Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 41: Izara ----------------- Den Wirt zu überreden war nicht schwer. Izara hatte kaum etwas sagen müssen, da hatte er Mayabe bereits für den Rest des Tages freigegeben. Etwas unangenehm war es ihr schon, aber die Möglichkeit, Zeit mit ihrer Freundin verbringen zu dürfen, ließen das schlechte Gewissen schnell vergessen. "Wohin als erstes?", summte Mayabe, und weil Izara keine Idee hatte, stürmte ihre beste Freundin in die erstbeste Menschenmenge hinein. Flötenspieler gesellten sich zu dem rhythmischen Schlägen der Trommler und auch die ein oder andere Geige war zu hören. Izara erkannte den Ort. Es war derselbe Platz, an dem sie und der König aus der Kutsche gestiegen waren. Vorsichtshalber zog sie die Kapuze noch ein Stück tiefer in ihr Gesicht. "Ich weiß noch genau, wie du aus der Kutsche gestiegen bist", teilte Mayabe Izaras Gedanken. "Du warst auch dort?" "Ich und Mutter", bestätigte ihre Freundin nickend, "du sahst so hübsch aus, Izara." Mayabe faltete die Hände vor ihrer Brust und blickte verträumt zu den Stoffen, vor denen sie sich gestellt hatten.   "Warum hast du nichts gesagt?", Izara wäre froh gewesen, wenn sie ein vertrautes Gesicht gesehen hätte. Und dann auch noch Mayabe. "Das ging doch nicht", schüttelte Maya den Kopf, "du warst mit dem König unterwegs. Denkst du, ich schreie über den halben Marktplatz, während das Drachenvolk den wichtigsten Augenblick in seiner Geschichte erlebt?" "Du übertreibst", Izara war es jetzt noch unangenehm, daran zurückzudenken. Das Summen der Drachen, der Schmerz des alten Königs, ihr eigener Schmerz… "Das ist so aufregend", trällerte Mayabe und schaffte es, Izaras Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Ihre beste Freundin hielt vor einem der vielen Essenstsände. Statt einer Portion gerösteter Samen und Nüsse gab es einen Becher Punsch, den Mayabe Izara überreichte. "Kostet das nicht was?", fragte Izara unsicher. Ihr war es unangenehm. Sie hatte gar nicht daran gedacht, Geld mitzunehmen (wenn sie überhaupt welches besessen hätte…) "Heute ist alles umsonst", rief Maya fröhlich aus, "naja, fast alles. Das Essen und die Getränke werden aus der Stadtkasse und der Schatzkammer bezahlt. Unser König ist so freundlich und lässt einmal im Jahr alle Drachen zusammenkommen. Egal, ob arm oder reich. Wyvern oder Lindwurm. Zum Spätlesefest sind alle gleich und das versucht unser König damit zu erreichen. Habe ich was vergessen, Solar?" Belustigt beäugte sie ihren Bruder. Solar verschränkte die Arme vor der Brust. "Nein", sagte er kühl. "Jetzt sei' nicht so ein Misepeter, Bruder. Meine beste Freundin ist eine Prinzessin…nein, die Prinzessin." "Geht das vielleicht etwas leiser?", zischte Solar und beobachtete verärgert, wie Mayabe und Izara den Punsch leerten. Als Kinder hatten sie auch Punsch trinken dürfen - zu besonderen Anlässen. Dieser war jedoch nicht so süß gewesen. Ebenso die Kräuter und Gewürze, die fröhlich an der Oberfläche schwammen - die hatte es damals bestimmt noch nicht gegeben. Izara meinte auch, mehr Alkohol heraus zu schmecken. Der Punsch rutschte heiß durch ihre Kehle, hinterließ ein angenehmes Gefühl im Bauch. "Keine Sorge, hier hört uns keiner", Mayabe zwinkerte ihrer Freundin zu, "und selbst wenn, niemand würde glauben, dass die Himmelsgöttin unter uns Gewöhnlichen weilt." "Und was ist mit den Gästen im Wirtshaus?", Izara sah zu ihrer Freundin, die sofort eine zweite Runde Punsch bestellte. "Du hast doch Solar gehört", entgegnete Mayabe und hielt ihr den dampfenden Becher hin. "Die Drachen werden sich hüten, sich seinem Befehl zu widersetzen. Mein Brüderchen ist nämlich zum dritten Kommandanten aufgestiegen. Weißt du, was das heißt?", sie stupste Izara mit dem heißen Becher an, "Solar hat das Kommando einer größeren Einheit im Osten. Wenn die Paladine Schwierigkeiten machen, reißt Solar ihnen den Arsch