Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 76: Epilog ------------------ "Das war der Letzte", stöhnte Linnora und hievte den zwanzig Pfund schweren Koffer auf das Bett. Izara half ihr dabei, schob von unten einmal kräftig, dass die Matratze ein unsanftes Quietschen von sich gab. Zufrieden griff die Dienerin nach dem Leinentuch, das sie sich über die Schultern geworfen hatte, und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Ich weiß wirklich nicht, ob das alles nötig ist", sagte Izara und beäugte den großen, braunen Lederkoffer. "Keine Widerworte, Prinzessin. Es ist besser, zu viel als zu wenig bei sich zu haben", meinte Linnora, wie jedes Mal, wenn Izara Einspruch erheben wollte. Die Bedienstete klopfte auf den Koffer, in dem sich zwanzig neue Kleider, fünf Mäntel aus Pelz und Seide und natürlich ein paar frische Handtücher und Bettlaken stapelten. Alles sorgfältig drapiert und sortiert. Die gute Linnora hatte die Stoffe einmal Dampf gereinigt und mit einer besonderen Falttechnik zusammengelegt, dass alles hineingepasst hatte. Izara konnte nur staunend zusehen. "Ich glaube nicht, dass ich groß unter Leute kommen werde", sagte Izara. Der Zipfel eines rotgoldenen Gewandes lugte eingeklemmt zwischen dem Reisegepäck hervor. Izara bezweifelte, dass die Kleider lange passen würden. "Ich kann Euch doch nicht mit Lumpen herumlaufen lassen!", entgegnete die Dienerin entrüstet. Diese Lumpen waren der Umhang, den Izara von Trias erhalten hatte, sowie eine Reihe schlichter Gewänder für den Heimgebrauch. Aber bei Linnora redete sie gegen Wände. Lächelnd stemmte Izara die Hände in die Hüften. Es war ein trauriges Lächeln, von Melancholie begleitet. "Ich werde dich vermissen, Linnora", sagte Izara und sah zu ihrer fleißigen Dienerin, die das Kleid ordentlich verstaut und den Koffer noch einmal gründlich verschlossen hatte. Angesprochene hob den Kopf. "Prinzessin", hauchte Linnora und verneigte sich. "Ich danke dir für alles", Izaras Augen wanderten zu den Habseligkeiten, die im Zimmer geblieben waren. Viel war es nicht. Bett und Schrank hatte Linnora nicht verstauen können, aber sonst erinnerte kaum etwas an die Monde, die sie in dem Zimmer verbracht hatte. Rückblickend war doch nicht alles schlecht gewesen und sie bedauerte, nicht mehr Zeit gehabt zu haben. "Es war mir eine Freude, Euch zu dienen", sagte Linnora, den Tränen nahe. "Hoffentlich sehen wir uns bald wieder", Izara kämpfte mit ihren eigenen Gefühlen. Zur Zeit fiel es ihr noch schwerer, sie zu verbergen. "So lange es dauert", erwiderte Linnora. Izara machte eine Geste mit der Hand und die Dienerin richtete sich auf. Es war ihr noch immer unangenehm, die Rolle der Prinzessin einzunehmen, doch sie hatte begriffen, dass es nötig war. "Trotzdem", seufzte Izara und setzte sich kurz aufs Bett, "fünf Koffer sind zu viel des Guten." Das Bild eines Drachen, der mit fünf Koffern durch die Gegend flog, wollte ihr einfach nicht in den Kopf gehen. "Der arme Solar wird noch einen Hexenschuss bekommen." "Lass das mal meine Sorge sein", grummelte es am Türrahmen. Erschrocken drehten sich Linnora und Izara um. Grimmig starrte Solar auf das Gepäck. "Man darf sich doch noch Sorgen machen dürfen", Izara verschränkte die Arme vor der Brust, was Solar mit einem Schnauben kommentierte. "Ich bin kein Krüppel", meinte er und lief auf das Bett zu. Das Abzeichen blitzte an seiner Hüfte auf. Nachdem der Blitzdrache