Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 10: Izara ----------------- Auf dem Heimweg erfuhr sie alles. Als sie vor dem Haus ihrer Zieheltern standen, wusste sie von ihrer Herkunft, darüber, wer er war und warum er sie aufgesucht hatte. Seinen Namen hatte sie auf dem Weg auch erfahren, aber die Tatsache, dass er der König war, machte das Wissen nichtig. Der König hat sich persönlich um mich gekümmert, diese Tatsache kam ihr selbst mit dem Wissen, dass sie eine Prinzessin sein soll, unwirklich vor. "Sind wir", fragte sie vorsichtig und blieb am Gartentor stehen, "sind wir verwandt?" "Nein", antwortete er, "obwohl man das nie richtig sagen kann. Drachen leben etwas anders als Menschen, aber König Juras war nicht mein Vater." Izara spürte…Erleichterung? Sie nickte, sie hatte noch viele Fragen, aber die meisten dienten hauptsächlich dazu, nicht dieses Haus betreten zu müssen. Izara hatte Angst, was sich dahinter verbarg. Wie Levis reagierte, wenn er sie sah. War er dolle gekränkt? Und Kaia? Würde sie es ihr übel nehmen, dass sie so einfach weggerannt war? Es nützte nichts. Sie musste sich ihnen stellen. Schon allein, weil sie vielleicht nicht mehr viel Zeit zusammen hatten. Man wollte sie mitnehmen, und ihr Schutz bedeutete, diejenigen verlassen zu müssen, die ihr alles bedeuteten. Er ließ ihr den Vortritt und Izara schritt die letzten Stufen zur Tür hinauf. Sie klopfte - ein Mal, und noch ein zweites Mal, weil der erste Versuch nicht zählte. Aber man hatte sie gehört. Noch die Faust an der Tür, riss diese auf. Levis stand vor ihr. Die Augen auf ihrem Gesicht. Er sah schrecklich aus. Die Augenränder hingen ihm fast bis zur Nase. "Levis, ich-" Seine Arme zogen sie an sich, er drückte Izara an die Brust, dass sie seinen rasenden Herzschlag spüren konnte. Tränen liefen Izaras Wange hinab, sie gönnte sich den kurzen Moment, an dem sie das kleine schwache Mädchen spielen durfte. "Bei den Göttern, du bist wohlauf!" "Lev", hauchte Izara, "du erdrückst mich." "Das hast du nicht anders verdient, junges Fräulein!", brummte er in ihr Ohr, "hör' endlich auf, Rücksicht auf mich oder Kaia nehmen zu wollen. Nicht, wenn es um deine Sicherheit geht." "Tut mir leid. Ich werde es mir merken." Dann ließ er langsam locker. Levis legte die Hände auf ihre Oberarme und musterte seine Adoptivtochter. "Du siehst verändert aus", ein Lächeln huschte über seine Lippen, bevor er sich mit ernster Miene an den König wandte. "Ihr habt Euer Wort gehalten. Danke." König Devon nickte. "Komm', Izara", er lenkte sie in den Flur, "es gibt einiges zu besprechen." Im Wohnzimmer wartete bereits Kaia. Die rassige Hyrakonda umarmte Izara, entgegen ihrer Vermutungen, brannte Kaia kein bissiger Spruch auf den Lippen. Sie schien bloß froh, dass Izara wohlauf war. Kaia war nicht allein im Zimmer. Da stand noch der andere Drache, direkt am Fenster. Er fixierte Izara und mit einem kaum merklichen Nicken verneigte er sich. Izara war viel zu verwirrt, als dass sie angemessen reagieren konnte, geschweige denn eine Ahnung hatte, wie man überhaupt darauf zu reagieren hatte. Die Geschichten, sie wäre König Juras Tochter und demnach die Prinzessin aller Drachen, wollten nicht in ihrem Kopf ankommen. Vor der Erweckung war sie doch nichts weiter als ein unwichtiger Drachenmensch gewesen. Wie konnte eine Erweckung so vieles verändern? Sie war froh, als der König den Raum betrat, damit konnte sie sich einreden, der Drache hatte sie vor ihm verneigt. Die