Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 65: Izara ----------------- Die Augen aufgeschlagen, eröffnete sich ihm der eindrucksvollste Sternenhimmel, den er je zu Gesicht bekommen hatte. Kleine Sterne - orange, gold, rot… - tanzten über seinem Gesicht, leuchteten, als würde jeder einzelne von ihnen in einen Wettstreit mit dem Abendstern gehen. Polarlichter erblassten neben dem Farbspektakel, das sich vor seinen trüben Augen abspielte. So musste der Abendhimmel des Nebelreichs aussehen; wenn die Vorfahren durch das Tor des Vergessens schritten, Perm und Dios ihm die Hand gereichten und durch den Schleier des Totenreiches geleiteten. Er war sich sicher, er war tot, und für einen Augenblick war der Tod etwas Schönes und Leichtes. Wie der Nebel selbst verblasste der Gedanke, die Wirklichkeit schleuderte ihn ins Leben zurück und mit einem Ruck fühlte er die kalten Steine in seinen Rücken drücken. Der Blick wurde klarer und die Erkenntnis traf ihn bitter: Das über ihm waren keine Sterne. Es waren winzige Blitze, so fein, dass nur ein Meister seines Fachs am Werk gewesen sein musste. Mehrere Meter schwebten sie über dem Boden, knisterten leise vor sich hin, während die letzten Stunden an seinem geistigen Auge vorüber zogen. Hatten ihn seine Leute gefunden? Wenn ja, waren sie am Leben, und dass sie am Leben sein könnten, war so beruhigend wie furchtbar. Dass dies das Werk eines Blitzdrachen war, war so gewiss, wie der Tag in die Nacht wechselte, und es wurde ihm schwer ums Herz. Der Schmerz übermannte ihn. Körperlich wie seelisch, und er begriff, die Gewissheit, noch nicht aus dem Leben geschieden worden zu sein, war eine Strafe für denjenigen, der ihn von den Toten fernhielt. Vorerst zumindest. Auch der letzte Schleier löste sich vor seinen Augen. Er hatte all seine Kraft verloren, selbst seine Sinne waren nur noch auf das Mindeste beschränkt. Magie war nur noch ein Klumpen, ein zusammengestauchtes Etwas, mit dem sich nichts mehr anzufangen ließe. Er spürte es. Die Endgültigkeit. Ein nahendes Ende. Die Lebensjahre waren verbraucht. Eine Regeneration war aussichtlos und selbst wenn es Rettung gäbe, wäre sie nur vorübergehend. Sein Tod stand in Stein gemeißelt. Er hatte es akzeptiert, auch wenn es schwer fiel. Die Wunde schmerzte, er fasste nach der Stelle, wartete auf das faule Fleisch, das er berührte. Was er zu fassen bekam, war weder Fleisch noch Blut. Die Wunde war abgebunden worden, ein dicker Verband presste sich mit aller Macht gegen den verwesenden Körper. Stöhnend neigte er den Kopf zur Seite. Die Höhle war ihm fremd. Der modrige Geruch von hunderten Drachen und dazu die beißende Note, die die Paladine hinterlassen hatten - einen passenderen Ort zum Sterben hatten ihm die Großen Drachen nicht gewähren wollen, doch er wollte nicht wählerisch sein. Nach den jüngsten Ereignissen standen ihm sowieso nur noch Dreck und Schlamm zu. Er ließ die Gedanken der letzten Stunden - oder wie lange war er bewusstlos gewesen? - zu. Sich zu verstecken brachte nichts und zum Verdrängen fehlte ihm die Zeit. Reue erwartete er nicht und um Vergebung würde er nicht bitten. Er war nich anmaßend, er wusste genau, was er getan hatte und das Geschehene war nicht mehr rückgängig zu machen. Er schloss die Augen. Dass er