Atvends Kalender 22 von kylara_hiku_Lamore ================================================================================ Kapitel 1: Im Warteraum ----------------------- Genervt fuhr der Rotschopf sich durch die Haare. Er wartete und das schon ganze 10 Minuten, obwohl er einen Termin hatte. Und wenn er etwas hasste, war es Unpünktlichkeit. Eines der wenigen Mitbringsel seiner Vergangenheit. Seine stahlblauen Augen durchkämmten erneut die Räumlichkeiten. Ein gekipptes Fenster gab  den Blick auf andere große Gebäude im ähnlichem Baustil frei. Das Plissee war am unteren Ende zusammen gezogen und verdeckte gerade so das untere Viertel. Davor stand eine weißen Orchidee, die mit ihren Blättern fast die ganze Fensterbreite einnahm. Die Wände waren in einem hellen Grau gestrichen, an deren Trostlosigkeit auch die farbgewaltigen Bilder nichts ausrichten konnten. Für ihn machte die moderne Kunst eher den Eindruck, als hätte man einfach nur ein paar gelbe und rote Farbkübel ausgeleert und dann mit ein bisschen Blattgold versucht, dem Kunstwerk doch noch etwas wirklich wertvolles hinzuzufügen. Unruhig überschlug er die Beine und rückte dabei seinen roten Stuhl zurecht, um sich mit dem Ellenbogen auf dem Zeitschriften-Tischchen abzustützen. Während er seinen Kopf in die Hand legte und die Klatsch-Zeitschriften überflog, fiel ihm dann doch ein Artikel ins Auge, den sein Vorgänger einfach aufgeschlagen zurück gelassen hatte. Seine Augen überflogen die ersten Textzeilen. #Solche sozialen Eremiten nennt Mariela Sartorius "unerbittliche Türsteher an der Pforte zur eigenen Seele" in ihrem Buch "Die hohe Schule der Einsamkeit". Sie wollen nicht immerzu "connected" sein. Sie schlagen Hektik und Zeitfressern die Tür vor der Nase zu. Und werden Einzelgänger. Und manche werden ganz allmählich wunderlich. Sie geraten sozial aus dem Takt, rutschen unbemerkt und ungewollt in eine emotionale Verwahrlosung. Wer Freunde verprellt, Bekannte vernachlässigt, Nachbarn brüskiert - nur, weil er immer öfter seine Ruhe haben will -, der bringt sich selbst um ein Stück Leben.# Nun war seine Neugierde doch geweckt und er griff nach der „Brigitte“, um den Artikel weiter zu studieren. Nicht ohne dass sein Hirn hierzu nicht seine eigene Meinung hatte. Schließlich hatte er nur selten die Gelegenheit alleine zu sein. Und auch wenn sein Psychotherapeut ihm immer sagte „Ein Mensch wird ein Mensch nur durch andere Menschen.“ So gingen ihm seine Teamkollegen manchmal richtig auf die Nerven. Ja, sogar dass er sich fragte, ob er wirklich ihren Lärm, den sie veranstalteten, ertragen musste. Oft klauten sie ihm mit ihren Streitigkeiten den letzten Nerv oder redeten ihm ins Gewissen, wenn eine Entscheidung nicht ihren Vorstellungen entsprach. Muss ein Mensch so etwas aushalten können? Oder wenn sie ihn bis in seine Träume beschäftigen? Nein. Es war doch genug, sie im Leben zu treffen. So hatte er kurz nach der ersten WM auch gedacht. Er wollte damals weder Zeit noch Raum teilen! Nun aufrecht sitzend mit einer Klatschzeitschrift in der Hand folgen seine Augen den Buchstaben. #Dabei brauchen Singles ihr menschliches Netzwerk mehr als Leute, die in Familien eingebunden sind. Die meisten wissen es und sind hervorragende Netzwerker, sorgen für ihren eigenen Halt in der Welt.