This Could Be Us von Flordelis ================================================================================ Das könnten wir sein -------------------- [LEFT]Der perfekte Morgen begann für Platan normalerweise mit dem Versorgen seiner Pokémon, Kaffee und dem Überprüfen seines Handys, ehe er sich schließlich ausgiebig herrichtete, um dann zur Arbeit zu gehen.[/LEFT] [LEFT]Besonders zum letzten Punkt war er heute aber noch nicht gekommen, da er – die Kaffeetasse in der linken Hand bereits erhoben – noch immer auf sein Handy-Display starrte und dabei die verschiedensten Gemütszustände durchlebte.[/LEFT] [LEFT]Zuerst war er besorgt gewesen, weil seine Assistentin Julie ihm mitten in der Nacht geschrieben hatte; er glaubte schon, ihr sei etwas zugestoßen. Aber dieses Gefühl war bald beiseite gerückt, um für das Entzücken Platz zu machen, während er das gesendete Video betrachtete: es zeigte zwei Bauz – in Alola heimische Pflanzen-Eulen-Pokémon –, die sich in einem Nest aneinander schmiegten und zärtliche Liebkosungen austauschten, indem sie sich gegenseitig mit den Schnäbeln durch das Gefieder fuhren.[/LEFT] [LEFT]Er ging davon aus, dass Julie es ihm geschickt hatte, weil sie von seiner Vorliebe für Pflanzen-Pokémon wusste und es einfach süß fand (eine Einschätzung, die er durchaus mit ihr teilte) – obwohl er sich an dieser Stelle schon wieder Sorgen machte, warum sie nachts um ein Uhr noch Videos ansah, statt zu schlafen.[/LEFT] [LEFT]Doch seine eigentliche Irritation wurde von dem Text ausgelöst, den sie dazu geschrieben hatte: Das könnten wir sein.[/LEFT] [LEFT]Wie meinte sie das?[/LEFT] [LEFT]Im ersten Moment glaubte er, dass es romantisch motiviert sein musste, so zärtlich wie die beiden Pokémon zueinander waren. Aber noch bevor sich das angenehm warme Gefühl, das dabei in ihm aufstieg, ausbreiten konnte, verwarf er diesen Gedanken. Julie war seine Assistentin und sie war wesentlich jünger als er, schon freundschaftliche Gefühle wären mehr als er erhoffen könnte. Obwohl er sie als Freundin betrachtete, immerhin verbrachten sie im Labor und in manchen Pausen so viel Zeit miteinander. Vielleicht sollte er sie deswegen mal fragen …[/LEFT] [LEFT]Aber im Moment war vorrangig, was es mit diesem Video und den Worten dazu auf sich hatte, die ihn immer noch verwirrten.[/LEFT] [LEFT]Mähikel, die ihr Frühstück bereits beendet hatte, gesellte sich zu ihm und neigte den Kopf ein wenig. Sie bemerkte eben immer, wenn er zu viel nachdachte. Aber sie war ja auch schon ewig bei ihm.[/LEFT] [LEFT]»Was denkst du?«, fragte er sie lächelnd. »Was meint Julie damit?«[/LEFT] [LEFT]Bei der Erwähnung von Julies Namen schien sich Mähikels Miene aufzuhellen. Das wunderte ihn nicht, Mähikel mochte Julie immerhin auch. Dennoch half ihm ihr munteres Mähen nicht, die Nachricht besser zu verstehen. Ihm blieb wohl nur eine Möglichkeit: »Ich sollte sie selbst fragen.«[/LEFT] [LEFT]Darauf nickte Mähikel, als wäre sie zufrieden über diese Erkenntnis.[/LEFT] [LEFT]Nach dieser Entscheidung trank Platan endlich seinen Kaffee und machte sich für den Tag fertig, ohne das Video und die Worte zu vergessen. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu beidem – und jedes Mal musste er aufs Neue dieses seltsame warme Gefühl vertreiben. Was auch immer Julie damit hatte bezwecken wollen, im Endeffekt hatte sie ihn doch nur verwirrt. Dass es sich dabei um ihre Intention handeln könnte, bezweifelte er jedoch, das war nicht ihre Art.