beiden tauschten Blicke aus, danach ruhte alle Aufmerksamkeit wieder auf Izara. Es gab wirklich viel zu bereden, aber im Grunde lief alles auf dasselbe hinaus. "Ich soll einfach fort?", Izara konnte diese Tatsache nicht akzeptieren. Nicht einmal eine Woche gab man ihr, nein, wenn es nach den anderen ginge, säße sie schon längst im nächsten Zug Richtung Dragor . "Es ist der einzige Weg", seufzte Levis. Ausgerechnet Levis. Er war ein Skeptiker, besonders wenn es um Drachen ging. Es hatte Jahre gedauert, bis er sich mit Mayabe abgefunden hatte. Solar gegenüber blieb er noch heute misstrauisch. "Und was ist mit euch?", platzte es aus ihr heraus. "Wer passt denn auf euch auf, wenn ich weg bin? Sie werden merken, dass ich fort bin und dann…dann kommen sie zu euch." Izara wollte sich gar nicht ausmalen, was alles passieren könnte. "Mach dir um uns keine Sorgen", winkte Levis ab, aber Izara schüttelte den Kopf. "Ihr wollt, dass ich einfach so fort gehe. Ohne irgendjemandem Lebwohl zu sagen? Ohne zu wissen, was aus dir und Kaia wird?" "Izara", Levis legte eine Hand auf sie. Sie saßen auf der Couch - zumindest die drei Hausbewohner. Die beiden Drachen standen am Fenster, beobachteten stillschweigend die Diskussion. Levis fuhr fort: "Hör' zu. Ich bin dieses Risiko schon vor Jahren eingegangen. Als deine Mutter dich auf die Welt brachte - als alle wussten, was du warst -, bestand die Gefahr, dass sie mich dir wegnehmen könnten… oder mich einfach verschleppen - je nachdem, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Es war meine Entscheidung, dich aufzuziehen - egal, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Also hör' auf, dir Sorgen um mich zu machen. Ich komme zurecht. Und Kaia auch." Die Hyrakonda nickte. Nur Izara konnte nicht glauben, dass an dieser Stelle Schluss sein sollte. Dass sie einfach ihrer Wege gehen sollte, als hätte es die beiden nie gegeben. Wut machte sich breit. Sie entzog sich seinem Arm und sprang auf. "Das ist euer Todesurteil! Wieso tut ihr noch länger, als ginge es mich nichts an?!" "Hier wird niemand sterben", mischte sich auf einmal der andere Drache, Trias, ein. "Wir werden es so aussehen lassen, als wärd Ihr, Prinzessin, freiwillig geflohen. Die Paladine werden die Spur noch etwas verfolgen und dann aufgeben. Drachenmenschen interessieren sie nicht. Wir werden die Spuren manipulieren und die Paladine irgendwo im Westen suchen lassen." "Du hast eine Sache vergessen", keifte Izara. Sie merkte nicht einmal, wie sie alle Höflichkeiten abgelegt hatte. Sie war beleidigt, dass ihr keiner davon erzählt hatte. Die Herren schienen genug Zeit gehabt zu haben, Pläne zu schmieden und sie hatten es nicht nötig gehabt, Izara vernünftig einzuweihen. "Mein Halsband lässt mich nirgendwo hingehen", wie konnten sie das vergessen? "Sobald ich die Region verlasse, wird der Bürgermeister informiert. Egal, wo ich bin, sie werden mich überall finden." "Izara", murmelte Levis, "ist es dir denn noch gar nicht aufgefallen?" "Was denn?" Und Kaia entgegnete: "Schau dich doch mal an." Irritiert starrte sie ihre Zieheltern an. Weil sie nichts weiter sagten, lief Izara auf das Fenster zu. Levis hatte gemeint, sie hätte sich verändert, aber dasselbe Spiegelbild leuchtete ihr entgegen. Moment! Izara fasste sich an den Hals. "Wo ist es hin?" "Weg", antwortete dicht neben ihr der König. "Wie-" "Ich war das." "I-Ihr könnt-", Izara fehlten die Worte. Sie war frei? Einfach so? "Drachen können die