Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 69: Izara ----------------- Devon wartete auf ihre Frage und weil sie ihn nicht anschweigen wollte, sagte sie das Erstbeste, das ihr einfiel: "Dein Akzent - ich habe mich immer gefragt, woher er kommt", sie machte eine kurze Pause. Der plötzliche Themensprung war vielleicht nicht die beste Idee, doch Izara plapperte einfach weiter, damit sie der Finsternis in ihrem Herzen entkam. "Du stammst nicht aus Medanien, oder?" Für einen Moment war es sehr still in der Höhle und Izara wollte ihre Frage schon zurücknehmen, als Devon antwortete: "Das liegt daran, dass ich in Raj groß geworden bin. In der Himmelsstadt wird sich nur durch Schallwellen verständigt. Ich habe die Menschensprache erst vor fünfundzwanzig Jahren lernen müssen." "Du wurdest in Raj geboren?", fragte Izara ehrfürchtig. Hinter ihr schüttelte Devon den Kopf. "Ich habe dort die meiste Zeit gelebt. Ich habe den großen Drachen als Kommandant gedient, aber geboren bin ich in einer Siedlung in der Nähe von Logia." Logia. Die ehemalige Residenz der Himmelsgöttinnen. In einer ruhigen Nacht hatte sie von Linnora alles erfahren, was die Bedienstete aus Erzählungen wusste. Das einstige Schloss, das die Drachenkönigin und ihre Weibchen bewohnten, war zu Hochzeiten die Geburtsstätte vieler bedeutender Drachen gewesen. Eine sichere Festung für junge Mütter, die von der Himmelsgöttin behütet und beschützt worden waren. Aus dem malerischen Schloss und der bedeutenden Stadt Logia, war Logia die zerstörte Stadt geworden. Ein Tabuthema für viele Drachen. Izara erinnerte sich, dass auch der König lieber geschwiegen hatte. "Dann wurdest du als Drache geboren", hakte Izara vorsichtig nach. "Ja." "Kyia hat mir erzählt, dass die meisten Drachen, die aus einem Ei geschlüpft sind, gar nicht ihre Eltern kennen." Izara fand es traurig, selbst wenn ihre eigene Mutter kaum etwas für sie übrig gehabt hatte, war sie froh gewesen, sie wenigstens gekannt zu haben. "Das trifft aber nur auf die zu, die aus bevölkerungspolitischen Gründen Nachkommen zeugen", erwiderte Devon. Seine rechte Hand lag auf ihrem Bauch, es fiel Izara immer schwerer, sich zusammenzunehmen. Den halben Tag hatte sie schon damit zu kämpfen gehabt, ihren Duft in Schach zu halten. Mit ihren außer Kontrolle geratenen Hormonen kam sie sich wie ein läufige Hündin vor. Wie machten das bloß die anderen Weibchen? "Die Eier in der Schlucht", fragte sie weiter nach, "sind sie auch aus politischem Gründen...?" "Ja", raunte er zurück, dann folgte ein leises Schnauben, gefolgt von einem…Lächeln? "So war das bei mir nicht. Ich kannte meine Eltern recht gut. Ich bin mir sicher, sie haben sich geliebt." "Ich wollte nicht-", versuchte sich Izara zu entschuldigen, doch Devon winkte ab. "Schon gut. Du kannst es ja nicht wissen. Für meine Eltern war diese Art der Zeugung einfach sicherer. Nicht alle Drachen, die Eier legen, tun das, um Distanz zueinander zu wahren. Meine Eltern waren Soldaten. Sie haben der Himmelsgöttin gedient. Es war einfach zu gefährlich, einen Drachen neun Monate im Bauch herumzutragen." Das konnte sich Izara sehr gut vorstellen. Wer konnte einem Himmelsdrachen dienen, der sein eigenes Leben wie einen Augapfel hüten musste? "Ich wusste nicht, dass Himmelsdrachen anderen Himmelsdrachen dienen." "Meine Eltern waren auch keine Himmelsdrachen." Sie stockte. "Was?!", rief Izara dann aus und drehte ihren Kopf. Sie konnte Devon nicht sehen, aber sein Atem war knapp über ihrer Nasenspitze. "Das ist unmöglich", sagte sie und starrte in die Dunkelheit hinein, "ich meine, nur zwei Himmelsdrachen können einen Nachfahren ihrer Art zur Welt bringen. Darum sind sie doch auch so selten." "Das ist richtig", antwortete Devon ruhig, "aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Meine Eltern sind Blitzdrachen. Du weißt, dass sie direkte Nachfahren der Himmelsdrachen sind? Alle paar hundert Jahre geschieht es, dass ein Blitzdrache ein Junges mit Himmelsblut gebärt. Niemand weiß, wieso, aber die Großen Drachen werden schon irgendeinen Zweck darin sehen." Izara kannte diesen Zweck und sie war sich sicher, Devon kannte ihn auch - selbst wenn er es nicht ansprach. "Deine Eltern", murmelte Izara und dachte an ihre eigene Kindheit zurück, "sie haben dir viel bedeutet, nicht wahr?" Eine leichte Bewegung und Devon hielt sie noch fester im Arm. Wenn es nach ihr ginge, hätte er sie noch enger umschlungen halten können. Diese Art von Schmerz könnte sie gerade gut gebrauchen. "Ich habe nicht viel Zeit mit ihnen verbracht", antwortete er und drückte seine Lippen auf ihren Haaransatz. Selbst unter einer Schicht von Haaren fühlten sie sich weich und voll an. "Meine Eltern dienten der Himmelsgöttin in Logia, während man mich in die Himmelsstadt brachte." "Wieso?" "König Juras entschied, dass es so am sichersten sei." "Mein…Vater hat das entschieden?", Izara dachte an den Traum von letzter Nacht (oder war es schon Tag gewesen?). An den sterbenden König, dem nichts geblieben war. "Himmelsdrachen spazieren nicht einfach durch die Gegend", sagte Devon, "zumindest war das früher so. Schon immer fürchtete man um das Überleben unserer Art. »Der Untergang der Himmelsdrachen ist der Untergang der Drachen.