[/LEFT] [LEFT]Entsprechend aufgeregt war er, als er ins Labor kam, wo er nur noch auf Julie warten müsste. Bedauerlich, dass es seine Angewohnheit war, so viel früher als alle anderen im Labor zu sein. Und ausgerechnet heute waren Sina und Dexio auf einer Exkursion unterwegs, also könnten nicht einmal die beiden ihn ablenken.[/LEFT] [LEFT]So versuchte er sich allein auf seine Arbeit zu konzentrieren – die am frühen Morgen hauptsächlich daraus bestand, seine Mails zu kontrollieren und gegebenenfalls zu beantworten –, während seine Gedanken weiterhin bei diesem viel zu süßen Video waren. Vielleicht sollte er sich einfach bei Julie dafür bedanken und die Worte vergessen. Möglicherweise wäre es ihr ohnehin unangenehm, darüber zu reden, und er wollte nicht, dass sie sich so fühlen musste. Das galt natürlich auch für alle seine Angestellten, aber bei Julie war es … besonders.[/LEFT] [LEFT]Andererseits war er aber auch wirklich neugierig, und er glaubte nicht, dass seine Verwirrung nachließe, wenn er sie nicht fragte.[/LEFT] [LEFT]Noch bevor er eine Entscheidung getroffen hatte, klingelte der Fahrstuhl. Kaum öffneten sich die Türen, begrüßte Mähikel die heraustretende Person begeistert. Julie erwiderte den Gruß wesentlich müder als sonst, aber Platan stellte sich trotzdem vor, wie sie dabei lächelte.[/LEFT] [LEFT]Er lief um die Trennwand herum, die seinen Arbeitsbereich von dem seiner Assistenten abtrennte, und beobachtete, wie Julie Mähikels Kopf tätschelte. Ihr schulterlanges, leicht gewelltes kastanien-farbenes Haar, das sie normalerweise hervorragend pflegte, wirkte heute etwas zerzaust, als hätte sie keine Zeit dafür gefunden. Bedauerlich. Aber selbst so sah es noch bezaubernd aus.[/LEFT] [LEFT]»Guten Morgen, Julie«, grüßte er sie, um endlich auf sich aufmerksam zu machen.[/LEFT] [LEFT]Sie hob den Blick und enthüllte damit die dunklen Ringe unter ihren grünen Augen, die heute einen besonders scharfen Kontrast zu ihrer blassen Haut bildeten. Sein Herz wurde dabei schwer.[/LEFT] [LEFT]»Guten Morgen, Professor.« Selbst ihre sonst so motivierte Stimme klang erschöpft.[/LEFT] [LEFT]»Hast du nicht gut geschlafen?«, fragte er sofort. »War heute Nacht irgendetwas?«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht erfuhr er auf diese Weise ja schon, was er wissen wollte.[/LEFT] [LEFT]Scheinbar unwillkürlich griff sie sich ins Gesicht, stieß dabei mit der Hand aber nur gegen ihre Brille, die sie direkt wieder zurechtrückte. »Also, nicht wirklich, nein.«[/LEFT] [LEFT]Da er sie weiterhin besorgt ansah, wandte sie schließlich den Blick ein wenig ab. Ihm blieb dennoch nicht verborgen, dass ihr Gesicht ein wenig mehr Farbe bekam. »Ich habe mich mit einer Freundin getroffen und das ging vielleicht etwas länger als gedacht.«[/LEFT] [LEFT]Es war schön zu hören, dass sie sich mit Freundinnen (wenngleich hier nur im Singular) traf. Gerade weil sie so schüchtern war, hatte er schon befürchtet, sie wäre in ihrer Freizeit ganz allein. Aber offenbar musste er sich darum keine Sorgen machen.[/LEFT] [LEFT]»Falls du noch Zeit brauchst, um dich davon zu erholen, kannst du dir heute auch freinehmen.«[/LEFT] [LEFT]Sie warf einen vielsagenden Blick zu dem leeren Schreibtisch von Sina und Dexio, aber Platan schüttelte lächelnd mit dem Kopf, bevor sie etwas sagen konnte. »Es gibt gerade ohnehin keine neuen Erkenntnisse, also bliebe nicht viel Arbeit liegen. Und ich wäre ja auch nicht allein, ich habe Mähikel und Bisasam.