auf." "Mayabe!" "Entschuldige, ich meine natürlich Hintern. Er reißt ihnen den Hintern auf", Mayabe kicherte, "Mutter und ich sind so stolz auf ihn. Du müsstest ihn kämpfen sehen, das Schwert schwingt er wie-" "Das reicht jetzt", Solar rieb sich die Nasenwurzel. "Es geht nicht um meine Stellung, sondern darum, die Prinzessin zu beschützen. Wenn es um ihre Sicherheit geht, wird kein Drache etwas ausplaudern." Mayabe stupste ihre Freundin noch einmal an. Ohne darauf einzugehen, nippte Izara an ihrem Becher. Fürs erste überließ sie Mayabe das Reden. Ihre Freundin hatte viel zu erzählen. Zwei volle Monde mussten aufgeholt werden. Die Flucht aus Kandio war beschwerlich, die Reise nach Dragor gefährlicher als erwartet. Besonders für einen Drachen, der kurz vor seiner Erweckung stand. Izara wollte sich gar nicht ausmalen, wie die Chancen für sie gestanden hätten. Noch dazu in ihrem damaligen Zustand. "Zum Glück hatte ich Ayido." Mayabe konnte das Glühen ihrer Wangen kaum verbergen. "Er war sehr…einfühlsam." Mehr brauchte Maya nicht verraten, und obwohl sie das Gefühl unterdrückte, war Izara ein klein wenig neidisch. Maya hatte den Wyvern kurz vor ihrer Ankunft in Dragor kennengelernt. Er war ein junger Soldat, kaum älter als Maya und viel auf Außeneinsätzen unterwegs. Dann schien also dies nicht nur auf König Devon zuzutreffen. Wie viele Drachen wohl ständig der Gefahr ausgesetzt waren? An den König erinnert zu werden, hinterließ ein eigenartiges Ziehen, das ihre Stimmung erheblich trübte. "Aber jetzt zu dir", Mayabe hatte sich bei Izara untergehakt, die beiden Weibchen schlenderten über den Marktplatz. Maya hatte frittierte Oktopusbällchen in einer kleinen Schale, während Izara an einer überbackenen Kartoffel knabberte. "Ganz Dragor spricht nur noch vor dir." "Von mir?" Izara schluckte einen dicken Brocken hinunter. "Aber sicher. Als der Himmel über den Palast zu leuchten begann, die Nacht zum Tag wurde…Mutter und ich haben es vom Fenster unserer kleinen Hütte sehen können. Es war…einzigartig. Ich kann es gar nicht beschreiben, aber ich wusste sofort, dass du das warst - unsere Himmelsgöttin. Ich kann verstehen, dass man sich in deiner Nähe…geborgen fühlt. Du hattest ja schon immer eine besondere Aura, aber jetzt, wo du unsere Prinzessin bist, ist das alles viel, viel stärker geworden." Die nächsten Worte flüsterte Maya ehrfurchtsvoll. "Am nächsten Tag hörten wir, was passiert war. Es war schrecklich. Ausgerechnet ein Paladin vor den Mauern Dragors. Man hat uns zu Beginn gewarnt, dass die Sicherheit hinter der Stadt endet, aber dass so etwas passiert..." Mayabe schüttelte den Kopf. "Diese Kraft…ich habe immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, zu was du fähig bist. Damit hast du den Paladin vertrieben, die Weibchen beschützt, uns alle beschützt…Du bist eine Heldin, Izara." "Nein, bin ich nicht", sagte Izara und spürte einen dicken Kloß im Hals - und es war nicht die Kartoffel. "Du brauchst dich nicht mehr zu verstecken", entgegnete Maya und lächelte sanft, "du bist ein Himmelsdrache. Die Stärkste unserer Art. Das braucht dir nicht unangenehm zu sein. Wenn du wüsstest, wie sie von dir sprechen. Von ihrer Prinzessin." Maya klatschte in die Hände. Die Bällchen hatte sie allesamt verputzt. Etwas Soße klebte an ihrem rechten Mundwinkel, aber das störte sie nicht. "Seit Tagen gibt es nur ein Thema", sagte Maya und bestellte einen weiteren Becher dieser süßen, alkoholischen Flüssigkeit. "»Wann wird die Prinzessin zum Schleiertanz einladen?