« Es klingt dramatisch, aber die Wahrheit ist, dass unsere Rasse ausstirbt, wenn nicht genug starke Drachen geboren werden, die von den Himmelsdrachen ihren Segen erhalten. Für die Sicherheit der Himmelsdrachen wurde seit Anbeginn der Zeit gesorgt. Ihre Pflichten geschahen immer im Verborgenen - als Kommandant der Himmelsstadt, als König in Dragor und als Himmelsgöttin in Logia. In Raj hatte ich die Chance, ausgebildet und unterrichtet zu werden. Meine Eltern hätten dem Drachenkönig niemals widersprochen und deshalb schickten sie mich fort." "Wie alt warst du?" "Das war kurz nachdem ich mich der Gestaltwandlung bedienen konnte. Also muss ich ungefähr neun gewesen sein." "Himmelsblut hin oder her - es ist trotzdem schrecklich, ein Kind seinen Eltern zu entreißen und es in einer fremden, weit entfernten Stadt aufwachsen zu lassen." Izara wusste nicht, auf wen sie wütender war. Auf König Juras, Devons Eltern oder doch auf Devon selbst, der das einfach hinzunehmen schien. Als ob der Befehl eines Himmelsdrachen einem den eigenen Willen beraubte. "Hattest du denn keine Angst?", fragte sie und stellte sich einen kleinen, verängstigten Himmelsdrachen vor. Es fiel ihr schwer, sich Devon als unsicheren und schüchternen Jungen vorzustellen. Einem süßen kleinen Drachenjungen mit durchscheinenden Schuppen und leuchtend blauen Augen- "Izara", entgegnete er. Sobald er ihren Namen sagte, brodelte es in ihrem Bauch, "du brauchst dir keine Gedanken machen. Das liegt viele Jahre zurück, und ich habe es nie bereut, der Himmelsstadt gedient zu haben." "Was bedeutet es, der Himmelsstadt zu dienen?", fragte Izara weit weniger angesäuert als noch vor ein paar Minuten. "Ich war Kommandant der ersten Einheit der Himmelsarmee. Wir haben die Flugrouten zwischen den Bodenstädten und Raj gesichert." "Du hast den Himmel beschützt?", fragte sie überrascht und hob ihren Kopf. Dabei lag sie gefährlich nahe an seinem Gesicht. Sein Atem war nun so dicht an ihren Lippen, dass sie sich schüchtern abwandte und den Kopf zurück auf die andere Seite drehte. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Sie dachte über das Gesagte nach und gelangte schließlich zu der furchtbaren Erkenntnis: "Können die anderen Drachen deshalb nicht nach Raj fliehen? Weil du nicht mehr da bist, um den Himmel zu beschützen?" "Seitdem der alte König fort ist", entgegnete Devon kühl, "haben die Paladine viele der Himmelsstrecken in und um Medanien eingenommen. Es war schon immer schwierig, die Route unter Kontrolle zu halten. Vor allem nachdem Logia zerstört wurde und die Paladine ihren Machtanspruch in Medanien eingefordert hatten." Izara hatte kein Verständnis für den König von Medanien. Dass er sich wie eine Marionette lenken ließ und gar nicht merkte, wie sein Einfluss innerhalb des Volkes schwand. Die Leute hatten kein Vertrauen in die Medanische Monarchie, sie verließen sich auf die Paladine, die für »Ruhe und Ordnung« gesorgt hatten. Die den rüpelhaften Studenten und Langzeitstreunern einen Job und den Alten einen Grund, sich zu beschweren gegeben hatten. Die Einführung des Halsbandes war ein »Verdienst der Medanischen Paladinschaft«, so hatten es die Leute aus Kandio immer stolz verkündet. In ihren Augen war die Knechtschaft eine Befreiung. Sie stand für Kontrolle, Wohlstand und Frieden. Izara kannte die Allegorien aus Schultagen in- und auswendig. Das Gesicht verzogen, stieg Zorn in ihr hoch. Die vielen Gefühle, die sich in ihrer kleinen Seele eingenistet hatten, brodelten stark an der Oberfläche. Ein leises, aus dem tiefsten ihres Innersten hervor geholtes Grollen donnerte durch die Höhle. "Es ist alles gut", flüsterte ihr diese einnehmende Stimme ins Ohr. "Devon", hauchte Izara, krallte sich fest an den Ärmel seines Hemdes, "ich will, dass das aufhört." Ihr Satz war kindisch, aber das einzig Ehrliche, das sie über die Lippen bringen konnte. "Ich weiß", entgegnete er. Egal, wie ruhig er klang, Izara spürte seine Anspannung, die Trauer und die Ratlosigkeit. Sie waren ein Spiegelbild des alten Königs. Izara hatte seine Gefühle am eigenen Leib erfahren und auch jetzt vibrierte Königs Juras Schmerz in ihrer Brust. Es war eine Bürde, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Izara war sich nicht sicher, ob sie das akzeptieren wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)