scheißegal was das Ministerium macht. Aber ...« Harry biss sich auf seine Unterlippe und senkte demütig den Kopf. »Er ist mir nicht egal. Also helfen Sie mir bitte. Ich bezahle Sie auch.« »Na wenigstens haben Sie ihre Manieren im Krieg nicht verloren Mr. Potter.« Harry hob seinen Blick und betrachtete den Tränkemeister, welcher aufgestanden war. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf das faltige Gesicht gelegt und verzog es zu einer Fratze, die fast unheimlich wirkte. »Ich will Ihr Geld nicht, Mr. Potter. Wie heißt ihr Freund?«, schmunzelte er. »Malfoy.«, sagte Harry hastig. »Draco Malfoy.« Erstaunt weiteten sich die Augen, soweit es dem alten Mann möglich war, und sein Hut fiel von seinem Kopf, als er ruckartig nach oben blickte und Harry ungläubig entgegen starrte. »Der junge Malfoy?«,fragte er zögernd. Harry nickte bestätigend und verzog die Lippen. »Er war vor zwanzig Minuten noch hier, schien in Eile zu sein. Immer im Stress die jungen Leute. Hat die ganze Zeit noch etwas davon gemurmelt, dass er noch was besorgen muss. Aber er hat meinen Laden wieder wohlbehalten verlassen, Mr. Potter. Ich gebe Ihnen mein Wort.«, sagte er ruhig und grinste Harry an. Auch wenn der Tränkemeister wohl etwas gruselig war und der Laden mehr als zwielichtig, glaubte er ihm auf eine komische Art und Weise. Der Mann wirkte nicht unaufrichtig auf ihn. »Danke.«, sagte Harry hastig und drehte sich auf dem Absatz um und verließ den dunklen Laden. Das Licht peitschte ihm ohne Gnade entgegen und in seinem Kopf schwang ein Schmerz mit, der jeden klaren Gedanken aus seinem Gehirn vertrieb. Er rieb sich mit zwei Fingern die Stelle zwischen seinen Augen, versuchte den Schmerz weg zu kneten und blinzelte ein paar Mal, um seinen Blick zu klären. Vor zwanzig Minuten war Draco hier gewesen und er wollte noch etwas besorgen? Harry kam sich albern vor und er machte sich mit schweren Schritten auf den Weg zum tropfenden Kessel. War Draco etwa beim Bäcker an der Ecke vom Park und Harry hatte ihn bei seinem überstürzten Aufbruch nicht bemerkt? Was tue ich hier eigentlich?   Seufzend glitt er sich mit den Fingern durch die rabenschwarzen Haare. War er schon so hoffnungslos verloren, dass er nun komplett verrückt wurde? Man sollte ihn vielleicht selbst ins St. Mungos einweisen, wenn das so weiter ging ... wenn er sich weiterhin aufführte als wenn er hoffnungslos … Sein Gedanke stockte und er blieb stehen, doch die Erkenntnis, die in dem Zögern mitschwang, welches er krampfhaft versuchte herunter zu schlucken, war so erdrückend strafend, dass seine Schultern an den Seiten herunter fielen.   ~~~*~~~ »Meister Malfoy ist noch nicht zurück, Sir.« Die krächzenden Worte Kreachers hallten in der Küche wider und erschlugen Harry auf eine Weise, die jegliche Kraft, die noch in ihm existierte, aus seinem Körper weichen ließ. »Was hast du gesagt?«, fragte er ungläubig. Harry war doch am Bäckerladen an der Ecke aller Vorsicht nach vorbei gelaufen und hatte Draco nicht gesehen, also musste er doch hier sein. Was erzählte Kreacher da? Der Hauself legte fragend seinen Kopf schief. »Ist Meister Malfoy wohlauf?«, fragte Kreacher mit leiser piepsiger Stimme. »Ich .. Verdammt.«, fluchte Harry und raufte sich durch die Haare.   Seine Beine gaben nach und er sank nach den wenigen Metern, langsam auf den kleinen Treppenabsatz, der den Eingangsbereich vom Flur trennte. Die Machtlosigkeit der Situation nagte tief in seinem Inneren. Was sollte er jetzt tun? War Draco wirklich … angegriffen worden? Lag er blutend in irgendeiner Gasse und … »Fuck.«, zischte er und die morschen Bretter des Holzbodens verschwammen vor seinen Augen.   Haltlos rannen Tränen seine Wangen herab, tropften auf die schmale Stufe. Harry wusste nicht, ob Kreacher gegangen war oder ob der Hauself einfach nur still seinen erbärmlichen Zusammenbruch beobachtete und es war ihm auch wirklich scheißegal. Niemand wusste, dass Draco bei ihm wohnte. Niemand außer Hermine und Ron. Er konnte also schlecht eine Vermisstenmeldung aufgeben, ohne dass jemand Fragen stellte. Niemand würde ihm Glauben schenken und er hatte keine Ahnung, wo Draco sein könnte oder … … ob er überhaupt noch lebte. Die Altanhänger der Todesser, die ihnen laut Blaise aufgelauert hatten, waren nicht ohne. Harry hatte einige Berichte über die Rachetaten der Mitglieder gelesen. Grausame Morde an denen, die ihres Erachtens das Scheitern des dunklen Lords verursacht haben sollen. Die Zeitungsartikel waren voll damit gewesen und dennoch hatte Harry ihnen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich war dies kein Krieg, den er zu führen gedachte. Nachdenklich vergrub er seinen Kopf unter seinen Händen und fuhr mit den Fingern durch das widerspenstige Haar. Im Augenwinkel funkelte der Smaragd des Armbandes und Harry verzog seine Lippe und atmete tief ein. Er nahm seine Umgebung nur noch gedämpft wahr und ein Rauschen drang nachdrücklich gegen sein Ohr. Hatte das Armband überhaupt funktioniert? Hatte der Schmerz ihn aufgeweckt und das war der Moment, wo Draco … Ich werde es ihm nie sagen können.   Er lachte heiser in Gedanken und zog mit zitternden Fingern das Armband von seinem Handgelenk und warf es mit einer schweifenden Bewegung vor ihm in den Staub. Harry schloss seine Augen und rieb sich die feuchte Nässe von den Lidern. Das dumpfe Pochen seines Herzens war das Einzige, was er spüren konnte. Seufzend blickte er auf den silbernen Armreif, welcher den Staub aufgewirbelt hatte. Seine Augen fühlten sich schwer an. »So etwas wegzuschmeißen ist nun wirklich eine Schande.« Harrys Herz setzte einen Takt aus, als er hastig den Kopf hochriss und in silbergraue Augen blickte. Ein schmunzelndes Grinsen hatte sich auf die sanften Züge von Draco gelegt, der sich in einer fließenden Bewegung bückte und den schmalen silbernen Armreif behutsam aufhob. »Du ...«   Erstarrt blickte Harry auf den Mann, den er soeben noch betrauert hatte. Draco kam auf ihn zu, betrachtete den völlig aufgelösten Mann vor ihm, der ihn anstarrte, als wäre er gerade von den Toten wiederauferstanden.   Mit einem sachten Lächeln setzte sich Draco neben ihn und stellte eine kleine Plastiktüte mit einem Rascheln vor ihren Füßen ab. »Ich habe dir Zitronenkuchen mitgebracht. Sie verkaufen hier beim Bäcker keinen also bin ich noch in die Altstadt gegangen.«, sagte Draco mit leiser Stimme, doch Harry schaffte es nicht, ihn anzusehen. Harry konnte spüren, wie seine Wangen glühten. »Doch sag mir mal …«, sagte Draco und legte eine Hand an seine Wange, um Harrys Gesicht ins Licht zu drehen. »Warum weinst du, Harry?«   ~~~*~~~  Kapitel 24: Moonlight --------------------- Kapitel 24: Moonlight       Das Blut rauschte durch seinen Kopf und hinterließ ein dumpfes regelmäßiges Pochen, während die sanften Finger ein Brennen verursachten, das eine Hitze durch seine Wangen zog, die ihm verdeutlichte, was für ein verdammter Idiot er doch war. Er hatte sich leiten lassen, von der unerbittlichen Angst und durch das Adrenalin, welches jede seiner Bewegungen gesteuert hatte. In der Sorge, erneut jemanden verloren zu haben, der ihm viel bedeutete. Zu viel, als dass es gesund für ihn wäre. Harry hatte doch unbedingt herausfinden wollen, was das Gefühl bedeutete. Warum sich die Nähe des Anderen so verdammt gut anfühlte. Warum es ihm gelang, in Dracos Gegenwart ganz er selbst zu sein. Die Befürchtung das verloren zu haben, was irgendwo in ihrer Zwischenwelt existiert hatte, in der sie sich in einer Realität verloren hatten, die nun plötzlich so fremd erschien, so unerreichbar, hatte ihn handeln lassen. Doch nun hatte sich diese pochende Angst in ein wummerndes dumpfes Gefühl verwandelt, dass seinen Körper lähmte. Zögerlich wandte er den Blick von dem in der Morgensonne schimmernden Armreif ab, die ihm strafend entgegen schien und ihn leicht blendete, als Draco ihm das Schmuckstück reichte. Harry hielt einen Moment still, wiegte das Metall in seiner Hand und sein Blick huschte zu den herzförmigen blassen Lippen, welche sich in einem Ausdruck aus Besorgnis und Befangenheit zusammen gepresst hatten. Es war ihm bestimmt unangenehm, ihn hier so vorzufinden, weinend und aufgelöst in einer Verzweiflung, die komplett unbegründet gewesen war. Toller Held, lachte er in Gedanken und biss sich auf die Lippe. »Ich dachte ...«, verließen die Worte Harrys Mund, doch seine Kehle fühlte sich trocken an. Für einen Moment, dachte er an das Glas Wasser, welches Kreacher ihm versprochen hatte, und verzog seinen Mund zu einem bitteren Lächeln. Ja was hatte er eigentlich gedacht? Dass er irgendeinen Einfluss darauf haben könnte, was in Dracos Leben geschah? Dass es ihm vielleicht möglich war, den Menschen zu retten, der sich so heimlich in sein Herz geschlichen hatte? Bitte, Potter. Lass mich einfach gehen. Die brennende und doch so sanfte Berührung Dracos schmerzte in seinem Inneren und träge hob Harry seine Hand und entfernte die tastenden Finger an seiner Wange. Der Verlust der Wärme ließ ihn ausatmen. Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich über die brennenden Lider und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Wie ein großer Brocken lag die Situation in seinem Inneren und jeder Versuch, das Gefühl herunter zu schlucken, schien seinen Hals noch mehr zuzuschnüren. Draco betrachtete ihn nachdenklich, sagte jedoch nichts. Harry konnte sehen, wie er langsam seine Hand zu sich zog und seine Finger schützend ineinander verschränkte. Reiß dich zusammen, verdammt, mahnte er sich, schluckte einmal. Er schaffte es nicht, den Kopf zu heben, fand jedoch schlussendlich seine Stimme wieder. »Zabini hat mir erzählt, dass ihr vor der Empfangszeremonie angegriffen wurdet. Du warst so spät dran … und dann hatte ich dieses Albtraum ...«, sagte Harry mit kratziger Stimme und betrachtete die aufgewirbelten Staubflocken auf dem feuchten Holzboden. »Ein Traum …?«, hauchte Draco leise. Die Scham der Situation, der Schwäche, die er dem Mann vor ihm so offenbart hatte, brannte in seinem Inneren. Er konnte Dracos leises Auflachen hören. Nachdenklich betrachtete Harry die verschränkten Hände seines Gegenübers und fragte sich, wie er das rechtfertigen könnte, ohne alles zu ruinieren. »Du dachtest, sie hätten mir aufgelauert … deswegen diese bescheuerte Bitte, dass ich auf mich aufpassen soll. Blaise hat dir diesen Mist ins Ohr gesetzt.«, drangen die gezischten Worte an sein Ohr und Harry konnte sehen, wie sich Dracos Finger ineinander krallten. »Ich bin so bescheuert, ich dachte wirklich …«, sagte Draco schließlich und atmete tief aus. Er konnte spüren, dass die sturmgrauen Augen auf ihm lagen, ihn betrachteten, doch Harry traute sich nicht, ihn anzusehen. Er wusste die Antwort auf Dracos Frage, den Grund für seinen Gefühlsausbruch. Dennoch fiel es ihm schwer, es einfach auszusprechen. Die Blase zerplatzen zu lassen, in der sie sich befanden und dem Ganzen einen Namen zu geben. Die Abweisung, welche unweigerlich kommen würde, konnte Harry gerade nicht ertragen. Nicht nachdem er ihn heute schon einmal beinahe verloren hatte. Das Bedürfnis, sich in seine Arme zu werfen und ihn mit all seiner Kraft an sich zu ziehen, verdrängte er. Auch wenn er gestern Abend noch genau dort gelegen hatte, an den Anderen gekuschelt und in seinen Armen eingeschlafen war, kam es ihm nun unangebracht vor. Wie eine Grenze, die er nicht überschreiten durfte. Die Erleichterung, ihn hier vor sich zu sehen; atmend und eine Wärme ausstrahlend, die ihm eine Gänsehaut durch den Körper jagte, ließ ihn jedoch leicht lächeln, auch wenn er sich innerlich für diese verräterische Geste verfluchte. Einen kurzen Moment sagten sie nichts, einzig das dumpfe Schlagen ihrer Herzen und die entfernten Geräusche aus der Küche erfüllten den kleinen Eingangsbereich. »Ich werde Blaise umbringen müssen ...«, seufzte Draco schließlich, durchbrach die Stille und fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. Harry biss sich auf die Unterlippe und ein eiserner Geschmack vermischte sich mit der Bitterkeit des Alraunenblattes auf seiner Zunge. »Verdammt, Potter! Jetzt sieh mich endlich an.«, knurrte Draco und Harry hob erschrocken den Blick als er sich endlich erlaubte, den Mann vor ihm direkt in die Augen zu blicken. Anstatt dass der Vorwurf in Dracos Blick mitschwang, wie Harry es doch erwartet hatte, lag eine drängende Sorge in den halb geöffneten sturmgrauen Augen. Ein bitteres, zögerliches Lächeln zierte seine Lippen. »Ich bin am Leben, Harry. Ich atme und stehe hier vor dir.«, sagte Draco im ruhigen Ton und fuhr mit einer zögerlichen Bewegung erneut über Harrys Wange. »Harry ich weiß nicht, was Blaise dir für Horrorgeschichten erzählt hat, aber ich kann gut auf mich aufpassen.« Draco seufzte und schloss seine Lider. Seine Hand fiel hinab auf Harrys Schulter. Als sich seine Augen einen Spalt wieder öffneten, legte sich ein Ausdruck auf die weichen Züge, den Harry nicht wirklich verstand. Er schien über etwas nachzudenken und die tastenden Finger an seiner Schulter erstarrten plötzlich in ihrer Bewegung, entfernten sich wieder. »Es war albern, du hast Recht.«, sagte Harry trotzig und er war sich sicher, dass Draco die Röte auf seinen Wangen sehen musste. Ein nervöses Schnauben entkam Harrys Kehle. Mit einer ruckartigen Bewegung schnappte er nach der Plastiktüte, in welcher der Kuchen lag, stand auf und rieb sich ein letztes Mal fahrig über seine Augen. Das Knistern der Tüte durchbrach die zögerliche Stille und er wandte sich ein letztes Mal entschuldigend ihm zu. »Draco ich ...« Sein Herz pochte dumpf in seiner Brust und er hielt einen Moment inne. »Ich habe es verstanden, okay?«, sagte Harry schließlich und versuchte das Zittern in seiner Stimme zu beruhigen. »Ich bin ein Idiot und hätte wissen müssen, dass du alleine klar kommst. Tut mir leid.« Seine eigene Stimme klang fremd in seinen Ohren. Erschrocken von der plötzlichen Bewegung starrte Draco ihn an und Harry fiel es schwer, seinen Blick zu deuten. Also brach er kurzerhand den Blickkontakt und das Brennen in seinen Wangen ließ ihn die schweren Lider für einen Moment schließen. »Harry, Ich wollte nicht ...«, drangen Dracos Worte an sein Ohr, doch da hatte er schon zwei Schritte in Richtung des Treppenabganges zur Küche gemacht. »Vergiss es einfach. Lass uns einfach den Kuchen essen.«, lachte Harry unsicher und zwang sich sein Herz zu beruhigen. »Danke dafür übrigens.«, fügte er mit zitternder Stimme hinzu. Er hatte Draco den Rücken zugewand, konnte den Blick seines ehemaligen Rivalen auf sich spüren. Er durfte sich so eine Unachtsamkeit nicht erlauben. Was war bloß in ihn gefahren? Schlimm genug, dass er anscheinend Gefühle für seinen ehemaligen Rivalen entwickelt hatte. Gefühle, die er sich nicht erlauben durfte sich ihnen hinzugeben; welche so fern erschienen, dass es ihn mit einer ernüchternden Klarheit erfüllte, die nachdrücklich in seinem Hinterkopf pochte. Aufseufzend nahm er eine Bewegung hinter sich wahr, als Draco sich zögernd erhob und ihm in die Küche folgte.   ~~~*~~~ Das eiserne Schweigen, welches sich durch den kompletten Nachmittag gezogen hatte, hing am Abend immer noch in den Räumen des Grimmauldplatzes. Selbst jetzt, wo er sich in Sirius altes Zimmer zurückgezogen hatte und er nachdenklich die alte vergilbte Tapete betrachtete, war der Wechsel der Stimmung greifbar. Zögernd glitt sein Blick zu dem zierlichen Armband, welches kühl um sein Handgelenk lag. Er betrachtete den mattgrünen Stein und presste seine Lippen aufeinander. Harry hatte es nicht mehr ausgehalten in Dracos Nähe zu sein und hatte sich nach dem Frühstück fluchtartig hier verkrochen. Auch wenn er wusste, dass er ihm nicht den ganzen Tag aus dem Weg gehen konnte. Heute Abend war es so weit, dachte er und ein Kopfschmerz, ausgelöst durch das Verblassen des Adrenalins, pochte in seiner Schläfe. Seufzend betrachtete er den Vollmond, dessen Licht in das Zimmer fiel und Schatten zog, welche die Dunkelheit gänzlich schwarz wirken ließen. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn sie den Trank endlich fertigstellten. Dann würde Draco einfach aus seinem Leben verschwinden, heiraten und ihn zurücklassen. Genau wie Hermine und Ron, höhnte er in seinen Gedanken und schürzte die Lippen, als er sich im gleichen Moment dafür verurteilte. Wahrscheinlich würde selbst Ginny jemanden Besseren finden, wenn das nicht schon längst passiert war. Und was tat er? Er … verliebte sich ohne jegliche rationale Überlegung in einen Mann und als wenn dies nicht schon an sich schlimm genug wäre, musste es auch noch ausgerechnet sein ehemaliger Rivale sein. Der Gedanke, einfach sein restliches Leben alleine zu verbringen, erschien plötzlich vor ihm wie eine alte Freundin, die ihm aufmunternd entgegen lächelte. Eigentlich war er doch auch gar nicht dazu verpflichtet, sich einen Partner zu suchen oder? Harry würde einfach ein bescheidenes Leben führen; fernab der Öffentlichkeit und sich eine Berufung suchen. Etwas, dass ihn endlich von diesen Gefühlen ablenkte, welche ihn irrational handeln ließen. Die Blöße, die er sich vor Draco gegeben hatte, der ihn immer wieder abgewiesen hatte, brannte auf seiner Haut und schickte tausende Nadelstiche durch seinen Körper. Müde betrachtete er das schwarze Stück Stoff, welches schlaff über dem Bettpfosten hing und umfasste mit zitternden Fingern Sirius alten verschlissenen Schal, drückte ihn an seine Brust, um irgendwie die Kälte zu vertreiben, die durch das offene Fenster in den Raum drang. Ein zögerliches Klopfen drang an sein Ohr und ließ ihn zusammenzucken. »Potter?«, fragte Draco auf der anderen Seite der Holztür, doch er öffnete sie nicht. »Es wird Zeit, ich gehe schon einmal in den Park zur Lichtung.«, hörte er die sachte Stimme, die sich langsam entfernte. Doch der Klang der Schritte verstummte augenblicklich, als Draco noch einmal stehen blieb. »Bitte komm auch dahin, Harry.« Es war ein Flüstern, kaum wahrnehmbar und doch hatte er es gehört. Harry drehte seinen Kopf und betrachtete die dunkle Maserung der Tür, während die Schritte im Flur unten leiser wurden. Seufzend vergrub er sein Gesicht in der schwarzen Wolle und verfluchte sein verräterisches Herz, welches ihm so deutlich zeigte, dass er nicht davon laufen konnte. In dem Moment, als er gedacht hatte, er hätte Draco für immer verloren, hatte er gemerkt, dass es zu spät war. Allein der jetzige Gedanke an den traurigen fürsorglichen Blick ließ sein Herz höher schlagen. Harry hatte in den letzten Stunden die Momente immer wieder in seinen Gedanken an seinem inneren Auge vorbeiziehen lassen. Die kleinen Berührungen, die Liebkosungen, welche sie geteilt hatten. Die Vertrautheit und Wärme, die ihn umgab, jedes Mal, wenn er in seiner Nähe war. Er konnte sich das doch nicht alles eingebildet haben. Da war etwas zwischen ihnen, auch wenn es Draco nicht zugab. Du musst verdammt nochmal ehrlich zu ihm sein. Die unglaubliche Härte der Tatsache, die in Hermines damaligen Worten mitschwang, zog eine Gänsehaut über seinen Körper. Doch hatte genau diese Ehrlichkeit die Macht, alles zu zerstören. Resignierend zog er den warmen Stoff über seine Haare und der Schal schmiegte sich in gewohnter Weise in seine Halsbeuge, was ihn in ein Gefühl der Sicherheit tauchte und ihn ermutigte, Draco zögerlichen Schrittes zu folgen.   ~~~*~~~ Das hell gleißende Mondlicht drang durch die Zweige des kleinen Fichtenwaldes, welcher im städtischen Park der kleinen Siedlung angepflanzt worden war. Die Finsternis wiegte sich in dem Unterholz und die bedrohliche Stille ließ seine Nackenhaare sich aufstellen. Mit festen Blick fokussierte er sich auf den blonden Fleck, der wenige Meter vor ihm das schimmernde Licht reflektierte. Konnte er nicht wenigstens auf ihn warten?, seufzte Harry in Gedanken und duckte sich ein wenig, um unter einem von Moos bewucherten Ast hindurch zu klettern. Vermutlich hatte er diese Ignoranz verdient. Hatte er beim Frühstück schließlich jeden kleinsten Versuch von Draco von sich gewiesen, eine ordentliche Konversation zu Stande zu bringen. Der Wald gabelte sich am Ende des Weges und die knöchernen Äste gaben eine kleine Lichtung frei, die auf einem Hügel lag. Draco war stehen geblieben und Harry näherte sich diesem atemberaubenden Bild. Das Mondlicht flutete den kleinen ovalen Platz, so dass es taghell erschien und Harry leicht die Augen zusammen kniff, als er hinter Dracos schlanke Gestalt trat. Das Licht brach sich an ihren Körpern und warf tiefe Schatten in den Wald hinter ihnen, der bedrohlich lauerte. Die Lichtung wirkte fast wie ein heiliger Ort, der die Dunkelheit in die tiefen Ecken des Unterholzes zurücktrieb. Wie von einem Impuls gepackt, rannte Draco die letzten paar Meter zum Gipfel des kleinen Hügels hinauf, fiel zwischen dem steinigen Gestrüpp aus langen Grashalmen auf die Knie und bückte sich nach etwas. Wie erstarrt beobachtete er wie Draco tief ausatmete und sich langsam zu ihm umdrehte. »Merlin sei Dank, es ist alles noch da.«, sagte Draco und Harry trat neben ihn und, betrachtete den aufgewühlten Boden vor ihm. In einer kleinen Schachtel lagen zwei Silberlöffel, gefüllt mit einer im Mondlicht durchsichtig schimmernden Flüssigkeit, die eine unglaubliche Reinheit ausstrahlte. Aufatmend erhob sich Draco und klopfte den Dreck von seinen Schienbeinen. Sie standen nebeneinander und ihre Augen trafen sich. Harry sah, wie sich das Mondlicht kurz in den silbergrauen Augen brach, bevor Draco seufzend seinen Blick wieder abwandte. Diese abwehrende Geste ließ sein Herz kurz stocken und mit wenigen schnellen Schritten war Harry bei ihm und ergriff sein Handgelenk. »Hör mir zu ...« Er atmete auf, versuchte, sein klopfendes Herz zu beruhigen. »Es tut mir -« »Verflucht, Potter! Hör endlich auf dich zu entschuldigen.«, zischte Draco und Harry spürte, wie starke Hände sich drängend auf seinen Brustkorb legten, um ihn von sich zu schieben. »Ob du es glaubst oder nicht, du bist kein Roboter, Harry. Auch du darfst dir Schwäche erlauben. Du hattest nur Pech, dass genau ich in diesem Moment zugegen war. Wirkliches Pech, Potter.«, zischte der Slytherin und sein leises Lachen erzeugte einen kleinen Nebel in der kalten Luft vor seinen Lippen. Abwesend zerrte Draco an dem kleinen Beutel, welcher an seinem Gürtel hing. Das Band glitt auf und schlanke Finger zogen zwei Phiolen heraus. Zwei rötliche Puppen, vielleicht so groß wie seine Fingerkuppe, lagen verteilt in zwei kleinen länglichen Fläschchen. »Das Blatt, du musst es hinzufügen.«, sagte Draco bestimmt und nickte ihm auffordernd zu. Da dies nun wirklich kein appetitlicher Anblick war, nahm Harry ihm ein Fläschchen aus der Hand und drehte sich leicht zur Seite, um das von Speichel durchnässte Alraunenblatt langsam in das Behältnis gleiten zu lassen. Es ließ sich kaum von seiner Zunge lösen, klebte unangenehm und das Bedürfnis zu würgen und es einfach hinein zu spucken kam in ihm auf, als das Blatt schließlich mit einem kaum hörbaren kleinen Platschgeräusch im Gefäß landete. »Wir brauchen noch …«, hörte er die Worte hinter sich und merkte, wie etwas seine Haare berührte, die sanften Finger sich darin verfingen und hängen blieben, bis er ein kurzes Ziepen auf seiner Kopfhaut spürte. »Verdammt, was soll das?«, beschwerte sich Harry und rieb sich die Stelle. Seinen Protest ignorierend, fügte Draco das schwarze Haar in Harrys Phiole und grinste ihm mit einer abwehrenden Handbewegung entgegen. »Konzentriere dich endlich, es ist wichtig, dass wir es richtig machen, oder willst du als missgebildete Chimäre den Rest deines Daseins fristen? Denk daran, dass du die Phiole in das Licht hältst«, mahnte ihn Draco und deutete auf den letzten Silberlöffel, der noch in der Schatulle lag. Er wandte sich schließlich ab und begann seinen eigenen Trank vorzubereiten. Sachte griff Harry nach dem Löffel und tropfte den Tau, welcher den vollen Mond in seiner Oberfläche spiegelte, vorsichtig in die kleine Phiole, bis die Flüssigkeit dampfend über die Insektenpuppe lief. »Bitte sag mir, dass ich das nicht trinken muss.«, grummelte Harry und verzog seine Nase angesichts des schwefeligen Geruchs, der von dem Fläschchen ausging. »Nein.«, lachte Draco und begann mit einer kleinen Schaufel ein Loch auf der Lichtung zu graben, bevor er den schmalen Oberkörper zu ihm wandte und eine Hand sich Harry entgegenstreckte. »Zumindest noch nicht.«, fügte er schmunzelnd hinzu. Der Anblick wie der Mann, nachdem er sich so sehr sehnte, dort auf dieser mondbeschienenen Lichtung auf den Knien saß und ihn anlächelte, raubte ihm den Atem. Für einen Moment starrte Harry ihn nur an, verweilte in dieser Position. Sein Blick traf auf die beinahe weiß schimmernde Haut, die blassen Haare. Er schluckte. »Potter, deine Phiole ...«, erinnerte ihn Draco und zog eine Augenbraue in die Höhe. Blinzelnd übergab Harry ihm die dampfende Flüssigkeit. Draco verschloss die Fläschchen und legte sie behutsam zurück in die kleine Schachtel. »Wir müssen bis zum nächsten Gewitter warten und sie dann wieder ausgraben.«, sagte er und sein Blick wirkte matt, rau und Harry merkte, dass die Stimmung des Morgens immer noch allgegenwärtig war. Dracos tiefes Seufzen drang durch die mondbeschienenen Nacht und Harry beobachtete, wie er behutsam die Erde glattstrich und sich langsam wieder erhob. Er zog seinen Zauberstab und deutete Harry mit einem Kopfnicken es ihm gleich zu tun. »Sprich mir nach.« Draco schloss die Augen und deutete mit dem Zauberstab auf sein Herz, drückte die Spitze gegen den Stoff seines Pullovers. »Amato Animo Animato Animagus« flüsterte er. Ein leichtes Leuchten drang aus der Spitze seines Zauberstabes und verschwand in seinem Körper. Das Rauschen in seinen Ohren ignorierend spürte Harry das Holz seines eigenen Zauberstabes auf seiner Brust und wiederholte Dracos Worte. In dem Moment, als er die letzte Silbe ausgesprochen hatte, spürte er wie die Magie in seinen Körper drang und sein wild pochendes Herz umschloss. »Ich hatte auch Angst ...«, sagte Draco und Harry öffnete die Augen, verwirrt von dieser Aussage. Er verstaute seinen Zauberstab in seinem Umhang und trat einen Schritt ihn zu. »Du hast keine Ahnung wie lange ich gebraucht habe, das zu akzeptieren, Harry.« Dracos Lippe zitterte und er versuchte, seinen Körper abzuwenden, um sich der plötzlichen Nähe Harrys zu entziehen. Mit festem Griff packte Harry Dracos Handgelenk und zog ihn wieder zu sich. Er wollte nicht, dass dieser zerbrechliche Moment verflog und er sich sofort wieder zurückzieht. Zögernd betrachtete Draco ihn und seine folgenden Worte waren so leise, dass der Wind sie beinahe weggetragen hätte. »In dem Moment als Voldemort deinen Tod verkündet hat und ich deinen leblosen Körper schlaff in den Armen dieses beharrten Riesen hängen sah dachte ich ...« Er biss sich auf die Lippen und sein Gesicht verzog sich. »Draco, ich ...«, versuchte er ihn zu unterbrechen, ihn zu beruhigen, doch Draco schnitt ihm das Wort ab. »Nein, Potter! Verdammt, verstehst du das nicht? Ich dachte es ist endgültig vorbei, okay?