Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 29: Izara ----------------- Alle Augen waren auf sie gerichtet, als Izara auf die Eier zurannte, ausrutschte und direkt vor dem Höhleneingang zum Stehen kam. "Sieh mal einer an", grinste sie der Fremde von Weitem an, "da ist ja noch eine." "Versch-", das war Kyia, der Bergdrache hatte nicht die Kraft zu sprechen. Wasser kam aus ihrer Lunge, ihr Blick war genauso voller Panik wie der ihrer Freundin. "Geh!", kreischte nun auch Sila, mehr Drache als Mensch. Die Augen, Tränen verschmiert, starrten zu Izara herüber. Beide Weibchen sahen einander tief in die Augen. So viel Abscheu Sila gegenüber Izara auch empfand, gerade galt ihr Hass nur sich selbst. "Ich kann nicht", sagte Izara, den Blicken der Lóng standhaltend, "du willst das doch gar nicht." "Ha, du dummes Ding", lachte der Paladin und stellte sich demonstrativ hinter Sila. "Scheinbar hat man euch Drachen ganz schön verweichlicht. Dass ihr es wagt, mir ohne weiteres in die Quere zu kommen", er wickelte die Ketten um sein Handgelenk. Der zweite Arm fehlte ihm, ein befremdlicher Anblick, da noch Blut aus dem abgerissenen Ärmel tropfte. In Kandio hätte es so etwas nicht gegeben... Izara riss die Augen auf. "Bürgermeister", sie sah zu dem Fremden. Sein Gesicht hatte überhaupt keine Ähnlichkeit zu Flatsch. Der Bürgermeister war ein grauhaariger älterer Mann mit Bart und zwei buschigen Augenbrauen, die in die Höhe schnellten, wenn ihm etwas nicht passte. Aber die Stimme - sie gehörte eindeutig dem Bürgermeister von Kandio. "Oh, du weißt, wer ich bin." Zumindest sein Lächeln war gleich. "Dann bist du wohl der Drachenmensch." Er erkannte sie nicht. Natürlich nicht. Das letzte Mal, dass er zusammen mit Izara auf dem Marktplatz gestanden hatte, war vor zehn Jahren gewesen, am Tag, als ihre Mutter sich erhängt hatte. An kleine, weinende Mädchen erinnerte sich niemand, schon gar kein so wichtiger Mann wie Flatsch. "Und ich dachte schon, die Mühen seien vergeblich", sagte er und musterte Izara amüsiert. "Lassen Sie sie in Ruhe!", rief Izara. Sie durfte sich nicht von seinem Erscheinungsbild täuschen lassen. Das war eindeutig Flatsch - ein gnadenloser Paladin. "Ha", laut lachte er auf, die Überheblichkeit triefte nur so aus ihm. "Hast du deinen Platz vergessen, Drache? Glaubst du, ich lasse mir von dir etwas sagen?" "Verschwinde endlich", kreischte Sila, mit feuerroten Wangen und blutunterlaufenen Augen. "Ich kann nicht", rief Izara und krabbelte zu den Eiern. Sie hockte sich vor die zerbrechlichen Schalen. Die Arme weit ausgebreitet sah sie zu der Lóng, die sich auf die Unterlippe biss. "Ein wirklich schöner Anblick", Flatsch zeigte seine Zähne, "ich frage mich, wer von euch beiden zuerst auf die Knie geht." Damit gab er Sila den Befehl zum Angriff. "Weg!", schrie sie, aber Izara hörte nicht. Die Lóng holte aus, die Hand schlug Izara mitten ins Gesicht. Kalt und hart waren die Schläge, gestärkt durch erbarmungslose Eismagie. Sila holte ein zweites Mal aus. Diesmal traf sie die andere Wange, Izara wurde zur Seite geschleudert und klatschte mit dem Gesicht auf den Kiesboden. Als würden ihre Wangen nicht vor Schmerz pulsieren, verlor Izara keine Zeit, sie rappelte sich hoch, stolperte zurück zum Höhleneingang, um dort die Eier wiederzufinden. Nichts war ihr wichtiger als diese feinen Schalen aufrecht zu erhalten. Es war so selbstverständlich wie das Atmen. "Du musst das nicht tun!", Izara wusste, wie naiv es war zu glauben, dem Schicksal der Ketten entrinnen zu können. Aber sie musste es sagen - für sie beide. Sila biss indes ihre Lippen blutig, sie