Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 74: Izara ----------------- Den König aus dem Sichtfeld bekommen, versuchte sie ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Tatsächlich gehorchte ihr Geist. Als hätte er nur darauf gewartet, kehrten die Bilder des Traumes zu ihr zurück. Wie ein Paukenschlag donnerte er und brachte das schwankende Gemüt zum Einsturz. Die Gedanken waren grausiger und erdrückender denn je und schufen ein kaum zu verdrängendes Bedürfnis - nämlich das der Wahrheit. Die Last wurde schwer, so schwer, dass sie die Finger in die Knie krallte und tiefe Kratzer auf ihrer bleichen Haut hinterließ. Erst eine weitere Wärmequelle ließ Izara aufschauen. "Vielleicht fühlst du dich darin wohler." Es war Devon. Er hatte Izara sein Hemd übergelegt. Es war das erste Kleidungsstück, das trocken geworden war und mit einem flüchtigen »Danke« griff sie nach danach und zog es sich hastig drüber. Devon meinte es nur gut, er konnte nicht ahnen, dass ihre Gedanken um Schlimmeres kreisten als halbnackt neben einem Drachenkönig zu sitzen. "Devon", ihre Stimme war brüchig. Sie wollte es nicht hören, wollte nicht fragen, und doch hatte sie keine andere Wahl.   "Fühlst du dich nicht gut?", fragte Devon, der sich direkt neben Izara postierte, kurz nachdem sie seine Zauberdecke abgelegt hatte. Izara wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, nichts, was sie hätte sagen können, schien die Wahrheit zu sein. Der Drachenkönig seufzte. "Es war zu viel", sagte er und legte noch ein Stück Holz ins Feuer, "Logias Geschichte...ich hätte dich nicht damit konfrontieren dürfen." "Das ist es nicht, warum ich -", Izara stockte. Nein! Sie musste da jetzt durch! Noch ein Rückzieher und sie würde wahnsinnig werden. "Als die Paladine das Schloss angriffen, als sie mich in den Wald lockten-", Izara schluckte. Devon drängte sie nicht. Er wartete, bis sie soweit war. "Ich habe Solar zurückgelassen! Ich weiß nicht-", sie sah dem König direkt in die Augen, "ich habe nicht rechtzeitig-" Noch bevor Izara in Tränen ausbrechen konnte, hatte der König sie zum Schweigen gebracht. "Dein Freund lebt", sagte er so sicher, wie man sich nur sein konnte. Nur langsam drangen die Worte zu Izara durch. "Er ist schwer verletzt, aber er wird es überstehen." "Wirklich?!", erleichtert stieß sie den Atem aus, den sie viel zu lange zurückgehalten hatte. "Ich hätte mir niemals verziehen, wenn er meinetwegen...", sie schüttelte den Kopf, "wenn er gestorben wäre, bevor er die Wahrheit kennt...Devon", sie sah ihn eindringlich an, "der Blitzdrache, den der Großmeister gefangen hielt. Hast du ihn gesehen?" Der Blick des Drachenkönigs war unergründlich. Izara lief ein Schauer über den Rücken. "Er ist sein Vater!", stieß sie so heftig hervor, dass ihre Augen zu glühen begannen. Devon schaute sie noch immer mit seinem kühlen, alles durchdringenden Blick an. "Bist du sicher?", fragte er ohne eine Miene zu verziehen. Izara nickte. "Er war in meinem Traum. Du hast gesagt, Drachen besitzen diese Gabe - den weißen Blick. Ich habe ihn gesehen, Devon! Als mein Vater im Sterben lag...er hat das nur für mich getan. Solars Vaters hat seine Familie wegen mir verlassen - weil er mich beschützen wollte, weil er wusste, dass es eines Tages so kommen würde..." Sie konnte nicht mehr. Gedanken und Gefühle überschlugen sich. Trauer und Wut bäumten sich auf. Die Augen wurden rot, sie spürte, wie das Verlangen nach Linderung so groß wurde, dass sie sich einfach nur in eine Ecke verkriechen und weinen wollte. Die Finger über die Wangen gefahren, spürte sie nichts. Keine Träne wurde vergossen, so als hätte sie ihren Vorrat an Mitgefühl und Trauer verloren. Es war dasselbe resignierte Gefühl, das sie nach Levis' Tod verspürt hatte. "Izara", raunte Devon ihren Namen. Derweil hatte sie der Drachenkönig anvisiert, nicht einen Augenblick ließ er von ihren flackernden Seelenspiegeln. "Ich bin ihm begegnet", sagte er, "und du hast recht - er hat dich beschützt... bis zum Schluss." Devon brauchte nichts weiter sagen. Sein resignierter Blick sprach Bände. Izara ließ die Schultern hängen. In ihrem tiefsten Inneren hatte sie gewusst, dass es nur auf diese Weise enden konnte. Wieder einmal war ein Blitzdrache für das Wohl der Himmelsdrachen gestorben. Es fühlte sich nicht