Halsbänder nicht vernichten", flüsterte sie. Von all den Geschichten, die sie heute schon gehört hatte, war dies die Verrückteste."Die Paladine nutzen eine spezielle Legierung, damit niemand sie durchtrennen kann. Nicht einmal Magie." "Ich kann es." Er klang so überzeugend, dass es Izara eiskalt den Rücken herunter lief. "Die Macht des Himmelsdrachen", fügte Trias hinzu. "Das ist-", fassungslos starrte sie König Devon an. Wenn ein Himmelsdrache dazu fähig war, was könnte er noch gegen die Paladine ausrichten? "Verstehst du nun, Izara?", Levis kam auf sie zu. Versöhnlich blickte er seine Adoptivtochter an, aber Izara konnte er nichts vormachen. Das Trübe in seinen Augen war unverkennbar. "Ich kann dich nicht länger beschützen. Aber sie… bei ihnen bist du sicher. Sie passen auf dich auf, bis du stark genug bist, auf dich selbst aufzupassen." Glaubte er das wirklich? Izara wollte es zumindest glauben. Wenn der Tag käme, an dem sie sich gegen die Paladine behaupten könnte, würde sie sich nicht mehr verstecken müssen und könnte Levis und Kaia vielleicht wiedersehen. Wenn… "Nun", der König riss sie aus ihren Gedanken, "wie entscheidest du dich?" "Ich dachte, ich habe keine Wahl?" "Wir werden dich nicht zwingen, mit uns zu kommen." Er war ehrlich, das spürte sie. Zumindest wollte er es sein, ob er im Ernstfall seine Meinung ändern würde, war eine andere Sache. "Ich komme mit", sie begegnete seinen Blicken - standhaft, "unter einer Bedingung." "Und die wäre?", fragte er ruhig, wenn sie auch Verwunderung erkennen konnte. "Die anderen Drachen", sagte sie, "es leben etwa hundert weitere in Kandio. Wenn Ihr sie befreit, komme ich mit." "Wisst Ihr, was Ihr da sagt!?", Trias schüttelte den Kopf, "denkt Ihr, es wäre so einfach-" Der König brachte seinen Leibwächter zum Schweigen. "Einverstanden", entgegnete er, ohne Izara aus den Augen zu lassen. "Aber, Hoheit!", Trias riss die Augen auf, "das ist viel zu riskant." "Das Risiko ist mir bekannt. Doch ich weiß, warum sie das tut und sie hat recht." "Ihr wisst selbst, dass eine Einmischung in diesem Ausmaß Konsequenzen nach sich ziehen wird. Erst neulich habt Ihr-" Stumm schauten die Drachen einander an. Izara fragte sich, ob Himmelsdrachen auch Gedanken lesen konnten. Sie wusste nicht wieso, aber es kam ihr so vor, als würden sie weiterreden. Irgendwann resignierte Trias. Mit einem Seufzer wandte er sich an ihre Zieheltern und sagte: "Bringt sie bis morgen nach Vebrix. Wir nehmen den ersten Zug." Dann marschierte er aus dem Haus. Er sah wütend aus, Izara wusste, dass es ihre Schuld war. Ein letztes Mal wandte sich der König an sie. Sein Blick fesselte sie aufs Neue und ein Teil von ihr freute sich darauf, mit ihm gehen zu dürfen. Sie hätte Zeit, herauszufinden, was es mit dieser Anziehung auf sich hatte und ob er sich ihr gegenüber irgendwann öffnen würde, denn nichts anderes wünschte sie sich. Aber zunächst sah sie ihn aus dem Haus gehen. Ein wenig machte ihr die Forderung zu schaffen. Die Drachen gingen ein hohes Risiko ein, wenn sie sich mit den Paladinen Kandios - ganz besonders mit Bürgermeister Flatsch - anlegten. Andererseits hätte Izara nie wieder ein Auge zumachen können, wenn sie die anderen Drachen einfach ihrem Schicksal überlassen hätte, während sie von nun an in Freiheit lebte. Auch wenn nicht jeder freundlich zu ihr gewesen war, sie verband alle dasselbe Schicksal, dieselben Ketten der Unterdrückung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)