«[/LEFT] [LEFT]Er zwinkerte Julie zu, während Mähikel ihm mähend zustimmte. Diesmal schüttelte allerdings seine Assistentin mit dem Kopf, worauf sie ein wenig das Gesicht verzog als hätte sie Schmerzen. »Es ist schon okay. Sobald ich einen Kaffee getrunken habe, bin ich bestimmt etwas wacher.«[/LEFT] [LEFT]Da er sie nicht einfach zwingen konnte oder wollte, wieder nach Hause zu gehen – ohne Julie wäre er hier tatsächlich ein wenig einsam –, nutzte er seine Chance für ein anderes Thema: »Ich danke dir übrigens für das Video, das du mir geschickt hast. Es war wirklich süß.«[/LEFT] [LEFT]Julie hatte gerade ihren Bürostuhl zurückgezogen, hielt nun aber wie elektrisiert inne. Als sie ihn wieder ansah, wirkte es als hätte ihr Gesicht seine alte Farbe zurück.[/LEFT] [LEFT]»I-ich habe was?«, fragte sie atemlos.[/LEFT] [LEFT]»Du hast mir ein Video geschickt.« Er breitete die Arme aus. »Mit zwei Bauz in ihrem Nest. Erinnerst du dich?«[/LEFT] [LEFT]So wie sie ihn anstarrte, erinnerte sie sich wirklich, aber es schien ihr unangenehm zu sein.[/LEFT] [LEFT]»Jedenfalls wollte ich dich aber eigentlich fragen, was du mit dem Text meintest, den du dazu geschrieben hast.«[/LEFT] [LEFT]Sein erwartungsvoller Blick traf auf ihre anwachsende Panik. Ihre Augen wanderten hilflos zwischen Mähikel und ihm hin und her. Doch das Pokémon half ihr nicht, da es mindestens genauso neugierig war wie Platan.[/LEFT] [LEFT]Abwehrend riss Julie schließlich die Hände hoch. »D-dieser Text war gar nicht für Sie, Professor!«[/LEFT] [LEFT]Während sein Lächeln erlosch, glitzerten ihre Augen, als wäre sie gerade besonders stolz auf sich. »Genau! Ich wollte das eigentlich alles jemand anderem schicken!«[/LEFT] [LEFT]»Oh.« Er war selbst von der Enttäuschung überrascht, die sich in ihm ausbreitete, gleichzeitig war er aber auch beeindruckt von der Kraft in ihrer sonst eher sanften Stimme. »Das erklärt natürlich alles. Ich hatte mich nur gewundert. Tut mir leid, dass dir das so unangenehm zu sein scheint.«[/LEFT] [LEFT]Sollte er sie fragen, wer diese andere Person war? Nein, sie wirkte jetzt schon so als wäre sie am liebsten vom Erdboden verschluckt worden. Für junge Frauen war das ein sehr empfindliches Thema – und vermutlich ging ihn das auch einfach nichts an. Im Endeffekt war er ihr Chef, nicht ihr Freund. Auch wenn der Gedanke ihn ein wenig traurig stimmte. Immerhin sah er all seine Angestellten als seine Freunde. Er sollte ihr das wirklich einmal vorschlagen.[/LEFT] [LEFT]Aber nicht gerade jetzt, während sie ihn weiterhin geradezu panisch ansah, als versuchte sie irgendetwas zu ergründen. Er lächelte sie beruhigend an, damit sie wüsste, dass sie nichts zu befürchten hatte.[/LEFT] [LEFT]Zu seinem Bedauern erreichte er damit aber offenbar das Gegenteil: Entschlossen schob Julie den Stuhl wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück.[/LEFT] [LEFT]»Wenn ich so darüber nachdenke«, sagte sie dabei, »gehe ich vielleicht doch lieber nach Hause, um mich etwas auszuruhen. Sie kommen bestimmt ohne mich klar.«[/LEFT] [LEFT]Damit huschte sie schon davon, bevor er noch etwas sagen konnte. Sie drehte sich nicht einmal zu ihm, als sie blind auf die Knöpfe neben sich drückte.[/LEFT] [LEFT]Kaum schlossen sich die Fahrstuhltüren hinter ihr wieder, fühlte sich das Labor wesentlich trauriger an als noch zuvor. Selbst die Farben schienen Platan plötzlich gedämpfter.[/LEFT] [LEFT]Mähikel sah ihn fragend an. »Mäh?«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß auch nicht, was mit ihr los ist.