«, schrie er und sein Atem beschleunigte sich. Kräftige Arme versuchten, ihn von sich zu stoßen. Harry verstärkte seinen Griff und zog den Körper des Slytherin näher an sich ran. »Du verfluchter Mistkerl, ich habe an dich geglaubt -«   Jedes weitere Wort Dracos ging unter in einem wohligen Keuchen, als Harry sich vorbeugte und ihn küsste. Die Wärme der weichen Lippen vertrieb die Kälte dieser Nacht aus seinem Körper und ließ das Blut durch seine Adern rauschen. Er seufzte auf, im Genuss der Vertrautheit und des Verlangens, welches er gar nicht mehr leugnen wollte. Eigentlich hatte er doch nur gewollt, dass Draco endlich ihm zuhörte und ihn ausreden ließ. Seine Hand verkrallte sich in das weiche, blonde Haar. Klammerte sich fest, um jegliches Gefühl in diesen Kuss zu legen, welches ihn nun schon seit Wochen beherrschte, was er nie auszusprechen gewagt hatte. Draco schien wie erstarrt und Harry konnte spüren wie die Lippen an seinen erzitterten, als er den Kuss langsam löste. Graue Tiefen starrten ihn ungläubig an, unfähig etwas zu sagen oder zu reagieren. »Da du mir nun endlich zuhörst ...«, sagte Harry sachte und lächelte sanft. »Ich muss dir wirklich etwas wichtiges -« Ein plötzliches, gleißendes rubinrotes Licht blendete ihn aus der Richtung, wo seine Hand immer noch ruhend auf Dracos Schulter lag. »Harry, dein Armband, es leuchtet ...« Die grauen Augen zuckten zu seinem Handgelenk und Harry folgte seinem Blick. Irritiert starrte er auf den Stein, der sich blutrot gefärbt hatte und ein waberndes Licht ausstrahlte. Im Bruchstück eines Moments huschten Harrys von Schreck geweitete Augen, zu denen Dracos, der ihm mit einer Mischung aus Verwirrtheit und aufkommender Panik entgegenblickte, als plötzlich ein kehliges tiefes Knurren direkt hinter Draco aus der tiefen Dunkelheit des Unterholzes drang. Das Adrenalin schwappte durch seinen Körper, er nahm zwischen den langen Schatten eine Bewegung wahr und sah lange, von Speichelfäden getränkte Reißzähne im Mondlicht aufblitzten. Ein dunkler Fleck aus Fell und ledriger Haut sprang in einer einzigen Bewegung auf sie zu. Durch eine Impulshandlung geleitet, die ihn seit des Krieges immer wieder bei Kleinigkeiten zusammen zucken hat lassen, packte er Draco am Arm und riss ihn zur Seite, drückte den warmen Körper schützend an seine Brust. Doch sein Gegner war schneller. Die dunkle haarige Gestalt preschte an ihm vorbei und Harry verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Er spürte, wie scharfe Krallen die Sehnen seiner Schulter durchtrennten und sich wie ein sengendes Schwert durch seine Haut zogen, seinen Rücken in Fetzen rissen. Eine unbeschreibliche Welle bestehend aus pochender Hitze drang durch seinen Körper und das Blut rauschte in Harrys Ohren. Halt suchend klammerte er sich an den zitternden Körper unter ihm. »Harry … Nein ...« Dracos Stimme bebte und er konnte fühlen, wie er versuchte, sein Gewicht aufzufangen, um ihn in der Bewegung zu halten. Ein kehliges Lachen hallte bedrohlich auf der Lichtung wider, während Draco Harrys Körper langsam und zitternd auf dem kühlen Waldboden ablegte. »Mein herzallerliebster Draco.«, lachte ihr Angreifer und Harry kam die Stimme irgendwoher bekannt vor. Er reckte den Hals, konnte die Gestalt nur verschwommen wahrnehmen, da seine Brille irgendwo zwischen dem Dreck am Boden lag. Tastend und schwerfällig zog er seine Hand über den Schlamm, ließ seine Finger zwischen die langen Grashalme der Lichtung durch gleiten, spürte das warme Blut, welches den Boden aufweichte. Einen kurzen Moment dachte er an seinen Zauberstab, der nutzlos in der Innentasche seines Umhanges lag. »Harry ...«, hörte er Dracos Stimme neben sich, doch der Schmerz pochte, und seine Glieder fühlten sich taub an. Jede Bewegung schickte Stromstöße durch seinen Körper, die seine Sicht immer wieder trübten. »Bitte, du darfst nicht … Ich …«, stotterte Draco und Harry konnte spüren, wie der hastige Atem gegen seine Wange stieß, als sich Dracos Gesicht gegen seines presste. Tränen tropften auf seine Haut. Er wollte seine Arme heben und ihn an sich drücken, ihm versichern, dass alles gut werden würde, doch die Kraftlosigkeit zerrte an ihm. Alleine die Augen geöffnet zu halten, war so schwer, dass es ihm die Luft zum Atmen raubte. »Bleib liegen … nicht bewegen … Bitte, Harry ...« Ein Schluchzen entkam seiner Kehle. »Ich werde mich darum kümmern, aber du darfst noch nicht sterben, hörst du?« Die letzten Worte waren nur noch gehaucht und Harry konnte wahrnehmen, wie Draco sich vor ihm bewegte und aufstand. »Greyback!«, schrie er und schemenhaft konnte Harry sehen wie Draco vor ihm aufstand, den Zauberstab erhob und in die Dunkelheit zeigte. Das kalte Gestell seiner Brille stieß sachte gegen seine Fingerspitzen. Zitternd umschloss er sie und setze sie sich auf die Nase. Sein Blut pumpte durch seine Halsschlagader, als er die wilde monströse Gestalt von Fenrir Greyback das erste mal komplett sah. Von den Mondstrahlen beleuchtet wirkte die ledrige und unreine Haut des Werwolfes silbern. Ungebändigtes langes Fell war über den Großteil des gebeugten, lauernden Körpers gewachsen, was ihm einen Anblick verlieh, der kaum die Menschlichkeit dahinter erkennen ließ. Greyback trug Kleidung und seine Verwandlung wirkte unvollkommen, was jedoch der Bedrohlichkeit seiner Erscheinung nicht im Wege stand. Zitternd betrachtete Harry die vom Blut verschmierten Gesichtszüge, die sich zu einem euphorischen Grinsen verzerrt hatten. »Verfluchte scheiße, was willst du beschissener Köter von mir?«, hörte Harry die bebende Stimme neben sich, doch Dracos hastiger Atem stockte, als ein dunkles Knurren erklang. »Der kleine unschuldige Welpe, sehr herzzerreißend …«, jaulte der Werwolf und bleckte seine blutigen Zähne. »Hier kann dich dein elendiger Vater nicht mehr vor mir beschützen, Draco. Wo ist er eigentlich jetzt?«, lachte Greyback und Harry versuchte sich aufzurichten, doch eine Welle von Scherz machte jeden Zentimeter zunichte, den er schaffte, sich zu bewegen. Harry fühlte, wie sein eigenes Blut sich auf der Lichtung unter ihm verteilte und spürte das schwache Klopfen seines Herzens, welches in seinem Kopf widerhallte. Auch wenn er seine Brille gefunden hatte, begann seine Sicht zu verschwimmen. Du musst wach bleiben! Er blinzelte, kniff die Augen zusammen und versuchte, seinen Blick zu klären. Die sturmgrauen Augen huschten hektisch zu ihm herüber, überprüften ob er noch lebte. Der ganze Körper von Draco zitterte durch die Angst, die durch seine Venen pumpte. Die Angst, dass sie hier sterben könnten. Im Augenwinkel sah er, wie Greyback sich krümmte und wohl zu einem weiteren Angriff ansetzte. Harry wollte Draco warnen, doch nur ein Keuchen verließ seine zitternden Lippen. Er konnte sehen, wie ein zerrender Schatten durch das Mondlicht sprang und Greyback plötzlich mit einem Satz vor Draco stand, seine Pranke um den dünnen Hals schloss. Dracos Zauberstab kullerte mit einem vernichtenden hohlen Geräusch gegen einen Stein und Harry nahm wahr, wie Dracos Füße langsam den platt getrampelten, vom Blut verschmierten Boden verließen und er in die Luft gehoben wurde. Draco gab ein röchelndes Geräusch von sich und in Harrys Augen brannten die Tränen, die durch das stille schmerzliche Wimmern seine Wange hinunter liefen. »Lass … ihn los.«, keuchte er unter dem stechenden Brennen, das durch seine Glieder fuhr, während er sich langsam in eine sitzende Position hievte. »Oh, wen haben wir da? Potter persönlich, ich glaube es nicht. Hätte ich eure Zweisamkeit vielleicht doch nicht stören sollen?«, grunzte Greyback. Draco versuchte, im festen Griff des Werwolfes seinen Kopf zu Harry zu drehen. Er verzog schmerzhaft das Gesicht und die dreckigen Krallen bohrten sich in die Haut, hinterließen blutige Spuren an seinem schmalen Hals. »Vielleicht sollte ich dich zuerst töten und unseren lieben Draco hier zuschauen lassen.«, raunte Greyback und ein bedrohliches Feuer lag in seinen Augen angesichts dieses Vorhabens. »Er hat damit nichts zutun! TÖTE MICH, verdammt! Aber bitte lass Harry ...«, keuchte Draco, doch das dunkles glucksende Lachen aus der Kehle des Werwolfs unterbrach ihn. Draco versuchte, den Moment der Ablenkung zu nutzen, schlug verzweifelt mit seiner Faust nach Greyback. Dieser bemerkte allerdings, was er vor hatte und griff nach seinem Arm mit der freien Hand, umkrallte das zierliche Handgelenk. Das laute Knacken von Knochen ließ Harry zusammenzucken. Draco schrie auf und krümmte sich in dem unbarmherzigen Griff des Wolfes. Eine dreckige, von Harrys eigenem Blut getränkte Kralle strich langsam Dracos Ärmel nach unten und entblößte das dunkle Mal, welches blass aber sichtbar in die weiße Haut gebrannt worden war. »Sein Zeichen … Es ist eine Schande, dass selbst du es erhalten durftest. Der kleine hübsche Junge, der es nicht einmal schafft einen einfachen Auftrag auszuführen. Aber du hattest andere Absichten, richtig? Ist doch aber nicht schlimm, Draco.« Ein dunkles Lachen ertönte und ein langer Speichelfaden tropfte aus seinem Maul. »Du kannst froh sein, dass es mir verboten war dich anzurühren … Dass nun ich es sein darf, der es zu Ende bringt ... dein elendiges unbedeutendes Leben.«, knurrte er.   Harry konnte sehen, wie Greyback sein haariges Gesicht dem Unterarm von Draco näherte und mit seiner Zunge schleimige Spuren über den Totenkopf zog, die Schlange entlang wanderte. »Nicht … Bitte... «, flehte Draco mit schwacher Stimme. Er wandte sich mühsam, versuchte, den Pranken des Monsters zu entkommen, doch war das fast zwei Meter große Ungetüm so stark, dass es ihn keine Mühe zu kosten schien, ihn mit einer Hand zu halten. »Oder vielleicht sollte ich deine Haut aufreißen und dich mir zu eigen machen. Wer würde dich schon vermissen?« Er fletschte die Zähne und roch am zitternden Fleisch vor ihm. »Immerhin bist du hier so bereitwillig zu mir gekommen, hast dich präsentiert im Mondlicht wie ein schmackhaftes Angebot.« »Stupor!«, schrie Harry, der es mit zitternden Fingern geschafft hatte, seinen Zauberstab zu ziehen. Ein gleißender Lichtblitz traf Greyback direkt in den Brustkorb und er taumelte nach hinten. Mit einem dumpfen Keuchen schlug Dracos Körper auf dem kalten Waldboden auf. Harrys Atem ging flach, als sein Blick voller Sorge zu Draco huschte, der ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. »Wie kannst du es wagen ...«, knurrte Greyback, rieb sich über die Stelle, wo ihn der Schockzauber getroffen hatte, und richtete sich auf. »Wie du willst, du erbärmlicher Möchtergernheld, dann auf diese Weise ...« Er zog seinen Zauberstab aus dem Bund seiner Hose und richtete ihn auf Harry. »Crucio!« Harrys Körper krümmte sich in einem einzigen beständigen, widerhallenden Schmerz. Er kniff die Augen zusammen, schrie auf und schrammte seine blutende Wange über den Waldboden, wandte sich. Doch es gab kein Entkommen. Die behaarte, blutverschmierte Gestalt verschwamm und bevor seine Augen zufielen, suchte er schmerzverzerrt nach Dracos Körper, den Greyback einfach achtlos auf den Boden hat fallen lassen. Mit flackerndem Blick fokussierte er die Stelle, an der er Draco eben noch gesehen hatte, doch fand ihn nicht. Er musste es ihm doch sagen, bevor er hier … »Avada Kedavra!«, schrie Draco, untermalt von einem grünen erlösenden Licht und dem Abflachen des Schmerzes. Nur noch verschwommen nahm er wahr, wie die massige monströse Gestalt in die Knie sank und vor ihm mit einem lauten dumpfen Geräusch auf den Boden krachte. Schemenhaft sah er, wie Draco über den leblosen Körper stieg und auf ihn zu gestolpert kam, doch bevor er ihn erreichen konnte, hörte Harry verzerrt die Stimmen von mehreren Personen, die hastig in der Ferne durcheinander sprachen. »Harry! Harry, hörst du mich? Oh nein ...«, schluchzte Draco nahe bei ihm und durch den pochenden Schmerz sah er, wie Draco sich fallen ließ. Er spürte kalte, zitternde Hände verzweifelt durch sein Gesicht tasten. »Weg von ihm!«, schrie eine Stimme, die er nicht zuordnen konnte zwischen dem Rauschen. Verschwommen erkannte Harry das schwache gedämpfte Licht mehrerer Zauberstäbe, das hinter Dracos bebendem Körper aufleuchtete und ihn blendete. Harrys Sicht trübte sich, die drängenden aufgeregten Stimmen hallten nur noch in der sich anbahnenden Dunkelheit und das Bild des zitternden Mannes auf ihm verschwand in einer tiefen Schwärze. ~~~*~~~ Kapitel 25: Redemption ----------------------   Kapitel 25: Redemption       Das regelmäßige monotone Piepen zerschnitt die pochende dumpfe Leere in seinem Kopf. Eine ungnädige Irritation, die jegliche Ruhe störte, die er sich so sehr ersehnte. Sein Körper fühlte sich taub an und seine Fingerspitzen kribbelten, während er langsam über weichen Stoff tastete.   Mit einem Keuchen öffnete er die flatternden Lider und brauchte einen Moment, bis sich die verschwommenen Schemen zu einem Bild formten. Harry blickte mit stolperndem Atem in den halbdunklen sterilen Raum. Er erkannte auf einem kleinen Beistelltisch seine Brille und setzte sich sie mit zitternden Fingern auf die Nase. Das linke Glas zierte einen deutlichen Riss, der sich wie eine Narbe durch sein Blickfeld zog. Seichtes Licht drang durch die Vorhänge und tauchte das kleine Krankenzimmer in einen Moment der Ruhe, während sein Herz im Rhythmus des beständigen Piepens dumpf gegen seinen Brustkorb schlug.   Er bemerkte eine plötzliche Regung am Fußende und die Person, die dort geschlafen hatte, hob ihren Kopf abrupt vom klinisch weißen Bettlaken. Er erkannte Hermine, die ihn überrascht ansah.   »Harry ... Du bist wach! Wie geht es dir?«, fragte sie ihn mit heiser Stimme.   Mit müden Augen betrachtete Harry seine beste Freundin und versuchte, die Szenerie in einen Kontext zu setzen. Hermine schien schon einige Stunden an seinem Bett gewacht zu haben und neben ihr stand eine kleine Tasche, in der Harry Wechselklamotten vermutete. Erschöpft richtete er sich im Bett auf und die Decke rutschte ein wenig an seiner Schulter herunter, gab seinen von Verbänden eingewickelten Oberkörper frei. Ein Windhauch stieß durch das halboffene Fenster auf die freigelegte Haut und eine Gänsehaut zog sich über seinen Körper. In der Bewegung erstarrt betrachtete er durch einen Spalt zwischen den Vorhängen, wie die Sonne gerade am Horizont unterging.   »Wie lange habe ich geschlafen, Hermine?«   Sie seufzte und das kleine Krankenbett knarrte dadurch, dass sie sich neben ihn setzte.   »Bitte sag mir was passiert ist, Harry. Arthur hat einen Patronus von Kingsley erhalten, dass du angegriffen wurdest und sie dich schwer verletzt ins St. Mungos gebracht haben. Ron und ich haben uns abgewechselt, falls du aufwachen solltest. Du hast fast einen ganzen Tag geschlafen … ich dachte ...«   »Einen ganzen Tag?«, unterbrach er sie. Strafend strahlten die letzten Sonnenstrahlen ihm entgegen und er kniff die Augen ein wenig zusammen, beobachtete die feinen Staubpartikel, die in einem trügerischen Moment der Ruhe durch die Luft tanzten.   »Wo ist Draco?«, sprach er schließlich die Frage aus, die immer wieder in seinem Kopf widerhallte.   »Das ...«, stockte Hermine, blinzelte zweimal und schürzte ihre Lippe.   »Ich glaube es einfach nicht … Er ist deine größte Sorge, Harry? Du wärst fast gestorben, wegen ihm!«, schnaufte sie vorwurfsvoll und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust.   »Du kannst froh sein, dass Greyback dich nicht gebissen hat! Die Verletzung wird trotzdem nie ganz verheilen. Die Spuren eines Werwolfangriffes können nicht einfach geheilt werden. Erinner dich an Bills verunstaltetes Gesicht. Diese Narben werden für immer sichtbar sein. Ist es das wert? Ist … er das wert, Harry? Dass du dich so in Gefahr begibst, dein Leben riskierst?«, zischte sie vorwurfsvoll, auch wenn die Sorge deutlich in ihren Worten mitschwang.   Der Verband an seiner Schulter brannte auf seiner Haut und rieb unangenehm über die Spuren, die der Werwolf auf ihm hinterlassen hatte. Auch wenn sie ihn wohl geheilt hatten, spürte er nachhallend die Stellen, an denen die Klauen seine Haut aufgerissen hatten.   Wie in einem verzerrten Rauschen aus sich immer wiederholenden Szenen sah er die Lichtung und von Blut getränkte Krallen, die im Mondlicht aufblitzten. Ein kehliges Lachen hallte in seinem Kopf wider, ließ einen Schmerz entstehen, der durch seinen Kopf jagte. Die plötzliche Erinnerung an den zitternden Körper, der sich an ihn gepresst hatte, sorgte dafür, dass er die Luft einzog, die trocken in seiner Kehle rasselte.   »Nie erzählst du uns etwas …«, sagte Hermine heiser. Ein müdes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie sah zur Seite.   »Wir waren doch immer zusammen, Harry … seitdem der Krieg vorbei ist, hast du dich verändert. Du schließt uns aus und dann diese komische Fixierung auf Malfoy.« Sie zögerte, hob den Blick. »Erkläre es mir, Harry. Du willst, dass ich dich nicht verurteile für deine Handlungen, aber lässt Ron und mich im Dunklen ...«   »Es ist ...«, sagte, Harry in dem Versuch eine Erklärung zu formulieren, schüttelte jedoch seufzend den Kopf und zog von einem durchgängigen kurzen Piepen begleitet den kleinen Aufsatz von seinem Finger. Er hatte jetzt keine Zeit für lange Erklärungen.   »Bist du verrückt? Du kannst jetzt nicht gehen … die Heiler konnten dich gerade noch so retten, verdammt! Du musst dich ausruhen!«, sagte Hermine hastig und sprang auf als Harry versuchte aufzustehen. Mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, entfernte er die drängende Hand von seiner Schulter und drehte sich zu ihr.   »Ich …«, zögerte er und sah in die besorgten rostbraunen Augen seiner besten Freundin.   »Ich liebe ihn, Hermine.«, gab er es schließlich zu und irgendwie war er auf eine komische Art und Weise erleichtert, es endlich ausgesprochen zu haben. Unweigerlich legte sich ein mattes Lächeln auf seine Lippen.   Einen Moment lang betrachtete Hermine ihn nachdenklich, die mit sich zu hadern schien.   »Er hat … «, begann sie unsicher und ihr Atem stockte für einen Moment.   »Malfoy hat einen Unverzeihlichen Fluch benutzt um Greyback zu töten. Ich weiß nicht, wieso die Auroren plötzlich da waren, aber sie haben ihn sofort mitgenommen. Er hat gegen seine Auflagen verstoßen, verstehst du das?«   Hermine legte ihre Hand auf seinen Unterarm und sah ihm entschuldigend entgegen. Harrys Augen weiteten sich in der Erkenntnis, was ihre Worte zu bedeuten haben.   »Er soll morgen Nachmittag nach Askaban gebracht werden, Harry.«   Er spürte das dumpfe Pochen seines Herzens und sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an. Das konnten sie nicht machen. Draco hatte ihn definitiv gerettet und nun soll er dafür das gleiche Schicksal erleiden, was Harry doch gerade so hatte abwenden können?   Harrys Finger glitten durch seine rabenschwarzen Haare und krallten sich fest.   »Das können sie nicht machen. Was ist mit einer Verhandlung? Ich hatte noch keine Chance auszusagen.«, keuchte er atemlos.   »Nein … es gab keine Verhandlung. Dass er überhaupt nach Hogwarts durfte war nur Teil seiner Bewährungsauflage, Harry. Bei einem kleinen Fehltritt ist es vorbei und ich würde sagen, jemanden zu töten gehört dazu.«, erklärte sie sachlich und verzog ihre Lippen.   »Ich werde mit Kingsley sprechen. Hermine, Draco hat mich gerettet. Deswegen hat er den Todesfluch sprechen müssen, um MICH zu retten, verstehst du das? Und jetzt soll er dafür nach Askaban?«, argumentierte er aufgeregt. Das konnte es einfach nicht gewesen sein. So durfte das Ganze nicht enden.   Harry wusste, dass sie Zweifel hatte, doch er musste wenigstens ihr Vertrauen gewinnen. Wie sollte er jemals den Minister von Dracos Unschuld überzeugen, wenn nicht einmal seine beste Freundin ihm glaubte.   »Wieso wart ihr dort, in diesem Wald?«, hörte er die klagende Stimme Hermines und seine Stirn legte sich in Falten.   »Wir … Wir haben versucht einen Trank zu brauen, um …«, sagte Harry heiser.   Hermine hob bei dieser Aussage eine Augenbraue in die Höhe und betrachtete ihn skeptisch. Als wenn sie ihn am liebsten fragen würde, wie man sich dabei in eine solche Lebensgefahr begeben konnte.   »Um Animagi zu werden.«, beendete Harry seinen Satz und beobachtete schmunzelnd wie sich die braunen Augen weiteten.   »Ihr habt WAS? Der Vollmond … Ich bin so bescheuert, ich hätte selbst darauf kommen können. Aber wieso?«, fragte sie sachte und zögerte kurz in dem Versuch, ihn wegen dieser Aktion nicht zurechtzuweisen, doch es gelang ihr nicht.   »Harry das ist auch ein Grund, weswegen du in Askaban landen könntest, darf ich dich daran erinnern? Ein nicht registrierter Animagus? Nein, entschuldige, Zwei! Was habt ihr euch dabei gedacht?«   Irgendwie kam ihm nun, da er so ehrlich vor Hermine saß, die ihn mit einem vorwurfsvollen Schnauben bedachte, dieser Plan doch nicht mehr so durchdacht vor. Allerdings hatte er Draco einfach nur helfen wollen. Wie hatten sie überhaupt so dumm sein können? Harry war doch bewusst gewesen, dass er gejagt wurde. Dennoch hatte er sich einfach ablenken lassen, von diesem verdammten Idioten. Sie waren verflucht knapper mit dem Leben davon gekommen, als es Harry lieb war. Wenn das Armband nicht in dem Moment geleuchtet hätte, als er versucht hatte …   Er hatte es ihm wieder nicht sagen können.   Jetzt wusste er nicht einmal mehr, ob er dazu noch die Möglichkeit haben würde. Würde er Kingsley wirklich überzeugen können? Harry hatte alles in seinem Leben eingesetzt, um die Menschen zu beschützen. Er hatte sie alle gerettet und nun soll der Mann, der ihm durch einen Fehler das Leben gerettet hatte dafür nach Askaban gehen? Er hoffte, dass sein Wort genug Wert hatte. Für ein einziges Mal musste es doch nützlich sein, dass er all das geopfert hatte.   »Wenn es Notwehr gewesen ist, dann musst du wirklich mit dem Minister reden, Harry.«, durchbrachen Hermines Worte die Stille, in der sie ihn nachdenklich betrachtet hatte.   »Nur bleib heute Nacht noch hier, die Besuchszeit ist gleich vorbei, also werde ich dich nicht aufhalten können. Nur ich bezweifele, dass der Minister heute noch in seinem Büro sein wird. Er wollte eh deine Aussage haben, Harry, und wenn das die Wahrheit ist, dann wird er dir hoffentlich glauben.«, seufzte sie. »Auch wenn es nicht einfach wird ihn zu überzeugen, angesichts von Malfoys Vorgeschichte.«   Der Zuspruch, welcher in den treuen Worten Hermines lag, ließ ihn leicht lächeln.   Der Gedanke kam ihm, was denn wäre, wenn er bei seinem Vorhaben versagen würde, aber am liebsten wollte er überhaupt nicht darüber nachdenken, was diese Möglichkeit mit sich bringen würde. Er biss sich zögerlich auf die Lippe.   »Du liebst ihn wirklich.«, stellte Hermine fest und eine kleine Hand legte sich sachte auf seinen Unterarm. »Ich hoffe du weißt, was du dir da aufgehalst hast.«, lachte sie und klopfte ihm aufmunternd auf den Arm, woraufhin Harry ein zischendes Geräusch von sich gab, welches von einem stechenden Schmerz in seiner Schulter begleitet wurde.   »Oh! Entschuldige, ich ...«, wollte sie sagen, doch Harry zog sie mit einem Ruck in seine Arme und ignorierte das aufkommende Stechen, welches auf seiner Haut brannte.   »Ich werde morgen früh zu Kingsley gehen und Draco da raus holen. Sie können ihn nicht einfach so wegsperren.«, murmelte er an ihrer Schulter.   »Es tut mir leid, dass ich nicht ehrlich zu euch war. Es war einfach …«   »Die Liebe ist immer kompliziert, Harry.« Hermines Lächeln wirkte aufmunternd und dennoch wusste er immer noch nicht, was denn Draco überhaupt auf sein Geständnis geantwortet hätte.   Vielleicht war es tatsächlich Liebe. Allerdings selbst wenn er es schaffte, dass Draco zurück mit ihm nach Hause durfte, würde er diese Gefühle erwidern?   Erschöpft schüttelte er den Kopf und verwarf den Gedanken. Jetzt war es nicht wichtig, ob seine Gefühle unerwidert blieben. Erst einmal musste er den Minister überzeugen, dass Draco kein ehemaliger Todesser war, der eine Gelegenheit genutzt hatte, um einen alten Bekannten zu töten, und gleichzeitig den Retter der Zauberwelt schwer zu verletzten.   Und dass das so einfach werden würde, bezweifelte Harry doch irgendwie.     ~~~*~~~   Eine Entlassung gegen ärztlichen Rat.   Ein einfacher Satz, eine Klausel, die das Krankenhaus vor der Dummheit seiner Patienten schützte, die selbstlos über ihr doch so kurzes Leben entschieden. Harry hatte nicht über die Bedeutung dieser Worte nachgedacht, als er den Zettel um halb acht in der Früh unterschrieb, und hatte mit flatterndem Herzen das Krankenhaus verlassen.   Die ganze Nacht hatte er wach gelegen, hatte sich an der Vorstellung verloren, wie es Draco wohl gerade gehen würde. Wenn er in Untersuchungshaft war, würde er im Untergeschoss in einer Zelle hocken. Ob man seine Verletzungen wenigstens geheilt hatte?   Er hat damit nichts zu tun!   Zögernd blieb er vor der karminroten Telefonzelle stehen, die ihm als Eingang ins Ministerium dienen würde.   TÖTE MICH, verdammt!   Draco hatte ihn in dieser Nacht beschützen wollen und hatte ihm schlussendlich das Leben gerettet. Bewies das nicht, dass er ihm etwas bedeutete? Dass sie … vielleicht doch eine Chance hatten? Der Funken Hoffnung glimmte verführerisch in seinem Herzen und ein Seufzen drang aus seiner Kehle.   Er betrat den kleinen Raum und hob seine Hand, während er die verblassten Zahlen auf dem silbernen Ziffernblatt betrachtete.   Eigentlich war die Kombination, die den magischen Aufzug dazu veranlassen würde, den Eingang ins Ministerium freizugeben, so simpel, dass Harry das erste Mal Lachen musste, als Mr. Weasley es ihm erklärt hatte.   62442   Da Harry durch seine Kindheit durchaus mit dem Ziffernblatt eines Telefons vertraut war, erschien ihm die Banalität dahinter, einfach das Wort »Magic« als Passwort zur Welt der Zauberer zu benutzen, viel zu einfach, als dass es nicht zufällig entdeckt werden würde.   Mit einem rappelnden Geräusch setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung und Harry spürte, wie ein einziger Druck ihn nach unten saugte, als er sich im Bruchteil einer Sekunde mit einem Rattern plötzlich in der Haupthalle des Ministeriums wiederfand.   Eine nicht enden wollende Anzahl an grünen Mosaikplatten reihte sich an den meterhohen Wänden und spiegelte den Trubel der Menschen, die in ihrem geschäftigen Alltag aneinanderprallten. Das Pfeifen an seinem Ohr sorgte dafür, dass er den Blick hob und müde betrachtete er die kleinen Papiervögel, die als interne Nachrichten durch die Luft sausten.   Viel zu viele Menschen. War das Erste, was er dachte, als er sich an einem älteren Mann in einem dunklen Anzug vorbei quetschte, der ihn mit einem mahnenden Blick fixierte. Entschuldigend hob er die Hand, suchte aber sogleich nach den Weg zu den Aufzügen, um zu Kingsleys Büro zu kommen. Harry hatte es immer gehasst, hier zu sein, waren die wenigen Male, in denen er im Ministerium war auch nicht unbedingt durch die besten Erinnerungen geprägt. Kam es ihm nun umso fremder vor, dass er es wirklich in Betracht gezogen hatte, hier zu arbeiten.   Kingsleys Ernennung war damals nach seinem Einsatz im Orden nur noch Formsache gewesen. Doch hatte der doch eigentlich sehr verständnisvolle Auror nun alle Augen auf sich gerichtet und war sehr bedacht, weitere Skandale im Bezug auf das Ministerium zu vermeiden. Ein weiterer Grund, weshalb es dem neuen Minister nun wirklich nicht gefallen hatte, dass Harry sich in der Verhandlung von Draco für einen Todesser eingesetzt hatte.   