«" "Was?!", Izara hätte fast den Punsch wieder ausgespuckt. Der Schleiertanz? Die Hochzeit unter Drachen, die in einem Paarungsritual, dem Schleiertanz, endete? "Wie kommen sie darauf, d-dass ich…dass ich-", sie konnte es nicht einmal aussprechen, ohne wie ein Warnschild aufzuleuchten. "Na hör' mal. Das ist doch ganz normal", entgegnete Mayabe und winkte mit der freien Hand. Die andere hielt den Becher, der geradewegs auf ihren Mund zusteuerte. "Das reicht", knurrte Solar und entriss seiner Schwester den Becher. Mayabe knurrte zurück, grinste dann aber, als Solar selbst daraus trank. "Und überhaupt", nuschelte Izara und blickte in ihren eigenen Becher voll Punch, "wen soll ich denn bitte schön heiraten?" "Natürlich den König", sagte Mayabe gerade heraus. Das brachte Izaras Ohren zum Glühen. Zum Glück konnte das niemand unter ihrem Umhang sehen. "War er nicht während der Erweckung an deiner Seite?" "Doch, schon", nuschelte Izara, "aber das hat doch nichts zu bedeuten. Er hat nur seine Pflicht als Drachenmännchen erfüllt." "Mehr nicht?", Mayabe stellte sich neben Izara. Dabei schwankte sie ein wenig. "Du kannst mir nicht erzählen, dass ihr nicht…" Mayabe versuchte unter der Kapuze etwas zu erkennen. "Wirklich nicht?!" Sie klang etwas entsetzt. "Er ist der König", mehr wusste Izara auch nicht dazu zu sagen. Sie kam sich dabei lächerlich vor. Irgendwie erwartete jeder, dass sie und der König ihre Pflicht erfüllten. Izara widerte die Vorstellung einer erzwungenen Vereinigung an, während der König das Thema nicht einmal erwähnte. Das brachte Izara dazu, den Becher an den Mund zu führen. "Ja, aber du bist die Prinzessin", Mayabe schien nicht glauben zu wollen, was sie da hörte. "Es ist doch ganz selbstverständlich, dass ihr-" "Ist es nicht", Izara wechselte den Blick auf den Boden, zügig leerte sie ihren Becher und steuerte das Zelt mit dem Ausschank an. "Nur weil alle meinen, dass ich dafür geboren wurde, heißt das nicht, dass ich es auch machen werde." Mit einem Nicken tauschte sie den leeren Becher gegen einen vollen. "So meinte ich das nicht", entschuldigte sich Maya, "ich dachte, weil er doch so gut aussieht und ihr euch so ähnlich seid-" "Wir sind uns nicht ähnlich", Izara nahm einen kräftigen Zug, ihre Stimme wurde etwas weicher, "zumindest weiß ich es nicht. Ich kenne den König eigentlich gar nicht. Er ist nie da, und ich…", Izara zuckte mit den Schultern. "Keiner von uns hat bisher irgendwas in dieser Richtung unternommen." Es tat ihr leid, ihre beste Freundin zu belügen, aber zwischen all den anderen Drachen und Solar, der alles mit anhören konnte, wollte sie sich nicht öffnen. "Dann suchst du dir eben einen anderen", rief Mayabe plötzlich aus und grinste breit, "im Palast werden doch noch andere Drachen herumlaufen. Du kannst mir nicht sagen, dass noch keiner von ihnen versucht hat, dich zu umwerben." Jetzt musste Izara lachen. "Du kennst meine Leibwächterin nicht. Sie würde die Männchen alle zu Stein verwandeln, wenn einer versuchen würde, mir zu nahe zu kommen." "Das klingt nach einem furchteinflößenden Drachen." "Ja, Kyia kann furchteinflößend sein, aber tief in ihrem Inneren steckt ein gutes Herz." Kyia. Was der Bergdrache wohl dazu sagen würde, wenn er erfuhr, dass sich Izara auf dem Spätlesefest betrank? Ein leichter Schauder durchfuhr sie. Es war wohl das beste, den Gedanken an Kyias Zorn mit einem weiteren Schluck Punsch runter zu spülen. Solar machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Er nahm den Becher und bevor Izara etwas sagen konnte, hatte er ihn bis auf den letzten Tropfen geleert. "Schluss für heute", sagte er und zog die Augenbrauen zusammen, "ihr zwei habt genug getrunken und außerdem ist es schon spät." "Die Sonne ist noch nicht einmal untergegangen", jammerte Mayabe, denn sie wusste, was gleich folgen würde. "Izara muss zurück in den Palast. Bis wir dort sind, wird es längst Nacht sein." "Jetzt schon?!", das war Izara. Sie zog ebenfalls einen Schmollmund. Gemeinsam mit ihrer Freundin versuchten sie, Solar zu überreden, doch vergeblich. "Ich habe keine Lust, meine Arbeit wegen zwei betrunkenen Weibchen aufs Spiel zu setzen." "Schon verstanden", Izara salutierte. Mayabe machte es ihr nach, bevor sie vor Lachen zusammenbrach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)