richtig an. Aber was wusste sie schon über die Bestimmung der nähsten Nachfahren? Izara konnte nur noch eines tun: seiner Tat einen Sinn verleihen. Wenn sie schon nicht fähig war, das Schicksal abzuwenden, so würde sie wenigstens dafür sorgen, dass sein Heldenmut nicht vergessen wurde. "Wir müssen es ihnen sagen", sprach sie ihre Gedanken laut aus. "Wir müssen Solar die Wahrheit sagen. Wer sein Vater war und was er für uns getan hat." "Ich werde deinem Freund alles sagen, was ich weiß", nickte ihr Devon zu. Es war ein Versprechen, das sah sie an seinem Blick. "Dein Freund wird sicherlich Zuhause bei seiner Familie sein. Wenn du möchtest, können wir sie aufsuchen, sobald wir nach Dragor zurückgekehrt sind." Die Stirn kraus gezogen, nickte sie ihm zu. "Wieso nennst du Solar eigentlich meinen Freund? So wie du es ausspricht, klingt es so...zweideutig." Das hatte sie schon von Anfang an gestört, aber sie hatte es bis dahin auf seinen Akzent geschoben. Devon schaute sie irritiert an. "Zweideutig?" Izara überlegte, wie sie es ihm erklären sollte. "Naja, so wie du es sagst, hört es sich an, als wäre Solar mein...Partner." "Heißt es das nicht?" Er zog die Augenbrauen zusammen und Izara wäre fast im Erdboden versunken. "Nein, natürlich nicht!", entgegnete sie aufgebracht und spürte wie jeder Zentimeter ihres Körpers zu Glühen anfing. "Solar ist doch nicht...", wie kam er nur auf die Idee?! "Denkst du, ich würde dir meinen Duft schicken, wenn ich bereits vergeben wäre?! Glaubst du, ich mache das bei jedem?" Sie spürte, wie sie richtig auffuhr. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Devon machte große Augen. Ihre Reaktion hatte ihn erwischt, er drehte sich Richtung Feuer und legte die Arme auf seinen Knien ab. "Nein", sagte er leise. Es folgte ein bedrückendes Schweigen. Izaras Zorn hatte sich in Scham gewandelt. Eine Strähne hinters Ohr geklemmt, nuschelte sie: "Und keine Sorge, ich werde dich nie wieder damit belästigen." Jetzt wandte sich der Drachenkönig wieder Izara zu. "Wie kommst du darauf, dass du mich damit belästigen würdest?" Das war doch... Dieser....dieser- "Ich bin vielleicht nicht in Freiheit aufgewachsen, aber ich weiß, wenn mich jemand abblitzen lässt." So, jetzt hatte sie es gesagt. Sie dachte, sie würde sich damit besser fühlen. Falsch gedacht! Es war einfach nur peinlich. Vermutlich könnte sie ihm danach nie wieder unter die Augen treten. Devons überraschter Gesichtsausdruck wich einem besorgten, und dann einem gequälten. Er schnaubte, schloss für mehr als einen Wimpernschlag die Augen und wandte sich fast schon entschuldigend Izara zu, die ihn noch immer nicht anschauen wollte. "Du hast natürlich recht", sagte er. Eigentlich sollte es sich gut anfühlen, im Recht zu sein, aber das hier war alles andere als befriedigend. "Normalerweise läuft es so, aber-" "Aber was?!", keifte sie ihn an, sie konnte nicht anders. Das Weibchen in ihr brodelte und ließ sich nicht bändigen. Ihr trauriger, beschämter und wütender (ja, das alles war zur selben Zeit möglich) Blick traf den des Drachenkönigs. Dieser schaffte es, binnen eines Augenblicks ihr Chaos in sich aufzunehmen. So schnell wie er seine Arme um sie schlang und an sich drückte, konnte sich Izara gar nicht wehren. Ihr wilder Herzschlag hämmerte gegen den des Königs. Sie war so dicht an ihm, dass sie fast miteinander verschmelzen könnten. "Izara", raunte er, "merkst du es nicht?" Sie merkte, dass sie an seine Brust gedrückt war, und nur das Hemd, das er ihr gegeben hatte, zwischen ihnen stand. Weil Izara nicht reagierte, sagte er: "Riechst du etwas?" "Nein", grummelte sie, "ich rieche nichts. Ich rieche überhaupt nichts." Das Gesicht in seiner Brust vergraben, wiederholte sie die Worte: "Ich rieche... nichts..." Wieso war es ihr nicht vorher aufgefallen? Erschrocken drehte sie ihren Kopf, schnupperte an Devon, der es stumm über sich ergehen ließ. Sie roch auch an seinem Hemd, das bloß ihre Wärme aufgenommen hatte. "Das geht doch gar nicht", sagte sie fassungslos. "Wieso kann ich nichts riechen?" "Weil ich keinen Duft mehr habe", sagte er mit rauer Stimme. "Schon...immer?" "Nein", seine Stimme wurde noch eine Spur tiefer, "das ist Paladinmagie." "Wie-?!", sie sah auf. Devon starrte geradeaus, in seinen Augen spiegelten sich die ruhelosen Flammen wider. "Es