Schließlich begleitete Harry selbst nach dem Krieg eine Schlagzeile nach der anderen, was nicht immer ein gutes Licht auf das Ministerium warf. Insbesondere, da irgendwie jeder erwartete, dass er nun Auror werden sollte, um weiterhin seinen edlen Dienst gegen das Verbrechen zu fristen. Immerhin wollte niemand riskieren, dass er sich vielleicht einer dunklen Seite widmen könnte dass er nun für die falschen Leute ausgesagt hatte, empörte viele und er hatte allgemein weniger Verständnis für diese Entscheidung bekommen.   Allgemein war es Kingsley Shacklebolt deutlich lieber, wenn kein neuer Skandal existierte, der die Handlungen des Ministeriums mal wieder in Frage stellte. Vermutlich war er deswegen eher dafür bekannt streng zu sein. Der Minister betrachtete ihn als Störfaktor, dem er dankbar war, und dennoch wäre es ihm wohl lieber, wenn er nie wieder von Harry Potter hören musste. Immerhin zog Harry schon immer Probleme an, wie es sich nun mal wieder beispielhaft bewahrheitet hatte. Dennoch war die Erkenntnis nicht unbedingt hilfreich. Schließlich hoffte Harry eher darauf, dass Kingsley Draco die Gnade zukommen ließ, die er doch eigentlich verdient hatte.   Die Metallstriemen des Aufzuges ratterten in einem hohlen Klirren, aneinander als eine magisch verstärkte Stimme ihm mitteilte, dass er nun keine Zeit mehr hatte, weiter zu grübeln. Er stieg aus und ging mit schweren Schritten den Gang entlang.   Vereinzelt betrachteten ihn neugierige Blicke und er fragte sich, wie viele Leute wohl Bescheid wussten, was passiert war. Ob die Öffentlichkeit auch schon Wind davon bekommen hatte? Harry hatte an den kleinen Zeitungsständen in der Haupthalle nicht genau hingesehen, hatte es eher vermieden, neugierig seinen Blick über die Schlagzeile wandern zu lassen.   Vermutlich war das auch besser so.   Als er schließlich bei seinem Ziel ankam, entgegnete ihm der zweifelnde Blick einer jungen Hexe, die hinter einem Schreibtisch zwischen diversen Akten versank und wohl gerade realisierte, dass es ihr Job sein würde, Harry von seinem Vorhaben abzuhalten.   »Entschuldigung, Sie können nicht ...«, sagte sie zögernd und war in ihrer Bewegung erstarrt, doch Harry war schon mit wenigen großen Schritten an ihr vorbei getreten und legte entschlossen seine zitternden Finger um den Türknauf.   Er würde die Reaktion nicht als überrascht bezeichnen, die Kingsley anhand der Frechheit hatte, dass er ihn vor seinem ersten Kaffee störte. Ihm war bewusst, dass dies kein guter Anfang sein würde, aber er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihm wirklich blieb, bis Draco nach Askaban überführt würde. Es war eher so, als hätte der großgewachsene Mann, dem man sein Alter mittlerweile ansah, irgendwo erwartet, dass Harry sich keine zwei Wochen erholen würde, wie es ihm sein Heiler doch angeraten hatte. Vermutlich hatte er nur nicht damit gerechnet, dass er so früh erscheinen würde.   »Es freut mich, dass es dir besser zu gehen scheint, Harry.«, grüßte ihn Kingsley und ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er mit einer ruhigen Bewegung die Tasse Kaffee ein Stück in die Luft hob.   »Spare dir die Höflichkeiten und verat mir lieber, wieso Draco Malfoy unten in Untersuchungshaft sitzt.«, zischte Harry vorwurfsvoll und folgte der auffordernden Handbewegung seines Gegenübers sich zu setzen.   Ein Seufzen war zunächst die Antwort und verdeutlichte die Begeisterung, die anhand dieses unangenehmen Gespräches in Kingsley aufkam.   »Mir blieb keine Wahl. Wir haben ihn, genau wie du es wolltest übrigens, laufen lassen. Man hat seinen Zauberstab mit einem Überwachungszauber versehen, der anschlagen würde, sobald er einen unverzeihlichen Fluch sprechen sollte.«, versuchte Kingsley zu erklären und setzte die Tasse nach einem Schluck wieder auf dem Tisch ab.   »Malfoy wusste davon. Ihm wurden die Bedingungen deutlich erklärt als wir ihn gehen haben lassen. Er hat im vollsten Bewusstsein der Konsequenzen gehandelt und den Fluch ausgesprochen. Greyback war ein Scheusaal, das wissen wir Beide und deine Beteiligung an dieser Tragödie musst du mir auch erklären.«   Draco hatte gewusst, dass sie ihn sofort verhaften würden, und war trotzdem das Risiko eingegangen um ihn zu …   »Er hat mir verflucht nochmal das Leben damit gerettet.«, knurrte Harry dunkel, ermüdete ihn diese Konversation nach den nervenaufreibenden Ereignissen der letzten Tage zu sehr.   Unsicher, ob er belustigt oder genervt über Harrys Aussage sein sollte, schürzte Kingsley die breiten Lippen und eine deutliche zuckende Falte bildete sich auf seiner Stirn. Schließlich war es genau dieselbe Begründung, mit der er schlussendlich für Dracos Freiheit in seiner Gerichtsverhandlung plädiert hatte.   »Irgendwie habe ich ein Deja-vu ...«, murmelte der Minister und klappte mit einer Handbewegung eine etwas schwerere Akte zu, legte sie auf einen anderen Stapel, der sich auf dem Schreibtisch türmte.   Harry schluckte und wollte sich nicht einfach abweisen lassen. Bestimmt legte er eine Hand auf den Tisch.   »Ich wäre dort auf dieser Lichtung gestorben, wenn Draco nicht den Cruciatus von Greyback durch seinen Zauber unterbrochen hätte, und ihr wollt ihn postwendend nach Askaban schicken? Ohne Verhandlung oder Anhörung, weil er in der Vergangenheit ein paar schlechte Entscheidungen getroffen hat? Vielleicht sollte ich wirklich mal mit der Presse sprechen, wie fair ihr eigentlich mit Menschen umgeht, die dem großen Harry Potter das Leben gerettet haben? Wird es sie wirklich interessieren, dass es Malfoy ist? Oder werden sie mir zuhören, schließlich muss es doch irgendwas gebracht haben, dass ich für euch gestorben bin.«, zischte Harry und hatte seine Finger zu einer Faust geballt.   »Ich werde angesichts der Umstände davon absehen, dass man das durchaus als Erpressung werten könnte, Mr. Potter.«, sagte Kingsley kühl. Schluckend sackte Harry zurück in den unangenehm bequemen Sessel. Träge schloss er seine Augen und versuchte, das dumpfe Pochen in seinem Inneren zu beruhigen. Er hatte sich in Rage geredet und war zu weit gegangen, das wusste er. Auch wenn er sich nicht sicher war, wie viel von seiner Aussage der Wahrheit entsprach und welcher Teil ein schlichter Bluff war, um Kingsley zum handeln zu zwingen.   »Wenn das stimmt und er aus Notwehr gehandelt hat, werdet ihr euch bereit erklären müssen unter Einfluss von Veritaserum eine Aussage zu machen. Einen anderen Weg sehe ich nicht, den Gamot von seiner Unschuld zu überzeugen.«, seufzte der Minister resignierend und Harry hob bei diesen Worten den Kopf.   »Etwas was Malfoy bisher strickt verweigert hat. Bring ihn dazu auszusagen und er kann gehen.« »Veritaserum? Ich dachte sie wollten das verbieten?«, fragte Harry ungläubig über die Möglichkeit, die er ihm anbot. Konnte er diesen Deal eingehen? Er selbst hatte nichts zu verbergen, was er nicht für die Möglichkeit, Draco wieder sehen zu können eintauschen würde.   »Es ist noch nicht beschlossen worden, aber ja es wird momentan darüber diskutiert.«, beantwortete Kingsley seine Frage und betrachtete ihn mit prüfendem Blick.   »Harry ihr werdet euch einer vollen Befragung unterziehen müssen und du weißt, dass diese Art des Verhörs nicht gerade nett abläuft.«, verdeutlichte er sein Angebot und Harry vergrub seine Fingerspitzen in der Lehne des Sessels.   Er hatte keine Wahl. Harry konnte Draco nicht nach Askaban gehen lassen. Er würde ihm das verzeihen, dass er diesen Preis dafür zahlen musste.   »Wir werden aussagen.«, sagte Harry mit kühler Stimme und beobachtete, wie Kingsley bedacht nickte.   In einer geübten Bewegung zog er aus einer Schublade einen kleinen Schreibblock hervor, stempelte das Papier und begann wenige Wörter darauf zu schreiben.   »Sollte es danach keine Zweifel an seiner Unschuld geben, kann ich es rechtfertigen, ihn erneut laufen zu lassen.«, erklärte er ihm und überreichte ihm das kleine Dokument, welches Harry mit zitternden Händen entgegen nahm.   Verwundert betrachtete er das Stück Papier und wiegte es in der Hand, als seine Augen über die Zeilen huschten.   »Harry ich mag die Wahl deiner Freunde nicht zu beurteilen, aber bitte denke ein wenig über deine Entscheidungen nach bevor du handelst, in Ordnung?«, bat ihn Kingsley mit einem bitteren Lächeln.   »Auch wenn du es nicht willst, bist du eine Person öffentlichen Interesses und deine Handlungen werfen ebenso einen tiefen Schatten auf das Ministerium.« Er zögerte und betrachtete Harry schweigend für einen Moment, bis ein tiefes Seufzen im Büro widerhallte.   »Er sitzt im dritten Untergeschoss in der vierten Strafabteilung. Ich werde sehen, dass wir die Anhörung zeitnah ansetzen können.«   »Ich darf ihn mitnehmen?«, fragte Harry ungläubig und sein Herzschlag beschleunigte sich.   »Wir werden ihn mit einem Aufspürungszauber belegen. Mehr kann ich nicht für dich tun, Harry, und sei dir gewiss, dass meine Dankbarkeit mittlerweile ausgereizt ist. Ich kann mir keine weiteren Probleme erlauben. Sollte er irgendein Problem verursachen oder solltest du gelogen haben, wirst du dafür gerade stehen müssen, sowohl strafrechtlich als auch vor der Presse. Ich hoffe du bist dir dessen bewusst.«, bestimmte er, doch Harry hörte ihm nur mit halbem Ohr wirklich noch zu. Zu sehr hatte ihn die Aufregung angesichts des Passierscheins, der wärmend in seiner Hand lag, und der Aussicht darauf, Draco heute noch wieder zu sehen zu können aufgewühlt.   »Bitte lass es mich nicht bereuen ...«, hörte Harry noch die geflüsterten Worte, als er sich hastig bedankte und schnellen Schritten das staubige, viel zu stickige Büro verließ.   Sein Puls pochte und er schaffte es nicht, seine Gedanken zu ordnen. Sie überschlugen sich, während die Erleichterung regelrecht durch seinen Körper schwappte und ein Kribbeln erzeugte, durch welches seine Nackenhaare sich aufstellten. Schnellen Schrittes versuchte er in dem Irrgarten aus sich wiederholenden Fluren und Türen die richtige Abteilung zu finden.   Als Harry endlich die vierte Abteilung erreichte, betrachteten ihn zwei matschbraune Augen, die ihn aufforderten, den Grund seines Besuches zu erklären oder am besten sofort wieder zu verschwinden. Allgemein schienen die Mitarbeiter des Ministeriums nicht unbedingt in Begeisterung zu verfallen, weil sie hier arbeiten durften. War es aber auch vermutlich kein spannender Job, den ganzen Tag in einem Kasten zu sitzen und auf die Gefangene aufzupassen. Zögernd schob er das Dokument, was ihm der Minister gegeben hatte, durch die kleine Aussparung in der Scheibe.   »Malfoy, Ja. Zelle Vierzehn. Ich brauche einen Ort, den ich hier als überwachte Zone eintragen kann. Er darf diese Zone nicht mehr als 50 Meter verlassen, ansonsten wird ein sofortiges Signal gesendet.«, grunzte der Mann unbeteiligt und seine wenigen Haare rutschten in einer Bewegung von einer sich anbahnenden kahlen Stelle am Haaransatz.   »Der Grimmauldplatz Nr. 12.«, sagte Harry leise, so dass die Gefangenen in den umliegenden Zellen ihn nicht belauschen konnten.   Mit einem Schnauben erhob sich der füllige Mann aus seinem Klappstuhl und eine Vielzahl aus unterschiedlich geformten und gebogenen Schlüsseln klapperten an seinem Schlüsselbund. Er trottete schweren Schrittes an Harry vorbei. Er nahm dies als Aufforderung und folgte ihm in den dunklen Gang.   Harry verdrängte schweren Herzens die Geräusche, die von den umliegenden Gefangenen ausgingen, doch das wimmernde Klagen und hohle Lachen einiger Insassen sorgte für ein unwohles Gefühl in seinem Magen, dass ihn dazu brachte, seine Schritte zu beschleunigen. Vor einer silbernen Zellentür mit der Nummer vierzehn kamen sie schließlich zum Stehen.   »Eigentlich war ich mir ja sicher, dass mir nun die Ehre zuteil wird einen weiteren Malfoy nach Askaban zu übergeben.«, sagte der Wärter vor ihm, als er mit einem Klicken die schwere Eisentür öffnete und eine vier Quadratmeter große Kammer freigab, in der ein kleines Feldbett stand. Ein Urinal und ein kleines Waschbecken waren an der Wand angebracht worden.   Doch Harry ignorierte die wertenden Worte als sein Blick hastig zu der Person huschte, die am Rande des Bettes hockte. Matte, von dunklen Ringen untermalte graue Augen reflektierten das flackernde Licht der Deckenlampe. Er blinzelte, schien Draco sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnen zu müssen, bis er schließlich erkannte, wer dort hinter dem Wärter stand und ein leises Aufkeuchen entglitt den blassen Lippen.   Harry widerstand unter dem abwartenden Blick des Wärters dem Bedürfnis einfach zu Draco zu stürmen. Ihn endlich in seine Arme zu ziehen und es fiel ihm schwer, seine Freude zu unterdrücken als Draco sich ungläubig erhob und ihn schockiert anstarrte. »Du lebst … Merlin sei Dank …«, flüsterte er und betrachtete ihn für einen Moment. Dracos Blick huschte nervös zu dem Wärter, der sie abschätzend beobachtete.   »Bist du hier um mir zu sagen, wann sie mich endlich abholen kommen?«, lachte er heiser doch in dem Funken, der in den sturmgrauen Augen aufflackerte, konnte Harry erkennen, wie froh Draco war, ihn zu sehen. Ein müdes Lächeln legte sich auf seine Züge.   »Ich bin hier um dich nach Hause zu holen.«, sagte Harry, wollte er ihn doch einfach nur noch hier rausholen und diesen Albtraum zu Ende gehen lassen. Eine Mischung aus Unglaube und Hoffnung verwebten sich in dem dumpfen Gefühl in Dracos Inneren.   »Nach Hause ...«, murmelte Draco und ein zaghaftes Lächeln legte sich auf seine Lippen.   »Du hast keine Ahnung, wie unwirklich sich das für mich anhört, Potter.«   »Ich weiß.«, flüsterte Harry.   Ihm war bewusst, wie viel sie zu bereden hatten. Wie unglaublich viel gerade zwischen ihnen stand und dass sie keine Wahl haben würden. Er würde Draco beichten müssen, was er Kingsley für seine Freiheit versprochen hatte …   Vielleicht lag es auch daran, dass er nicht wusste, wie er ihm sagen sollte, was er wirklich für diesen Mann fühlte, der zögernd im Aufzug in einer Nische nach seiner Hand tastete, die Wärme suchte, nur um seine Hand ruckartig wieder zurückzuziehen, wenn die Aufzugtüren sich wieder öffneten und der Schutz des Momentes verschwand.   Doch erst würden sie nach Hause gehen und bei diesem Gedanken zog sich eine willkommene Wärme durch seinen Körper.       ~~~*~~~  Kapitel 26: Priority -------------------- Kapitel 26: Priority     Die plötzliche Ruhe lag vernichtend über den Ereignissen der letzten Tage und verhallte in dem dumpfen Schließen der Eingangstür des Grimmauldplatzes hinter ihnen. Unter dem wachen Auge des Ministeriums hatten sie den ganzen Weg hierher nur das Nötigste gesprochen und nun da sie hierher zurückgekehrt waren, prangte das bevorstehende Gespräch wie ein Unheil vor ihm, auf das er direkt zusteuerte.   Lauernd lag die plötzliche Intimität der Zweisamkeit im Raum und umso mehr Harry sich in seiner Sorge immer wieder gewünscht hatte, die Chance nicht verpasst zu haben es ihm endlich zu sagen, umso ferner erschien ihm nun der Gedanke, es jetzt einfach so auszusprechen. Wie etwas Nebensächliches, eine Floskel, die man einfach so sagte. Es fühlte sich an, als wäre der Moment verraucht und hätte sich in einer Schwade aus gestaltlosem Rauch unbemerkt in der Luft verstreut, während die Schmerzen in seiner Schulter ihn deutlich in die Realität zerrten. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an.   Harry war bereit dazu gewesen, dort auf dieser Lichtung. In einem Moment der Schwäche hatte er sich dem Verbotenen hingeben wollen, nur ein einziges Mal. Vielleicht auch nur, um endlich von Draco weggestoßen zu werden, so dass er damit abschließen konnte. Er fragte sich, was eigentlich in ihn gefahren war. Immerhin hatte Draco ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass keine Zukunft für sie bestand. Harry hatte ihn einfach geküsst, sich ihm aufgedrängt und seine hilfesuchende Lage ausgenutzt. Dumpf pochte sein Herz in seiner Halsschlagader und schnürte seine Kehle unangenehm zu, verschlimmerte den Kloß, den er versuchte mit einem bitteren Lächeln herunter zu schlucken.   Draco betrachtete ihn nachdenklich, während sie langsam den Flur entlang in Richtung des Wohnzimmers gingen, doch Harry mied jeglichen Augenkontakt, der ihn noch dazu verleiten könnte, etwas Unüberlegtes zu sagen. Zu erdrückend war der mögliche Ausgang dieses Gespräches. Er musste sich endlich unter Kontrolle halten, war es nicht eigentlich auch etwas Unangebrachtes, einfach so einen verlobten Mann zu küssen? Draco hatte ihn immer wieder gebeten, sich nicht in sein Leben einzumischen. Dennoch hatte er sich erneut nicht zurückhalten können, eben genau das zu tun, um ihn dort aus seiner Zelle zu holen.   Der Kamin knisterte einladend, als sie das kleine Wohnzimmer betraten, dass unverändert in dem Chaos versank, wie Harry es zurückgelassen hatte. Vereinzelt lagen Bücher auf dem Boden neben dem Sofa, die von ihren Lernabenden zurückgeblieben waren. Die Kissen lagen unordentlich auf dem Boden verteilt, neben diversen Pergamentblättern, auf denen sie sich Notizen gemacht hatten. Die Zeichen eines zurückliegenden Tages in ihrer selbst errichteten Seifenblase, die nun so fremd schien, dass es Harry die Luft zum Atmen nahm.   Für einen Moment betrachtete er den Mann, der sein Leben so durcheinandergebracht hatte. Draco schaute immer wieder zu ihm herüber, schien ebenfalls mit den Worten zu ringen, doch sein Blick glitt jedes Mal erneut zur Seite, als würde er den Gedanken soeben wieder verwerfen, für den er sich entschlossen hatte. Wenn jemand sie jetzt nur sehen könnte. Was war bloß aus ihnen geworden?   Seufzend setzte Harry sich und ein stechendes Brennen zog sich durch seine Schulter, in dem Moment als die Rückenlehne nur sachte seine Haut berührte. Er konnte eine Bewegung neben sich wahrnehmen und bemerkte, dass Draco ebenfalls der Erschöpfung nachgab und sich neben ihm fallen ließ. Auch Draco sah müde aus, es war bestimmt nicht angenehm gewesen, so viele Stunden dort in dieser Zelle zu verbringen. Mühsam öffnete Harry die ersten Knöpfe seines Hemdes und versuchte, den spannenden Stoff um seine Schulter zu lockern, was gar nicht mal so einfach war.   Die dunkelroten verkrusteten Striemen, die sich vom Rücken bis in seine Halsbeuge zogen, suchten sich ihren Weg durch die Verbände und klebten an dem Stoff des Hemdes, dass er sich in der Früh aus der Tasche mit der Wechselkleidung gegriffen hatte. Er hatte nicht wirklich darüber nachgedacht, dass die Wunden aufgehen könnten, denn vermutlich konnte er das Kleidungsstück nun wegwerfen.   »Du solltest den Verband wechseln … durftest du überhaupt schon aus dem Krankenhaus raus?«, sagte Draco neben ihm.   Seine Stimme zitterte und er tastete zögerlich mit einer Hand nach Harrys Oberkörper, in der Hoffnung irgendeine Reaktion von ihm zu erhalten, schließlich hatten sie seit dem Betreten des Hauses konsequent geschwiegen. Die strafende Wärme der Finger auf seiner angespannten und brennenden Haut zog sich wie Stromstöße durch Harrys Körper. Die unerwartete Fürsorge in Dracos Verhalten wäre eigentlich etwas, was er sehr gerne genossen hätte in diesem Moment. War es doch sehr selten, dass Draco so offensichtlich zeigte, dass es ihm etwas ausmachte. Ein Bröckeln seiner Maske, welches Harry immer gerne beobachtet hatte.   Vermutlich war die Tatsache, dass er ihn abermals gerettet hatte dafür verantwortlich, dass er sich nun verpflichtet fühlte. Doch der eigentliche Grund, weshalb er vollen Bewusstseins sein eigenes Leben in die Waagschale geworfen hatte, um Draco zu retten, pochte in seinem Unterbewusstsein.   »Natürlich durftest du das nicht ...«, murmelte Draco verstehend nach einer kurzen Weile des Schweigens. Die kleine Hoffnung, dass er vielleicht einfach aufstehen und gehen würde, verrauchte in einem tiefen Seufzen, das Draco aus seiner Kehle stieß.   »Wieso hast du das für mich gemacht?«, fragte Draco und betrachtete die blutgetränkten Bandagen, die immer noch fürchterlich auf seiner Haut brannten und unter dem Stoff seines halb geöffneten Hemdes hervorlugten.   »Potter, ich versteh, dass du gerade nach dieser Nacht deine Ruhe brauchst … aber ich kann das nicht einfach so stehen lassen. Erkläre es mir, wie kann es sein, dass ich hier sitzen darf? In Freiheit … mit dir?« Die letzten beiden Worte waren nur noch gehaucht.   »Ich habe Greyback ermordet … und dennoch ...«   »Du hast mir das Leben gerettet.«, unterbrach ihn Harry mit kratziger Stimme und legte seine Hand auf die von Draco, strich behutsam mit dem Daumen über den Handrücken.   Auch wenn er sich eben noch ermahnt hatte, dass Abstand das einzig Sinnvolle war, um die Gefühle unterdrücken zu können, wollte er nun nicht, dass er sich dafür verurteilte, dieses Scheusal getötet zu haben. Auch wenn Ginny Draco damals als Mörder bezeichnet hatte, war es ihm immer unwirklich vorgekommen ihn mit dieser Bezeichnung in Verbindung zu bringen. Es hatte einfach nicht zu dem Bild gepasst, das er von Draco Malfoy hatte und nun, da er ihr vermutlich nicht mehr widersprechen konnte, hatte dies trotzdem nichts an seiner Einstellung geändert.   Es war das Bild eines wirklich interessanten Mannes, der ähnlich wie er selbst nicht immer eine Wahl im Leben hatte. Der überraschend charmant und zuvorkommend war, wenn man ihm genug Zeit gab. Eines ehemaligen Rivalen, der sich in schwierigen Momenten dafür entschieden hatte, das Richtige zu tun, der für ihn gehandelt und seine Prinzipien gebrochen hatte. Draco hatte sich ganz still und leise in sein Herz geschlichen, nachdem Harry hinter seine Maske blicken durfte, und er hatte wirklich keine Ahnung, wie er das Gefühl beruhigen konnte, dass vehement gegen seinen Brustkorb pochte.   »Auch wenn ich wirklich glaube, dass wir vielleicht damit aufhören sollten uns gegenseitig das Leben zu retten …«, lachte Harry leise in seiner Nervosität und schluckte.   Vielleicht brauchte er wirklich Abstand zu Draco, um diese Gefühle verarbeiten zu können. Solange er in seiner Nähe war, würde er keinen klaren Gedanken fassen können. Doch nun war Draco unter Hausarrest gestellt worden und obwohl er noch nichts von seinem neuen Schicksal wusste, brannte die Tatsache in seinem Inneren, dass es ihm nicht möglich sein würde wegzulaufen.   »Dennoch sollte ich für einen Mord in Askaban sitzen, oder irre ich mich da? Sie schienen ganz erwartungsvoll auf diese Gelegenheit gewartet zu haben.«, lächelte Draco bitter und wich zurück, um den wenigen Abstand zu vergrößern. Harry erinnerte sich nur zu gut an die Worte des Wärters.   »Also erkläre es mir, bitte.«.   Die kurzweilige Stille untermalte das Knistern der Flammen und als Harry endlich seinen Kopf hob, um Draco anzusehen, bemerkte er die Unsicherheit in seinem Blick aufflackern. Er würde ihm die Wahrheit sagen müssen, auch wenn Harry etwas in seinem Namen versprochen hatte, würde er es einfach verstehen müssen, dass er keine Wahl gehabt hatte. »Ich habe Kingsley versprochen, dass wir unter Veritaserum aussagen. Das war der einzige Weg um dich aus deiner Zelle zu befreien. Du bist solange unter Hausarrest gestellt und darfst den Grimmauldplatz nicht weiter als 50 Meter verlassen.«, gab Harry schließlich den Deal zu, den er hinter seinem Rücken im Austausch für seine Freiheit abgeschlossen hatte. Draco Augen weiteten sich bei jedem Wort immer mehr und starrten ihn fassungslos an.   »Das ...«, stockte er und atmete zischend ein, in der Realisation, was Harry ihm da gerade offenbart hatte.   »Das ist ein Witz, richtig? Du ziehst mich auf, weil ich deinen Einfluss in Frage gestellt habe und nicht wollte, dass du mir deinen Heldenmut aufzwingst. Harry, bitte sag mir, dass du nicht so dumm warst das zu versprechen.«, sagte Draco vorsichtig und der sorgende Ausdruck verblasste.   »Was hätte ich denn tun sollen? Dabei zusehen, wie du nach Askaban geschickt wirst, weil du jemanden getötet hast, um MICH zu retten?«, schnaufte Harry aufgebracht.   »Genau das hättest du tun sollen!«, protestierte Draco und krallte die schmalen Finger in den Stoff des Sofakissens. Aus einem Impuls heraus schmiss er es Harry entgegen.   »Jetzt sei nicht so kindisch, verdammt! Dann sagen wir halt aus, was ist denn schon dabei? Ich habe nichts zu verbergen, Draco!«, argumentierte Harry und fing das Kissen auf.   Natürlich war es nicht gut gewesen, dass er sich erneut in sein Leben eingemischt hatte. Ein solches Versprechen im Namen eines Anderen abzugeben, war nun weit mehr als ein kleiner Eingriff in die Privatsphäre, die er so gerne ihm gegenüber aufrecht erhalten wollte. Auch wenn Draco immer noch die Aussage verweigern konnte, hatte Harry seinen Kopf für ihn hingehalten, obwohl er ihn immer wieder darum gebeten hatte, eben genau das nicht zu tun.   »Kindisch?«, schrie Draco empört. »Ich verhalte mich kindisch? Hast du eigentlich eine Ahnung, was du da getan hast? Er hätte dir das Versprechen in meinem Namen überhaupt nicht abnehmen dürfen! Das ist immer noch meine -«   »Ja, ja. Deine Entscheidung, ich weiß.«, unterbrach ihn Harry und stand mit einer ablehnenden Handbewegung auf. Er hatte es satt, sich zu rechtfertigen, und Draco würde den Grund für sein sonderliches Verhalten eh nicht verstehen können.   »Oh nein! Wage es ja nicht, wieder abzuhauen!«, zischte Draco und hielt ihn am Saum seines Hemdes zurück. Harry schlug die Hand sachte zur Seite und ging in Richtung Türrahmen.   »Potter! Verdammt -«, fauchte er wütend und Harry spürte, wie Draco mit einem festen Griff seinen Arm umfasste. Sein Oberkörper drehte sich dem Widerstand entgegen, als ihn der tobende Sturm empfing, der ihn mitriss und für einen Moment versank er in den Augen seines Gegenübers, unfähig zu atmen oder ein Wort zu sagen.   Aufatmend, dass Harry angehalten hatte, beruhigte sich Draco ein wenig und betrachtete Harry zwischen den wild pochenden Herzschlägen, die er in seinem Brustkorb klopfen spürte.   »Hör zu … ich bin dir wirklich dankbar, dafür dass du mich dort auf dieser Lichtung gerettet hast, jedoch verstehe ich es nicht! Dein Armband hat geleuchtet als Greyback uns angegriffen hat, genau in diesem Moment und dann beschützt du mich auch noch vor ihm ...«, sagte Draco zögernd und trat einen Schritt auf Harry zu ohne den Griff, um seinen Arm zu lösen.   »Du wolltest mir etwas sagen … kurz bevor es passiert ist.«, flüsterte er. Harry sah bei diesen Worten hektisch zur Seite und entzog sich dem Blick seines Gegenübers, löste Dracos Hand mit einer Bewegung seiner Schulter.   »Ich ...«, haderte Harry mit sich und seine Wangen brannten unangenehm. Er drehte sich kopfschüttelnd um, ging zwei Schritte den Flur entlang.   »Vergiss es einfach, Malfoy. Ich werde mich nicht mehr in deine Angelegenheiten einmischen, dass ist doch das, was du gewollt hattest, oder?«, sagte er kühl und seine Hände zitterten. Niemals konnte er sich jetzt die Blöße vor ihm geben, ihm die Wahrheit zu erzählen. Feste biss er sich auf seine Lippe.   