das Leben der Prinzessin aufs Blut verteidigt hatte, hatte Devon ihn umgehend zum zweiten Leibwächter ernannt. Die Beförderung hatte den noch schwer verletzen Solar völlig unvorbereitet getroffen und zum ersten Mal hatte Izara so etwas wie Ergriffenheit in seinen Augen gesehen. "Du wärst fast gestorben", erwiderte Izara streng und deutete auf die Wunde an seinem Hals. Sila hatte wirklich gute Arbeit geleistet, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie sich keine Sorgen zu machen hatte. Man hatte Izara vorgewarnt. Die Flugstrecke war nicht ganz ungefährlich, sie würden einen Weg von über fünfhundert Meilen zurücklegen müssen und ob Solar sagen würde, wenn er eine Pause bräuchte, bezweifelte Izara. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie den Blitzdrachen, wie er sich den Koffer schnappte und provokant über die Schultern warf. Dass Devon ihm bereitwillig den Posten des zweiten Leibschwächters auferlegt hatte, war für viele eine Überraschung gewesen. Ein Frischling, der kaum etwas von der Welt gesehen hatte. Für Außenstehende war der Beschluss des Königs nicht nachvollziehbar. Nur Izara, sie wusste ganz genau, was den Drachenkönig zu so einer einschneidenden Entscheidung bewogen hatte und sie hätte ihm nicht dankbarer dafür sein können (auch wenn das hieß, dass Solar weiterhin sein Leben für die Prinzessin opfern würde; ein Punkt über den noch diskutiert werden musste). "Du solltest die Zeit nutzen und dich ausruhen," sagte sie und klang dabei wie Levis. "Ich kann mich ausruhen, wenn ich tot bin", meinte er nur und flüchtete, bevor Izara ihm wieder eine Predigt halten konnte. Kopfschüttelnd sah sie ihm hinterher. Sie würden schon bald genug Zeit zusammen haben. Izara konnte ihm noch viele Predigten halten, und - bei dem Großen Drachen - er würde seine Standpauke noch bekommen! "Ein wirklich grummeliger Blitzdrache", bemerkte Linnora, die nur noch Solars Silhouette an der Flurwand vorbei huschen sah. "Aber der Beste", entgegnete Izara schmunzelnd und gab sich einen Ruck. Zusammen mit ihrer Zofe half sie der Dienerin bei den letzten Vorbereitungen. Das gesamte Küchenpersonal hatte Lunchpakete zusammengestellt, die sich an Aufwand und Dekoration kaum überbieten ließen. Izara hatte sie nach dem Frühstück abgeholt, das Staunen war groß, als die Prinzessin auf einmal in der Küche stand und beim Verpacken mithelfen wollte. Zu guter Letzt gab es ein paar letzte, schniefende Ratschläge von Linnora. Mit glasigen Augen belehrte sie die Prinzessin über die zugigen Bedingungen während des Fluges und dass Izara auch ja ihren gefütterten Mantel anbehalten sollte. Eine Hand auf ihrer Schulter ruhend, versicherte Izara, gut auf sich acht zu geben. Gerne hätte sie die Dienerin umarmt, aber nicht nur die Stellung verbot eine derartige Zurschaustellung der Gefühle. Izara befürchtete auch, dass eine Umarmung in einem Schwall von Tränen enden könnte - für sie beide. "Wenn Ihr noch etwas wünschen solltet", sagte Linnora noch einmal, bevor sie das abgezogene Laken unter den Arm klemmte und die Kissenbezüge zu einem Haufen übereinander legte. "Ich weiß", lächelte Izara und schüttelte den Kopf, "geh' und mach eine Pause." "Aber Ihr-" "Linnora", erwiderte Izara tadelnd, "geh' und frühstücke etwas. Ich möchte nicht, dass du noch meinetwegen in Ohnmacht fällst." Der Dienerin stieg die Röte ins Gesicht und mit einem Knicks verabschiedete sie sich. Sobald