sich zum Schluss noch mehr hassen könnte, als er es ohnehin schon getan hatte- Doch wenigstens hatte er seinem Nachfolger die Wahl erspart. Ein leises Plätschern riss ihn aus seinen Gedanken. Das Geräusch war so fein, und sein Gehör so geschwächt, dass er ziellos durch die Höhle blickte. Sein Kopf knackte, als er ihn auf die andere Seite neigte. Das Männchen hockte mit dem Rücken zu ihm. Eine Schale Wasser lag zu seinen Füßen. In gleichmäßigen Bewegungen ließ er ein Tuch in die klare Flüssigkeit eintauchen, schwenkte es vor und zurück und zog es sachte aus der Schale, das ja kein Tropfen verschwendet wurde. Blondes, wildes Haar gereichte ihm bis zu den Schultern, wippte auf und ab, sobald er den Kopf ein wenig senkte. Kräftig wrang er den Lappen aus, wobei er kaum einen Mucks von sich gab. Weil er dachte, dass er schlief? Also nicht nur ein starker Drache, sondern auch ein freundlicher. Den Kopf zurück auf den Steinboden gelegt, ergab er sich der Kraftlosigkeit. Das Gesicht des Männchens hatte sich zur Seite geneigt. Das leise Geräusch hatte ihn hellhörig gemacht, jetzt hielt er in seiner Bewegung inne. "Du-", hauchte er mit kratziger Stimme. Der Blitzdrache entspannte, das Gesicht im Profil, drehte er sich um… Erschrocken riss Izara die Augen auf. Etwas bewegte sich auf ihrem Schoß, und Izara war noch nicht aus ihrem Traum zurückgekehrt, dass sie nicht verstand, was gerade vor sich ging. Die Dunkelheit machte es auch nicht besser und dass sie nicht wusste, warum ihre Augen nichts sehen konnten, versetzte sie in einen Schockzustand. Panisch stieß Izara einen Atemzug aus, als ein leises Keuchen ihre Aufmerksamkeit zurück auf ihren Schoß richtete. Stimmt. Sie war in einer Höhle. Mit dem König... Moment!  Der König- Stöhnend richtete sich der Kopf des Königs auf. Die Information rieselte wie in Zeitlupe durch Izaras Kopf. Erst als sich der Oberkörper aufzurichten versuchte, erwachte Izara aus ihrer Starre. "Devon?" "Hm…ja", kam es kratzig aus seiner Stimme. Ihr Herz begann wie wild zu hämmern. "Devon!", rief sie, "du bist aufgewacht." Sie beugte sich hinunter und drückte sich an den Körper des Königs. Ein Zischen durch zusammengebissene Zähne ließ sie die Arme etwas lockerer um seinen Körper schlingen. "Danke", hauchte es direkt unter ihr. König Devon entspannte sich und langsam ließ sie von ihm. "Tut mir leid, Devon ich wollte dich nicht…ich meine, ich wollte Euch nicht…", Izara hielt inne. Sie hatte den König beim Vornamen genannt - ihr stieg die Hitze ins Gesicht. Im Eifer der Freude hatte sie die Etiketten völlig vergessen! "Ich bin so froh, dass Ihr…dass Ihr-", hickste sie und neigte den Kopf. Auch wenn sie ihn nicht sehen konnte, war sie sich nicht sicher, ob es nicht der König konnte. Ihre Augen fühlten sich feucht an, aber weinen konnte sie auch nicht.   "Schon gut", entgegnete König Devon und Izara meinte, ein Lächeln in seiner Stimme herausgehört zu haben. Während er sich aufrichtete, rückte Izara ein Stück zurück. Sie hätte ihm gerne geholfen, doch zum einen konnte sie ihn immer noch nicht sehen und zum anderen bezweifelte sie, dass er von ihr gestützt werden wollte. Die Schmerzen unterdrückend, schaffte es König Devon, seinen Körper in eine aufrechte Position zu bringen. Izara hörte seinen angestrengten Atem an ihrem Ohr. Er saß nicht, aber als Liegen konnte man seine Position auch nicht bezeichnen. Sie lächelte, wischte eine verirrte Träne aus dem Gesicht und legte die Hände sittsam auf ihren Schoß. König Devon war wach - endlich. "Wie lange war ich…weg?", fragte der König mit kratziger Stimme. "Ich weiß nicht genau", gestand Izara, "anderthalb Tage vielleicht. Es war dunkel, als ich das letzte Mal draußen war." Und seitdem war sie nicht noch einmal ins Freie gelangt. Einmal hatte sie sich bewegt, und auch nur ins tiefste Innere, als sie feststellen musste, dass der König völlig ausgedörrt war. Da war sie tiefer in die Höhle gelaufen, hatte etwas Wasser von der Decke auf ihre Hände tropfen lassen, bis ihr das leere Fläschchen wieder eingefallen war und Izara die Zeit damit verbracht hatte, das Wasser in den Behälter tropfen zu lassen. Bei dieser winzigen Öffnung hatte sich die Angelegenheit zu einem komplizierten Spiel entwickelt. "Verstehe", entgegnete König Devon. Er atmete tief ein. Es raschelte, der König versuchte, sich noch ein Stück weiter aufzurichten. Sofort dachte Izara an die Wunde an seinem Rücken. "Bitte", Izara tastete sich vorsichtig nach vorne. Sie fand seinen Arm. Wie Izara vermutete, hatte der König versucht sich aufzusetzen. Sie berührte seinen Ellenbogen, mit dem er sich mühsam abstützte.   "Ihr müsst Euch schonen, König." "Izara?" "Ja?", sie nahm die Hand von seinem Arm. Vielleicht mochte er die Nähe nicht. Schließlich war er es nicht gewohnt, stundenlang von ihr berührt zu werden. Nicht so wie sie. "Weißt du, wo wir sind?", fragte er. "In einer Höhle", antwortete Izara. Und weil ihr die Antwort so peinlich war, fügte sie hastig hinzu: "Wir sind nach Westen gelaufen, bis Ihr…nun ja, ich habe keine sonderlich gute Orientierung. Ich bin einfach… gelaufen. Aber ich glaube, wir sind nicht mehr im Wald der Paladine." "Deine Orientierung ist ausgezeichnet, Izara", sagte der König, "auch wenn wir eher Richtung Südwesten gelaufen sein müssten. Großhöhlen gibt es nur in Medaniens Mitte. Das heißt, du hast es aus dem Feindgebiet geschafft. Hier- ", er stockte, hustete trocken, "ein Bär muss hier leben, richtig? Das bedeutet, die nächste menschliche Siedlung liegt mindestens dreißig Meilen zurück." Izara machte große Augen. Das alles erkannte der König im tiefsten Dunkel einer Höhle? Und überhaupt - so weit waren sie gelaufen? "Aber ich bin überrascht, dass wir Zuflucht finden durften", fügte der König hinzu, "der Bär scheint eine Abneigung gegenüber Eindringlingen zu haben. Bestimmt haben ihn Paladine aus seinem alten Zuhause vertrieben." "Vielleicht hat er uns deshalb geholfen", schlussfolgerte Izara, "Ihr ward voll mit ihrem Blut-" und das Eurem, dachte Izara den Satz zu Ende. "Hm, ja", erwiderte König Devon nach einer kurzen Pause. Es hatte wieder zu Rascheln begonnen, Izara war sich ziemlich sicher, dass er wieder versuchte, auf die Beine zu kommen. "Wirklich, König, Ihr seid noch nicht soweit, aufzustehen", Izara versuchte eindringlich zu klingen, aber in ihren Ohren hörte es sich nur jämmerlich an. Ein leises Lachen folgte. "Es geht schon... Dank deiner Regeneration." "Meiner…Regeneration?", fragte sie überrascht. Sie kannte das Wort. Kyia hatte es erwähnt. Durch die Regeneration