Während seine strengen Worte noch im Flur verhallten, nahm Harry plötzlich eine Bewegung hinter sich wahr, als ein sengender Schmerz sich durch seine Schulter zog. Draco, der plötzlich zwei Schritte auf ihn zutrat und innerhalb eines Momentes seinen Oberkörper packte, riss ihn bestimmt zur Seite. Harry fand sich mit dem Rücken an einer Wand wieder, keuchte dumpf und spürte, dass die Verletzung an seiner Schulter wieder aufgegangen war. Den Schmerz unterdrückend wollte Harry gerade anfangen, zu protestieren, doch kein Wort entkam ihm, fühlte sich sein Hals durch die plötzliche Nähe Dracos wie zugeschnürt an. Schluckend und mit dumpf pochendem Herzen betrachtete Harry die weichen Lippen, die immer näher kamen, und war so überrumpelt von Dracos plötzlicher Initiative, dass er einfach wie erstarrt dort verweilte, von den Armen seines ehemaligen Rivalen auf beiden Seiten eingesperrt, während die Wand an seinem Rücken ganz kalt war.   Hastig atmete er ein und hielt die Luft an, als Dracos Lippen wenige Zentimeter vor seinen eigenen zum Stillstand kamen. Er konnte nicht denken, seine Handinnenflächen kribbelten. Harry spürte ein Kitzeln an seiner Nasenspitze, als Draco ein kaum merkliches Lachen entkam und warmer Atem gegen seine Lippe stieß.   »Hätte ich das mal früher gewusst, Potter, dass man dich so leicht zum Schweigen bringen kann.«, flüsterte Draco gegen seine Lippen und grinste.   »Was ...?«, sagte Harry mit kratziger Stimme. Die plötzliche Nähe überrumpelte ihn, seine Gedanken schwirrten in einem Durcheinander, vermischten sich mit dem Klang seines wild pochenden Herzens. Draco musste es hören können, er würde …   »Ich glaube du hast nicht den Hauch einer Ahnung, was ich will, Potter.«, raunte Draco und ein bedrohlicher Funke lag in seinem Blick. Der heiße Atem an seinem Hals riss Harry aus seiner Schockstarre. Mit aller Kraft, die ihm noch übrig war, stieß er ihn von sich. »Was ist das für dich?! Ein verdammtes Spiel? Was sollen diese ganzen Aktionen, Malfoy! Ich dachte du wolltest heiraten!«, schrie Harry zwischen seinem flachen Atem.   »Es ist vorbei, Potter! Wir haben verloren, verstehst du das nicht? Wie sollen wir in Askaban einbrechen, wenn ich unter Hausarrest stehe?« Sein Blick glitt zur Seite.   »Glaubst du allen Ernstes, dass Astorias Vater die Verlobung aufrecht erhalten wird, wenn ich wegen Mordes angeklagt werde? Beziehungsweise vielleicht sitze ich selbst in Askaban und kann endlich meine Mutter wiedersehen, bevor sie sich auch das Leben nehmen wird!«, schrie Draco aufgebracht und japste nach Luft.   Für wenige Momente wusste Harry nicht, wie er auf diesen Ausbruch reagieren sollte, und betrachtete stumm den schnaufenden Mann vor ihm. Doch zwischen dem Schwall an Informationen und der aussichtslosen Situation, die Draco beschrieb, war Harry an einer Sache gedanklich hängen geblieben. Sie würden die Verlobung lösen? Bedeutete das ….   »Wie konnte das eigentlich alles überhaupt passieren?«, schnaufte Draco nervös und strich sich in einer fahrigen Bewegung eine verirrte Strähne hinter sein Ohr. Die sturmgrauen Augen glitten nachdenklich zu seiner Verletzung.   »Es tut mir leid, wegen deiner Schulter. Ich wollte dich eigentlich nur aufhalten. Ist alles okay?«, fragte Draco verlegen und sein Atem schien sich etwas beruhigt zu haben, doch Harry antwortete ihm nicht.   »Harry bitte sag mir, warum du dein Leben für mich eingesetzt hast, dort auf dieser Lichtung. Verdammt, du hast mich beschützt ... Ich habe die ganze Zeit in der Zelle gedacht, du wärst gestorben, keiner wollte mir irgendetwas sagen ...«, sagte er leise und biss sich auf seine Unterlippe.   Er trat einen Schritt auf Harry zu und war nun wieder direkt vor ihm, so dass ihm der angenehme Geruch von Tee und Pergament in die Nase stieg. Draco zögerte mit seinen nächsten Worten, sah ihn nur kurz an, lehnte aber sogleich seinen Oberkörper leicht an ihn. Die plötzliche Nähe trieb ein angenehmes warmes Prickeln durch Harrys Körper, welches im kompletten Kontrast zu der kühlen Wand an seinem Rücken stand.   Bubumm. Bubumm.   Nun war er sich sicher, dass er es hören musste.   »Dass das hier zwischen uns, was auch immer es eigentlich ist, überhaupt möglich wäre, war etwas, was ich nie zu vorstellen gewagt hätte.«, sagte Draco schließlich,   »Die letzten Wochen … ich …«, sagte er, doch verstummten Dracos Worte als er den Kopf hob und seinen Blick zögernd erwiderte.   Harry Hände zitterten wenige Zentimeter halb in der Luft neben Dracos Hüfte, war er sich nicht sicher, ob er wirklich die Erlaubnis hatte, ihn zu berühren. Draco sah ihn nachdenklich an und seine Lippen hatten sich zu einem bitteren Lächeln verzogen.   »Was ist es denn, was du willst …?«, fragte Harry atemlos.   »Es ist egal was ich will.«, lächelte Draco und sah ihm entschuldigend entgegen.   »Verstehst du das, Harry? Das hier ...« Er verteilte gehauchte Küsse über sein Schlüsselbein, wanderte die leicht gebräunte Haut hinauf bis zu seinem Ohrläppchen.   »... ist so verboten, dass es mir den Atem raubt es nur in Gedanken auszusprechen.«, hauchte er in sein Ohr und Harry erschauderte.   Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, das Prickeln, welches der heiße Atem an seiner Ohrmuschel auslöste, suchte sich geradewegs den Weg in seine Lenden. Wenn Draco so weiter machte, brauchte Harry es gar nicht mehr aussprechen. Er würde ganz genau sehen können, welche Reaktion dieser atemberaubende Mann vor ihm auslöste.   Als Harry dem vor purem Verlangen vernebelten Blick begegnete, verlor sich seine Zurückhaltung. Im Bruchteil eines Moments brach sein Widerstand und er schob seine Bedenken zur Seite. Er zog tief den Atem ein und grub seine Finger zwischen die blonden weichen Strähnen an Dracos Hinterkopf, beugte sich vor und gab der unendlichen Versuchung nach. Harry wurde sogleich von einem Seufzen belohnt, das in den sanften Bewegungen ihrer Lippen unterging. Seine andere Hand griff bestimmt an Dracos Gürtel und zog ihn an sich heran, so dass er im Kuss nach vorne taumelte.   Harry keuchte auf und war gezwungen den Kuss zu lösen. Schwer atmend sahen sie sich an, während Dracos Bein deutlich gegen seine Beule rieb, die sich unter seiner Hose abzeichnete.   Nun gab es kein Zurück mehr.   Sachte strich er über Dracos Wange, über die blasse Röte, die sich auf die Haut zeichnete. Das hier war vielleicht verboten, einfach irrational und sie würden von der Presse zerfleischt werden, sollte es jemals jemand herausfinden, doch er wollte diesen Mann so sehr, dass der Gedanke ihn nicht erneut küssen zu dürfen, dumpf in seinem Brustkorb lag.   Harry näherte sich Draco, doch bevor sich ihre Lippen erneut berühren konnten, senkte er seine Stirn gegen die des Anderen und schloss seine Augen.   »Du spürst es doch, oder …?«, flüsterte Harry und ein sachtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Er spürte deutlich, wie Draco sein Bein bewegte als müsse er sich noch einmal vergewissern, dass er sich nicht getäuscht hatte.   »Musst du dich wirklich fragen, warum ich dich dort gerettet habe, Draco? Dann werde ich es dir sagen, ich bin dir so hoffnungslos verfallen, dass es mir selbst Angst macht.« Harry öffnete die Augen und sah, dass Draco die Augenbrauen nach oben gezogen hatte und ihn bei diesen Worten überrascht anblickte.   »Ich habe keine Ahnung wie das hier funktioniert, Draco. Ich bin absolut überfordert damit. Nie in meinem Leben bisher, habe ich so gefühlt, wie ich es in deiner Gegenwart tue. Ich liebe jede verfluchte Eigenart von dir, selbst deine launischen Ausbrüche und am liebsten würde ich dich einfach jedes mal Küssen und dich an mich ziehen, nur damit du die Klappe hältst. Hast du irgendeine Ahnung wie verwirrend das für mich ist?«, sprach Harry in seiner Nervosität einfach seine Gedanken aus und seine Wangen brannten, als ihm bewusst wurde, was er da eigentlich zugegeben hatte.   »Du liebst …. meine Eigenarten?«, fragte Draco ungläubig und blinzelte zwei Mal. Harry seufzte.   »Ich bin in dich verliebt, du idiotischer Mistkerl.«, schnaubte Harry.   Die blasse Haut von Dracos Wangen hatte sich in ein dunkleres Rot gefärbt. Draco öffnete mehrmals den Mund, klappte die herzförmigen Lippen jedoch sofort wieder zu.   »Du bist ...«, murmelte er.   Auch wenn einen sprachlosen Draco Malfoy zu sehen, wirklich ein neuer Anblick war, verunsicherte ihn seine überraschte Reaktion ungemein, doch nun gab es kein Zurück mehr.   »Ja, ich weiß nicht wie es passiert ist, aber es stimmt. Also bitte spiel nicht mit mir, Draco.«, sprach Harry seine Sorge aus und lächelte zögerlich.   »Ich verstehe wenn du nicht dasselbe empfindest, immerhin sind wir zwei Männer -«, wollte Harry sagen, wurde jedoch von stürmischen Lippen unterbrochen, die sich fest gegen seine pressten und ihm das Wort abschnitten. So schnell der Kuss passiert war, so schnell war er jedoch wieder vorbei. Draco löste sich seufzend von ihm und ein müdes, aber aufrichtiges Lächeln hatte sich in seinem Mundwinkel gebildet.   »Halt bitte einfach die Klappe, Potter.«, sagte er aufatmend und lehnte sich erneut gegen ihn, während schlanke Arme seine Hüfte umfassten.   Für einen Moment verweilten sie in dieser Position, genossen die verbotene Wärme des Anderen er verlor sich in den Gefühlen, die durch sein Innerstes schwappten und drohten alles zu überschwemmen. Ihn einfach mitzureißen und sich diesem unglaublichen Verlangen hinzugeben.   Zögerlich merkte er, wie Draco die Umarmung langsam löste.   »Harry, was ...«, haspelte er und zog seine Hand von Harrys Rücken, welche in verschmiertem Blut getränkt war. Für einen Moment starrte er auf die zierlichen Finger und spürte wie das Brennen auf seinem Rücken sich mit dem Rauschen in seinen Ohren vermischte.   »Ich glaube ich ...«, wollte er sagen, doch das Sprechen kostete plötzlich zu viel Kraft, die er einfach nicht mehr hatte. Sein Herz klopfte langsam und dumpf in seinem Brustkorb und sein Hemd haftete klamm an seiner brennenden Haut,   Er hatte es wohl doch etwas übertrieben, dachte er sich, als der staubige Flur vor ihm in Schlieren verschwamm. Starke Arme fingen ihn auf als Dracos überraschtes Keuchen in dem Summen in seinem Kopf sich verzerrte.       ~~~*~~~   Eine sanfte, kreisende Bewegung auf seiner Haut ließ Harry aufwachen. Ein kühler Luftzug stieß ihn von einem Fenster entgegen, gegen seine freigelegte Haut, die im Mondlicht durch die aufgetragene Salbe feucht glänzte. Draco saß neben ihm, hob den Kopf von seiner Tätigkeit, als Harry eine Bewegung machte.   Mit flatternden Augenlidern erkannte Harry, dass sie sich in einem Badezimmer befanden. Er lehnte mit freiem Oberkörper an der Badewanne. Da er sich nicht erinnern konnte, selbst hier her in diesen Raum gelaufen zu sein, hieß das, dass er ihn hier her getragen haben musste. Nachdenklich besah er sich die Paste, mit der Draco seine Verletzung eingerieben hatte.   »Dir ist hoffentlich klar, dass das nicht zur Gewohnheit werden wird.«, murrte Draco und Harry musste lächeln.   »So etwas verantwortungsloses, wie du, ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen! Anstatt auch nur mal einen Ton zu sagen, nein, du leidest lieber leise und klappst dann wieder auf mir zusammen. Wirklich klasse, Potter.«, schmollte Draco und verzog die Lippe.   »Heilzauber sind nun wirklich nicht meine Spezialität … Ich hoffe, dass die Salbe hilft, um ehrlich zu sein. Es ist ein altes Familienrezept, welches wir häufig für Notsituationen zusammengemischt haben. Zum Glück hatte ich noch ein Fläschchen in Reserve.«   Da er einfach nicht aufhören konnte zu lächeln, verstimmte es Draco immer mehr, dass Harry nicht einmal zu bereuen schien, was er getan hatte.   Draco strich nun weniger sanft über die Spuren, die er für die Rettung seines Lebens in Kauf genommen hatte. Tiefe Furchen zogen sich durch die aufgerissene Haut und die Berührung brannte.   Dennoch wollte er nicht, dass er aufhörte, denn alleine die Tatsache, dass er genau hier neben ihm saß, bedeutete, dass er es nicht geträumt hatte. Er hatte es ihm endlich gestanden und Bilder der intimen Momente im Flur schossen durch seine Gedanken. Seine Wangen brannten und zögerlich blickte er zu Draco.   »Ich wollte den Moment nicht ruinieren.«, gab Harry zu und blickte nachdenklich auf den Mann neben ihn, der aus einer kleinen Kosmetiktasche einen Verband hervorzog.   »Den Moment ...«, feixte Draco und rollte mit den Augen.   »Was ...«, begann Harry zu sprechen, wusste aber nicht wirklich, wie er am besten diese Frage stellen konnte. Er wollte wissen, was das jetzt zwischen ihnen war. Waren sie jetzt zusammen? Würde Draco es geheim halten wollen?   Die Bewegung stoppte an der feinen Narbe, die sich bis in seine Halsbeuge zog. Harry versuchte, ihm in die Augen zu sehen, um auszumachen, was Dracos Intention war. Sein Arm fühlte sich schwer an, als er ihn langsam hob und sanft mit den Fingern Dracos Kinn umfasste, es behutsam nach oben drückte. Mattgraue Augen begegneten ihm.   »Harry, ich werde die Aussage unter Veritaserum nicht machen. Es tut mir leid.«, sagte Draco kühl.   ~~~*~~~      Kapitel 27: Truth -----------------   »Harry, ich werde die Aussage unter Veritaserum nicht machen.«, sagte Draco kühl.   ~~~*~~~   Kapitel 27: Truth     Das dumpfe Pochen in seiner Brust zog sich durch seinen Hinterkopf in dem Versuch, die Worte zu begreifen. Die Absurdität, alle seine Bemühungen über den Haufen zu werfen. Die Konsequenz dieses einen Satzes, welche die letzten Stunden unter sich begraben würde. Wenn Draco die Aussage verweigern würde, müsste er seine Haftstrafe antreten und würde endgültig aus seinem Leben verschwinden.   Es war nicht so, dass er es nicht erwartet hatte. Den Ausdruck des unbeugsamen Widerwillens, der in dieser Aussage mitschwang. Harry hatte jede Minute, nachdem der Minister ihm dieses verdammte Versprechen abgenommen hatte, befürchtet, dass er genau diese Worte sagen würde. Doch jetzt, da er sie tatsächlich ausgesprochen hatte, fühlte sich alles taub an und seine Fingerspitzen kribbelten.   »Wenn du nicht aussagst … werden sie dich nach Askaban schicken.«, sprach Harry Dracos selbst erwähltes Schicksal aus und durchbrach die drückende Stille. Ein dunkler Schatten hatte sich unter Dracos Augen abgezeichnet, als er den Blick abwandte. Er biss sich auf die blassen Lippen.   Nach Askaban zu gehen, in das Zauberergefängnis, das immer noch von Dementoren bewacht wurde, die mittlerweile wieder unter dem Auge des Ministeriums standen, war eine gnadenlose ewig andauernde Folter. Harry hatte nach dem Krieg dafür gesprochen, diese Kreaturen endgültig aus dem System der Strafverfolgung zu entfernen, wurde jedoch eher belächelt. Ob die Gefangenen, die in den Augen der Bevölkerung ihr Schicksal verdient hatten, es angenehmer hatten oder nicht, war den Leuten egal.   Es war ein grausamer Tod, der Draco in dieser Hölle erwarten würde, auch wenn er eigentlich überhaupt nicht starb, zumindest zunächst nicht. Er würde eher dahinsiechen, verdammt in diesen kalten Mauern auf einer Steilklippe irgendwo in der Nordsee sein Dasein zu fristen. Aber war nicht sein Leben als seelenlose Hülle in einer kleinen Zelle zu verbringen, nicht sogar schlimmer als sterben?   Er betrachtete die mattgrauen Augen, die ruhend auf seinem Verband lagen.   »Es ist schon okay ...«, hauchte Draco, sah ihn jedoch nicht an. Ein entschuldigendes schmales Lächeln legte sich auf seine Züge, als Harry eine Berührung an seiner Wange spürte. Draco strich sachte eine verirrte schwarze Strähne hinter sein Ohr und nahm seine Hand zögernd zurück. Sein Lächeln verblasste.   »Das kann nicht sein Ernst sein ...«, seufzte Harry und die Berührung brannte auf seiner Haut.   Malfoy war ein Feigling, hatte Hermine nicht genau das gesagt? Doch wovor rannte Draco weg? War es um ihn erneut wegzustoßen? Es war vorbei. Er würde alles hinwerfen, einfach …   »Nach alldem was passiert ist, gibst du einfach auf … ?«, sprach er seine Gedanken aus.   Ihm war bewusst, dass Draco ihm nicht auf sein Geständnis geantwortet hatte. Er wusste nicht, ob er sich mit seinem jetzigen Handeln in etwas verrennen würde, doch er hatte ihn auch nicht zurückgewiesen. Der schwebende Zustand, in dem sich ihr Verhältnis bewegte, machte ihn nervös und seine Handinnenflächen schwitzen unangenehm.   »Harry, du verstehst nicht ...«, sagte Draco und sturmgraue Augen fixierten ihn. Es fiel ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen, schwirrten zu viele Fragen in seinem Kopf herum, die er einfach nicht beantworten konnte.   »Nein, du hast recht! Ich verstehe gar nichts! Sag es mir, warum?«, schrie er, lauter als er es gewollt hatte, und Draco zuckte kurz in sich zusammen.   Für einen kurzen Moment in dem sie den Blick des Anderen mit bebendem Atem erwiderten, sagten sie nichts und Harry sah den deutlichen Rotschimmer, der sich auf die blassen Wangen Dracos gelegt hatte.   »Ich werde nicht dabei zusehen, wie du wegen mir dein Leben ruinierst.«, sagte Draco und ein müdes Lächeln zierte seine Lippen.   »Wenn ich die Aussage mache … werden sie herausfinden, warum wir dort auf dieser Lichtung waren, verstehst du das? Selbst wenn sie mich für den Mord an Greyback freisprechen sollten, was ich nicht glaube, würden wir BEIDE für den illegalen Versuch Animagi zu werden verhaftet werden. Es dauert noch einige Tage bis zum nächsten Gewitter und du musst in weniger als zwei Wochen zurück nach Hogwarts und deinen Abschluss machen. Vertrag dich mit deiner Exfreundin und werde glücklich! Harry, du wirst nicht wegen mir dein Leben so wegwerfen.«, sagte er mit zitternder Stimme.   Draco stand auf, trat zwei Schritte auf das Waschbecken zu und stützte sich am Porzellan ab. Er hatte ihm den Rücken zugewandt, doch Harry bekam diese Bewegung nur beiläufig mit, starrte auf die Stelle, an der Draco eben noch gesessen hatte.   Die Konsequenz, die eine Aussage unter dem Wahrheitserum mit sich bringen konnte, hatte er nicht bedacht und die Tatsache, wie blauäugig er Kingsley versprochen hatte, einfach so auszusagen, brannte strafend in seinem Inneren. Draco wollte ihn beschützen, sein eigenes Leben, welches er eh verloren glaubt opfern, um Harrys Hals aus der Schlinge zu ziehen, die er sich selbst angelegt hatte.   Was für ein hoffnungsloser Idiot er doch eigentlich war. »Ich habe dieses Schicksal verdient, Potter. Nach alldem, was ich euch allen angetan habe. ICH habe die Todesser in die Schule gelassen … Es ist meine Schuld, dass Dumbledore dort gestorben ist …dass deine Freunde gestorben sind … Du …«, zögerte Draco, drehte sich langsam um. In seinem Ausdruck lag eine Verzweiflung, die Harry einen Schauder durch den Körper jagte.   »Ich verstehe einfach nicht, wie du sagen kannst, dass du so für mich empfindest …«   Er hatte es immer als schwierig empfunden, Dracos Beweggründe nachzuvollziehen, doch in diesem Moment sah er nur den verletzlichen Mann, der vor ihm stand, der plötzlich ehrliche Reue für die Taten zeigte, die er begangen hatte.   »Ich danke dir, dass ich diese wenigen Wochen deinetwegen noch erleben durfte … doch meine Nähe tut nichts als dir zu schaden.«, sagte Draco kühl und deutete mit zitternden Fingern leicht in Richtung seiner Verletzung.   »Die Gnadenfrist ist abgelaufen, Potter.«   Nein. Er würde einen Teufel tun, ihn jetzt einfach so gehen zu lassen. Er wusste, dass Draco sich die Schuld daran gab, dass die Narben nun für immer seine Schulter zieren würden, doch wenn Harry an diesem Tag nicht bei ihm gewesen wäre, was wäre dann dort passiert? Es war wichtig gewesen, dass er dort war, denn so hatte er ihn retten können. Warum sollte es die beste Option sein dieses Gefühl zu leugnen, nur weil es eben nicht einfach war?   »Du hättest mich nach dem Krieg überhaupt nicht ansprechen sollen.«, sagte Draco leise und betrachtete die Kacheln auf dem gefliesten Boden.   »Jetzt drehst du komplett durch.«, schnaufte Harry, verdrehte die Augen und erhob sich unter dem leichten Ziehen des Schmerzes, um einen Schritt auf ihn zuzugehen.   »Ich kann durchaus eigene Entscheidungen treffen, Draco. Du hast mich zu nichts gezwungen und … ich bin auch nicht perfekt. Ich habe auch falsche Entscheidungen getroffen, die Anderen das Leben gekostet haben.« Harrys Hand strich sachte über seine Wange.   Es war seine Schuld, dass Sirius gestorben war. Ein kleiner Fehler, er hatte sich reinlegen lassen, war auf die Scharade Voldemorts reingefallen. Doch die Konsequenz änderte sich nicht dadurch, dass er jung war und es vielleicht hätte besser wissen müssen. Er musste nun mit dieser Gewissheit leben.   Der Anblick der leblosen Körper in der Schlacht, der Menschen, die ihr Leben für seines gegeben hatten, gaben ihm ein ähnlich groteskes Gefühl der Schuld, verfolgten ihn und ließen ihn immer wieder hinterfragen, ob es das wirklich wert gewesen war.   Gedankenverloren betrachtete er die blassen hellroten Striemen an Dracos Hals. Eine Irritation, die Harry kurz innehalten ließ. Sanft strich er mit den Fingerkuppen über die parallelen Narben, die durch den unsanften Griff des Werwolfes entstanden waren.   »Ich meinte ernst was ich gesagt habe …«, sagte Harry bestimmt und näherte sich Draco, der zurückwich und mit seiner Hüfte gegen das Waschbecken stieß.   »Verdammt Potter!«, fluchte Draco und drückte mit beiden Händen gegen seinen Oberkörper, um den wenigen Abstand zwischen ihnen zu vergrößern. Seine Stirn legte sich in Falten, während er auf seiner Lippe kauend mit den Worten zu ringen schien.   »Du sagtest es würde nichts bedeuten, was du willst. Es würde keinen Unterschied machen.«, sagte Harry und merkte, wie Draco sich anspannte.   »Doch das tut es. Für mich macht es einen gewaltigen Unterschied.«, sagte er.   Die einzelnen blonden Strähnen, die in Dracos Gesicht gefallen waren, kitzelten an seiner Nasenspitze, als er sich den bebenden Lippen näherte. Wenige Zentimeter, bevor sie sich berühren konnten, hielt er inne. Dichte schwarze Wimpern umrahmten die grauen Tiefen, in denen er sich für wenige Herzschläge verlor und jeglichen Willen aufbringen musste, um nicht einfach den kleinen Abstand zu überbrücken und ihn einfach zu küssen.   Er wusste, dass sie nun reden mussten, doch Draco entzog sich ihm um weitere Zentimeter, sah ihn nachdenklich an. Harry spürte, wie sich die Finger auf seinem Brustkorb verspannten und die Nägel leicht über seine Haut kratzten.   »Ich bin ein verurteilter Todesser, der im besten Fall sein Leben für mehrere Jahre als Muggel fristen wird.«   Die schmale Hand hob sich federleicht von seiner Haut, strich seine Brustmuskeln hinab und verweilte auf halber Höhe.   »Selbst wenn ich das wider erwarten überleben sollte, habe ich jeglichen Besitz verloren. Du würdest alles riskieren, sollte eine Beziehung zwischen uns öffentlich werden. Niemand würde es anerkennen, weder meine Familie, noch deine Freunde. Die Presse würde dich zerreißen, verstehst du das? Harry Potter, der Held. Schwul und mit einem Todesser zusammen. Denke doch mal nach!«, sagte Draco atemlos und als er den Kopf hob, konnte er die schwer lastenden Zweifel erkennen, die ihn zurückhielten.   Die klitzekleine Hoffnung, die jedoch in seiner Aussage mitschwang, legte ein kaum merkliches Lächeln auf Harrys Lippen. Wenn Dracos Sorge die Presse und fehlende Besitztümer waren, dann war das kein Grund für ihn, es nicht zu versuchen. Sie könnten es geheim halten, wie schwer konnte das sein? Und selbst wenn sie es herausfanden, würde er hinter seiner Entscheidung stehen. Allerdings gab es eine Kleinigkeit, die ihm aufgefallen war, die zwischen Dracos Zweifeln versteckt lag.   Es war kein Nein.   Jedoch zögerte er, sich dem euphorischen Gefühl hinzugeben, was plötzlich in seinem Inneren aufwallte. Ihm brannte eine Frage auf der Zunge, die er die ganze Zeit zurückhielt, weil er Angst vor der Antwort hatte, die womöglich folgen könnte. Die letzte Hürde, die dem noch entgegen stand und er wusste, dass er sie stellen musste.   »Bist du dir sicher, dass du Astoria nicht heiraten willst?«, fragte er schließlich und Dracos Augen weiteten sich.   »Das … das ist deine größte Sorge?«, keuchte Draco atemlos.   »Ihr Vater …«, begann er mit heiserer Stimme zu erklären und seine Finger verkrampften sich.   »Er kam mich nach meiner Verhaftung in meiner Zelle besuchen. Ich wusste nicht, dass er überhaupt in London ist, vielleicht hat er auch sofort einen Portschlüssel genommen, jedoch haben sie wohl Informationen über den Vorfall durchsickern lassen. Wenn man die richtigen Kontakte hat, dauert so etwas nicht lange. Ich schätze, er hat mich heimlich eh überwachen lassen und nur auf eine Gelegenheit gewartet, mir beweisen zu können, dass ich Dreck am stecken habe. Er hat deutlich gemacht, dass sollte sich die Anklage bewahrheiten, ich das mit dem Deal vergessen kann.«, sagte Draco und verzog sein Gesicht.   »Jetzt bezweifele ich, dass er überhaupt jemals vorgehabt hat, mir ernsthaft mit meiner Mutter zu helfen. Die angekündigte Verlobung und meine Verhaftung dürften Gründe genug sein, um ein Vorkaufrecht auf das Malfoy Manor und die Ländereien zu bekommen. Er hat das bekommen, was er wollte und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.«, gestand er und Harry war komplett überrascht über die plötzliche Ehrlichkeit und die verletzliche Seite, die er so gar nicht von dem sonst so stolzen Mann kannte.   »Was er eigentlich von meinem minderwertigen Leben, wie er es ausgedrückt hatte, hält, hat er mir dann gezeigt indem er mir vor die Füße gespuckt hat.«   In Harry brannte die Wut und er biss sich auf die Innenseite seiner Wange, um den Impuls zu widerstehen, nach seinem Aufenthaltsort zu fragen.   »Reicht dir das als Antwort?«, fragte Draco seufzend und seine Finger lockerten sich, strichen geistesabwesend über Harrys Haut.   Auch wenn er nicht direkt zugegeben hatte, kein Interesse mehr an dieser Frau zu haben, würde ihm das für den Moment reichen. Er wollte jetzt einfach nicht mehr darüber nachdenken, mit wem der Mann, den er liebte, hätte zusammen kommen sollen, denn eigentlich …   Eigentlich wollte Harry Draco doch eher überzeugen, dass er an seiner Seite sein durfte. Selbst wenn es nur eine heimliche Beziehung wäre, war es mehr, als er sich je erträumt hätte. Seine Wangen brannten und Harry atmete kurz ein, um den Mut zu finden, die nächsten Worte auszusprechen.   »Es ist mir egal, was die Presse oder irgendjemand sagen würde. Ob du Besitz hast, reich oder arm bist, interessiert mich nicht. Und deine Vergangenheit gehört irgendwo dazu, sie hat dich zu dem Mann gemacht, der nun vor mir steht.«, sagte Harry vorsichtig. Er musste alles auf eine Karte setzen und wenn Draco ihn dann zurückstieß, würde er ihn gehen lassen.   »Ein Mann, der mich zum Lächeln bringt und mit dem ich mich nach all den sinnlosen Jahren der Rivalität immer noch über Belanglosigkeiten streiten kann.«, ergänzte und versuchte, sein wild pochendes Herz zu beruhigen, welches das Blut durch seinen Körper rauschen ließ.   Seine Finger ertasteten Dracos kühle Hand auf seinem Brustkorb. Er hob sie ein wenig an und berührte sanft den Zeigefinger mit seiner Lippe, hauchte einen kaum merklichen Kuss auf die weiche Haut, was Draco ein leises Keuchen entlockte.   »Ich will dich an meiner Seite haben, Draco. Ich kann dir nicht genau sagen, wie stark diese Gefühle sind, doch ich kann und will sie nicht mehr leugnen.«, sagte er atemlos.   »Und ganz ehrlich gesagt weiß ich nicht, wann ich das letzte mal etwas so sehr gewollt habe wie das hier. Du musst mir nicht direkt antworten, doch bitte denke darüber nach und stoß mich nicht direkt von dir weg.« Er drückte die kleine Hand ein wenig und sah, wie sich ein müdes Lächeln auf Dracos Züge legte, der erstarrt auf die Berührung ihrer Finger schaute.   Nun hatte er es gesagt, all seine Absichten vor Draco offengelegt und irgendwo fühlte er sich nun komplett schutzlos und machtlos über den Ausgang dieses Gespräches, doch bevor Harry auch nur einen weiteren Gedanken an mögliche Konsequenzen verschwenden konnte, lehnte sich Draco nach vorne und legte federleicht die herzförmigen Lippen auf seine.   Die Berührung war unglaublich unschuldig und beinahe fragend, doch sorgte sie für eine Welle der Erleichterung in seinem Inneren, die in Schüben durch seinen Körper wanderte und ihn Draco an sich ziehen ließ.   Atemlos lösten sie den Kuss und Dracos Nasenspitze strich ganz leicht gegen Harrys.   »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch dazu fähig bin, so etwas zu empfinden …«, sagte Draco und sein Atem stieß gegen seine noch immer zitternden Lippen.   »Alles was ich weiß, ist dass mein verräterisches Herz einfach nicht aufhören will zu schlagen, wenn du in meiner Nähe bist.« Er lächelte leicht, schwieg aber einen kurzen Moment, als würde er über etwas nachdenken.   »Pot – Harry, ich …«, stotterte er und fing seinen Blick auf.   »Wenn wir es irgendwie schaffen, heil aus dieser Nummer raus zu kommen, ohne dass ich nach Askaban komme … du musst dir im klaren sein, dass wir niemals in der Öffentlichkeit zusammen sein könnten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es klappt und das hier ...«, sagte er und wedelte mit dem Zeigefinger zwischen ihnen.   »... wirklich funktioniert und wir uns nicht nach einer Woche umgebracht haben, wäre alles, was du mit mir haben könntest ein Leben fernab von Allem. Weg von deinen Freunden und Jedem, der dir wichtig ist. Wir müssten uns verstecken, es in der Öffentlichkeit leugnen ...«, sagte er und beobachtete Harrys Reaktion genau.   Wäre das ein Leben, mit dem er zurechtkommen würde? Draco konnte nicht wissen, dass er es Ron und Hermine schon erzählt hatte, dass er ihren Zuspruch bereits hatte und dass er vermutlich nicht alles hinter sich lassen müsste.   »Wenn meine Mutter mich nicht vorher umgebracht hat.«, murmelte Draco undeutlich.   Harry seufzte tief, zog ihn bestimmt mit einem Ruck näher zu sich heran, lächelte sanft und küsste ihn schließlich.   »Ich will es versuchen ...«, sagte er.   Harry konnte nicht erahnen, was die Zukunft bringen würde. Er konnte nicht wissen, wie sie beide in ein paar Monaten, wenn ihr Abschluss anstand noch zueinander stehen würden. Er war sich jedoch sicher, dass er bereit war, dieses Risiko einzugehen, sich dem flatternden berauschenden Gefühl in seinem Magen hinzugeben, dass durch Dracos sanftes, kaum merkliches Nicken in ihm aufkam.   »Jedoch will ich das hier … nicht mit einer Lüge beginnen. «, sagte Harry und Draco zog eine Augenbraue in die Höhe.   »Das wegen meiner Freunde, ich …ich habe es ihnen bereits gesagt. Sie wissen, dass ich Gefühle für dich habe … es ließ sich irgendwie nicht vermeiden.«, gab Harry schließlich zu und zuckte entschuldigend mit den Schultern.   Er konnte schwören, dass Dracos Augenlid für einen Moment verdächtig zuckte, er schien ansonsten jedoch komplett erstarrt, während sich langsam die Empörung in ihm aufbaute.   »Du hast … WAS?! Sie … hast du den Verstand verloren?«, fauchte er und sein Kopf hatte eine ungute Färbung angenommen.   Jedoch schien Draco innerlich bis zehn zu zählen, da er kurz innehielt und tief durchatmete. Für einen Moment schlich sich ein deutliches Schmunzeln auf Harrys Züge und er wünschte sich den unsicheren, liebevollen Draco zurück, der eben noch mit roten Wangen vor ihm gestanden hatte, und wurde sich bewusst, dass er vermutlich das Temperament seines Freundes noch öfter bei Kleinigkeiten erleben würde. Er lächelte erschöpft, doch eine wohlige Leichtigkeit zog sich durch seinen Körper.   Sein Freund, ja … das hörte sich schön an.   Draco, der jedoch gerade nicht gewillt war, ihn einfach so davon kommen zu lassen, löste sich von ihm und schnaubte beleidigt.   »Jetzt schmoll nicht.«, sagte Harry belustigt.   »Außerdem sollten wir Hermine einweihen und um Rat fragen.« Draco wollte protestieren, doch er warf ihm nur einen strengen Blick zu, worauf sein Mund wieder zuklappte.   »Vertrau mir einfach. Es ist eine gute Idee und sie hat mir schon immer in brenzligen Situationen mit einem ihrer Einfälle aus der Patsche geholfen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bis zur Verhandlung, aber die Ferien sind bald zu Ende und ich will dich mit nach Hogwarts nehmen, so viel ist sicher.«, sagte er und verließ das kalte ungemütliche Badezimmer, warf noch einen letzten Blick auf Draco, der wie angewurzelt stehen blieb.   »Wollen wir schlafen gehen? Ich genieße unsere nächtlichen stundenlangen Diskussionen ja, aber ich bin doch echt müde ...«, murmelte er und wollte erst gar nicht auf Dracos Ausbruch eingehen, da es vermutlich eh heute keinen Sinn mehr hatte noch darüber zu diskutieren.   Harry war eingenommen, von diesem schwebenden Gefühl des Glücks, doch seine Kraft war nun endgültig aufgebraucht, die Erlebnisse und das Gefühlschaos zerrten an ihm. Aufmunternd lächelte er ihm entgegen und machte eine schlichtende Handbewegung, was Draco schließlich resignierend aufseufzen ließ.   »In Ordnung.«, schnaufte Draco und stemmte protestierend die Arme in die Hüfte.   »Lad sie ein, aber ich brauche definitiv eine, nein, besser zwei Flaschen Elfenwein. Du kochst, übrigens Potter. Wenn sich das ganze als Zeitverschwendung herausgestellt hat, habe ich wenigstens etwas gutes im Magen, bevor sie mich nach Askaban stecken.«, beschloss Draco und stolzierte an ihm vorbei den Flur entlang, blieb jedoch kurz am Fuße der Treppe stehen. Ein Grinsen lag auf seinen Lippen.   »Kommst du endlich?«, sagte er schnaubend und Harry beobachtete stirnrunzelnd, wie Draco die letzten Stufen hinaufging und aus seinem Sichtfeld verstand.     Er lächelte, seufzte tief und trottete seinem aufgebrachten Freund hinterher.      ~~~*~~~   Kapitel 28: Changes ------------------- Kapitel 28: Changes     Erleichtert nahm Harry das durchgängige Rauschen der Dusche aus dem großen Bad wahr, welches an die Zimmer der Black Brüder im vierten Stock angrenzte. Er knabberte leicht auf seiner Unterlippe herum, während er vom Flur aus die beiden Türen nachdenklich betrachtete.   Es wäre eigentlich nichts Neues, wenn er sich nun zu Draco in Regulus altes Zimmer schleichen würde, um dort an seiner Seite zu versuchen, die Albträume zu ignorieren. Sie hatten mittlerweile so häufig an der Seite des Anderen geschlafen, dass es für ihn zu einer wohltuenden Gewohnheit geworden war. Jetzt in Sirius Zimmer zu flüchten, würde diesem Abend einen schlechten Beigeschmack verschaffen.   Sein Zögern resultierte jedoch aus dem präsenten Brennen seiner Wangen, das ihm unvermittelt klar machte, dass nun zusammen in einem Zimmer zu schlafen auch zu etwas anderem führen könnte. Natürlich war Draco zuvor immer darauf bedacht gewesen, dass sie genug Abstand zueinander hielten, doch wenn Harry tatsächlich alles richtig interpretiert hatte, waren sie jetzt zusammen. Zwar irgendwie nicht offiziell, aber dennoch war dies die einzig logische Schlussfolgerung ihres Gespräches.   Er hatte ehrlich gesagt nicht einmal so weit gedacht, was denn passieren könnte, wenn Draco wirklich Ja sagen würde. Und auch wenn er es im Prinzip nie wirklich ausgesprochen hatte, wusste Harry, dass er es so gemeint hatte. Doch bedeutete das nicht auch, dass die Intimität, die sie so oft schon in flüchtigen Momenten geteilt hatten, nun nicht mehr verboten war, solange es niemand herausfand?   Unten im Flur, nach Dracos so bestimmter Demonstration davon, dass er ihn wirklich wollte, hatte Harry gezögert. Er wusste nicht, ob er ihn wirklich einfach so berühren durfte. Draco verwirrte ihn, und auch wenn es sich so anfühlte, als wären sie deutlich einen Schritt aufeinander zugegangen, fraß die Nervosität der neuen Situation an seiner Selbstbeherrschung und Harrys Körper zitterte in der Erwartung, wohin ihn diese Entscheidung führen könnte.   Mutig, aber immer noch die Zähne in seiner Unterlippe vergraben, ging er in das Zimmer von Regulus und zog sich ein frisches T-Shirt und Unterwäsche an, bevor er unter die Bettdecke schlüpfte. Müde drückte er seine Wange auf das weiche Kopfkissen und vergrub seine Nase in dem Stoff, der eindeutig nach Draco roch.   Die zerrende Stille lag in dem kleinen Zimmer und seine Gedanken verloren sich in der Vorstellung, die sich hinter dem fernen Rauschen des prasselnden Wassers verbarg. Er konnte es sich genau vorstellen, wie die einzelnen Tropfen auf die blasse Haut prallten, an ihr abperlten.   Dass sich bereits bei der simplen Vorstellung eines nackten, von Wassertropfen benetzten Draco Malfoy eine Erregung in ihm aufwallte, sollte ihm eigentlich zu denken geben. Mit einer Bewegung seines Fußes zog er die Bettdecke zwischen seine Beine, und zwang sich dazu, seine Hand unter dem Kissen still liegen zu lassen.   Doch Harry kannte dieses Bild, war es viel zu real in seinem Kopf. Eine Erinnerung, die er in die hintersten Ecken seiner Gedanken verbannt hatte, in der damaligen Hoffnung, nie wieder daran zu denken. Schließlich hatte er ihn tatsächlich einmal so in der Wirklichkeit gesehen. Auch wenn dieser Moment bereits ein paar Jahre zurücklag, war es also gar nicht so schwer, es sich vorzustellen. Die zierlichen Finger, welche über die blasse Haut strichen, um den Schaum in kreisenden Bewegungen verteilen. Wie die einzelnen Wassertropfen sich einen Weg über die vom Dampf verhärteten Brustwarzen suchten ... bis ...   Seufzend vergrub er den Kopf in seiner Armbeuge und glitt nervös mit seinen Fingerspitzen durch das Haar in seinem Nacken.   Wegen simplen Reparaturarbeiten hatten sie für eine Weile in der Quidditschhochsaison Gemeinschaftsduschen für die Mannschaften gehabt. Zwar immer noch in Jungen und Mädchen getrennt, aber sie mussten sich die Umkleidekabine auch mit der gegnerischen Mannschaft teilen, was oft hitzige Diskussionen nach dem Spiel zur Folge hatte.   Das war zumindest ein Grund gewesen, weswegen er sich an diesem Tag Zeit gelassen hatte. Er war mit Ginny noch den Lageplan durchgegangen, wie er die neuen Spieler für das nächste Spiel aufstellen wollte, und war deswegen eigentlich davon ausgegangen, dass er nun alleine in Ruhe duschen konnte.   Einen nackten Malfoy vorzufinden, dessen Anblick ihn mehr als nur verwirrte, hatte ihn nach einem kurzweiligen Starren die Flucht ergreifen lassen, nur um dieses Bild für immer zu verdrängen. Das hatte er sich zumindest damals geschworen, als er mit hochroten Wangen zum Schloss geflüchtet war, in der Verleugnung und festen Überzeugung, dass es nie passiert ist.   Jetzt, in dieser Situation, merkte er jedoch, dass es ihm nicht gelungen war. Es wirkte so präsent, dass er resignierend seinen eingeschlafenen Arm unter seinem Kopf wegzog.   Sich mit einem kurzen, flüchtigen Blick zur halboffenen Tür versichernd, dass die Dusche immer noch an war und das Geräusch monoton im Treppenhaus an den Wänden widerhallte, tasteten seine tauben Finger langsam zu dem Bund seiner Hose, die ihm locker um die Hüfte lag.   Es war doch jetzt okay, sich diesen Gefühlen hinzugeben, oder?   Harry erinnerte sich noch genau an die stickige Luft der Umkleidekabine, als er zum ersten Mal bemerkt hatte, dass jemand in der Dusche stand und er nicht alleine sein würde. Begleitet von einem Pfirsichduft schlug warmer Dampf durch den Schlitz unter der Tür, welche die Duschen vom Hauptraum abtrennte.   Eigentlich war er zunächst nicht begeistert gewesen, hatte er sich auf die wohltuende Ruhe gefreut, die nun gestört wurde. Als er jedoch in einer zögernden Bewegung die Tür öffnete, dem wohlriechendem Duft folgte, um den Vorraum der Dusche zu betreten, hatte er ihn gesehen.   Er biss sich auf seine Unterlippe, als seine Finger leicht über seine Erregung rieben. Harry warf genießerisch den Kopf in den Nacken und versuchte, sich zu erinnern. Draco hatte ihn damals nicht bemerkt und Harry wusste, dass es bereits mehrere Jahre her war, und dennoch war das Bild so klar in seinem Kopf, dass er leise keuchte.   Selbst erschrocken von dem plötzlichen Laut, sah er hektisch in den erleuchteten Flur, dessen Licht durch die angelehnte Tür in das halbdunkle Zimmer fiel.   Die Vorstellung, was hätte passieren können, wenn Harry damals geblieben wäre, trieb ihm die Röte ins Gesicht. Er hatte nicht wirklich viele Erfahrungen auf diesem Gebiet und wusste auch nicht, ob er sich das getraut hätte. Das einzige Wissen, was Harry wirklich über Sex hatte, ging nicht über Pornos und Hörensagen hinaus. Damals hatte er auch noch gedacht, er würde auf Frauen stehen und diesen Anblick nicht wirklich hinterfragt. Wenn er jetzt noch einmal in die gleiche Situation geraten würde, was änderte sich dann?   Wie würde Draco reagieren, wenn ich jetzt aufstehe, und mit einem halbsteifen Schwanz zu ihm unter die Dusche steige?   Er kniff die Augen zusammen und presste sein Gesicht in das Kissen. Er musste aufhören, diese Gedanken verdrängen, denn wenn Draco ihn hier so vorfinden würde, wusste Harry nicht, ob er noch klar denken konnte. Die letzten Tage ließen ihn mit einem dumpfen Gefühl zurück, dass so passend von der Erregung verdrängt wurde, die einnehmend und wohlwollend in seinen Lenden pochte.   Erneut versuchte er, sich auf das Geräusch der Dusche zu konzentrieren. Mit schnell klopfendem Herzen vernahm er allerdings nur die trügerische Stille. Er blinzelte zwei Mal und sein Atem stockte.   Hektisch zog er die Bettdecke ein wenig über seine Schulter, als er Schritte im Flur hörte und wandte sich vom Licht ab. Sein Puls pochte laut und verräterisch in seinen Ohren und Harry versuchte, seinen Atem zu beruhigen.   Mit einem quietschenden Geräusch öffnete sich quälend langsam die Tür und Harry hörte leise Schritte auf ihn zukommen. Die Matratze knarzte schließlich als Draco nach einem kurzen Zögern, zu ihm in das Bett stieg.   Harry hatte ihm den Rücken zugewandt und seine Finger krallten sich in das Laken nahe an seinem Kopfkissen. Er merkte, wie die Decke von seiner Schulter glitt, als Draco sanft an ihr zog. Finger tasteten über seinen Verband, der über die Schulter ging.   »Wir müssen den Verband unbedingt morgen wechseln«, sagte Draco leise. Sein Atem stieß angenehm gegen seinen Nacken. Die feinen Härchen stellten sich auf und Harrys Hoffnung, er könne seine abflachende Erektion unter Kontrolle bringen, verschwand in der Gänsehaut, die an seinem Körper hinab wanderte.   »Bist du noch wach?«   Noch immer gelähmt in dem Versuch, möglichst unauffällig einfach nur dazuliegen, spürte er, wie Draco sich an seinen Rücken schmiegte. Als sich schließlich Dracos vom Duschen erwärmte Hand sanft auf die freigelegte Stelle legte, an der sein T-Shirt ein Stück nach oben gerutscht war, japste Harry nach Luft und ein Keuchen drang aus seiner Kehle.   Das hier war zu viel.   »Interessant ...«, raunte Draco.   Federleichte Küsse wanderten seine Wirbelsäule hinab und die Hand an seinem Hosenbund kam verdächtig ihrem Ziel näher.   »Nicht-«, keuchte Harry, als Draco einen Zeigefinger unter den Bund seiner Hose geschoben hatte.   Harry packte Dracos Handgelenk und drehte sich in der Bewegung zu ihm um, so dass er ihn fixiert auf das Bettlaken drückte. Mit schwerem Atem sah er auf ihn herab.   Draco trug nur eine schwarze Stoffhose, die elegant um die schmale Hüfte lag. Der nackte Oberkörper schmiegte sich in die weichen Laken. Helle feingliedrige Narben zogen sich in einem Mosaik aus gezackten Linien über die blasse Haut, zerstörten die eigentliche Reinheit. Harry schluckte unweigerlich und seine Kehle glich einem Meer aus staubigem Sand, während Draco ihn mit einem unschuldigen Grinsen betrachtete.   Wenige Herzschläge schwiegen sie, bis Harry schließlich seine Stimme wieder fand.   »Du sagst, dass mir deine Nähe nicht gut tut«, seine Fingerkuppe glitt über eine besonders lange Linie, »aber das hier habe ich dir angetan. Es fällt mir noch irgendwie schwer, das hier wirklich zu glauben und zu begreifen.«   »Verzeih mir, wenn dir das zu schnell ging.«, sagte Draco sanft und betrachtete ihn, hielt ihn jedoch nicht auf, weiter über die weiche Haut zu tasten.   »Du musst verstehen, dass ich irgendwo auch meine Grenzen habe, wenn es darum geht etwas zu widerstehen.« Draco beugte sich vor und hauchte einen kaum merklichen Kuss auf seinen Mundwinkel.   »Vor allem, wenn ich es eigentlich will«, flüsterte er an seiner Wange.   Harry biss sich unsanft auf die Unterlippe und seine Hand, die immer noch um Dracos Unterarm lag, verkrampfte sich.   »Aber eine Frage hätte ich«, sagte Draco und hob einen Zeigefinger unter dem festen Griff.   »Warum bist du hart, Potter?«   Er winkelte sein Bein an und berührte sanft die etwas abgeflachte Erektion Harrys. Ein pulsartiger Strom aus Hitze wallte in seinem Körper und er gab einen zischenden Laut von sich.   »Du verfluchter-«, keuchte er und verstärkte den Druck um das schmale Handgelenk.   Draco lachte, von einem Lächeln untermalt, und der Kuss, der nun folgte, war unglaublich. Sanft schmiegten sich die herzförmigen Lippen an seine und Harry sackte unter dem berauschenden Gefühl zusammen, ließ sich fallen. Er schmolz dahin, fügte sich den wohltuenden Berührungen, die ein angenehmes Prickeln hinterließen. Seine Sinne schwammen und er wandte sich unter der einnehmenden Hitze, die sich durch seinen Körper zog.   Sein tiefes Keuchen löste abrupt ihren Kuss und er starrte in das verruchte Grinsen, welches auf den spitzen Gesichtszügen lag. Draco hatte seine Ablenkung genutzt, um seine Hand unbemerkt auf Harrys Erregung zu legen. Er rieb mit knetenden Bewegungen über den Stoff. Harrys Kopf sackte nach vorne auf die warme Schulter und er ließ das Handgelenk los.   Draco nutzte sogleich die neu gewonnene Beweglichkeit und drehte sie auf dem Bett, rollte sich in einer einzigen Bewegung auf Harry drauf, so dass er es nun war, der die Oberhand hatte.   Es war berauschend, wie eine Droge, und auf eine eigentümliche Weise erinnerte dieser Machtkampf ihn ein wenig an ihre früheren Streitereien. Er mochte es eigentlich gar nicht so genau hinterfragen, wie lange diese Spannung zwischen ihnen unbewusst schon bestanden hatte.   Triumphal blickte Draco auf Harry hinab und beugte sich zu seinem Hals hinunter, setzte leichte Küsse hinauf zu seinem Ohrläppchen, in das er hineinbiss.   »Eigentlich hatte ich sowas-«, er setzte einen erneuten Kuss an seinen Hals, »gar nicht im Sinn gehabt, nachdem du vorhin schon einmal zusammengeklappt bist.«, seufzte er und heißer Atem schlug gegen seine Haut, der sich jedoch augenblicklich von ihm entfernte.   Verwirrt sah Harry, wie Draco sich aufrichtete, und mit einer Handbewegung auf den rötlichen Fleck deutete, der sich auf Harrys T-Shirt langsam ausbreitete.   »Ich kann nicht glauben, dass ich dass jetzt sage, aber-« Er zögerte, ging jedoch schließlich von ihm herunter und zog nachdenklich mit zwei Fingerspitzen an Harrys T-Shirt, das unangenehm auf seiner Haut lag.   »Du solltest das hier ausziehen, und dann sollten wir wirklich schlafen.«   Immer noch mit pochendem Herzen sah er, wie Draco sich hinlegte und auffordernd auf die Bettseite neben ihm klopfte. Ein wenig beschämt, aber zustimmend brummend, zog Harry mit trägen Armen und einer mühsamen Bewegung das T-Shirt über seinen Kopf. Achtlos landete es neben dem Bett.   Er zog die Decke über seine Nase und versuchte, sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Der Scham der Situation brannte nachdrücklich auf seiner Haut, doch die Anspannung der letzten Tage fiel schließlich von ihm ab und riss ihn mit sich, in eine tiefe dunkle Schwärze. Das Letzte, was er noch wahrnahm, waren warme Arme, die seine Mitte umschlossen.       ~~~*~~~       Als Harry am nächsten Morgen erwachte, rächte sich sein Körper für seine Unachtsamkeit der letzten Tage. Träge schlug er die Augen auf, während seine Wimpern unangenehm zusammen klebten, und rieb sich mit einer fahrigen Bewegung über die Lider. Der Verband brannte unangenehm auf seiner Haut und auf dem Bettlaken hatten sich diverse rote Flecken gebildet, während jede Bewegung seiner Muskeln ihn zischend einatmen ließ.   Nachdenklich sah er auf die Bettseite neben ihm. Dracos regelmäßiger leiser Atem tauchte das Zimmer in einem Moment der trügerischen Ruhe. Ein zartes Lächeln lag auf den blassen Lippen und Harry konnte nicht anders, als ihn anzustarren.   Dies war das erste Mal, dass Draco morgens nicht als erstes aufgestanden war. Normalerweise wachte Harry stets alleine auf und die Veränderung in diesem doch so gewohnten Ablauf ließ ihn kurz verwirrt innehalten. Er betrachtete die blasse Haut, streckte zögernd die Hand aus und strich sanft eine verirrte blonde Haarsträhne aus seinem Gesicht. Draco seufzte wohlig unter der tastenden Berührung und grummelte etwas Undeutliches.   Sie waren nun wirklich zusammen. Harry konnte es nicht glauben, dass er es ihm wirklich gestanden hatte. Tastend fuhr er mit seiner Fingerkuppen über die weiche Haut, als ein Klopfen ihn aufschrecken ließ. Instinktiv zog er seine Hand zurück.   »Meister Potter?«, fragte Kreacher zögernd auf der anderen Seite der Tür.   »Kreacher!«, zischte er leise und sein Blick huschte zu Draco, der jedoch immer noch tief zu schlafen schien.   Harry stolperte hastig aus dem Bett, griff sich im Halbdunklen das erstbeste T-Shirt, das seine Finger fassen konnten, und zog es sich über. Mit zwei schnellen Schritten war er schon bei der Tür, nur um sie einen Spalt breit zu öffnen.   »Pscht! Dra- ... eh, Malfoy schläft noch. Was ist denn?«, flüsterte er und der Hauself legte den Kopf schief.   »Hermine Granger sitzt unten, Sir. Kreacher wollte den Meister nicht stören, aber sie hört nicht auf die Sachen der Herrin anzufassen. Oh Kreacher wird sich bestrafen müssen.« Der Hauself zog geräuschvoll den Rotz in seiner Nase hoch.   »Die Herrin wird wütend sein, wenn dieses wertlose Schlamm-«   »Kreacher!«, zischte Harry mahnend und gestikulierte mit beiden Händen in dem Versuch, ihm begreiflich zu machen, dass er doch leise sein sollte. Bis er schließlich aufgab, und den Hauselfen mit einem bestimmten Griff davon abhielt, seinen Kopf lautstark gegen die Tür zu hämmern.   »Ist ja gut, fünf Minuten, Ja?« Schnell schloss er die Tür, damit Kreacher bloß nicht ins Innere des Raumes blicken konnte, und sah zögerlich in Richtung des Bettes.   Er nahm sich wenige Momente, um dieses Bild, eines schlafenden Draco Malfoys, auf sich wirken zu lassen, es sich einzuprägen. Harry beschloss, dass es vermutlich keine gute Idee war, ihn jetzt zu wecken. Mit tastenden Fingern suchte er den Boden ab. Er fand den rauen Stoff seiner Hose und zog sich mit zitternden Beinen an.   Als Harry das kleine Zimmer verließ, war es ihm endlich möglich, seinen Atem zu beruhigen. Er atmete tief aus und trottete die Treppe hinunter, in Richtung der Stimmen, die im Flur widerhallten.   »Aber Kreacher! Ich wollte nicht ... Harry!«, sagte Hermine, die ihn erschrocken ansah.   Stirnrunzelnd betrachtete Harry das Durcheinander, welches sie im Esszimmer auf dem Hochtisch ausgebreitet hatte. Diverse Bücher und Pergamentseiten stapelten sich in einer grotesken Vielfalt auf der Tischplatte, so dass die Schränke im Hintergrund kaum noch zu sehen waren.   »Guten Morgen, Hermine?«, sagte er fragend und hob eine Augenbraue in die Höhe.   »Es tut mir leid! Ich war die ganze Nacht wach und bin heute früh hergefloht.«, sagte sie verzweifelt und schob einige Bücher zur Seite, so dass er sie besser sehen konnte. Tiefe Augenringe lagen in ihrem Gesicht. Ihr Ausdruck wirkte erschöpft und trotzdem existierte dort ein widerwilliger Eifer in ihrem Blick, den Harry eigentlich sonst nur vor Prüfungen bei ihr beobachtet hatte.   »Du hast Kreacher erschreckt«, sagte er belustigt und lächelte leicht.   »Das wollte ich nicht ...«, seufzte Hermine und strich sich durch ihre Locken, die unordentlich auf ihrer Schulter lagen.   »Schon okay, aber was machst du um die Uhrzeit hier?«   »Ich habe mich mit Ron gestritten und brauchte ehrlich gesagt Ablenkung, also habe ich angefangen zu recherchieren.« Sie zog einige Zeitungsartikel hervor und legte sie zusammen.   »Sie werden Malfoy dafür nicht verurteilen können, dass er dir in Notwehr geholfen hat. Ich habe vier weitere Fälle gefunden, wo ähnlich Betroffene ohne Zögern freigesprochen worden sind. Hier.« Hermine reichte ihm eine gefaltete Mappe voller Dokumente und Zeitungsartikel. Harry setzte sich neugierig zu ihr.   Er hatte ja gewusst, dass er auf sie würde zählen können, allerdings war dieser Eifer nun doch etwas zu viel des Guten. Stirnrunzelnd betrachtete er seine beste Freundin. Harry legte die kleine selbst erstellte Akte zur Seite, ohne sie genauer zu beachten.   »Warum hast du dich mit Ron gestritten?«   Hermines resignierendes Seufzen hallte in dem kleinen Esszimmer wider, als sie die Hände stöhnend über ihrem Kopf verschränkte.   »Harry es ist nichts Schlimmes, mach dir keine Sorgen. Ich hätte es gar nicht erwähnen sollen«, sagte sie sanft und lächelte entschuldigend. »Wirklich.«, ergänzte sie.   »Hermine«, schnaufte Harry nachdrücklich.   »Okay, ist ja gut! Ich will ... Verdammt, Harry ... Ich will nicht, dass Ron Auror wird. Warum sollte man sich freiwillig für so einen Job entscheiden! Er wird sich in Gefahr begeben müssen. Doch natürlich hat der Herr andere Vorstellung von seiner glorreichen Karriere ...«, schniefte sie und verzog ihre Lippen zu einem Strich.   Tröstend zog er sie in seine Arme und strich behutsam über ihre Schulter. Die Anspannung der letzten Nacht schien langsam von ihr abzufallen. Seine beste Freundin vergrub ihre Nase in seiner Halsbeuge und schluchzte.   »Er wird auf sich aufpassen, Hermine ... Du hattest doch vorher auch kein Problem mit dieser Idee.«   Sie hob den Kopf und ihre braunen Augen glänzten.   »Da wolltest du aber auch noch Auror werden. Du hättest auf ihn aufgepasst, das weiß ich. Was ... Was ist, wenn er sich da in etwas verrent? Wenn er auf einem Einsatz umkommt? Ihr wurdet auch angegriffen, einfach so aus dem Nichts. Was ist wenn es noch nicht vorbei ist?«   Harry biss sich auf die Lippen, ließ gedankenverloren seine Hand über ihren Rücken streichen.   »Ich habe Voldemort getötet«, sagte Harry kühl und seine Stimme kratzte an dem Kloß in seinem Hals.   »Es ist vorbei ...«   Hermine krallte ihre kleine Hand in sein T-Shirt, zerknitterte es leicht, hob jedoch nachdenklich den Kopf von seiner Schulter und betrachtete den Stoff.   »Ist das ...« Sie strich geistesabwesend über eine Stelle nahe an seinem Herzen.   »Ist das Malfoys T-Shirt?«   Harry senkte den Blick und merkte, wie seine Wangen in der Realisation brannten, was dort eingestickt in den Stoff auf seiner Brust prangte. Er starrte auf die kleine Schlange, die sich in dem Buchstaben S auf einem grünen Wappen präsentierte.   »Ehm ...«, haspelte er und blinzelte zwei Mal.   Doch schien Harrys Unachtsamkeit am frühen Morgen Hermine eher zu belustigen, denn sie fing verschämt an zu Lachen.   »Ist er noch hier?«   »Ja ...«, murmelte Harry in seiner Scham, dass Hermine nun definitiv davon ausgehen konnte, dass da etwas zwischen ihnen gelaufen war. Obwohl es in Wirklichkeit deutlich harmloser war, als sie es vermutete, konnte er es aber nicht bestreiten.   Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn Hermine dachte, sie hätten bereits miteinander geschlafen?   »Er ist oben und schläft noch.« Harry entschloss sich, sie nicht zu korrigieren, und griff nach der Akte, die er eben weggelegt hatte.   »Vier Fälle, sagst du?« Er klappte sie auf.   »Ja. Der hier ist besonders ähnlich.« Sie tippte mit zwei Fingern auf das aufgeklebte Bild einer Leiche, die in einer verrenkten Position auf dem Boden lag. Es sah verstörend aus, wie die einzelnen Gliedmaßen voneinander in unterschiedlichen Positionen vom Körper abstanden. Er hatte sich vor so einem Anblick nie geekelt. Es war eher so, dass es ihn für einen kurzen Moment verwirrte, dass kaum Blut zu sehen war.   »Das Opfer wurde mit dem Cruciatus gefoltert, bis der Angreifer schließlich von hinten mit dem Todesfluch getötet wurde.«, sagte Hermine ruhig und betrachtete ihn für einen Moment.   »Der einzige Unterschied besteht darin, dass das Opfer nicht überlebt hat. Er war zu spät«, ergänzte sie flüsternd und ein dumpfes Gefühl lag in Harrys Inneren.   Die eigentlich fremde Gestalt des toten Mannes bedrückte ihn auf eine merkwürdige Art und Weise. Immerhin hätte er das sein können. Hätte Draco Greyback dort nicht getötet, wäre er auch nur ein Foto in irgendeiner eingestaubten Akte geworden. Vielleicht wären seine Gliedmaßen irgendwann auch unter dem Schmerz gebrochen, die diese effektive Foltermethode mit sich brachte. Das Bild, was sich in seinen Gedanken festigte, brachte ihn dazu, die Augen zusammenzukneifen und den Kopf zu schütteln.   »Malfoy kann sich auf diese Fälle hier beziehen. Das sind alles Präzedenzfälle, das kann selbst der Zaubergamot nicht abstreiten«, sagte sie zufrieden und Harry merkte ein Zupfen an seinem Ärmel.   Er hob den Kopf und betrachtete seine beste Freundin für einen Moment. Harry hatte gewusst, dass er auf sie zählen konnte, und dennoch gab es da ein kleines Problem, dass die Einfachheit ihrer Schlussfolgerung zusammenstürzen lassen würde.   »Ich habe Kingsley versprochen, dass wir unter Veritaserum aussagen werden, Hermine. Das war die einzige Möglichkeit, wie ich verhindern konnte, dass Draco nach Askaban gebracht wird.«   Hermine blieb ihm zunächst ihre Antwort schuldig starrte ihn aus weit aufgerissenen müden Augen an. Nervosität schwappte in seinem Inneren und er kratzte sich verlegen an seiner Schläfe. Er hatte sich schon eine Predigt von Draco abholen können und hoffte wirklich, dass Hermine gnädig mit ihm war.   »Ehm ... Das eigentliche Problem ist nur, dass wir nicht wirklich verraten können, warum wir dort waren, verstehst du das? Wenn wir zugeben, dass wir versucht haben illegal Animagi zu werden, schicken die uns beide nach Askaban und dann war eh alles umsonst«, erklärte er, da sie immer noch nicht geantwortet hatte, und biss sich auf die Unterlippe.   »Und na ja ...«, plapperte er nervös weiter, doch Hermine unterbrach ihn.   »Du hast Kingsley ... versprochen, dass ihr aussagt?«   »Ja ...«, seufzte Harry schicksalsergeben und senkte den Blick, fokussierte die wenigen Zeilen auf dem ausgeschnittenen Artikel ohne ihn wirklich zu lesen.   »Das ist wirklich nicht gut ...«, murmelte sie und begann hastig in den Unterlagen zu blättern. Harry war zwar erleichtert, dass ihm die Standpauke wohl erspart bleiben würde, jedoch verunsicherte ihn die ruhige, akribische Art und Weise, in der seine beste Freundin sich mit dem Problem auseinandersetzte.   Es vergingen wenige Minuten, in denen er ihr zusah, wie sie in Büchern blätterte und Zeilen unterstrich, sie markierte und dann an eine andere Stelle legte.   »Hermine du solltest schlafen gehen ...«, seufzte Harry.   »Ich habs!«, schrie sie euphorisch und Harrys Blick huschte in den Flur, da ihre Stimme laut an den Wänden widerhallte.   »Harry wie weit bist du mit deinem Oklumentikunterricht gekommen?«   Stirnrunzelnd entgegnete er ihrem Blick und eine ungute Vorahnung schwebte in ihrer Aussage.   »Wir haben eigentlich direkt am Anfang abgebrochen ... Ich habe es gehasst, Hermine. Wieso...?«, wollte er fragen, wurde jedoch unterbrochen.   »Weil Granger möchte, dass du deine Gedanken verschließt, um die wahrheitsgemäße Aussage in Teilen zu unterdrücken.«   Erschrocken wirbelte Harry herum und betrachtete Draco, der in einem Morgenmantel eingehüllt im Türrahmen stand. Er hielt einen Brief in der Hand, mit dem er demonstrativ in der Luft wedelte.   »Eine sehr beliebte Vorgehensweise bei Todessern«, schmunzelte Draco und seufzte.   »Nur leider bleibt uns keine Zeit mehr dafür.«, sagte er kühl und entfaltete den Brief, auf dem das Wappen des Ministeriums prangte.   »Die Anhörung ist bereits morgen.«     ~~~*~~~   Hallöchen ihr Lieben! Etwas spät, aber ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Es hat ein wenig Überlegung gekostet, bis ich wusste, wie ich es schreiben möchte. Würde mich über Kritik/Feedback wie immer freuen. Eure Refaye Kapitel 29: Solution -------------------- »Die Anhörung ist bereits morgen.«   ~~~*~~~   Kapitel 29: Solution   Blinzelnd sah er auf Draco, welcher näherkam und sich neben sie an den Hochtisch setzte. Harrys Körper verkrampfte sich, und eine Unruhe lag in seinem Inneren, die er nicht beschreiben konnte. Die Situation war komisch, schließlich hatte sich ihr Verhältnis nun geändert. Sie waren nun keine Feinde mehr, nicht einmal Freunde. Nein, sie verband etwas viel Intimeres und die Erinnerung letzter Nacht brannte präsent auf seinen Wangen.   Als er noch mit Ginny zusammen war, hatte diese ihn normalerweise mit einem eher beiläufigen Küsschen begrüßt. Harry selbst hatte es als unpassend empfunden, war eher genervt davon gewesen, doch würde Draco so etwas überhaupt gefallen? Eine solche eindeutige Darstellung des Besitzanspruches? Nachdenklich schielte er zu Hermine, deren Augenringe mittlerweile ein dunkles Lila angenommen hatten.   Er biss sich auf die Unterlippe und zwang sich, diese Gedanken zu verdrängen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich über solche Belanglosigkeiten den Kopf zu zerbrechen. Auch wenn es ihm durchaus gefallen würde, Draco vor seiner besten Freundin jetzt küssen zu dürfen, wäre all das absolut irrelevant, wenn sie heute keine Lösung fanden. Denn dann würde er nie wieder die Chance dazu haben, ihm auf eine solche Weise nah zu sein.   Draco schmiss mit einer Handbewegung den halbgeöffneten Brief vor ihm auf die Akte und Harry fixierte das Datum, welches neben diversen Sicherheitsvorgaben und Anweisungen auf dem Pergament niedergeschrieben stand.   »Bereits morgen …«, murmelte er geistesabwesend und verkrampfte seine Finger in den Stoff seiner Hose. Hilfesuchend huschte sein Blick zur Seite, doch sowohl Hermine als auch Draco konnte man deutlich ansehen, dass dies alles andere als eine gute Neuigkeit war.   »Veritaserum ist nicht unfehlbar«, sagte Draco ruhig und verschränkte seine Finger ineinander. Sein Blick ruhte auf den diversen Akten und Zeitungsartikeln, die sich auf dem Tisch stapelten.   »Ein Grund, weswegen es in der Strafverfolgung eher bei Verhören, als bei wirklichen Zeugenaussagen eingesetzt wird. Es wirkt deutlich besser, wenn der Einnehmende nichts davon weiß. Es gibt Tränke die gut dagegen wirken, in dem sie zum Beispiel die Kehle vor der Einnahme verschließen, oder aber … Na ja ...«, sagte Draco und verzog das Gesicht, da er sich offenbar an etwas Unliebsames zu erinnern schien.   »Oklumentik, der Verschluss des eigenen Geistes vor dem Einfluss des Serums«, ergänzte Hermine seinen Satz und Draco nickte bestätigend.   Sein Blick huschte zu Harry, der sich etwas überflüssig in seinem Dasein zwischen den beiden vorkam, da er irgendwie nicht viel beitragen konnte. Sein Körper hatte sich anhand der Thematik versteift und er rutschte unruhig auf dem unbequemen Hocker hin und her.   »Du kannst dich beruhigen, Potter«, sagte Draco, der eine Augenbraue in die Höhe gezogen hatte. »Wir werden es niemals innerhalb eines Abends schaffen, dass du eine solche mentale Kontrolle erreichen könntest.«   Auch wenn Harry nicht bestreiten konnte, dass er ziemlich froh über den Ausgang dieser Möglichkeit war, prangte die Konsequenz dieser Tatsache in seinem Inneren. Das Ministerium würde sie vorher auf die Einnahme von Tränken kontrollieren, das vermutete er zumindest, und wenn Oklumentik nun auch als Option wegfiel, standen sie erneut an ihrem Ausgangspunkt.   Vor der Aussicht, dass Draco, oder sogar im schlimmsten Falle sie beide, den Rest ihres Lebens in Askaban verbringen würden.   »Eigentlich ist das kein gutes Zeichen, dass Kingsley dir eine solche Aussage überhaupt angeboten hat. Vermutlich rechnen sie mit einer schnellen Verurteilung nach der Anhörung, ohne wirklich eine komplette Verhandlung vor dem Zaubergamot zusammen rufen zu müssen«, sagte Hermine und seufzte tief.   »Malfoy -« Sie zögerte, tippte zwei Mal mit dem Zeigefinger auf den Tisch, hob schließlich ihren Blick und fixierte ihren ehemaligen Schulfeind.   »Beherrscht du es? Ich meine, die Abschirmung deiner Gedanken durch Oklumentik. Immerhin ...«, sagte sie vorsichtig, wurde jedoch durch die gezischten Worte Dracos unterbrochen.   »Immerhin war ich ein Todesser?«, fragte er abfällig und wandte seinen Blick ab.   Eine unangenehme Stille lag kurzweilig zwischen ihnen. Doch Harry schaute auf, da Hermine beschwichtigend die Arme hob.   »So meinte ich das nicht. Malfoy, wir sind in der Vergangenheit nicht gut miteinander klar gekommen, aber Harry ist mein bester Freund. Ich weiß nicht, was genau das zwischen euch ist und ich mag auch gar nicht darüber urteilen, aber wir sollten versuchen miteinander klar zu kommen.« Sie seufzte tief, senkte ihre Hände und schob ihm die Akten mit den Fällen zu.   »Ich bin auf Harrys Seite, und Harry auf deiner, verstehst du das? Wir sind keine Feinde mehr, Malfoy. Hier, das sind mehrere Fälle, die du für deine Aussage verwenden kannst. Schau sie dir an, vielleicht hilft es dir ja.«   Harry hatte gewusst, dass eine Kooperation schwierig werden würde, wenn man ihre Vergangenheit betrachtete. Umso dankbarer war er Hermine in diesem Moment, die trotz allem ein zaghaftes Lächeln auf ihre Lippen zwang. Draco schien überrumpelt von der neuerlichen Freundlichkeit, die ihm entgegen gebracht wurde, und begann in seiner Irritation, durch die Akten zu blättern.   »Ich ...«, sagte er, schluckte jedoch zunächst den Kloß in seinem Hals runter, um seine Fassung zurück zu erhalten.   »Ich habe es nie komplett gemeistert, ich beherrsche lediglich die Grundlagen. Das Training meines Vaters war nicht unbedingt zielführend und eher darauf bedacht, mich unter Kontrolle zu halten, damit ich möglichst keine Familiengeheimnisse ausplaudere, oder der dunkle Lord etwas herausfindet, was uns in seine Missgunst stellen konnte. Es ist mir schwer gefallen. Seine Vorgehensweise …« er zögerte, entschloss sich aber weiter zu sprechen.   »... war gelinde gesagt nicht unbedingt angenehm.«   Harrys Magen verkrampfte sich bei der Vorstellung, die hinter diesen Worten lag. Er wollte nicht darüber nachdenken, welchen Schmerz Draco durch seinen Vater erlitten haben muss. Der Hass, welchen er ohnehin für das Oberhaupt der Malfoys empfand, schürte sich und wallte unruhig in ihm auf, so dass er nicht bemerkte, wie seine Hand unbewusst unter dem Tisch zu der von Draco wanderte.   Ungläubig fixierten ihn die sturmgrauen Augen, überrascht von der Initiative, doch er zog seine Hand nicht weg, verschränkte ihre Finger miteinander und ein schmales Lächeln legte sich auf seine Züge. Wenige Herzschläge genoss er diesen flüchtigen Moment des Glücks, strich sachte über die weiche Haut.   »Ich freue mich so für euch«, sagte Hermine sanft und riss sie aus ihrer Trance.   Dracos Kopf schnellte zur Seite und ein deutlicher Rotschimmer hatte sich auf die blassen Wangen gelegt. Er schien selbst für einen Moment vergessen zu haben, dass sie doch gar nicht alleine waren. Hermines zögerliches Lächeln verblasste jedoch augenblicklich, als sich eine deutliche Ernsthaftigkeit in ihren Ausdruck legte.   »Euch wird jedoch nicht gefallen, was die letzte Alternative wäre, die mir noch einfällt«, sagte sie kühl und Traurigkeit schwang in ihrer Stimme.   Eigentlich sollte die Tatsache, dass es noch eine Aussicht auf einen Ausweg gab, doch eine gute Neuigkeit sein. Umso mehr verunsicherte Harry der plötzliche Stimmungswechsel seiner besten Freundin.   »Nun spuck es schon aus, Granger«, sagte Draco ungehalten und schnaufte in seiner Nervosität.   »Euer Hauptproblem ist doch, dass das Ministerium nicht von euren Animagusplänen erfahren darf und euch das Veritaserum dazu zwingen würde, eure Erinnerungen daran preis zu geben, oder?«, fragte sie vorsichtig, blickte jedoch in verständnislose Gesichter. Sie seufzte.   »Ich verstehe gar nichts«, verdeutlichte Harry und sah zu Draco hinüber, der sie ebenfalls nur stirnrunzelnd betrachtete.   »Na ja … wenn ihr …«, stotterte sie, knickte mit ihren Fingern ein Eselsohr in eines der Bücher, klappte es zu und schüttelte den Kopf.   »Wenn ihr keine Erinnerung an euer Vorhaben habt, gibt es auch keine Möglichkeit, sie bei einer Aussage aus versehen auszuplaudern. Ich könnte auf euch einen Obliviate sprechen, jedoch kann ich nicht garantieren, wie viel wirklich von eurer Erinnerung dabei gelöscht wird.«   Es dauerte einen Moment, bis Harry begriff, was genau sie damit implizierte. Was der Preis dieser Idee war und in ihm kam eine Befürchtung auf, die durch die tastenden Finger Dracos an seiner Hand eine unglaubliche Präsenz erhielt, dass er die Luft anhielt.   »Nein«, keuchte Harry atemlos und blickte hektisch zu Draco hinüber, der nicht weniger geschockt aussah.   »Wir sind doch gerade erst …«, begann er zu argumentieren und suchte verzweifelt den Blick seiner besten Freundin. Ein entschuldigender Ausdruck lag in ihrem Gesicht, der jegliche Hoffnung auf eine zufriedenstellende Lösung verrauchen ließ.   »Harry du weißt, wie es damals bei meinen Eltern war ...« Sie sah kurz prüfend auf Draco, dieser schien jedoch erstarrt und auch seine Hand lag nur noch lose in Harrys.   »Ich kann versuchen, die Ereignisse in Gänze zu löschen. Genauso wie meine eigene Präsenz in ihrem Leben. Ob ich in der Lage wäre, einzelne Bruchstücke an verschiedenen Tagen raus zu filtern, kann ich nicht beurteilen, Harry.«, sagte sie und legte ihre Hand auf seine Schulter.   »Es tut mir leid ...«   Nein. Das ging nicht. Nicht nachdem sie endlich zusammen gekommen waren. Nicht nach den letzten Tagen. Das durfte einfach nicht wahr sein. Er hatte es ihm doch endlich gestanden. Sie hatten endlich zueinander gefunden und nun sollten sie alles hinschmeißen und in Kauf nehmen, dass sie vielleicht jegliche Bindung zueinander verloren? Dass sie alles vergessen könnten?   »Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben ...«, murmelte Harry und durchblätterte in seine Hoffnungslosigkeit die Akten, doch er fand keine andere Lösung. Verzweifelt strich er sich durch die rabenschwarzen Haare und zerzauste sie noch ein wenig mehr.   »Potter ...«, flüsterte Draco neben ihm. Harry hob abrupt den Kopf und betrachtete seinen Freund, der seine Lippen zu einem Strich verzogen hatte.   »Nein! Denk nicht einmal darüber nach! Es MUSS eine andere Möglichkeit geben!«, fauchte Harry ihn in seiner Verzweiflung an. Nachdenklich betrachtete Draco ihn, doch Harry verstand nicht, wie er das überhaupt in Erwägung ziehen konnte. Hermines müdes Seufzen unterbrach seine wühlende Suche und sie legte behutsam ihre Hand auf seine, stoppte die Bewegung.   »Redet miteinander. Ich werde mich oben für eine halbe Stunde hinlegen, so dass ihr euch in Ruhe besprechen könnt. Aber jetzt gerade, scheint dies die einzige Möglichkeit zu sein. Denk drüber nach, Harry. Wenn Malfoy nach Askaban geht, wirst du ihn vermutlich nie wieder sehen.« Mit diesen Worten stand sie auf, und ließ die beiden Jungs im Esszimmer zurück.   In dem Moment, als Harry das leichte Klacken der sich schließenden Tür vernahm, verlor sich seine Zurückhaltung.   »Das kann nicht dein verdammter Ernst sein! Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich dem zustimme, Draco!«, schrie er und betrachtete schnaufend sein Gegenüber. Sein Herz schlug unregelmäßig in seiner Brust, aufgewühlt durch den möglichen Verlust des Glücks, das er die letzten Stunden erleben hatte dürfen. Doch Draco schien nicht gewillt zu sein, sich seiner Verweigerungshaltung angesichts der bevorstehenden Strafe anzuschließen. Er schüttelte nur den Kopf und beugte sich nach vorne, legte seine Lippen wortlos auf Harrys.   Der Kuss war sanft und Harry merkte, dass es ein Versuch war, ihn zu beruhigen. Dennoch genoss er die Intimität, die durch die Ausweglosigkeit ihrer Situation bedroht wurde. Halt suchend klammerten sie sich aneinander, verschmolzen in einer behutsamen Umarmung, während ihre Lippen sich langsam voneinander lösten.   »Bitte zwing mich nicht dazu ...«, hauchte Harry kraftlos an seinen Lippen und seine Hände zitterten, krallten sich in den Morgenmantel in der Hoffnung, er müsse ihn nicht mehr loslassen.   »Glaubst du, ich will das? Harry, es wäre doch nur für kurze Zeit … einen Obliviate kann man umkehren, oder nicht?«, seufzte Draco und seine Lippen verzogen sich.   Harry überlegte und erinnerte sich daran, wie Hermine nach dem Krieg versucht hatte, die Erinnerungen ihrer Eltern wiederherzustellen. Es hatte Monate gedauert, bis sie ihre Tochter überhaupt erkannt hatten, und Harry wusste, dass es seine beste Freundin immer noch sehr belastete, dass sie es nicht geschafft hatte, alle Erinnerungen vollständig zurück zu bringen.   »Selbst wenn das klappt, ist es ein langwieriger Prozess … wir ...« Harry hielt inne und sah in die sturmgrauen Augen, die ihn immer noch nachdenklich fixiert hatten.   »Es gibt keine Garantie, ich weiß. Es würde alles verändern«, sagte Draco kühl und sein Blick verdunkelte sich.   Harry fehlten die Worte, wusste er einfach nicht, was er sagen konnte. Alles in ihm wehrte sich gegen diesen Ausgang und sein Körper verkrampfte sich in der Vorstellung, was diese Zukunft für sie bedeuten würde. Er war sich seiner Gefühle zu Draco erst bewusst geworden, nachdem sie schon längst mit dem Brauen des Trankes begonnen hatten. Auch wenn ihm der Gedanke so fremd erschien, dass er ihn am liebsten Wut schnaubend von sich schieben würde, zwang er sich darüber nachzudenken.   Die Erinnerung zu verlieren, bedeutete doch auch, es nicht bereuen zu müssen. Er würde Draco wieder als Feind und Rivalen wahrnehmen. Vielleicht würde er sich mit Ginny aussprechen, und in sein altes Leben zurückkehren, ohne jemals auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was genau er eigentlich verloren hatte.   Doch war es nicht ein selbstsüchtiger Gedanke, sich dem zu verwehren, wenn es doch die einzige Möglichkeit war, wie er Draco retten konnte? War es denn wirklich so schlimm, in sein altes Leben zurückzukehren und wieder seinen normalen Platz in der Gesellschaft einzunehmen? Wenn er dem Ganzen nicht zustimmte, würde Draco nach Askaban gehen, und er würde ihn ohnehin verlieren.   »Wir haben uns irrational verhalten«, sagte Draco kühl und Harry bemerkte, dass er seine Maske wieder aufgesetzt hatte, in dem Versuch seine Gefühle vor ihm zu verbergen.   Wut wallte in Harry auf und er fixierte ihn ungläubig, unfähig zu begreifen, wie es jetzt dazu kommen konnte, dass Draco wieder einen Schritt zurück trat, sich wieder von ihm entfernen wollte.   »Du kannst in dein Leben zurückkehren und wirst mich vergessen, vermutlich ist das sogar besser so. Ich passe nicht in dein Leben, und sobald Granger den Zauber auf dich gesprochen hat, wirst du erkennen, dass du auch ohne mich glücklich werden-«   Harrys Faust traf Dracos Wange, der augenblicklich verstummte. Ein Rinnsal Blut tropfte aus der kleinen Platzwunde. Doch er ließ ihn gewähren, wehrte sich nicht.   »Willst du mich verarschen?! Es ist besser so? Ich soll es vergessen? Hast du mir verdammt nochmal überhaupt zugehört?!«, schrie Harry aufgebracht und sein Atem ging flach. Draco schwieg und biss sich auf seine Lippe, unfähig auf den wütenden Ausbruch zu antworten.   Seine Finger verkrallten sich in Dracos Kragen und er zog schnaubend an dem Stoff des Morgenmantels. Verzweifelt betrachtete er den Mann, der sein Gefühlsleben komplett an sich gerissen hatte. Doch Draco sah ihn nicht an, mied seinen Blick und schien die Konsequenz hinter ihrem Vorhaben widerwillig akzeptiert zu haben. »Es tut mir leid, ich wollte nicht ...«, sagte Harry kraftlos, Tränen brannten in seinen Augen.   Er musste sich zusammenreißen. Wann hatte es angefangen, dass dieses Gefühl, welches er für seinen ehemaligen Rivalen empfand, sein Leben bestimmte. Wie konnte es sein, dass er sich ein Leben ohne Draco nicht mehr vorstellen konnte. Denn genauso war es. Er wollte dieses Gefühl nicht missen. Für einen kleinen Moment hatte er es genießen können, und nun sollte alles wieder vorbei sein? Schweigend betrachtete er Draco, der sich seine verletzte Wange rieb.   »Harry, es wird meine Gefühle für dich nicht ändern, selbst wenn Granger den Obliviate spricht« sagte Draco und sah ihn endlich an. Sein Herz pochte Dumpf gegen seinen Brustkorb und verwirrt starrte er Draco an, auf dessen Züge sich ein verbittertes Lächeln gelegt hatte.   »Wie meinst du das?«, hauchte er atemlos, verwirrt von seinen Worten und versuchte seinen Atem zu beruhigen.   Es würde nichts ändern? Was sollte das heißen? Bedeutete das, dass er nie Gefühle für ihn hatte? Oder …   »Genauso wie ich es sage … es wird nichts ändern, ob sie mir die Erinnerung nimmt. Aber du wirst mich vergessen, Harry. Ich wünschte, wir hätten es einfach angemeldet, dass wir Animagi werden, dann hätten wir das Problem jetzt nicht«, sagte Draco und unterbrach Harrys Grübeln, der aufhorchend den Kopf hob.   »Sie hätten es doch eh nie genehmigt«, seufzte Harry resignierend, immer noch verwirrt von Dracos Worten. Was spielte das jetzt für eine Rolle, ob sie es nun beantragt haben oder nicht, jetzt konnte man es doch eh nicht mehr ändern.   »Das mag sein, aber wenn wir den Antrag eingereicht hätten, wäre es nicht verboten gewesen, schon einmal mit dem Trank zu beginnen. Sie hätten uns keinen Vorwurf daraus machen können, da die Bewilligung lediglich vor der Einnahme des Trankes vorliegen muss«, sagte Draco schulterzuckend und sein Blick fixierte den Harrys.   Harry konnte nicht deuten, welche Intention in den mattgrauen Augen lag, und dennoch wirkte Draco erschöpft. Tiefe Augenringe zierten die elfenbeinfarbene Haut, die von der Unruhe zeugten, die unweigerlich durch die Ereignisse der letzten Tage ausgelöst worden war. Es wirkte so, als hätte Draco bereits ihr Schicksal akzeptiert und Harry dachte in seiner Verzweiflung über Dracos Worte nach, um vielleicht doch eine Lösung zu finden, die nicht das Ende ihrer Beziehung bedeuten würde.   Er dachte zurück an sein Gespräch mit Kingsley und an seinen Besuch im Ministerium. Bei den Bergen von Akten, die sich auf dem Schreibtisch der Sekretärin gestapelt hatten, hätte sowieso niemand gemerkt, ob sie den Antrag schon eingereicht hatten oder nicht. Doch wenn er das behaupten würde, war es sehr wahrscheinlich, dass nach einer Prüfung dieser Bluff auffallen würde.   Es hätte sowieso niemand bemerkt …   »Draco!«, rief er euphorisch. Er umfasste Dracos Schulter mit beiden Händen. Dieser sah ihn jedoch nur fragend an, verwirrt durch seinen plötzlichen Stimmungswandel.   »Wir müssen unsere Erinnerung nicht verlieren. Ich habe eine Idee! Verdammt, ich muss Hermine wecken, ich hoffe sie haben noch nicht alles aufgebraucht und es ist super riskant, aber wenn das funktioniert-«   »Verdammt, Potter! Hör auf in Rätseln zu sprechen«, schnaufte Draco.   »Was wäre, wenn wir den Antrag doch gestellt hätten?«   Fragend legte Draco den Kopf schief, schien den Kontext noch nicht ganz nachvollziehen zu können.   »Hermine und Ron haben in den Projektwochen in Slughorns Unterricht Vielsafttrank gebraut, Draco, Als ich wegen deiner Verhaftung im Ministerium war, habe ich gesehen, wie sehr sich dort die Anträge und Akten auf den Schreibtischen gestapelt haben. Niemand würde es auffallen, wenn wir den Antrag einfach dort rein schmuggeln und zwischen die Akten legen«, erklärte er schließlich seine Idee und war glatt stolz auf diesen Einfall.   Sie waren schon einmal mittels Vielsafttrank ins Ministerium geschlichen. Dass die damalige Flucht nicht ohne Risiko gewesen war, musste Draco ja nicht unbedingt wissen. Dennoch hatte es funktioniert. Sie hatten das Medaillon gefunden und waren heil wieder herausgekommen.   Er trat einen Schritt auf Draco zu, griff nach seiner Hand und umschloss sie, mit seiner eigenen, in der Hoffnung, seine Unsicherheit zu beruhigen und ihn von seinem Vorhaben überzeugen zu können.   »Wenn das schief geht, werden sie uns erst recht nach Askaban schicken, Potter« sagte Draco und blickte auf ihre verschränkten Hände.   »Bitte lass uns dafür kämpfen, Draco. Für deine Freiheit …«, flüsterte er, kam ein Stück näher.   »Für uns.«   Einen Moment sahen sie sich an und Dracos Blick flackerte durch die Partien seines Gesichts. Er schien sich nicht sicher zu sein, warum er so weit ging, um für ihn einzustehen.   »Woher willst du wissen, dass Granger überhaupt etwas von dem Trank überbehalten hat?«, fragte er schließlich, als Harry eine Bewegung hinter sich wahrnahm.   Hermine stand im Türrahmen und ihre müden Augen huschten zunächst zu Dracos Verletzung, dann zu seiner Faust, an der blutrote Schrammen die Knöcheln zierten. Schnaubend verschränkte sie die Arme ineinander, tippte drei Mal mit ihrem Fuß auf den Boden.   »Könnt ihr mir mal sagen, was hier passiert ist?«   Harry kratzte sich verlegen am Hinterkopf und wollte ihr antworten, doch Draco kam ihm zuvor.   »Es war meine Schuld«, sagte er ruhig und verstärkte den Druck um Harrys Hand. Verblüfft über diese Reaktion, betrachtete er ihn nachdenklich, nahm seine Hand jedoch nicht weg, denn ihm war bewusst, was seine Worte zu bedeuten hatten. Er wollte es ebenfalls versuchen, dieses letzte Risiko eingehen, um ihre Beziehung zu retten und den Obliviate nicht sprechen zu müssen.   Erleichtert seufzte Harry auf, wandte sich Hermine zu, welche sie nachdenklich betrachtete.   »Hermine, hast du von dem Vielsafttrank einige Phiolen über behalten?«, fragte er schließlich seine beste Freundin und legte jegliche verbleibende Hoffnung darin. Sein Herz klopfte hastig, verdeutlichte ihm die Bedeutsamkeit hinter ihrer Antwort und wie sehr er sich eigentlich wünschte, dass Hermine, wie immer eigentlich, auf jede Situation vorbereitet war. Dass sie einfach an so etwas gedacht haben musste. Und tatsächlich, wurde er nicht enttäuscht.   »Ja … ich habe drei Fläschchen vor der Abgabe abgefüllt, aber wieso?« Sie zog eine Augenbraue in die Höhe, doch Harry konnte sich ein aufgeregtes Grinsen nicht verkneifen.   »Weil ich eine Idee habe, Hermine.«       ~~~*~~~         Kapitel 30: Hearing ------------------- Kapitel 30: Hearing     Starrend fixierte Harry den dünnen Sekundenzeiger der großen Standuhr im Untergeschoss des Gerichtsgebäudes, der tickend verkündete, dass es noch zwölf Minuten waren, bis seine Aussage beginnen würde. Der Gang war leer, und die staubtrockene Luft erschwerte ihm das Atmen.   Eigentlich hätte er froh sein können, dass es ihm erspart blieb, von der Presse belagert zu werden. Kingsley hatte wieder einmal bewiesen, wie gerne er am liebsten diese Sache unter den Tisch fallen lassen würde, ohne dass die Öffentlichkeit etwas bemerkte. Ob dies nun eine schnelle Verurteilung zur Folge hatte, war vermutlich für den Minister gar nicht so relevant. Hauptsache die Reporter erfuhren nichts davon. Es hatte lange gedauert, bis Harry den abgelegenen Anhörungssaal gefunden hatte, in der ihre Aussage stattfand. Nur ob das etwas Gutes war?   Er war nervös, presste die Lippen zusammen, und ließ sich von einem Seufzen begleitet auf eine Bank fallen. Es wird funktionieren, redete er sich ein und wippte nervös mit dem rechten Fuß. Wenn sie Glück hatten, und sie sich nicht unnötig verplappern würden, war es gut möglich, dass sie mit einem blauen Auge nochmal davon kamen. Ich muss ruhig bleiben, erinnerte er sich. Genau das hatte Hermine gesagt, doch Harry fiel es schwer, die unangenehm pochende Aufregung zu unterdrücken. Nachdem sie die halbe Nacht an dem Plan gesessen hatten, war er alleine in der Früh ins Ministerium appariert. Nachdenklich ließ er seine Finger durch seine Haare gleiten, seufzte unter der Berührung auf.   Würde alles so klappen, wie er es sich es vorgestellt hatte? Nun, da er es nicht mehr ändern konnte, erschien ihm ihr Vorhaben mehr als nur gewagt. Es könnte ihr komplettes Leben verändern, sollte auch nur irgendetwas schief gehen. Er vertraute Hermine, und sie mit der Aufgabe zu betrauen, den Antrag unter Einfluss des Vielsafttrankes heimlich unter die Unterlagen zu schmuggeln, war eine gute Idee, so würde kein Verdacht auf irgendeine Manipulation ihrerseits fallen. Allerdings hatte er erneut eine weitere Person in sein Dilemma mithineingezogen und obwohl er ihr vollstes Vertrauen schenkte, kam Harry immer wieder der Gedanke, was genau passieren würde, wenn sie scheiterte. Und selbst wenn nicht, konnten sie Draco immer noch einfach so nach Askaban schicken.   Unruhig stand er auf, ging zweimal im Korridor auf und ab, bis er erneut vor der großen Standuhr zum stehen kam.   Noch elf Minuten.   Genervt verzog er die Augenbrauen, und ein bitteres Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er die Tür zum Anhörungssaal betrachtete, aus der gedämpfte Stimmen zu hören waren. Harry konnte sich noch gut erinnern. An seine eigene Aussage hier in diesem Gerichtsgebäude. Als er selbst als Angeklagter auf diesem Stuhl saß und sich gegenüber dem kompletten Zaubergamot verantworten musste. Dumbledore hatte damals recht gehabt, es war übertrieben gewesen, angedacht der damaligen Situation, dass er lediglich einen Patronus vor Dudley gewirkt hatte, und dennoch ...   Harry kannte das Gefühl, dort zu sitzen, und Dracos Abweisung beim Frühstück, als er ihn zum Ministerium begleiten wollte, hatte ihm erneut die Grenze aufgezeigt, die er ihm nur allzu deutlich damals im Badezimmer in ihrem Gespräch gesetzt hatte. Dass er bei seiner Aussage nicht dabei sein konnte, da er ja als Zeuge unvoreingenommen sein musste, war ihm bewusst. Doch all das wäre ihm egal gewesen, wenn er wenigstens mit ihm zusammen auf den Verhandlungsbeginn hätte warten können. Der Umfang ihrer Übereinkunft und was es für ihre Beziehung, oder was das eigentlich zwischen ihnen war, bedeutete, nahm ihn komplett ein und zerstreute jeden klaren Gedanken, den er versuchte zu fassen. Es war eine klare Bedingung gewesen, auf die sich Harry bereitwillig in seiner Euphorie eingelassen hatte.   Er würde nie das Recht haben, als unterstützender Partner in solchen Momenten bei ihm sein zu dürfen. Dabei war Harry doch herzlich egal, was die Presse von ihm dachte, und doch würde Draco, so stolz wie er war, es nie in Kauf nehmen, wenn sein Ruf unter einer solchen Beziehung leiden müsste. In seiner Kehle sammelte sich ein säuerlicher Geschmack, den er versuchte zusammen mit dem Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken, als er hinter sich Schritte wahrnahm.   „Du bist tatsächlich hier“, sagte eine ruhige Stimme direkt neben ihm.   Abrupt drehte Harry sich um und sah in den zweifelnden Gesichtsausdruck von Blaise Zabini. Er balancierte einen Kaffeebecher in seiner Hand und das braune Getränk schwappte bedrohlich.   „Zabini“, begrüßte Harry ihn und zwang sich zu einem Lächeln.   Insgeheim hatte Harry gehofft, sich vorhin getäuscht zu haben, doch als er den Slytherin beim Vorbeigehen in der Cafeteria gesehen hatte, war es ihm eigentlich klar gewesen, wieso Zabini heute hier war. Auch wenn Harry es sich bisher verboten hatte, genauer darüber nachzudenken. Doch da er nicht würde aussagen müssen, gab es nur einen schlüssigen Grund für seine Anwesenheit. Prüfend betrachtete er den Mann vor ihm.   Auch wenn sich Harrys Sympathie gegenüber dem Größeren in Grenzen hielt, konnte er nicht verkennen, wie attraktiv sein Gegenüber eigentlich war. Blaise trug einen schwarzen Anzug, der sich an den wohlgeformten Körper schmiegte und seine komplette Gestalt hatte etwas Geschäftliches an sich, was äußerst professionell und unnahbar wirkte. Harry hatte in seinem ganzen Leben nie viel Geld für Kleidung ausgegeben und er fühlte sich mit seinem mehrfach geflickten Mantel, den er schon einige Jahre besaß, irgendwie auf eine merkwürdige Weise unwohl neben Zabini.   Sie schwiegen wenige Sekunden, in denen einzig das laute Ticken der Uhr an den hohen Wänden widerhallte. Die Bank knarrte schließlich, als Zabini sich setzte, seinen Blick jedoch nicht von Harry abwandte, der immer noch erstarrt einfach nur dastand.   „Eigentlich hätte ich es mir denken können, als Draco meinte, er würde momentan bei einem Bekannten unterkommen, dass eigentlich du damit gemeint warst“, sagte Blaise und seufzte tief. „Die Anhörung ist nicht öffentlich, also warte ich hier bis sie fertig sind. Dray war ziemlich nervös vorhin, so habe ich ihn noch nie erlebt. Er wird mir einiges erklären müssen, wenn-“   „Er hat dir nichts gesagt?“, unterbrach ihn Harry und in seiner Stimme schwang eine verräterische Erleichterung, die ihn schlucken ließ. Für wenige Herzschläge betrachtete Zabini ihn, bis er ihm schließlich antwortete.   „Astorias Vater hat mir von der Aussage erzählt. Ich war sowieso besorgt um ihn und bin heute früh mit einem Portschlüssel her gereist. Er hatte keine Ahnung, dass ich überhaupt im Land bin, war jedoch froh, dass er nicht ganz alleine warten musste.“   Unsanft biss Harry sich auf seine Unterlippe und sah zur Seite. Alles in ihm schrie, dass er dieses Gespräch beenden wollte. Doch am liebsten würde er gerade dem Impuls nachgeben, und Zabini hier an Ort und Stelle ins Gesicht schlagen. Sein Gegenüber beobachtete ihn nachdenklich, schien den Umschwung seiner Stimmung nicht wirklich nachvollziehen zu können.   „Hör mal, Potter ...“, sagte Blaise schließlich und kam einen Schritt auf ihn zu.   „Du hast dein Wort gehalten und na ja, ich schätze ich schulde dir was. Also, danke, dass du auf ihn aufgepasst hast.“   Harry, der sowieso nicht wirklich wusste, was er ihm entgegnen sollte, blieb ihm seine Antwort schuldig, als er eine Stimme links von sich wahrnahm.   „Mr. Potter?“, rief eine junge Hexe durch den Gang, die den Kopf aus einem der Nebenräume streckte. „Ah, da sind Sie ja. Folgen Sie mir bitte, es wird Zeit, dass sie das Serum zu sich nehmen.“ Sie nickte ihm aufmunternd zu.   „Ich muss gehen“, murmelte Harry und versuchte angestrengt, seinem Blick auszuweichen.   Sein Puls pochte und er wusste genau, dass Zabini seine Reaktion bemerkt hatte, doch es war ihm egal. Er durfte sich die Schwäche nicht erlauben, die mit dem Gedanken und der Eifersucht einhergingen, die er dem Slytherin gerne ins Gesicht spucken würde. Harry hatte Dracos Bedingungen doch akzeptiert, warum störte es ihn also jetzt so sehr, dass er es nicht sein durfte, der Draco den Halt gab, den er doch so dringend benötigte. Genauso wenig, wie es ihm erlaubt war, hier und jetzt die Fassung zu verlieren.   Ergeben folgte er der Hexe, ohne sich noch einmal zu dem Anderen umzudrehen. Sie führte ihn in einen kleinen Raum, der hauptsächlich zur Lagerung von diversen Dokumenten zu dienen schien. In der Mitte waren zwei Sitzgelegenheiten wahllos aufgestellt worden und auf dem kleinen Tisch standen zwei Phiolen, wobei eine leer und die andere eine durchsichtige, leicht silbern schimmernde Flüssigkeit enthielt.   „Sie sind bestimmt nervös, oder?“, fragte die Frau mit piepsender Stimme und Harry, der den Blick gehoben hatte, bemerkte eine leichte Röte auf ihren Wangen.   Resignierend seufzte er und nahm den Trank aus der Halterung, führte ihn an seine Lippen.   „Mr. Potter, warten Sie -!“   Harry schloss die Augen. In einem Zug trank er das Serum, war das Bedürfnis endlich anzufangen viel zu einnehmend, als dass er noch eine weitere Minute verschwenden wollte.   „Sollte man nicht auch nervös sein, wenn man dazu gezwungen wird, seine Geheimnisse auszuplaudern?“, fragte er spöttisch und schnalzte seine Zunge unter dem bitteren Geschmack, der in seinem Mundraum lag. Die Hexe schaute verzweifelt zu ihm und ließ ihre Schultern sinken.   „Eigentlich wollte ich ihnen erst eine Einweisung geben … Es war vermutlich mein Fehler, dass ich ich sie nicht aufgehalten hab.“ Sie strich sich eine dunkle Haarsträhne hinter ihr Ohr.   „Alles gut“, versuchte er sie zu beruhigen und lächelte in dem Versuch, gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Die junge Ministeriumsmitarbeiterin konnte nichts dafür und Harry musste sich dringend zusammenreißen. „Es ist doch nicht schlimm, ich werde Sie nicht verklagen. Na los, weisen Sie mich ein“, sagte er schließlich und versuchte, dabei möglichst freundlich zu klingen. Dankbar lächelnd, setzte sich die Frau etwas gerader hin und richtete ihre karierte Weste, so dass der Saum ihres weißen Hemdes etwas mehr darunter hervor rutschte.   „Die Dosis, die Sie erhalten haben, wirkt eine halbe Stunde. Nach ihrer Aussage können sie sich im Ruheraum am Ende des Flures aufhalten, bis der Effekt abgeklungen ist. Sie haben normalerweise das Recht, Ihre Aussage zu verweigern, wenn Sie sich damit selber belasten würden. Da dies unter Veritaserum nur eingeschränkt möglich ist, muss ich Sie darauf hinweisen, dass Sie bei einer solchen Aussage von diesem Recht kein Gebrauch machen können“, sagte sie professionell in einem klaren Ton, auch wenn ein erleichtertes Seufzen ihre letzten Worte begleitete.   „Haben Sie alles verstanden?“   „Ja, ich habe alles verstanden“, sagte er und schluckte augenblicklich. Harry hatte ihr geantwortet, ohne dass er drüber nachgedacht hatte. Die Worte entkamen einfach so seinen Lippen, ohne dass er es aufhalten konnte, und in dem Moment bemerkte er, dass das Veritaserum zu wirken schien. Die junge Frau wies ihn an ihr zu folgen, doch bevor sie die Tür öffnete, sah sie erneut zu ihm zurück.   „Meine Tochter hatte recht Mr. Potter. Sie haben ein gutes Herz“, sagte sie und lächelte sanft. Harry konnte nichts tun, außer sie überrascht anzublicken, als sie bereits die Tür öffnete und das blendende Licht des Anhörungssaals den Raum erhellte.   „Treten Sie ein Mr. Potter. Danke, Madeleine, Sie können gehen“ sagte Kingsley gebieterisch. Die Hexe verbeugte sich kurz und verschwand erneut hinter der Tür, durch die Harry eben gegangen war.   Der Saal war kleiner, als bei seiner Anhörung und außer dem Minister konnte er vier weitere Zauberer und Hexen auf dem höher gelegten Podest sitzen sehen. Weitere standen im Schatten der hellen Deckenlampen. Doch Harry schenkte den vielen unbekannten Gesichtern nur wenig Beachtung. Sein Blick huschte zur Mitte des Raumes, wo ein einzelner Stuhl stand.   Wenn man es mit dem Tag verglich, als er Draco das erste mal wieder gesehen hatte, sah er jetzt deutlich gesünder aus. Als er damals aus der Untersuchungshaft gekommen war, bestand Draco nur aus Haut und Knochen und man konnte deutlich sehen, dass ihm die wenigen Wochen unter Harrys Kochkunst gutgetan haben. Dennoch existierte dieses winzige Detail in dem Anblick des Mannes, dem er viel zu viele verwirrende Gefühle zu verdanken hatte. Es war die pure Angst in den matt wirkenden Augen Dracos, die genau wie damals den Funken zu verschlucken drohte, der angesichts seines Erscheinens aufzulodern schien.   „Wenn Mr. Potter uns dann die Ehre erweist sich hinzusetzen, können wir auch fortfahren und uns gleich unsere wohl verdiente Pause gönnen“ sagte Kingsley nachdrücklich, was Harry den Blickkontakt zu Draco unterbrechen ließ. Er folgte der Aufforderung und setzte sich auf einen Stuhl, der seitlich separat aufgestellt worden war. Er war etwas höher gelegen als Dracos, und dennoch musste Harry den Kopf recken, um zu Kingsley aufblicken zu können, der eine Augenbraue in die Höhe gezogen hatte.   „Gut. Dann können wir weiter machen.“ Eine kurze Pause entstannt, wo Kingsley seinen Umhang richtete. Er nickte einem großgewachsenen, aber noch etwas jüngeren Zauberer mit kurzem schwarzen Haar neben ihm zu, der sogleich zu sprechen begann.   „Im Fall des Draco Malfoy, bezüglich der Missachtung geltender Bewährungsauflagen, unter vollem Bewusstsein der Illegalität der eigenen Handlung, in Verbund mit dem Versuch und schlussendlichen erfolgreichen Durchführung eines Unverzeihlichen Fluches, haben Sie sich als Zeuge der Verteidigung gemeldet, Mr. Potter. Sie sind derzeit Schüler in der Abschlussklasse in Hogwarts und bei Mr. Malfoy handelt es sich um Ihren Mitschüler. Ist das soweit korrekt?“ Die Stimme des Mannes klang kalt und es lag keine Emotion darin. Seine dunklen Augen fixierten ihn auffordernd, und strahlten eine gänzliche Autorität aus, so dass es Harry kalt den Rücken runter lief.   „Das ist korrekt, Sir“, antwortete er und versuchte, seine Stimme möglich ruhig klingen zu lassen.   „In Ordnung soweit“, kommentierte sein Verhörer und richtete die Brille auf seiner Nase. „Aber dieser Abend ist ihnen bestimmt noch gut im Gedächtnis geblieben, schließlich sind gerade Sie auch verletzt worden, richtig? Wie lief der Angriff denn genau ab?“   „Greyback hat uns überrascht und ist auf Draco losgegangen. Ich wollte ihn beschützen, also habe ich versucht mit ihm auszuweichen. Dabei bin ich auch verletzt worden ... zum Glück hatte ich das Armband dabei, wären wir nicht gewarnt worden, hätte ich niemals rechtzeitig reagieren können“, erklärte Harry, ohne dass er seinen eigenen Mund irgendwie davon abhalten hätte können.   „Das Armband?“, meldete sich Draco schließlich das erste mal zu Wort und als Harry seine Stimme im Saal widerhallen hörte, spannte sich augenblicklich alles in ihm an.   „Mr. Malfoy, ich darf Sie doch darauf hinweisen, dass Sie die Zeugenaussage nicht zu unterbrechen haben“, wies ihn der Mann zurecht, worauf Dracos Mund zuklappte und er nun noch angespannter Harrys Blick versuchte aufzufangen. Dieser hatte jedoch alle Mühe damit, sein geradezu bebendes Herz zu beruhigen. „Ach seien Sie nicht so, Morgan. Es würde mich auch interessieren, was für ein Armband?“, fragte schließlich Kingsley und sah neugierig zwischen ihnen hin und her, bis er schließlich Harry auffordernd anblickte.   Dieser schluckte, es war ihm unangenehm keine Kontrolle über seine Worte zu haben und er wusste absolut nicht, wie er Draco das alles erklären sollte. Der eigentlichen Wahl entraubt, sprach er jedoch unbesonnen weiter.   „Es sollte ihn vor Gefahren beschützen, ein Weihnachtsgeschenk. Der Stein des Armbandes leuchtet, sobald sich das Gegenstück in Gefahr befindet. Auf diesem Weg, habe ich Greyback früh genug bemerken können“, erläuterte Harry und erwiderte endlich den starrenden Blick, der ihn aus der Mitte des Saales fixiert hatte. Das war ein Detail, welches er eigentlich lieber vor ihm verschwiegen hätte.   „Hach, was ein schönes Geschenk, was es nicht alles gibt“, sagte eine Hexe neben Kingsley und seufzte hingerissen, während sie einen Finger um ihr rostfarbenes Haar drehte.   „Das mag alles stimmen, aber eine Sache würde mich doch interessieren Mr. Potter. Wie kommen Sie denn zu der Annahme, dass Sie ein solches Objekt benötigen würden, um Mr. Malfoy zu schützen?“, fragte der Mann, den Kingsley Morgan genannt hatte streng und funkelte ihn auffordernd an, als wäre er sich sehr sicher, etwas auf der Spur zu sein.   Harry biss sich auf die Innenseite seiner Wangen, um dem Impuls zu widerstehen weiter zu sprechen und dennoch brachte es nichts den Atem anzuhalten, um einen Moment zu erhaschen, in dem er nachdenken konnte.   „Ich wurde von einem Mitschüler gewarnt, da er und Draco bereits kurz vor Schulbeginn angegriffen wurden. Ich weiß nicht, inwiefern Greyback in das ganze verstrickt ist, oder warum wir an diesem Abend angegriffen wurden“, sagte Harry.   „Einem Mitschüler?“, fragte die Hexe.   „Ja, Blaise Zabini. Er geht in das Haus Slytherin“, antwortete ihr Harry.   Ein einzelner Schweißtropfen perlte deutlich spürbar von seiner Stirn und tropfte auf seine Wange. Alles in ihm schien zu glühen und die Zeit kam ihm unglaublich langsam vor. Wie lange hielt das Serum nochmal? Eine halbe Stunde? Wie lange saß er jetzt schon auf diesem unbequemen Stuhl?   „Man sollte den Jungen verhören, wenn er einen weiteren Angriff miterlebt hat. Durchaus lässt sich diese Tat mit den Serienmorden in Verbindung bringen, die eine Bande Todesser kürzlich begangen hat. Sie jagen gezielt ehemalige Todesser, wobei es sich bei Mr. Malfoy hier ja zweifelsfrei um einen zu handeln scheint“ sagte Morgan und warf einen abfälligen Blick auf Dracos Unterarm. Mit einer Handbewegung zog dieser augenblicklich den Ärmel etwas tiefer, so dass das Mal nicht mehr zu sehen war. Harry konnte sehen, wie auch die anderen Hexen und Zauberer neugierig ihre Hälse reckten.   „Warum sollten sie hinter mir her sein? Das ist doch absurd! Mein Vater ist tot, meine Mutter in Askaban, und ich hatte nie freiwillig etwas mit den Todessern zu tun!“, unterbrach Draco die starrenden Blicke und erhob sich minimal in seinem Stuhl.   „Das ist eine gute Frage. Aber woher sollen wir wissen, dass Sie das Opfer sind? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass Sie sich dort mit Fenrir Greyback getroffen haben, dort auf dieser Parklichtung?“ Morgans Blick wurde finsterer, als er sich erneut zu Harry umdrehte.   „Vielleicht war es nur ein Treffen von Verbündeten, das schließlich unerwartet eskaliert ist? Warum waren Sie zwei dort auf dieser Lichtung, Mr. Potter? Sie haben ja bestimmt keinen Mitternachtsspaziergang zu zweit unternommen“, spottete er.   „Tu es nicht“, hauchte Draco, so dass Harry es nur entfernt wahrnahm.   „Wir waren dort, um den Trank zu vollenden, damit wir Animagi werden können. Einer der letzten Schritte hatte auf einer mondlichtüberfluteten Lichtung stattzufinden. Ich wusste nicht, dass Greyback uns dort angreifen würde und wir haben uns auch nicht mit ihm getroffen.“ Harrys Stimme kratzte unangenehm und er schluckte, doch es half nicht. Nachdrücklich schnürte sich sein Hals zu.   Wenige Momente sagte niemand etwas, bis Kingsley sich schließlich räusperte. „Harry, ich nehme an, dass wenn ich jetzt meine Sekretärin rufe, sie mir doch sicher bestätigt, dass du das alles angemeldet hast und der Antrag auf meinem Schreibtisch liegt, liege ich da richtig?“, fragte er deutlich vorsichtiger.   Nun war es vorbei. Es war genau das passiert, was sie nicht riskieren wollten, und jetzt konnte er nur hoffen, dass er nichts Falsches sagte. Seine Fingerspitzen verkrampften sich, so dass es schmerzte. Was hatte Draco nochmal gesagt? Du musst deinen Verstand leeren, denke nur in Grundzügen. Solange sie eine Antwort erhalten, ist der Umfang das Entscheidende, erinnerte er sich. Draco schien erstarrt und schaute mit undeutbarem Blick auf Harry.   Er bohrte seine Zähne in seine Unterlippe, unterdrückte das Bedürfnis zu sprechen. Der Antrag, Hermine wird ihn bereits dort hinterlegt haben. Es befindet sich also in der Theorie auf seinem Schreibtisch. Er vertraute Hermine und er würde sein Leben dafür verwetten. Ohne jeden Zweifel.   Das ist keine Lüge.   „Der Antrag sollte längst auf ihrem Schreibtisch liegen, Herr Minister“, antwortete Harry mit zitternder Stimme. Ein kaum merkliches leichtes Lächeln, legte sich auf Dracos Lippen und für einen Moment strömte eine Welle der Euphorie durch Harry, die nichts anderes zuließ, als dass er das Lächeln erwiderte.   Skeptisch beäugte Kingsley Harry und beugte sich schließlich zu einer jungen Frau hinunter, die etwas abseits gestanden hatte, und flüsterte ihr etwas zu. Sie nickte eifrig und verschwand sogleich mit schnellen Schritten aus dem Saal.   „Zwei Jungs, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, scheint es mir“, sagte die rothaarige Frau neben Kingsley.   „Nicht irgendwelche Jungen, Ines. Ein ehemaliger Todesser und der Retter der Zauberwelt? Ein reichlicher Zufall, meinst du nicht auch?“, fragte Morgan skeptisch und wandte sich erneut zu Harry. „Vergessen wir nicht, wieso wir eigentlich hier sind. Mr. Malfoy hier hat unbestreitbar einen Todesfluch um kurz nach Mitternacht ausgeführt. Dies stellt eine deutliche Grundlage für eine lebenslange Haftstrafe in Askaban dar“, sagte er kühl und Harry konnte deutlich sehen, wie Draco bei diesen Worten sich verkrampfte. „Es ist ja nicht so, als hätte der Junge keine Vorgeschichte. Seine Eltern sitzen beide-“   „Er hat mich gerettet, verdammt nochmal!“, unterbrach ihn Harry. „Verstehen Sie das? Ihr nennt mich ganz erhaben den Retter der Zauberwelt, und dennoch wäre ich jetzt verflucht tot, wenn Draco Greyback nicht den Gar aus gemacht hätte! Es ist Notwehr gewesen!“ Sein Atem beschleunigte sich. Er hatte nicht wirklich nachgedacht, bevor er gesprochen hatte, doch es entsprach schlussendlich der Wahrheit.   Draco war sich komplett bewusst gewesen, dass er auf diese Weise gegen seine Auflagen verstoßen würde, und trotzdem hatte er ihn gerettet. Seinen ehemaligen Feind, mit dem er auf verwunderliche Weise momentan das Bett teilte. Harry sah zu Draco und fand die sturmgrauen Augen, die ihn undefinierbar betrachteten. Vermutlich wühlte es ihn genauso auf, immerhin war es sein Leben, was hier am seidenen Faden hing. Vielleicht fragte er sich auch, wieso Harry soweit für ihn ging. Doch er würde Draco beweisen, dass er bereit dafür war, hier und jetzt für ihn einzustehen.   „Der Fall scheint klar zu sein. Es sieht so aus, als würden sie doch bald ihre Pause kriegen, Herr Minister“, sagte die rothaarige Hexe verschmitzt und Morgan warf ihr einen bösen Blick zu.   Kingsley ließ seinen Blick kurz über alle Anwesenden schweifen, wobei er auf Harry besonders lange hängen blieb. „Falls wir ihn für schuldig befinden, würde Mr. Malfoy erneut nach Askaban geschickt werden, die Bewährung würde unweigerlich aufgehoben und es müsste eine neue Verhandlung vor dem kompletten Gamot einberufen werden, um das Strafmaß festzulegen, was er für die Ermordung Fenrir Greybacks zu verantworten hat. Wenn ich mir das so überlege, eine ganze Menge Papierkram, meinen Sie nicht auch? Wer stimmt denn für eine Verurteilung in allen Anklagepunkten?“, forderte Kingsley die anderen unter einem Lächeln auf, ihre Stimme abzugeben.   Harrys Herz stockte, als Morgan und ein weiterer Zauberer mit längerem Bart, der noch kein Wort gesprochen hatte, seine Hand erhoben. Hoffnungsvoll blickte er zu Kingsley, der Harry nachdenklich betrachtete. Draco schien ebenfalls mit seiner Fassung zu ringen und hartnäckig zu versuchen, seine Maske aufrecht zu erhalten.   „Wer stimmt dafür, alle Anklagepunkte gegen den Angeklagten fallen zu lassen?“, echote Kingsleys Stimme und zerriss die angespannte Stille.   Die Hand der Rothaarigen schoss in die Höhe und auch ein weiterer Zauberer schien sich ihr anzuschließen. Verzweifelt hob Harry den Kopf, um gegen das blendende Licht Kingsley auszumachen, und sah, wie dieser leicht lächelnd eine Hand in die Höhe hob. Sogleich donnerte das Geräusch eines kleinen Hammers und Kingsleys Worte vertieben Harrys Zurückhaltung schlussendlich.   „In allen Punkten freigesprochen.“   Euphorisch legte sich ein breites Lächeln auf Harrys Züge, und er war schon bereit aufzuspringen, als Draco jedoch seine Intention bemerkte und schnell den Kopf schüttelte, abwehrend die Arme erhob. Augenblicklich stoppte Harry in seiner Bewegung und bohrte seine Fingernägel unangenehm in das Holz der Armlehne seines Stuhls. Die Menschen um ihn herum standen langsam auf, richteten ihre Roben und verschwanden in einer Schwade aus Gemurmel und Stühlerücken, so dass sich der Raum langsam leerte. Auch Draco stand auf, folgte dem Strom, bis Harry ihn aus den Augen verlor.   Sie hatten gewonnen. Doch irgendwie ... fühlte sich dieser Sieg nicht gut an. Harry stand auf und er bemerkte, dass seine Beine zitterten. Diese Aussage hatte an seinen Nerven gezerrt und er würde nichts lieber tun, als nun schnell nach Hause zu apparieren, und dieses ganze Drama zu vergessen. Doch wo war Draco hingegangen? Harry spürte, dass das Serum immer noch wenige Minuten wirken würde. Sollte er in den Ruheraum gehen, von dem die Frau gesprochen hatte?   Er verließ den Saal und versuchte Draco ausfindig zu machen, doch selbst nachdem Harry einige Gänge abgegangen war, fand er ihn nicht. Der allgemeine Trubel im Ministerium war jedoch allgegenwärtig und Harry hatte das Gefühl, dass er ihn vermutlich niemals zwischen dem Wirrwarr aus Gängen und Stockwerken finden würde. Vielleicht war Draco auch schon längst zum Grimmauldplatz appariert und würde sich über ihn lustig machen, dass er hier herumgeirrt ist.   Harry versuchte in der Menge von Menschen einen Fluchtweg zu erhaschen, sah durch die wenigen Lücken zwischen Gliedmaßen und Schweiß hindurch, als er schließlich jemanden neben dem Zeitungsstand erspähte. Dort stand Draco. Doch er war nicht alleine. Ein großgewachsener Mann mit Rundbart und Schleife sah gebieterisch auf Draco herab. Neben ihm Zabini, der einen Arm um ihn geschlungen hatte. Sie schienen zu diskutieren, doch Harry konnte auf die Entfernung kein Wort verstehen. Harry versuchte sich unbemerkt zu nähern, was gar nicht so einfach war. Er schubste mindestens drei Leute auf dem Weg.   „Ich hoffe du weißt, dass du nicht davon laufen kannst, Bursche. Dein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass sein Sohn ein elender Dieb ist.“, grunzte der Mann spöttisch.   „Lass gut sein, er hat es verstanden“, unterbrach ihn Zabini.   „Nein er hat es nicht verstanden. Ich will sie haben und ich weiß genau, dass die Made sie gestohlen hat. Deine Mutter hat der Hochzeit bereits zugestimmt, also hör auf vor deinem Schicksal wegzurennen.