Izara eine Minute für sich hatte, lief sie auf die Fenster zu. Eines davon hatte Linnora auf Kipp gestellt, dass ein paar welke Blätter auf die Brüstung geflattert waren. Tief atmete Izara die kühle Mittagsluft ein. Gegen Ende war ihr doch etwas übel geworden, dass eine kurze Auszeit vor dem Flug guttat. Ein stilles Lächeln, ein Hauch von Rosa zierte ihre Wangen. Sie atmete tief aus, fühlte ihren Bauch, dessen Rundungen noch nicht weit fortgeschritten waren. Das Wissen war noch frisch und Izara fürchtete, es könnte schneller verrauchen, als sie bis drei zählen konnte. Als in ihrem Innersten ein Gefühl auftrat, etwas Fremdartiges, außerhalb ihrer eigenen Magie und doch nahe genug, um es als einen Teil von sich zu betrachten, da war es ihr klar geworden. Schwangerschaften waren eine seltsame Sache, wie Izara fand. Sie war noch dieselbe, aber ihr Geist sagte ihr etwas anderes. Warm und wohlig sammelte sich die Magie unter ihrem Herzen. Seitdem sie Gewissheit hatte, ließ sie das Himmelsblut in Ruhe. Stattdessen konzentrierte es seine Macht auf das kleine Etwas in ihrem Bauch, hütete es in einer aus Himmelsblut geschaffenen Blase und tat seine Pflicht. Sie strich über die kaum sichtbaren Wölbungen, die sich unter der Kluft noch gut verstecken ließen und ließ die kalte Brise durch ihre Haare wehen. Anfangs hatte sie große Angst, dass die Symptome denen der Erweckung ähnelten. Nur zu gut erinnerte sie sich an die vielen Stunden, die sie im Bad zugebracht hatte. Übel war ihr, ja - aber nur manchmal und auch nur, wenn die Köchin diesen eigenartigen Fisch servierte oder die Feuerdrachen einen Schwefelgeruch in den Badeanstalten hinterließen.Unsicher wanderte ihr Blick zu den schweren Vorhängen. Es war Izaras kleines Geheimnis. Seit aus einem Gefühl Klarheit geworden war, musste sie sich regelrecht dazu zwingen, es für sich zu behalten. Den Bauch zu fühlen, eine Bestätigung zu suchen, dass alles in Ordnung war, hatte sich zu einer Routine entwickelt, die sie vor den anderen nur schwer zurückhalten konnte. Auch wenn es noch zu früh war, und noch keine Tritte oder Fäuste von sich gab, gab ihr die Berührung ein Gefühl von Sicherheit. Das Klopfen riss Izara aus ihren Träumereien. Hastig ließ sie die Hand sinken, fühlte sich ertappt, obwohl die Tür verschlossen war. "Prinzessin?", hörte sie dumpf die Stimme ihrer Leibwächterin. "Komm rein, Kyia", Izara raffte das Kleid und schloss das Fenster. "Prinzessin", hörte sie es im Chor von Kyia und Sila sagen. Die beiden Weibchen knieten im Zimmer, die Hand auf der Brust und den Blick nach unten gerichtet. Izara konnte nicht anders und verdrehte die Augen. "Erhebt Euch", sagte Izara, bemüht, ihrer Stimme Erhabenheit zu verleihen. Doch die Ironie wollte nicht verschwinden. "Wir wären dann soweit", Kyia erhob sich als erste, "Trias und Solar besprechen noch die Route, danach sollten wir aufbrechen können." "Vorausgesetzt, Trias hält nicht wieder einen Vortrag über Wolken und ihre Bedeutungen", wandte die Lóng ein und fuchtelte mit den Armen. "Wenn ich mir noch einmal den Unterschied zwischen Cumulus und Cumulonimbus anhören muss...", Sila verdrehte die Augen. "Nach deiner letzten Aktion sicher nicht mehr", entgegnete Kyia so trocken wie eh. Die gebürtige Lóng zuckte mit den Schultern. "Wenn mir ein rauchender Vulkankopf etwas über den Wasserkreislauf erzählen will, muss er auch mit den Konsequenzen leben." "Was hast du