schniefte und ließ die Rotze über ihren Mund fließen. "Weiter!" Sie holte mit dem Fuß aus, Izara riss die Arme nach vorne und krallte sich die Eier. Der Fuß landete auf Izaras Kopf, zwei Tritte trafen mit voller Härte Stirn und Schläfe. Während die Prozedur pausenlos fortgeführt wurde, bewegte sich Izara keinen Zentimeter aus ihrer kauernden Stellung. Die Eier fest an ihre Brust gedrückt, spürte sie die Herzschläge der Ungeborenen. Izaras eigenes Herz verkrampfte sich. Da war Leben in ihren Händen. Die Eier waren hilflos, unschuldige Geschöpfe, die auf den Schutz der anderen angewiesen waren, und in diesem Augenblick war Izara die einzige, die ihr Schicksal abwehren konnte. Sie kniff die Augen zusammen, Tränen stiegen auf. Nein! Sie durfte nicht weinen. Durfte sich nicht der Verzweiflung hingeben. Nicht solange sie die Wärme innerhalb der Schale spürte, die pulsierenden Schläge oder das leise Surren in ihnen. "Erledige endlich dieses Weib!" Eine Welle drückte Izara an die Wand, Wasser kam in die Lungen, sie hustete und würgte, doch die Eier blieben in ihren Händen. "I-ich lass nicht los", keuchte Izara. Das Wasser verdunstete, und Izara sackte zusammen. "Das verspreche ich dir!" "Wie rührselig", rief der Paladin gelangweilt, "scheinbar sind die Weibchen des Königs nichts weiter als kleine, schwache Geschöpfe, die bloß noch ihren Schoß hinhalten können." Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Zeit, diese Peinlichkeit ein für allemal zu beenden." "Passt auf!", röchelte Kyia. Der Boden wackelte. Zuerst kamen die Hände, bröckelige, faule Hände. Von überall krochen sie hervor - es waren leblose Gestalten, aus Lehm geformt und ihrem Schöpfer treu ergeben. "Vorsicht", das war wieder Kyia. Izara wollte sich zu ihrer Leibwächterin umdrehen. Eine Hand zerrte an ihrem Oberarm, dass sie mit den Beinen in der Luft strampelte. "Verschwinde", rief Izara. Panisch trat sie in die Luft, die Gestalten waren robust, zumindest was ihre Körper anbelangte, waren sie mit einfachen Tritten nicht zu besiegen. Von Weitem hörte sie das Lachen des Bürgermeisters. "Um dich kümmere ich mich gleich", sagte Flatsch, bevor er sich den Eiern zuwandte. "Nein!" Izara wollte es nicht wahrhaben. So leicht durfte sie es ihm nicht machen. "Ihr müsst es rauslassen, Prinzessin." Kyia hatte recht. Sie musste es rauslassen. All ihren Ärger, ihre Verzweiflung musste sie verwandeln. Was nützte es, dass sie eine Himmelsgöttin war, wenn sie nicht ihre Kräfte beschwören konnte? König Devon hatte sogar die Halsbänder zerstören können - allein wegen des Himmelsblutes. Izara riss die Augen auf. Natürlich…der Wille des Himmelsdrachen… Sie sah zu Flatsch. "NIEMAND RÜHRT DIE EIER AN!" Dann ließ sie einfach los. Die Emotionen verschwanden, Gefühle waren bedeutungslos. Da gab es nur sie und ihre Kräfte. Das Licht drang in einer einzigen Explosion aus ihrem Innersten. "Unmöglich!", hörte sie irgendwo den Paladin rufen. Doch es war ihr gleich, sie hatte einen Aufgabe, ein Ziel und mit geballten Fäusten stieß sie das Licht von sich. In wellenartigen Schüben verbreitete es sich, schleuderte die Leblosen von den Eiern weg. Die Kreatur ließ von ihr, und Izara richtete sich auf, die Eier fest um ihren rechten Arm geschlungen. Mit glühenden Augen sah sie zu ihrem Feind herüber, der die Ketten enger um sein Handgelenk gewickelt hatte. "Himmelsblut", zischte er. Sein Lächeln war falsch. "Ein Mensch mit dieser Kraft - das kannst du nicht überleben." "Wollen wir doch mal sehen", fauchte sie zurück. Das Licht trieb Izara an, in einem Tempo, bei dem niemand mitkam, stürmte sie auf den Paladin