« Er wusste ja nicht einmal, was mit ihm los war – und warum allein der Gedanke an eine andere Person, der sie dieses Video und die Worte geschickt haben könnte, so ein kaltes Gefühl in ihm verursachte. Was für ein Leben führte Julie abseits der Arbeit? Etwas in ihm wäre so gern ein Teil davon.[/LEFT] [LEFT]»Mäh, mäh!«[/LEFT] [LEFT]Mähikel riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Lächelnd sah er sie an. »Du meinst, ich soll jemanden mit mehr Erfahrung fragen? Wen denn?«[/LEFT] [LEFT]Darauf konnte sie auch nur ein wenig den Kopf neigen.[/LEFT] [LEFT]Nun selbst darüber nachdenkend kehrte er zu seinem eigenen Schreibtisch zurück. Sina und Dexio fielen ihm natürlich sofort ein, aber zum einen waren die beiden gerade mit Arbeit beschäftigt, zum anderen fühlte er sich nicht wohl dabei, ein derart empfindliches Thema zu ihnen zu bringen, wenn sie doch auch mit Julie zusammenarbeiteten. Bestimmt wäre ihr das noch unangenehmer – vor allem, wenn er daran dachte, dass es im Bereich des Möglichen war, dass die Nachricht vielleicht für Dexio gewesen war. Oder für Sina.[/LEFT] [LEFT]Während er sich setzte, kam ihm der Gedanke, dass er einen seiner Forscherkollegen anrufen könnte. Professor Eibe, sein früherer Mentor, wäre eine Option, aber er zweifelte, dass der ihm einen guten Rat in dieser Hinsicht geben könnte. Vielleicht wäre das auch zu persönlich.[/LEFT] [LEFT]Also blieb nach allen Überlegungen nur eine Möglichkeit: Er zog sein Handy aus seiner Tasche und wählte in seinen Kontakten die Nummer von Kukui. Der Pokémon-Professor von Alola war nicht nur sein Freund, er war auch seit Jahren verheiratet, also kannte er sich bestimmt mit der Gefühlswelt von Frauen aus – und könnte ihm sagen, wie er das bei Julie wieder gutmachen könnte. Außerdem hatten sie seit einigen Monaten nicht mehr miteinander gesprochen, es wäre schön, sich mal wieder auszutauschen.[/LEFT] [LEFT]Das Klingeln hielt so lange an, dass Platan die Zeit fand, sein Handy in einer speziell dafür angebrachten Vorrichtung zu befestigen, so dass er die Hände frei hatte, um seinen Kaffee zu trinken.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich sprang das Display um und zeigte tatsächlich Kukui, der gerade in seinem Labor zu sitzen schien – wenn Platan die grauen Wände und das Aquarium im Hintergrund richtig deutete – und mit gerunzelter Stirn in die Kamera sah. »Alola, Platan.«[/LEFT] [LEFT]»Hallo, Kukui. Ich hoffe, ich störe nicht.«[/LEFT] [LEFT]Da es noch recht früh am Morgen war, bestand diese Möglichkeit immerhin, das hätte auch Kukuis abgeneigten Gesichtsausdruck erklärt. Aber er schüttelte schon mit dem Kopf. »Keine Sorge. Was gibt’s? Gibt es eine neue Attacke, die ich mir ansehen soll?«[/LEFT] [LEFT]Den seltsamen Unterton in seiner Stimme verstand Platan dabei nicht so recht. Thema ihrer letzten Unterhaltung war tatsächlich eine ganz außergewöhnliche Attacke von Kalos-Pokémon gewesen, die bei Kukui zu einigem Frust geführt hatte; aber Platan war es erfolgreich gelungen, seinem Kollegen zu erklären, weswegen Geschenk keine sinnlose Attacke war. Vielleicht schämte er sich ja noch für seine falsche Einschätzung damals, deswegen ging Platan nicht weiter darauf ein.[/LEFT] [LEFT]»Heute geht es um keine Attacke«, sagte er. »Eigentlich bräuchte ich eher deinen Rat.