getan?", Izara konnte nicht anders als zu fragen. "Nichts Schlimmes", winkte Sila ab, "er wollte mir weißmachen, dass Schleierwolken erst nach sechsundddreißig Stunden Regen erzeugen. Ich habe ihm nur das Gegenteil beweisen wollen." "Indem du den ganzen Wald geflutet hast", erwiderte Kyia mit verschränkten Armen. Izara konnte sich geradeso das Lachen verkneifen. Bei dieser Auseinandersetzung wäre sie gerne dabei gewesen. Sila echauffierte sich noch eine Weile, und Izara hörte wehmütig zu. Vielleicht war der Aufbruch doch zu überstürzt. Gerade kamen ihr Zweifel, ob sie all die neu gewonnenen Freunde zurücklassen wollte. "Mit Eurer Zustimmung würden wir in einer halben Stunden abfliegen", Kyias Stimme hatte etwas Endgültiges. Stumm nickte Izara. "Wenn du Solar siehst", Izara verschränkte die Hände hinter dem Rücken, "könntest du aufpassen, dass er nicht...naja, du weißt schon", Izara seufzte, "er soll sich einfach nicht überanstrengen. Wenn du die Koffer nehmen könntest-" "Natürlich. Wie Ihr wünscht", mit einer Verbeugung verabschiedete sich Kyia. Hoffnungsvoll sah sie ihrer Leibwächterin hinterher. Wenn Solar ein Sturkopf war - auf eine Diskussion mit dem Bergdrachen würde auch er nicht eingehen. "Schön, dass die beiden miteinander auskommen", sagte Sila und schaute ihrer langjährigen Freundin hinterher. "Kyia scheint ihn wirklich zu mögen." "So siehst es aus, wenn Kyia jemanden...mag?" Verdutzt hob Izara die Augenbrauen. Als sich die Nachricht des zweiten Leibwächters herumgesprochen hatte, hatte sich Kyia zurückgenommen. Dass sie die Entscheidung zunächst als Versagen ihrerseits aufgefasst hatte, hatte für keinen keinen guten Start innerhalb der neuen Gruppe gesorgt. Der Bergdrache war wütend. Weniger auf Solar als auf sich und ihr Versagen. "Wie sieht es dann aus, wenn Kyia jemanden...nicht mag?!" Die Lòng lachte auf. "Ich weiß, Kyia ist nicht gerade der aktive Part, wenn es um Freundschaften oder ähnliches geht. Aber sie hat ihr Herz am rechten Fleck. Wenn sie den Blitzdrachen nicht leiden könnte, hätte sie ihn mit purer Ignoranz totgeschwiegen." "Dann muss sie Trias ja richtig mögen - so viel wie die beiden sich streiten." "Wer weiß", schmunzelte die Lòng und ging nicht weiter darauf ein. Ihr Blick wurde geradezu ernst, dass Izara das Herz in die Hose rutschte. "Im Moment frage ich mich", setzte Sila an, "wie es um Euren Gemütszustand steht." Bedächtigen Schrittes näherte sich Sila ihrer Prinzessin, die scheu ihre Hände vor dem Schoß gefaltet hatte. Die Lóng stand nun direkt vor Izara. Auf Augenhöhe blickten sie einander an. Izara stieß ein leises Seufzen auf, sie ließ den Blick schweifen. "Ich bin etwas aufgeregt", gestand sie. "Wegen der langen Reise?", die Lóng hob ihre rechte Hand und fühlte Izaras Temperatur, mit der anderen berührte sie ihren Unterleib. Der Lóng konnte sie nichts vormachen. Schon als Izara nervös und unruhig geworden war, hatte Silas feines Gespür eine Veränderung wahrgenommen. Sie war es auch, die ihrem Zustand einen Namen gegeben hatte. Als die Brüste zu schmerzen anfingen und die Blutungen ausfielen... "Es ist eher der Flug, der mir ein wenig Angst macht", antwortete Izara, "ich weiß, es klingt blöd, aber ich mache mir einfach Sorgen." "Das braucht Ihr nicht", entgegnete die Lóng mit einem sanften Lächeln. Langsam ließ sie die Arme sinken. "Dem Kind geht es gut. Euch geht es gut - das ist die Hauptsache. Und als Himmelsdrache