zu. Flatsch bewegte die Ketten. "Feigling", Izara packte sich ebenfalls die Ketten, "ich sagte, Sie sollen sie in Ruhe lassen!" Etwas Metallisches tropfte auf ihre Lippen. Izara ignorierte es, sie biss die Zähne zusammen, zog entgegen aller Stromschläge, die er ihr entgegen schlug. "Du kannst die Ketten nicht zerstören", rief der Paladin. "Doch", knirschte Izara und starrte zu der Lóng, die sie mit großen Augen anvisierte. "Sie sind nicht Ihr Herr", Izara hatte es verstanden. Die Kraft der Ketten waren so mächtig, weil sie den Drachen dominierten. Aber nur ein Drache auf dieser Welt dominierte sie alle. Das war das Geheimnis des Himmelsdrachen - seine wahre Macht. "Sila", sagte Izara und zog so sehr sie konnte, "gehört zu mir!" Ihr Licht erhellte die Nacht, stieg aus der Schlucht empor und breitete sich auf dem gesamten Schlossgelände aus. Der Mond schwebte wie eine falsche Sonne über ihnen. Die Kraft, die durch ihre Augen floss, hüllte alles in Wärme und Energie ein. "Prinzessin", flüsterte Sila. Es gab ein Klicken, dann zerbarsten die Ketten. Und ohne die Ketten zerfiel das improvisierte Halsband zu Staub. "Jetzt!", rief Izara. Die Lóng wirbelte herum, eine Ladung Wasser brachte den Paladin aus dem Gleichgewicht. Ein Kreischen ertönte. Es war Kyia. Der Bergdrache war von Silas Magie befreit, jetzt zückte sie ihr Schwert und erledigte die Leblosen wie einfache Zinssoldaten. "Damit kommst du nicht durch", der Paladin zog sein Schwert aus der Scheide. "Tot bist du genauso viel wert wie lebendig", schrie er und stürmte auf Izara zu. "Ich werde nicht sterben", entgegnete sie und breitete die freie Hand aus. Grelles Licht formte sich zu einem Pfeil. "Nicht solange ich Sie nicht besiegt habe." Sie warf den Pfeil und aus einem wurden Dutzende, die sich auf den Paladin stürzten. Doch es kamen noch mehr, aus allen Richtungen formte sich das Licht zu langen, scharfen Spitzen. Die ersten wehrte der Paladin noch mühelos ab. Allmählich waren es zu viele, Flatsch fluchte und brachte sich in Sicherheit. Izara bekam nicht mit, wie er auf dem Felsen stand, die Kräfte gebündelt, dass sich schwarzer Rauch vor ihm ausbreitete. "Ihr müsst aufhören." Weit weg klang Kyias Stimme wie das Rauschen des Windes. Das Licht fiepte in Izaras Ohren. Sie konnte nicht aufhören, selbst wenn sie gewollt hätte. Der Drache in ihr trieb sie immer weiter an. Izara spürte nicht, wie Venen platzte und das Blut ihre Kleider durchtränkte. Wie die Drachenschuppen ihren Tribut einforderten, die immer mehr Besitz von ihrem Körper ergriffen. Da war nur ihre Kraft, die sie aufforderte, weiterzumachen. Ihr Leuchten war nicht aufzuhalten, die Kreaturen lösten sich nacheinander zu Staubkörnern auf. Das Licht blendete ihre Augen, sie spürte nur das Knacken von Flügeln und wie ihr Rücken mit den Drachenschwingen allmählich verschmolz. Statt Freiheit verspürte sie nichts als Taubheit. Weit ausgebreitet waren sie eine unbezwingbare Festung für alles, was sich dahinter verbarg - und das war alles, was zählte. Izara fühlte nur noch das Licht in sich, wie es stärker und stärker wurde, sie in ihren Bann riss. "Es ist genug!" Man packte Izara an der Schulter, sie blinzelte. Das Licht wurde schwächer und benebelt schaute sie hinauf zu Flatsch. Er grinste breit, das Schwert in die Höhe gestreckt, von dem eine dunkle Energie ausging. "Zu schwach, Drachenmensch-" "Falsch." Sein Lächeln erstarb, Blut sickerte aus seinem Hals, er klappte nach vorne, stürzte in die Tiefe. »Kyia«, war Izaras letzter Gedanke, bevor auch sie in Dunkelheit gehüllt wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)