«[/LEFT] [LEFT]Kukui entspannte sich ein wenig und brachte sogar ein Lächeln zustande. »Mit meiner Urteilskraft sorge ich schon für den richtigen Rat. Also, nur keine Zurückhaltung. Geht es um dein Forschungsgebiet? Suchst du immer noch nach etwas Neuem?«[/LEFT] [LEFT]Seine Eigenart, Attacken in seine Sätze einzubauen, ließ Platan sofort lächeln. »Nein, nein, es geht um etwas … Persönliches.«[/LEFT] [LEFT]Etwas in Kukuis Augen flackerte aufgeregt. »Oh~. Ich bin ganz Ohr.«[/LEFT] [LEFT]Über diesen guten Freund hätte Platan am liebsten ergriffen geseufzt, aber er konzentrierte sich auf das eigentlich Wichtige: »Du kennst doch meine Assistentin Julie, nicht?«[/LEFT] [LEFT]»Oh ja. Sie ist dir bei der letzten Konferenz kaum von der Seite gewichen.«[/LEFT] [LEFT]Das schrieb Platan immer noch ihrer Schüchternheit zu. Von all diesen fremden Professoren umgeben gewesen zu sein, musste sehr überwältigend auf sie gewirkt haben. Auf seine nachträgliche Frage, wie ihr die Konferenz gefallen hatte, war von ihr eine begeisterte Antwort gekommen; also war es glücklicherweise nicht so schlimm für sie gewesen.[/LEFT] [LEFT]»Stimmt etwas nicht mit ihr?«, hakte Kukui nach.[/LEFT] [LEFT]»Nun, das weiß ich nicht genau. Ich glaube, ich habe sie gerade unbeabsichtigt gekränkt.«[/LEFT] [LEFT]Kukui sah ihn skeptisch an. »Ausgerechnet du? Das kann ich mir nicht vorstellen. Was ist denn passiert?«[/LEFT] [LEFT]»Lass mich dafür bitte etwas ausholen, keine Sorge, es geht schnell. Als Professor in Alola kennst du doch bestimmt dieses reizende Video mit den beiden Bauz.«[/LEFT] [LEFT]»Das Bauz-Pärchen? Oh ja, das kenne ich.« Er grinste stolz. »Eines der Kinder der diesjährigen Inselwanderschaft hat es aufgenommen, als er unverhofft dieses Nest gefunden hat, und es online gestellt. In Alola kennt das inzwischen schon quasi jeder.«[/LEFT] [LEFT]Das überraschte Platan gar nicht. »Ich habe es heute morgen das erste Mal gesehen, weil Julie es mir letzte Nacht geschickt hat.«[/LEFT] [LEFT]Kukuis Grinsen nach diesen Worten verwirrte ihn wieder etwas. Aber er fuhr ungetrübt fort: »Wirklich verwundert hat mich aber der Text, den sie dazu geschrieben hat: Das könnten wir sein. Also habe ich sie vorhin gefragt, was das bedeuten sollte.«[/LEFT] [LEFT]Als Kukui daraufhin lachte, verstand Platan die Welt noch weniger. Warum amüsierte seinen Freund und Kollegen das so sehr, wenn er Julie damit doch derart verärgert hatte? Kukui entschuldigte sich rasch und fragte, was sie darauf geantwortet hatte.[/LEFT] [LEFT]»Sie wurde sofort panisch und sagte, dass weder das Video noch die Nachricht für mich gewesen waren. Danach ist sie regelrecht geflohen.«[/LEFT] [LEFT]»Wow«, kommentierte Kukui kopfschüttelnd. »Das muss ein echter Plasmaschauer für Julie gewesen sein. Du bist wirklich erbarmungslos, Platan. Hätte ich gar nicht von dir erwartet.«[/LEFT] [LEFT]»Also habe ich wirklich einen großen Fehler gemacht.« Er seufzte. »Ich war nur über diese Nachricht verwirrt und wollte wissen, was sie meinte. Aber ich habe im Vorfeld nicht daran gedacht, dass ich vielleicht gar nicht der Empfänger sein sollte; dabei hätte mir das eigentlich klar sein müssen, sie hat mir immerhin noch nie nachts geschrieben.«[/LEFT] [LEFT]Schlagartig wurde Kukui ernst. Er musterte ihn mit einem Blick, den Platan nicht zu deuten verstand. »Warte, warte, warte! Vollführen wir eine Rückkehr zum Anfang. Du hast mir nicht gerade ernsthaft erzählt, dass du wirklich nicht verstanden hast, was Julie meinte?