wird es die Luft dort oben lieben." "Meinst du?", sie sah zu sich herunter. Auf ihren menschlichen Körper, der nicht zum ersten Mal für Ärger gesorgt hatte. Wer garantierte, dass er das nicht wieder tun würde? "Vertraut mir, Prinzessin", Silas Stimme wurde eine Spur ernster. Die letzten Tage schien sie die Mutterrolle für Izara einzunehmen, während Izara selbst das Gefühl hatte, vollkommen neben sich zu stehen. "Ich...ich weiß auch nicht", Izara ließ die Schultern hängen, "ich habe Angst, dass mein Menschenblut-" "Prinzessin", entgegnete Sila mahnend, bevor sich Izaras Worte noch überschlugen, "auch Eure menschliche Seite wird nichts daran ändern, wer Euer Kind ist. Die Großen Drachen haben eine Entscheidung getroffen, sie werden auf Euch und Euer Kind aufpassen." Izara machte große Augen. "Du hast recht", entgegnete sie, wobei das zarte Rosa ihrer Wangen eine Nuance dunkler wurde. "Ist...ist der König eigentlich in seinem Arbeitszimmer?" "Ja", antwortete Sila und legte die Stirn kraus. "Und Ihr seid Euch sicher, dass Ihr ihm nichts sagen wollt?", fragte sie vorsichtig nach. Izara schüttelte den Kopf. "Es ist besser so", sagte sie und rieb sich über den Bauch, "es ist noch zu früh, ich möchte nicht-" Izara schüttelte den Kopf. Die ersten zwölf Wochen gingen immer mit einer gewissen Vorsicht einher, Izara wusste das, und solange würde sie niemandem von ihrem Geheimnis erzählen. Schon gar nicht dem König - Devon. "Ich verstehe", entgegnete Sila und verneigte sich. Noch einmal strich sie Izara behutsam über die Schulter. Es war tröstend, die Lòng auf ihrer Seite zu wissen und gerne hätte sie Sila bei ihrer Reise dabei gehabt. Soweit von ihrem Zuhause entfernt zu sein und noch weiter vom Schloss, war ein unerträglicher Gedanke, der erst jetzt klare Formen annahm. "Wenn Ihr erlaubt", sagte Sila, griff in ihr feines hoch gestecktes Haar, das mit einer spitzen, goldenen Haarnadel geschmückt war. Sie zog die Haarnadel heraus und schnitt eine dicke Strähne damit ab. Die hellblauen Augen darauf gerichtet, entließ sie einen Hauch ihrer Wassermagie, die Strähne begann zu leuchten und mit geübten Fingergriffen arbeitete sie das Haar in Izaras Kopfschmuck ein, der aus einem typisch, traditionellen Haarreif mit Stoffbändern bestand. "Verabschieden wir uns nicht", sagte die Lòng verschwörerisch und ließ von Izaras Haar, "ich glaube fest daran, dass wir uns bald wiedersehen...meine Himmelsgöttin." "Ich verspreche es", raunte Izara und nickte. "Und jetzt geht zu Eurem König", mit einem Schmunzeln zeigte Sila auf die Tür. Ein letzter Blick, ein flüchtiger Abschied, der nur vorübergehend sein sollte, und Izara huschte aus dem Zimmer. Ihre Schritte waren holprig. Mal langsam, mal schnell konnte sie sich nicht entscheiden, was sie eigentlich wollte. Nur eines war gewiss. "Izara", vor der Tür zum Arbeitszimmer stand Trias. Der gewohnte Blick trieb Izara die Tränen in die Augen, die sie sich eiligst wegwischte, bevor der Volan sie sehen konnte. "Ich dachte, du hälst Solar eine Rede über das Wetter." Trias schnaubte. "Hat dir das der alte Wasserdrache erzählt?" "Ziemlich gefährlich, die Lòng als alt zu bezeichnen, oder?", erwiderte Izara mit einem breiten Grinsen. Amüsiert hob Trias die Augenbrauen. "Das Wort Wasserdrache hätte sie weit mehr verärgert." "Du liebst es, die Damenwelt zu erzürnen, was?" "Ich tue mein bestes, um sie bei Laune zu halten", erwiderte er mit einer