“, drohte er.   „Du hast mit Mutter gesprochen?“, hauchte Draco so leise, dass er ihn beinahe zwischen den vielen Stimmen nicht hatte hören können.   Harry war drauf und dran aus seiner Deckung hervor zu kommen, als er plötzlich das Klicken einer Kamera vernahm. Aufgeschreckt drehte er sich um, so dass auch die drei Männer ihn bemerkten. Doch es war zu spät. Eine Traube von Menschen schien ihn entdeckt zu haben und näherte sich im immer schneller werdenden Tempo. Harry hatte die ungnädige Vermutung, dass Kingsleys Bemühungen, die Presse außen vor zu lassen, vielleicht doch hoffnungslos waren.   „Harry Potter!“   Harry wich einem Arm aus, der ihn versuchte am Umhang zu packen, duckte den Kopf und tauchte in der Menge unter. Er versuchte, noch einen Blick auf Draco zu erhaschen, der ihn bestimmt bemerkt hatte, doch er hatte keine Chance.   „Da ist er, Harry Potter! Bitte geben Sie ein Statement“ rief ein Mann in den 40ern und wedelte mit seinem Schreibblock, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.   „In welcher Beziehung stehen sie zu den Todessern?“ schrie eine Frau in der Ferne und Harrys Instinkt sagte ihm, dass er unbedingt von hier weg musste. Schließlich wusste er nicht, ob das Serum eventuell sogar noch wirkte. Gerade als er hilflos versuchte, eine etwas molligere Frau von sich zu schieben, die ihm immer wieder die Kamera ins Gesicht hielt, spürte er eine große Hand an seiner Schulter.   „Harry! Meine Herren, lassen Sie den armen Jungen doch in Ruhe“, sagte Kingsley hinter ihm und tatsächlich begannen die Menschen mehr Abstand zu nehmen. „D-danke“, keuchte Harry, immernoch außer Atem.   „Nichts zu danken. Allerdings komm doch mit in mein Büro, ich denke wir haben einige Dinge zu besprechen.“ Kingsleys Blick wirkte autoritär und irgendwie hatte Harry das Gefühl, dass der Minister kein Nein auf diese Frage zulassen würde.   Schluckend nickte Harry und ging zurück zu den Aufzügen, versuchte einen letzten Blick auf Draco zu erhaschen, doch die drei Männer waren bereits verschwunden.         ~~~*~~~   Einen wunderschönen guten Abend. Es freut mich, dass ihr hierher zurückgefunden habt, und ich mag mich an dieser Stelle für eure Geduld bedanken. Neben Prüfungen und einer defekten Grafikkarte habe ich endlich dieses Kapitel fertigstellen können und bin sehr froh, euch erzählen zu können, wie es mit unseren beiden Lieblingshelden weitergeht. Ein doch recht spannendes Kapitel, was mir sehr viele Nerven geraubt hat. Ich freu mich schon auf eure Gedanken! Eure Refaye Kapitel 31: Weakness -------------------- Kapitel 31: Weakness Der Weg zu Kingsleys Büro glich einem Henkerslauf. Seine Gedanken überschlugen sich und immer wieder erwischte Harry sich dabei, wie er über seine eigenen Füße zu stolpern drohte. Selbst als sie endlich an ihrem Ziel ankamen und er sich in einen der Sessel setzte, konnte er sich nicht konzentrieren.   Die Verhandlung hatte ihm jegliche Kraft geraubt. Die Sorge, dass er sich geirrt hatte und Hermine in Gefahr war, vermischte sich mit der Erinnerung an das Gespräch, was Harry in der Eingangshalle belauscht hatte. Das Bedürfnis war unerträglich, hier und jetzt das Zimmer zu verlassen und nach Draco zu suchen, doch die pochende Angst in seinem Inneren ließ ihn zögern. Es fiel ihm schwer, sich auf den Minister und das Stück Papier zu fokussieren, das demonstrativ vor ihm auf dem massiven Eichenholzschreibtisch lag.   „Wie meinen Sie das, Sir?“, fragte Harry mit heiserer Stimme.   Kingsleys fixierte ihn abschätzend.   „Unsere Handlungen ziehen immer Konsequenzen mit sich“, antwortete der Minister mit ruhiger Stimme.   Harry hatte die filigrane Handschrift Dracos sofort erkannt und er wusste zu gut, was dort vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Es war der Antrag, den sie ins Ministerium geschmuggelt hatten. In der Hoffnung, sie alle täuschen zu können.   In der Hoffnung, endlich frei sein zu dürfen.   Sein Körper erschauderte in der Vorstellung, was es bedeutete, dass Kingsley mit ihm über den Antrag sprechen wollte. Eine erneute unausweichliche Konsequenz, die einen weiteren ihm nahe stehenden Menschen mit in den Abgrund ziehen würde.   Eigentlich war es ihm unmöglich zu sagen, wie oft sich Harry schon hier in diesem Büro wiedergefunden hatte. Kingsley zeigte sich wie immer geduldig und dennoch wusste er, dass der wartende Blick des Ministers nicht ewig auf ihm ruhen würde. Nervös knibbelte er an dem Leder des furchtbar bequemen Sessels. Kingsley unterbrach jedoch Harrys Versuch mit den Worten zu ringen, indem er tief seufzte und hinter sich einen Zettel von einer Ablage nahm. Er legte ihn vor ihm auf den Tisch.   Es war eine Zeitung­­, oder eher ein einzelner Artikel, doch Harry kannte die beiden Personen, die dort mit schwarzer Tinte abgedruckt worden waren. Das Bild bewegte sich nicht, da es wohl ein Entwurf war, und dennoch wirkte sein eigener Ausdruck verträumt. Er selbst schien die Kamera überhaupt nicht zu bemerken und seine volle Aufmerksamkeit war auf den Mann neben ihm gerichtet, der ihn zögerlich anlächelte. Das musste am Bahnhof aufgenommen worden sein, Harry konnte einige der Schilder der Bahngleise im Hintergrund erkennen.   Sie sahen ... glücklich aus. Er versuchte, den festen Kloß in seinem Hals runterzuschlucken, doch seine Kehle glich einer Wüste.   „Es ist die morgige Ausgabe. Ich werde es nicht mehr verhindern können“, sagte Kingsley und auf eine eigentümliche Art hörte er Trauer in diesen Worten, auch wenn sich Harry nicht ganz sicher war, wie er diese einordnen sollte. Erstarrt sah er zurück auf die großen geschwungenen Buchstaben der Schlagzeile.   „Der Auserwählte und der Todesser“, murmelte Harry.   „Der Tagesprophet war schon immer dramatisch“   „Das können sie nicht tun...“, protestierte er und begann die ersten Zeilen des Artikels zu lesen.   „Natürlich können sie das, wenn sie vermuten, dass du mit Todessern sympatisierst und gemeinsame Sache machst“, erklärte Kingsley.   „Wir können uns nur fragen, was mit einer solchen Macht, die selbst Du-weißt-schon-wen erledigen konnte, passieren würde?“, zitierte Harry und schüttelte den Kopf. „Erneut setzte er sich für die Freilassung eines ehemaligen Todessers ein ...“, las er weiter vor. „Wechselt unser Retter nun zur dunklen Seite...? Ich ...“   „Ich habe dich gewarnt“, sagte Kingsley schließlich.   Harry schnaubte aufgebracht und blickte verzweifelt zwischen dem Zeitungsartikel und dem Minister hin und her, doch dieser betrachtete ihn nur schweigend.   „Sollen sie doch denken was sie wollen“, sagte Harry trotzig und schob den Artikel von sich.   Sein Leben war von Schlagzeilen begleitet worden, die er immer sehr gerne verhindert hätte. Für einen kurzen Moment erschien ihm das anonyme Leben bei den Dursleys doch als etwas, was er jetzt gerade begrüßt hätte. Doch es war irgendwie so, dass sein Umfeld dies mehr beschäftigte als ihn selbst. Und dennoch war er nervös. Nervös, was diese Tatsache für Draco und ihre Beziehung bedeuten würde. Es wurde zwar in keinem Wort erwähnt, dass sie ein Paar wären, aber dennoch ...   Vermutlich ist das auch einfach zu abwegig, um wahr zu sein, dachte er.   „Wusstest du, dass meine Sekretärin seit vier Jahren für mich arbeitet und in all der Zeit nicht ein einziges mal krank war?“, fragte ihn Kingsley plötzlich und nahm den Antrag erneut in die Hand. „Und heute hat sie sich doch tatsächlich urplötzlich das erste mal krank gemeldet, nachdem sie mir diesen Antrag gebracht hatte. Wegen einer Grippe.“ Der Minister fixierte ihn nachdenklich, schien auf seine Reaktion zu achten. „Einfach kein guter Tag, was soll ich sagen. Es hat mich nur so gewundert, da sie selbst mit hohem Fieber zur Arbeit kam und damit die halbe Abteilung ansteckte.“ Er zog eine Augenbraue in die Höhe und in dem Moment wurde es Harry klar, dass Kingsley Bescheid wusste.   Er wusste, dass sie gelogen hatten.   Was sollte also diese ganze Aktion mit dem Zeitungsartikel? Wenn er nach Askaban musste, hatte das alles keine Bedeutung mehr. Dabei war alles, was er gewollt hatte, doch nur ein Ausweg gewesen.   Eine Chance, ein normales Leben zu führen.   „Ich wollte ihm helfen...“, hauchte Harry leise.   Die kurze Stille, die sich in dem Büro zwischen sie legte, war unerträglich. Doch er wusste einfach nicht, wie er erklären sollte, warum er all das getan hatte. Wie es dazu gekommen war, dass er nun schlussendlich hier auf diesem Sessel saß. Vor der Aussicht, ihre Freiheit zu verlieren. Er konnte nicht deuten, was dort in Kingsleys Blick lag und als der ältere Mann endlich weitersprach, hielt Harry den Atem an.   „Ich werde ihn genehmigen“, sagte Kingsley und unterschrieb den Antrag.   „Was?“ Fassungslos starrte Harry auf das Stück Papier, welches ihm sogleich gereicht wurde.   „Bestimmt hat sie sich in der Cafeteria den Magen verdorben. Unter uns, der Eintopf sieht aus und schmeckt, als wäre er aus dem Hinterteil eines Sumpfkrattlers“, sagte der Minister und lachte erheitert. „Und du, mein lieber Harry, wirst eine öffentliche Ansprache halten, dass du nach deinem Abschluss ein unentgeldliches Praktikum machen willst, um dich für deine Ausbildung als Auror vorzubereiten und dich nunmal in deiner Rolle als Retter mit der Rehabilitation der Todesser beschäftigt hast. Das klingt doch nach einer guten Idee, meinst du nicht auch?“, fragte Kingsley und blickte ihm auffordernd entgegen, als würde er eine zustimmende Antwort erwarten.   Harry fehlten die Worte und für wenige Herzschläge starrte er einfach nur den Mann vor ihm entgegen, der ihn gerade auf die womöglich offensichtlicheste Art versuchte zu manipulieren. Es war genau das, was Kingsley immer gewollt hatte. Harry Potter unter der Kontrolle und Einfluss des Ministeriums, damit er keine Dummheiten anstellen konnte. Ein Aushängeschild, das er der Öffentlichkeit präsentieren konnte; eine Zukunft, die er eigentlich schon innerlich für sich selbst ausgeschlossen hatte. Dennoch blieb ihm vermutlich keine andere Wahl, als diesem Erpressungsversuch nachzugeben.   Denn die Konsequenz würde er sich niemals verzeihen können.   „Natürlich, Sir“, antwortete er.   „Gut dann wäre das ja geklärt“, sagte Kingsley zufrieden und stand auf, signalisierte ihm zu gehen. „Die Details schickt dir dann meine Sekretärin. Wir sollten einen guten Moment für die Verkündung aussuchen, damit es den bestmöglichen Eindruck macht“, bestimmte er zufrieden und lächelte.   Das Bedürfnis zu flüchten und der Situation zu entgehen, um endlich aufatmen zu können, drängte Harry in Richtung der Tür, als der Minister noch etwas sagte.   „Du solltest vielleicht trotzdem überdenken, ob du ihm vertrauen kannst.“ Kingsley sah kurz zur Seite, als würde er über etwas nachdenken, entgegnete jedoch erneut Harrys fragenden Blick. „Eigentlich dürfte ich gar nicht darüber sprechen, aber ... Malfoy hat etwas Merkwürdiges über dich in seiner Anhörung gesagt, als er nach dir gefragt wurde“, sagte Kingsley und Harry trat erneut einige Schritte auf ihn zu.   „Etwas Merkwürdiges?“, fragte er skeptisch.   „Er nannte dich seine Schwäche. Weißt du was das bedeuten könnte?“   Harry schluckte und richtete seine Brille, die unangenehm drückte. Alles fühlte sich taub an. „Ich habe keine Ahnung.“, sagte er schließlich, da ihm keine Erwiderung einfiel.   Er wandte sich ab, ohne noch einmal Kingsley anzusehen, und öffnete die Tür. „Bis dann“, murmelte er und verschwand aus dem Büro.     ~~~*~~~     „Eine Schwäche?“, fragte Hermine verwirrt.   „Klingt nicht gerade nach etwas Positivem“, kommentierte Ron und trank einen großzügigen Schluck aus seinem Bier.   Harrys Seufzen ging in der Musik unter, die aus den Lautsprechern der kleinen Muggelkneipe dröhnte. Im Gegenteil zu seinem letzten Besuch hier war es heute deutlich voller. Sie hatten sich an die Bar zurückgezogen, nachdem Harry vehement verneint hatte tanzen zu wollen.   „Ron!“, wies ihn Hermine zurecht, doch Harry winkte mit einer Bewegung seiner Hand ab.   Sie hatten gewonnen. Das war doch ein Grund zum Feiern oder etwa nicht?   „Lass gut sein, er hat schon recht. Es klingt nicht gerade gut ... ach, keine Ahnung“, sagte Harry und starrte geistesabwesend auf sein Glas, welches er kaum angerührt hatte. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Kingsley versucht hat, dich zu erpressen. Wir sollten das melden! Er kann dich nicht dazu zwingen, diese Ausbildung zu machen!“, versuchte Hermine auf Harry einzureden, doch es war schwierig, ihr überhaupt zuzuhören. Vermutlich wäre es nötig gewesen, sich über den schamlosen Versuch Kingsleys seinen Willen zu bekommen aufzuregen, doch seine Gedanken waren woanders. Harry dankte Ron innerlich, als dieser an seiner statt antwortete.   „Mine, er ist der Minister. Glaubst du ernsthaft, dass wir irgendetwas ausrichten könnten? Außerdem will ich keinen Streit mit denen, wenn ich bald die Ausbildung dort anfange“, erinnerte er sie. Hermine wollte sogleich antworten und ihn zurechtweisen, doch Harry schüttelte den Kopf, worauf sie es bei einem lauten Schnauben beließ.   Natürlich war es nicht das gewesen, was Harry sich für sein Leben vorgestellt hatte. Das Opfer erschien ihm jedoch klein, wenn er die Alternative betrachtete. Dann würde er halt eine Weile für das Ministerium die Drecksarbeit erledigen.   Ein kleiner Sieg, der nun einmal seinen Preis hatte.   „Ich muss mal zur Toilette...“, murmelte Harry und ließ die beiden zurück.   Eigentlich sollte er froh sein, dass sie noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen waren. Schließlich waren sie hergekommen, um ihren Sieg zu feiern. Warum verdammt fühlte er sich dann so ... Harry fiel es schwer, dieses Gefühl in Worte zu fassen. Es glich einer Leere, als wenn etwas in ihm ausgehöhlt worden war. Er öffnete die Tür zum Herren-WC und betrat den kleinen Raum. Das Licht der Deckenlampe spiegelte sich dumpf an den dunklen Fliesen und stumm betrachtete Harry sein Gesicht im Spiegel.   Seine Befürchtung war bestätigt worden, als er nach seiner Flucht aus dem Büro des Ministers feststellen hatte müssen, dass Draco nicht zum Grimmauldplatz zurückgekehrt war.   Die Gnadenfrist ist wohl abgelaufen, dachte er verbittert.   Auch wenn Harry inständig gehofft hatte, Draco dort im Wohnzimmer vor dem Kamin vorzufinden, mit einem Buch in der Hand und einem Lächeln auf den Lippen, so würde er sich jetzt verflucht nochmal zusammenreißen müssen. Seine Finger umklammerten krampfhaft das Waschbecken.   Doch was, wenn er sich irrte? Was, wenn Harry alles falsch interpretierte und Malfoys plötzliches Verschwinden nach seiner Freilassung keine erneute Zurückweisung bedeutete?   Was, wenn ...   Sein Spiegelbild verschwamm und er blinzelte, versuchte, seinen eigenen verzerrten Blick zu erwidern, doch es gelang ihm nicht. Wütend auf sich selbst rieb er sich mit dem Ärmel seiner Kapuzenjacke über die Augenlider.   Er durfte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Noch hatte er nicht mit Draco geredet. Sicher würde dieser ihm alles erklären können. Wichtige Gründe, weswegen er ihn einfach nach der Verhandlung hatte stehen lassen. Weswegen er mit diesem zwielichtigen Mann mitgegangen war, der ihn des Diebstahls beschuldigt hatte. Der Mann, der deutlich gemacht hatte, dass Draco vor der Hochzeit nicht davon laufen konnte ...   „Ich wette, er ist es nicht wert“, echote eine Stimme hinter ihm.   Erschrocken wirbelte Harry herum und blickte in das entschuldigende Lächeln des jungen Barmanns, dessen Name ihm einfach partout nicht mehr einfallen wollte.   „Oliver“, erinnerte der Blonde und trat einen Schritt auf ihn zu.   „Und ich denke, du könntest einen Drink vertragen.“     ~~~*~~~     Die letzten Stunden zogen wie ein Film an ihm vorbei, geprägt von engen Körpern, die auf der Tanzfläche aneinander rieben. Ein sanftes Lächeln und jede Menge hochprozentigen Alkohols. Harrys Sinne schwammen dahin und er erschrak sich regelrecht, als sie die Bar verließen und schließlich in die kalte dunkle Gasse traten. Die Nachtluft war eisig und Harry hörte den Wind durch das Backsteingemäuer pfeifen. Das Klimpern eines Schlüssels unterbrach diesen ungewöhnlichen Moment der plötzlichen Ruhe und Harry drehte sich zu Oliver, der gerade den Laden abschloss.   „Harry, Ron und ich werden ... na ja“, begann Hermine neben ihm zu sprechen, doch schien sie sich nicht ganz sicher zu sein, wie sie es formulieren sollte. Ihr Blick glitt rüber zu Oliver.   „Willst du mitkommen, ich kann dich mitnehmen. Nun ja, Seite an Seite, du weißt schon ...“, murmelte sie leise in Harrys Richtung, der endlich verstand, was sie eigentlich von ihm wollte.   „Ich laufe“, war seine kurze Antwort.   Sein Kopf dröhnte und bei der Vorstellung, nun in seinem Zustand zu apparieren, wallte eine regelrechte Übelkeit in ihm auf, dass er den säuerlichen Geschmack in seinem Mund herunter schluckte.   „Aber ... Du... Harry, bist du sicher?“ Hermine sah zweifelnd zu Ron und klammerte sich etwas fester an seinen Arm.   „Ach komm schon Mine, der Held ist doch wohl alt genug, um nach Hause zu laufen, oder?“, witzelte Ron glucksend und klopfte Harry freundschaftlich auf die Schulter.   „Der Held?“, fragte Oliver neugierig und hob eine Augenbraue.   „Vergiss es einfach“, zischte Harry und sah Ron vorwurfsvoll an. Schließlich hatte der Barmann keine Ahnung, was sie in Wirklichkeit waren.   „Oh...“, sagte Ron stirnrunzelnd.   „Harry ist so heldenhaft, er hat mal meine Katze vom Baum gerettet. Krummbein, ein liebes Tier“, erzählte Hermine, was Olivers Verwirrung deutlich zu klären schien. Er lächelte bescheiden und Harry konnte seinen Blick auf sich spüren.   „Hör zu, ich kann dich fahren, wenn du willst. Ich bin mit dem Auto hier und hab noch nicht so viel getrunken“, bat ihm Oliver an.   „Problem gelöst“, antworte Harry schulterzuckend und war froh über eine Möglichkeit, Hermines erdrückender Sorge zu entkommen.   Unbekümmert folgte er dem Mann, den er erst vor kurzem kennengelernt hatte in eine Seitengasse zu einem kleinen Wagen, der definitiv mal in die Werkstatt musste. Der Sitz quietschte, als Harry sich in das tief liegende Polster fallen ließ und ihm ein kleiner Aschenbecher auffiel, der vorne an der Armatur angebracht worden war.   „Eine schlechte Angewohnheit“, kommentierte Oliver und startete den Motor, der nach einigem Rattern ruhig zu brummen begann. Harry erklärte ihm in Grundzügen den Weg zu dem kleinen Park in der Nähe des Grimmauldplatzes, wo er ihn rauslassen sollte.   Er raucht also, dachte sich Harry und blickte gedankenabwesend aus dem Fenster, als sie aus der Gasse auf die Hauptstraße fuhren. Doch das war nicht alles, was er seit heute über seine Begleitung wusste. Oliver wollte Anwalt werden, studierte Jura und war der jüngste dreier Brüder, die gerne mal untereinander stritten. Eine Geschichte, durch die er Ron sofort auf seine Seite gezogen hatte und doch war die Erkenntnis, wie gut er seine flüchtige Bekanntschaft bereits kannte, irgendwie ernüchternd.   Was wusste er eigentlich von Draco? Sein Kopf schmerzte, wieso hatte er überhaupt so viel getrunken? „Er scheint es wohl wert zu sein“, sagte plötzlich Oliver neben ihm und Harry schreckte hoch. „Was?“   Doch Oliver antwortete ihm zunächst nicht, fokussierte sich auf den Verkehr. Harry bemerkte, wie er die Finger um das Lenkrad krallte.   „Hey, ich versteh schon. Mach dir keinen Kopf, ich hätte selbst darauf kommen können, dass du noch etwas zu verarbeiten hast. Na ja, wegen der Toilette, du weißt schon ..“, sagte er und lächelte ihn gezwungen an.   „Hör zu ich ...“, wollte Harry sagen, doch war sein Kopf wie leergefegt. Ein heißer, unangenehmer Schauer rauschte durch seine Adern.   Was tue ich hier eigentlich?, dachte er und fokussierte durch das von ihrem Atem beschlagene Fenster den roten Punkt, der wohl zu einer Ampel gehörte.   Harry konnte nicht sagen, ob es am Alkohol lag oder aber an der Tatsache, dass selbst dieser seine Gedanken nicht von Draco abringen konnte. Zusammen mit der Realisation, dass es ihm unmöglich sein würde, alles zu vergessen.   „Es tut mir leid“, sagte Harry leise und wandte zögernd seinen Blick erneut aus dem Fenster.   Sie fuhren eine Weile, in der Harry versuchte, seine verwirrenden Gedanken zu ordnen. Der leise prasselnde Regen war beinahe ohrenbetäubend und untermalte die komische Stille, die im Inneren des Wagens herrschte. Die Regentropfen bildeten am Fenster Schlieren, die sich vom Wind getragen über die Scheibe zogen. Er beobachtete, wie sie teilweise ineinanderflossen, sich verbanden und doch wieder lösten, als ein Geräusch Harry zusammenzucken ließ. Ein lautes Donnern grollte durch den Himmel.   „Natürlich muss es jetzt gewittern“, meckerte Oliver und versuchte, in der Dunkelheit zwischen der Reflexion der Lichter etwas zu erkennen.   „Jetzt bist du bestimmt froh, nicht gelaufen zu sein“, versuchte er eine Konversation zu starten und lachte kurz auf.   Doch Harrys Blick war in den Himmel gerichtet. Er betrachtete die dunklen Wolken, während die Reste des Alkohols in seinem Gehirn summten. Irgendwas an seinen Worten brachte ihn jedoch dazu, seinen Kopf erneut zu ihm zu drehen.   „Was hast du gesagt?“, fragte Harry verblüfft.   Sie kamen an ihrem Ziel an und Oliver parkte in einer kleinen Parkbucht 100 Meter vom Parkeingang entfernt. Mit einem Ratschen rastete die Handbremse ein, als er sie nach oben zog.   „Schon okay“, sagte er und eine Traurigkeit schwang in seiner Stimme.   „Ich habe eigentlich nur über das dumme Gewitter geredet. Über das Wetter, na ja du weißt schon“, er rieb sich verlegen über seinen Hinterkopf.   Harry wusste nicht ganz, was ihn so aus dem Konzept brachte, doch für wenige Herzschläge, starrte er den blonden Barmann nur an, unfähig sich zu bewegen.   „Wir haben am Sonntag nächste Woche übrigens Karaoke“, erzählte Oliver, doch Harry stand abrupt auf und verließ das Auto. Er steckte erneut seinen Kopf in den Fahrerraum. „Ich muss gehen, danke, dass du mich gefahren hast“, murmelte Harry hastig und schlug die Tür zu.   Oliver, der verwirrt von seinem plötzlichen Abgang war, stieg sogleich ebenfalls aus.   „Eh, kein Thema. Rufst du mich -“, wollte er sagen, doch Harry bekam es nicht mehr mit.   Er rannte.   Er rannte, so schnell ihn seine Füße über den aufgeweichten, matschigen Boden tragen konnten, als er schließlich den Eingang des Parks erreichte und mit einem lauten Quietschen das kleine Tor öffnete.   Die Nässe des Gewitters hing schwer an seiner Kleidung und in seiner Eile, hatte er sich nicht einmal seine Kapuze über den Kopf gezogen. Doch es war egal. Mit einer Bewegung seiner Hand wischte er sich die triefenden schwarzen Haare von der Stirn und verließ den Parkweg, um durch das Dickicht den kürzesten Weg zu gehen.   Es war eine Vermutung. Eine kleine Hoffnung, die seinen Körper dazu veranlasst hatte, einfach loszustürmen. Als er endlich an der Stelle ankam, wo er in der Ferne zwischen den Zweigen die Lichtung erkennen konnte, verlangsamten sich seine Schritte.   Doch was ist, wenn er nicht da ist?, schoss es ihm durch den Kopf.   War es doch eigentlich so abgesprochen gewesen. Dass sie sich wiedertrafen, auf dieser Lichtung. Um den Trank zu sich zu nehmen und zu Animagi zu werden. Eine Vereinbarung aus einer gefühlt anderen Zeit. Er schloss die Augen. Das Gefühl, was in seinem Inneren pochte, war unangenehm. Es schnürte ihm die Luft ab und sein Körper erschauderte unter der nassen Kleidung, die unangenehm auf seiner Haut lag. Er hatte den Atem angehalten, als er schließlich seine Augen öffnete.   Die Lichtung strahlte an diesem Abend eine unheimliche Art der Ruhe aus. Das schwache Mondlicht fiel nur vereinzelnd durch die knöchernen Äste. Einzig mehrere schlammige Fußspuren zerstörten das Bild und zeugten von den Geschehnissen, die sich hier ereignet hatten. Es war schwer, die aufkommenden Bilder zu verdrängen und doch ließ er seinen Blick verzweifelt durch die Dunkelheit gleiten, bis hin zu der kleinen Erhöhung, wo sie die Schatulle mit den Tränken vergraben hatten.   Was hab ich eigentlich erwartet?, seufzte er in Gedanken und schloss seine Augenlider etwas. Mit schweren Gliedern ging er den kleinen Hügel hinauf und hockte sich auf die nasse Erde.   Man verliebte sich schließlich nicht einfach so in seinen Erzrivalen, der auf der bösen Seite stand. Die Seifenblase, in die sie sich selbst eingeschlossen hatten, war geplatzt und es gab kein Zurück mehr. Denn es stimmte. Er liebte diesen verdammten Mistkerl so sehr, dass er sich selbst dafür verfluchte.   Seine Nagelbetten brannten unangenehm, als er die Erde mit den Händen ausgrub, sie zur Seite schaufelte, um das Kästchen freizulegen. Eine flüchtige Erleichterung flammte unter dem pochenden Gefühl in seinem Inneren und er zog es heraus.   Harry war bereit gewesen alles für diesen verdammten Mistkerl aufzugeben. Nachdenklich nahm er eine der Phiolen in die Hand und hielt sie in das Mondlicht, doch die Nacht war zu dunkel, um die genaue Farbe zu erkennen. Die Flüssigkeit im Inneren wirkte silbern und doch hatte sie eine merkwürdig milchige Substanz. Die Erinnerung an die schäumende Larve ließ ihn seine Lippe verziehen. Seufzend setzte er sich auf den kalten Waldboden.   Sollte er den Trank nehmen?   Harry könnte auch ohne Draco ein Animagus werden. Dem Beispiel seines Vaters folgen und sich auf diese Erfahrung einlassen. Es muss unheimlich befreiend gewesen sein, als Hirsch die Ländereien von Hogwarts zu erkunden.   Eine Freiheit, die ihm gerade sehr verlockend vorkam.   Kingsley hatte den Antrag schließlich genehmigt, auch wenn der Preis dafür hoch gewesen war. Ein Detail, von dem Draco noch gar keine Ahnung hatte.   Hör auf über ihn nachzudenken, mahnte er sich und zog den Korken aus der Phiole. Der Regen hatte nachgelassen und auch fühlte er sich nüchterner durch die Kälte, die dank seiner nassen Kleidung an seinem Körper hang.   Zögerlich versuchte er, an der Phiole zu riechen, doch konnte er kaum einen Geruch durch seine mittlerweile eiskalte Nase wahrnehmen. Kurz starrte er auf die kleine Öffnung und versuchte Reste der Larve in dem Gebräu zu erkennen, als er dann jedoch die Augen schloss und tief durchatmete.   Mit einem Schluck würgte er den Trank herunter und musste sogleich stark husten. Verzweifelt griff Harry sich an seinen Hals, um zu verhindern, dass er ihn nicht sofort wieder erbrechen würde.   Das plötzliche Geräusch von Schritten ließ ihn aufhorchen, als er eine Person ausmachen konnte, die aus dem Unterholz auf ihn zukam. Er spürte eine warme Hand an seiner Schulter, die ihm schließlich dreimal sanft auf den Rücken klopfte.   „Eigentlich soll man es vorher etwas schütteln, damit es nicht so bitter ist“, sagte die Person neben ihm, welche ihm auffordernd die Hand hinstreckte.   Harry hob den Blick und erstarrte.   „Malfoy“, hauchte er atemlos.       ~~~*~~~ Hallo meine Lieben, ich wollte den Moment nutzen, um euch an dieser Stelle ein besinnliches Fest und frohe Feiertage zu wünschen. Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ich freue mich wie immer über Feedback. Bis dann! Eure Refaye                                   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)