«[/LEFT] [LEFT]Da Kukui diese Frage so stellte, als wäre es eigentlich absolut selbsterklärend, fühlte Platan sich regelrecht dumm. Normalerweise hatte er keine Probleme damit, andere Menschen zu verstehen, aber in diesem Fall …[/LEFT] [LEFT]»Es ist mir immer noch ein Rätsel.«[/LEFT] [LEFT]»Ich dachte, du wolltest sie nur ein bisschen ärgern, damit sie dir gegenüber endlich zugibt, dass sie in dich verliebt ist.«[/LEFT] [LEFT]»So etwas würde ich nie tun, ich-« Platan verstummte abrupt, seine Augen weiteten sich. »W-was hast du da gerade …? Julie ist …?«[/LEFT] [LEFT]Er konnte es nicht glauben, es war unmöglich. Julie war eine brillante junge Wissenschaftlerin mit einer Zukunft voller bahnbrechender Entdeckungen vor sich, sobald sie erst einmal das notwendige Selbstbewusstsein dafür gefunden hatte. Warum sollte eine so bezaubernde Persönlichkeit wie sie sich in einen Professor verlieben, der seine besten Jahre schon hinter sich hatte und einen Teil davon verbittert über seine fehlenden Fortschritte gewesen war?[/LEFT] [LEFT]Und warum breitete sich eine geradezu kindliche Freude über ihre Gefühle in ihm aus?[/LEFT] [LEFT]Da Kukui ihn erwartungsvoll ansah, statt etwas zu sagen, räusperte er sich rasch. »Dann denkst du, die Nachricht war wirklich für mich? Wie kommst du darauf?«[/LEFT] [LEFT]Seufzend schob Kukui seine Brille hoch, um sich über die Augen zu reiben. »Platan, mein Guter, du bist wirklich sehr versiert im Umgang mit Geschichten und Pokémon-Fakten – aber du bist absolut unbeholfen, was Romantik angeht, sobald sie dich mit einschließt.«[/LEFT] [LEFT]Das konnte er nicht verneinen. Natürlich gab es dafür einen unschönen Grund, aber den wollte er gerade nicht vorbringen. Dafür interessierte ihn die Antwort auf seine Frage zu sehr. Glücklicherweise lieferte Kukui ihm diese auch sofort: »Jeder bei der Konferenz hat es bemerkt. Ist dir noch nie aufgefallen, wie Julie dich ansieht? Wie ihre Stimme einen Ticken höher wird, wenn sie mit dir redet? Oder wie ihre Augen glitzern, wenn du eine Geschichte erzählst?«[/LEFT] [LEFT]Eigentlich rühmte Platan sich seiner umfassenden Aufmerksamkeit in sozialen Gelegenheiten, aber ausgerechnet in diesem Fall musste seine Gabe ihn im Stich gelassen haben.[/LEFT] [LEFT]»Nein«, gab er zu, »das ist mir nie aufgefallen.«[/LEFT] [LEFT]Außer das Glitzern, aber er war davon ausgegangen, dass es immer vorhanden war, egal wer mit ihr sprach. Er kannte sie ja gar nicht anders, schon von Anfang an war es da gewesen. Und vielleicht war es ja sogar dieses Glitzern in ihren Augen, das ihn damals davon überzeugt hatte, sie einzustellen, als sie sich im Café begegnet waren – und sie als einzige geduldig all seinen Geschichten gelauscht hatte. Dieses Glitzern und das wunderbar angenehme Gefühl in ihrer Nähe zu sein, das sein Herz allein bei dem Gedanken an sie auch wieder schneller schlagen und ihn sich jung fühlen ließ.[/LEFT] [LEFT]»Aber warum ist sie in Panik geraten, als ich sie gefragt habe?«[/LEFT] [LEFT]Seufzend hob Kukui die Hände. »Ich gehe davon aus, dass sie dir die Nachricht geschrieben hat, als sie angetrunken war oder so etwas und es deswegen vergessen hatte oder gehofft hat, dass es nie geschehen ist.«[/LEFT] [LEFT]Nun, Julie hatte erzählt, dass sie den Abend zuvor mit einer Freundin verbracht hatte. Möglicherweise war Alkohol involviert gewesen, aber …[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß gar nicht, ob Julie überhaupt trinkt.«[/LEFT] [LEFT]»Ach, gerade wenn wir unter Liebeskummer leiden, machen wir manchmal Dinge, die wir sonst nicht tun.