gespielten Verbeugung, die Izara zum Lachen brachte. "Ich nehme an, du möchtest zum König?", fragte der Volan noch während er sich aufrichtete. "Wenn er nicht all zu beschäftigt ist", antwortete Izara, obwohl ihr Innerstes laut »ja« schrie. "Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass er das immer ist, aber für dich wird er sich sicher die Zeit nehmen." Hitze stieg ihr ins Gesicht. Seit sie und Devon zurückgekehrt waren, hatte Izara das Gefühl, als würden sich die Männchen komisch aufführen. Als wüssten sie ganz genau, was sie und der König in der Höhle getrieben hatten. Izara wollte gar nicht darüber nachdenken. Mit einem kaum merklichen Nicken ließ Izara den Blick zur Tür schweifen. Wie üblich klopfte Trias, bevor er der Prinzessin die Tür aufhielt. Über einen Stapel voll Bücher hinweg, blickten sie die eiskalten Seelenspiel des Drachenkönigs an. Vorsichtig schloss Izara die Tür, ohne den Blickkontakt abzubrechen. "Ich hoffe, ich störe nicht", sagte Izara und musste sich zusammennehmen, sich nicht zu räuspern. Devon erhob sich von seinem Stuhl, der ein Stück nach hinten gerückt wurde und ein lautes Knarzen in dieser absoluten Stille ausstieß. "Natürlich nicht", entgegnete Devon hastig. Er richtete sich zur vollen Größe auf, dann lächelte er. Innerlich atmete Izara auf. Die letzten Wochen war Devon so beschäftigt gewesen, dass sie kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. Die Abendessen hatten sie meist im Stillen verbracht und wenn, dann waren die Gespräche auf die aktuelle Situation beschränkt. Der Überfall auf Dragor hatte dem Drachenkönig noch mehr Arbeit aufgebürdet. Treffen wurden organisiert, Briefe in alle Herrenländer verteilt - und wie es um die Sicherheit des Schlosses stand, blieb ungewiss. Vielleicht deshalb hatte sie einem Klimawechsel zugestimmt. Ein Haus in den Bergen. Ein wenig Ruhe und Zurückgezogenheit. Aber vielleicht hatte sie auch einfach nur Angst, dass er ihrem Geheimnis auf die Schliche käme und dass es alles verändern würde. Wie zwei Drachen, die sich erst zu beschnuppern hatten, wagte keiner von ihnen, die Distanz zu brechen. Izara war angespannt und auch Devon wirkte aus dieser Entfernung wie ein schüchterner Junge. Ungewollt begann sie an ihrem Gürtel herumzuspielen. "Bist du bereit?", fragte Devon. Nein, das war sie nicht. Aber Devons Sprachkenntnisse reichten nicht aus, die Tragweite seiner Frage zu erahnen. Darum nickte Izara, bemüht, nicht in Tränen auszubrechen. "Izara", Devons Augen drohten sie zu verschlingen. Drohten, ihr kleines Geheimnis auffliegen zu lassen. Ihr Herz drückte sich schmerzlich an ihre Brust. Langsam senkte er den Blick, der alles zerreißende Sog endete und ließ eine bittere Note des schlechten Gewissens zurück. "Wenn du es dir anders überlegst", sagte er, und Izara konnte förmlich spüren, wie er nach den richtigen Worten griff, "du bist keine Gefangene. Du kannst gehen, wohin du willst." Die Lippen zusammengepresst, wandte sie den Blick ab. Die harschen Worte, die sie ihm eines Abends an den Kopf geworfen hatte -  genau wie Izara, schien er sie nicht vergessen zu haben. "Ich weiß", entgegnete sie leise, "und wenn die Zeit reif ist, werde ich", sie ballte die Hände zur Faust. Ihre Lippen formten ein Lächeln. Sie konnte nicht bestimmen, ob sie sich freute oder doch alles hinschmeißen sollte, damit sie bei ihm bleiben konnte. Aber, nein! Sie musste gehen. In Dragor war