# Als ob nur Familien für Halt sorgen könnten, wenn die wüssten. Sein Netzwerk ist klein aber dafür funktionstüchtig. #„Es kostet allerdings Energie, sich selbst bei anderen in Erinnerung zu rufen, Einladungen auszusprechen, auf Hilferufe zu reagieren, sich auf die Probleme anderer einzustellen. Allein den Wein für die eigene Geburtstagsparty heranzuschaffen. Sich für ein gelungenes Fest zu bedanken und selbst mal ein tolles Menü hinzustellen. Die Katze vom Nachbarn zu füttern. Wer diesen Aufwand scheut und lieber im Energiesparmodus lebt, macht nicht nur die Welt ein bisschen ärmer, sondern auch sich selbst“. Albert Schweitzers oft zitierter Satz "Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt" bekommt in unserer Single-Gesellschaft eine ganz besondere Bedeutung!# Energie, ja die hat es ihn gekostet seine eigene Schwermut zu überwinden und dann festzustellen, dass sich dieser Spruch wirklich bewahrheitet hatte! Eine Erfahrung , die er selbst erst und sein ganzes Team hart lernen mussten. Es war anfangs innerhalb des Team eigentlich ganz leicht gewesen, jeder hatte seine Aufgaben. So hatten alle etwas davon. Und jeder musste etwas tun. Aber das auf das ganze Umfeld auszuweiten ist ihnen schwer zu gefallen. Warum sollte man fremde Menschen freundlich grüßen? Dem Postboten die Tür aufmachen, wenn er das Paket doch auch einfach vor der Tür abstellen konnte. Die Einladung zu einer Feier annehmen, auf die man gar nicht wollte? Wieso sollte man seinem Therapeuten Einblicke in sein Leben geben? Diese soziale Kompetenz lag ihnen allen nicht. Es gab sogar Tage, an denen sie sich einander aus dem Weg gingen, einfach um alleine zu sein. Weil die andern zu viel Energie kosteten die man gerade einfach nicht aufbringen wollte. Es war das Bladen, das sie an solchen Tagen wieder zusammen brachte. Der gemeinsame Spaß am Sport, der Ehrgeiz weiter zu kommen! Keiner von ihnen hätte es alleine geschafft, den Weg in die Normalität zu finden.     „Entschuldigen Sie bitte die Wartezeit Herr Ivanov“. Ein Mann mit grauen Haaren und Brille auf der Nase war ins Wartezimmer getreten. Sein Blick fiel auf den Artikel den er gerade las „ Ah, meine Frau hat mir erst von dem Artikel erzählt. Single sein, allein sein verändert Menschen.“ Yuri blickte auf. Eigentlich sollte man annehmen, dass er sich erschrocken hätte, aber die Zeiten in denen er vor so unerwartet Worten zusammengezuckt ist, waren definitiv vorbei. „Eine sehr treffende Überschrift.“ antwortete er und legte das Heft zur Seite um sich dann zu erheben. „ Wissen Sie denn überhaupt wie das ist, wenn man alleine ist? Sie sind doch ständig von ihrem Team und den Medien umgeben, wünschen Sie sich das denn nicht manchmal?“ Ein Schmunzeln überkam seine Lippen, er musste über diese Antwort nicht nachdenken. Zu lange war er seinen Lebensweg dafür alleine gegangen. „Dr. Kalinovski, ich weiß sehr wohl,wie es ist, wenn man Alleine gegen die Welt steht und nein..... ich will nicht alleine sein! Wobei ich denke, dass das Problem nicht das alleine sein, sonder viel mehr die Einsamkeit ist. Man kann viel Alleine sein und Zeit für sich selbst beanspruchen ohne einsam zu sein. Ein einsamer Mensch hingegen kann voll im Leben stehn ohne bemerkt zu werden“ Der alte Mann sah eindringlich in die Augen des Jüngeren und sie schienen ihm in so kurzer Zeit schon so lebenserfahren „Da gebe ich Ihnen recht, die Menschheit reicht leider nicht jedem ertrinkendem die Hand!“   Damit schritt der alte Mann voran und öffnete die gelbgestrichene Türe. Mit einem Wink mit der Hand deutete er Yuri einzutreten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)