«[/LEFT] [LEFT]Dem konnte Platan tatsächlich nicht widersprechen. Auch wenn seine Erfahrungen damit schon weit zurücklagen. Deswegen lenkt er das Thema lieber auf Kukui: »Es klingt, als hättest du selbst schon derartige betrunkene Texte verfasst oder erhalten.«[/LEFT] [LEFT]»Sagen wir mal so: Burnett kriegt bei diesen seltenen Gelegenheiten immer sehr viele Nachrichten von mir, in denen ich meine ewige Liebe schwöre, falls sie mich heiratet – nur damit sie mir dann sagen kann, dass wir ja schon verheiratet sind.«[/LEFT] [LEFT]Bei dem Gedanken lächelte er so glücklich, dass Platan ihn für einen Moment beneidete; es musste schön sein, bereits über die unsichere Phase der Verliebtheit hinaus und sich den Gefühlen der anderen Person sicher sein zu können.[/LEFT] [LEFT]»Wie auch immer«, sagte Kukui plötzlich, »hier geht es ja nicht um mich. Jetzt, da wir das geklärt haben, gibt es nur noch eine wichtige Frage, vor allem für deinen zukünftigen Umgang mit Julie.«[/LEFT] [LEFT]Platan nickte lächelnd. »Und dafür brauche ich auch deine Hilfe: Wie soll ich mich bei Julie dafür entschuldigen? Ich wollte sie schließlich nicht derart in Verlegenheit bringen.«[/LEFT] [LEFT]Im Gegensatz zu ihm schüttelte Kukui seufzend mit dem Kopf. »Blattgeißel, nein, das meinte ich damit nicht. Die Frage ist, ob du auch in sie verliebt bist.«[/LEFT] [LEFT]Daran hatte er nicht gedacht. Er war seit Jahren nicht mehr verliebt gewesen, deswegen konnte er es nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, aber dann rief er sich einfach all die kleinen Details ins Gedächtnis, die sein Leben ausmachten, seit sie bei ihm war: ihre Stimme, die seinen Tag erhellte, sobald sie morgens Mähikel begrüßte; die aufmerksame Fürsorglichkeit, durch die sie immer genau wusste, wann er einen neuen Kaffee benötigte; ihre strahlenden Augen, wann immer er sie lobte; die angeregten Gespräche, die er mit ihr vorrangig über seine Forschungen führte; ihre leicht gerunzelte Stirn beim Durchlesen von Berichten; die anmutige Bestimmtheit in ihrem Umgang mit ihren Pokémon; ihr sanftes Lächeln, wenn sie seinen Erzählungen lauschte.[/LEFT] [LEFT]All diese Dinge ließen zahlreiche bunt gemusterte Vivillons in seinem Inneren frei, die auch sein Herz dazu brachten, schneller zu schlagen. Eine lange nicht mehr gekannte Form von Sehnsucht erwachte in seiner Brust. Am liebsten wäre er direkt zu Julie geeilt, um ihr zu versichern, dass er sie auch liebte, aber …[/LEFT] [LEFT]Kukui hatte geduldig abgewartet, ein feines Lächeln auf den Lippen, als könne er sich die Antwort schon denken. Platan gab sie ihm dennoch, wobei seine Stimme äußerst verblüfft klang: »Ich bin in sie verliebt.«[/LEFT] [LEFT]Da Kukui zufrieden nickte, war ihm das wirklich schon bewusst gewesen. Platans nächste Frage überraschte ihn aber sichtlich: »Darf ich es ihr überhaupt sagen? Ist das in meinem Alter nicht unangemessen?«[/LEFT] [LEFT]»Äh, also ...« Kukui sah zur Seite, tippte anscheinend irgendetwas auf seiner Tastatur, dann starrte er kurz konzentriert auf den Bildschirm, ehe er sich wieder ihm zuwandte, eine Augenbraue skeptisch hochgezogen. »41 ist doch nun wirklich kein Alter. Oder?«[/LEFT] [LEFT]Es klang fast ein wenig so, als erwartete er, dass Platan ihn bestätigte – oder korrigierte –, aber der war zu sehr damit beschäftigt, sich darüber zu wundern, dass Kukui offenbar sein Alter nicht gewusst hatte. Als er ihn deswegen fragte, seufzte Kukui. »Ich merke mir einfach keine Jahreszahlen, nur Geburtstage. Aber du bist echt …? Wow, ich dachte, du wärst jünger als ich.