sie keine Hilfe. Und wenn Devon auch noch im Schloss auf sie acht geben musste, könnte sie sich nicht mehr im Spiegel betrachten. "Ich möchte wiederkommen", sagte sie schließlich und drückte die Faust so fest zusammen, dass kleine, rosane Halbmonde auf ihrem Handteller entstanden, "wenn ich dann noch darf." "Immer." Sein Lächeln war sanft und Izara prägte es sich so gut sie konnte ein. "Ich habe mein Versprechen nicht vergessen", fügte er rasch hinzu, "ich werde dir noch alles zeigen. Deine Magie. Unsere." Sie nickte steif. Es war wohl besser zu gehen, bevor sie sich noch verplapperte. Ihr Gewissen war harsch, zwickte sie an Stellen, die richtig wehtaten. Sie drehte sich um, die Hand fest auf der Klinke "Devon", ihr Stimme war ein Hauchen. Wenn sie etwas sagen wollte, dann jetzt. Die Aufregung war groß, ihr Herz rauschte ihr in den Ohren. Dann hörte sie es sich sagen: "Ich liebe dich." Die Worte trug der Wind davon. Devons Augen weiteten sich und Izara zählte die Sekunden. Eins    . Zwei.    . Sie lächelte, drückte die Klinke herunter und wandte sich ab. Izara war nicht bereit für seine Antwort. Also ging sie. Draußen wartete ein perplexer Volan. Trias Gesicht färbte sich dunkelrot, als Izara zu ihm aufschaute. "Und dich hab ich auch lieb", sie klopfte ihm auf die Schulter. Trias begann zu Husten, dann nickte er. "Wie- wie du meinst", sagte er und hüstelte noch ein wenig weiter. Ihr Geständnis schien ihm weniger auszumachen, als dass Izara glauben könnte, er hätte die beiden absichtlich belauscht. "Ich glaube, ich werde dich vermissen", sagte sie und erstickte das Geständnis im Keim. "Du wirst mir auch fehlen", er lächelte, "ich wünsche eine gute Reise, meine Prinzessin." Trias verschränkte die Arme hinter der Brust und nickte Izara zu. Es war Zeit, aufzubrechen und mit einem letzten Wink verabschiedete sich Izara. Der Gang durch den Flur war zäh und lang. Aber sie spürte, dass es richtig war. Draußen wartete ihre Leibwache - Solar, der ein paar Worte an die Wache richtete. Und Kyia, die alle fünf Koffer auf einmal über den Rücken wuchtete. "Ich weiß, was du getan hast", murrte Trias, als Izara ihren Mantel zuknöpfte und in den wolkenlosen Himmel starrte. "Sieh' es als einen Befehl an", entgegnete Izara, "ein Befehl von deiner Prinzessin." Der Blitzdrache schnaubte. "Haben Prinzessin noch einen Wunsch?" "Ach, Solar", Izara schüttelte den Kopf, dann lächelte sie. "Reicht es denn nicht, dass ich auf deinem Rücken sitzen werde?" Angesprochener blickte sie starr an. Das war nicht ausgemacht, aber was hielt Izara schon von Vorschriften? "Na schön", murmelte Solar, "aber wehe, du machst das aus Mitleid." Er drehte sich mit dem Rücken zu ihr. Im Gegensatz zu Trias musste Solar sein Hemd nicht ausziehen, und das war gut so. Bei den Temperaturen. "Wo denkst du hin?!", entgegnete Izara, fasste vorsichtig um seinen Hals, dass sie die Wunde nicht berührte. Tief atmete sie ein. Es war Zeit. Der Rücken brach auf, Flügel platzten aus dem menschlichen Körper, bevor die gesamte Gestalt zu einem goldenen Drachen erwachte. Die Schwingen ausgebreitet, stieß sich der Blitzdrache vom Boden ab. Auf seinem Rücken - die letzte Himmelsgöttin. Fest umklammerte sie die Schuppen, das panzerförmige Gewand, das höher und höher flog. Wind peitschte Izara ins Gesicht. Es war Schmerz und Wonne zugleich. Sie spürte, ihre Zeit war gekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)