war vor etwa einem Jahr", begann er zu erzählen, "ein Gefangenenaustauch ist gründlich schief gelaufen. Ein paar Lindwürmer und Volans sind übermütig geworden. Letzten Endes blieb uns keine andere Wahl als sich ins Paladin-Hauptquartier zu schleichen und unsere Leute zu befreien. Es kam natürlich alles anders. Das Ganze endete in einem Kampf zwischen mir und dem Großmeister. Bevor der Kampf entschieden werden konnte, bin ich geflohen. Die Sicherheit meiner Leute hatte Vorrang. Aber der Großmeister hat noch ein Andenken hinterlassen." "Wieso? Was hat er davon?" "Mehr als du glaubst. Als Himmelsdrache ist der Duft mehr als ein Mittel, um einen Partner zu bezirzen." Sie fühlte sich angesprochen und wurde rot um die Nase. Vorsichtshalber schmiegte sie sich enger an seine Brust, legte den Kopf schief und versicherte sich, nicht doch eine Duftnote zu erhaschen. "Wir können unseren Duft wie eine Spur hinter uns herziehen, Izara. Wir können unsere Verbündeten wissen lassen, wenn wir in Gefahr schweben, verwundet oder gefangen genommen worden sind. Wir können Markierungen setzen, das Drachenvolk warnen, wenn sie in Gefahr sind." Es gab noch mehr, aber der König hörte auf, all das aufzuzählen, dessen er sich niemals wieder bedienen konnte, und Izara ihrerseits wusste nicht, ob sie wirklich noch mehr hören wollte. Auf einmal kam sie sich wieder schwach und kindisch vor. "Wieso hast du nichts gesagt?", wollte sie wissen. "Niemand weiß es", brummte er in ihr Haar, "ich möchte Trias und die anderen nicht unnötig belasten. Es würde zu viel Panik schüren." Dann wusste nur Izara davon? "Meinst du nicht, dass sie es wissen und nur nichts sagen wollen?" Kaum vorstellbar, dass niemandem aufgefallen war, dass der Drachenkönig keinen Geruch besaß. Wenigstens Sila sollte doch bemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. "Sie wissen es nicht", entgegnete Devon stoisch, "ein Vorteil, mit Himmelsblut gesegnet zu sein - so sehr ich meinen Geruch manipulieren kann, genauso kann ich ihn unterdrücken." Izara wünschte, sie könnte es auch. Vielleicht sollte sie sich zukünftig von ihm zeigen lassen, wie es ging. Dann hätte sie eine Sorge weniger. "Trotzdem", murmelte Izara in seine Brust hinein, "du hättest irgendwas sagen können. Ich habe mich furchtbar gefühlt. Du hast einfach so getan, als wäre nichts passiert und ich kam mir wie ein Idiot vor." Sie fühlte sich auch jetzt noch wie ein Idiot, aber das sagte sie ihm nicht. Irgendwie war sie ja mit Schuld an diesem Schlamassel. Wenn sie schon vorher offen zu ihm gewesen wäre, wie wären wohl die letzten Wochen für sie gewesen? "Das wollte ich nicht", raunte er, "ich dachte, du wüsstest nicht, was du tust. Dass du dein Drachenblut nicht unter Kontrolle hättest. Du wärst nicht das erste Weibchen, und du kanntest dich überhaupt nicht mit unseren Gepflogenheiten aus." "In Whalla wusste ich sehr genau, was ich tat", erwiderte sie, "in Kandio haben sie uns Vieles verboten, aber so etwas kriegt man mit den Jahren schon mit." "Es tut mir leid." Seine Worte entließen eine Wärme in ihrem Körper, die sehr stark ihrem Drachenblut ähnelte und doch um so vieles intensiver war. "Izara", seine tiefe Stimme vibrierte, Izara spürte es in jeder Faser ihres Körpers. Vorsichtig hob er ihr Kinn an. Die Geste war voller Ehrfurcht und Zuneigung, dass sie scheu zu ihm hinaufschaute. Eine Ecke ihres Verstandes fürchtete sich. Fürchtete die Gefühle zuzulassen, die sie schon mehr als ein paar Mal verletzt hatten. Doch der Sog war zu groß. Das Verlangen, sich diesen Augen, diesen Blicken anzuvertrauen, war unaufhaltsam. Izara traute sich nicht zu atmen, geschweige denn einen Gedanken zuzulassen, der alles zerstören könnte. Sein Blick war so ungewiss wie der Grund des Ozeans, seine Augen so kalt wie das Eis auf den Gipfeln des höchsten Berges. Izara liebte den Anblick seiner Seelenspiegel, die sie durch Höhen und Tiefen treiben, die sie an den ersten Ritt auf den Schwingen eines Drachen denken ließen. An die grenzenlose Freiheit und die Bürde, die damit einherging. Izara war bereit, den Preis zu zahlen. Bereit, wie man nur sein konnte.   "Es gibt einiges nachzuholen", sein Atem streichelte ihre Nase, "aber zuallererst-" Damit legte er seine Lippen auf ihre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)