hatte sie sich so schnell von den Ereignissen in der Schlucht erholen können. Soweit sie sich erinnerte, hatte es der König bei ihr angewandt. "Sila hatte recht", murmelte der König, "das war sehr riskant von dir, Izara." "Ich…ich habe nur", sie dachte an den intensiven Duft, den sie verströmt hatte, und wandte sich ab, "ich habe nur helfen wollen." "Das hast du", entgegnete der König sanft, "aber ich bitte dich - tu das nie wieder." "Warum?", stieß sie lauter hervor, als sie wollte. Wieso sagte er das, während Izara an seinem Leid fast erstickt wäre? Hatte er eine Ahnung, wie nahe er dem Tod gewesen war?! "Eine Regeneration", erklärte König Devon, "ist die Fähigkeit eines Himmelsdrachen, anderer Leben im Austausch für das eigene zu heilen. Sobald deine Kräfte auf mich übergegangen sind, hast du wertvolle Lebensjahre an mich verschwendet." "Ich würde es nicht als Verschwendung ansehen, dem Drachenkönig das Leben gerettet zu haben", erwiderte Izara etwas trotzig. Er stieß einen tiefen Atemzug aus. "Nein", entgegnete er leise, "aber du bist ein Drachenmensch. Die Lebensspanne von Mischblütern ist nur ein Drittel von dem, was ein Drache eigentlich besitzt. Und keiner weiß, wie es bei einem Mischling mit Himmelsblut aussieht. Das Risiko war viel zu groß." "Wie alt werden denn Himmelsdrachen?" "Etwas neunhundert Jahre." Die Antwort brachte Izara zum Kichern. "Ihr macht euch definitiv zu viele Sorgen, König", sagte sie mit vorgehaltener Hand. "Selbst wenn ich nur dreihundert Jahre werde, ist das mehr, als die meisten Lebewesen zu erwarten haben." "Du unterschätzt die Wirkung der Regeneration, Izara", entgegnete der König streng, "ich weiß, wie es um mich stand, und du", er stieß einen tiefen Atemzug aus, ob vor Schmerzen oder wegen dem Gesagten, wusste Izara nicht. "Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir in Gefahr begibst. Ich weiß nicht, wie ich das je wieder gut machen soll." "Ihr habt schon so viel für mich getan, König", entgegnete Izara verlegen, "wir sind quitt." Sein letzter Satz hatte ihren Ärger etwas verfliegen lassen. "Ich weiß, dass Ihr mich bei meiner Erweckung beschützt habt, und auch erst neulich, als ich die Kontrolle über meine Kräfte verloren habe. Ich…ich wollte es Euch nur ein wenig leichter machen, sonst nichts." "Du bist zu so viel mehr fähig, Izara", sagte der König traurig, "es tut mir leid, dass ich dich unterschätzt habe. Ich bin es nicht gewohnt, Hilfe zu bekommen." "Ihr meint, Hilfe anzunehmen", korrigierte sie ihn. Das brachte den König zum Lachen. "Da hast du recht", erwiderte er. Auch Izara konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war schön, seine Stimme zu hören. Selbst wenn sie noch schwach und kratzig klang. "Und, Izara?", sie spürte die Wärme seines Körpers, nicht weit von ihrem und ein Teil von ihr sehnte sich danach, dass er noch näher an sich herantrat. "Ja?", fragte sie und puhlte in dem kleinen Loch, das ihr Kleid bekommen hatte, herum. "Du brauchst mich nicht mit König anreden. Du kannst mich ruhig wieder bei meinem Namen nennen. Devon klang sehr hübsch aus deinem Mund." Vor Schreck hatte sie ihre Fingernägel in den Stoff gekrallt und ein faustgroßes Loch in Höhe ihrer Knie gerissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)