«[/LEFT] [LEFT]Diese Annahme war schmeichelhaft, deswegen bedankte Platan sich lächelnd, nur um direkt wieder besorgt zu sein und seine vorigen Fragen zu wiederholen. Kukui ließ sich nicht beeindrucken: »Julie weiß doch bestimmt, wie alt du bist. Solange sie sich nicht daran stört, ist daran auch nichts unangemessen. Finde ich jedenfalls.«[/LEFT] [LEFT]Sie musste wissen, wie alt er war, immerhin hatten Sina und Dexio ihm erzählt, dass sie für seinen letzten Geburtstag den Kuchen und die Karte besorgt hatte. Und dennoch war sie verliebt in ihn. Es war wie ein seltsamer Traum, den er seit Jahren nicht mehr zu träumen gewagt hatte.[/LEFT] [LEFT]»Na also, was hält dich dann noch davon ab, es ihr einfach zu sagen?«[/LEFT] [LEFT]»Nun, mein letztes Liebesgeständnis lief nicht sehr gut.« Die Erinnerung daran verscheuchte alle guten Gefühle in seinem Inneren. »Deswegen wollte ich mich eigentlich nie wieder verlieben.«[/LEFT] [LEFT]Und bislang war das auch gut gegangen. Aber dann war Julie in sein Leben getreten.[/LEFT] [LEFT]»Wir entscheiden uns nicht dafür, uns zu verlieben«, wandte Kukui ein, ehe er schmunzelte. »Vielleicht sollte es einfach so sein. Ein Kismetwunsch. Schicksal, das ist doch genau das, was du immer so faszinierend findest, oder?«[/LEFT] [LEFT]Das stimmte. Platan war ein großer Anhänger des Schicksals, also konnte er sich auch gut vorstellen, dass es einem höheren Willen geschuldet war, dass er bis jetzt allein geblieben war.[/LEFT] [LEFT]Dennoch wusste er nicht, wie er das Thema anfangen sollte, besonders nachdem er sie derart in Verlegenheit gebracht hatte. Auf sein Nachfragen schmunzelte Kukui siegessicher. »Du fragst genau den Richtigen, um dir Rückenwind zu verleihen! Ich weiß, wie schwer es ist, seinem Schwarm zu sagen, dass man in ihn verliebt ist. Rede erst mal mit ihr – und wenn es doch nicht funktioniert, schick ihr dieses Video.«[/LEFT] [LEFT]Kukui tippte kurz auf dem Handy, im nächsten Moment zeigte Platans Telefon an, dass er eine Nachricht bekommen hatte. Neugierig öffnete er das Video und musste kurz danach schon sanft lächeln. Es waren zwei Liebiskus, herzförmige Fisch-Pokémon, in einem Aquarium die sich einen Kuss gaben.[/LEFT] [LEFT]»Allerliebst«, bemerkte Platan verzückt.[/LEFT] [LEFT]Kukui bewegte das Handy, so dass Platan das Aquarium hinter ihm sehen konnte, in dem zwei Liebiskus schwammen. »Das hab ich neulich erst aufgenommen, es ist also nicht mal im Internet, sie kann es unmöglich kennen.«[/LEFT] [LEFT]Wenn er ihr dieses Video schickte, würde sie ihn dann verstehen, auch ohne dass er es ihr sagte? Eigentlich würde er es ihr aber gern sagen, das erschien ihm richtig und angemessen.[/LEFT] [LEFT]»Notfalls kannst du damit einfach das Eis brechen«, erwiderte Kukui auf seinen Einwand. »Ich meine, hey, sie hat es dir immerhin auch quasi mit einem Eulenvideo gestanden, nicht? Dann wäre das doch zumindest am Anfang nur fair.«[/LEFT] [LEFT]»Und wenn es nicht funktioniert?«, fragte Platan zweifelnd. »Wenn sie mich doch abweist?«[/LEFT] [LEFT]Genau wie damals. Auch da war er sich absolut sicher gewesen, dass alles gut ausgehen würde und doch war er abgewiesen worden. Er war sich nicht sicher, ob er das noch einmal durchstehen könnte.[/LEFT] [LEFT]Kukui lächelte nur sanft. »In dem Fall werde ich hier sein, um dich wieder aufzumuntern. Unsere Kameradschaft wird dann schon wieder für Goldene Zeiten sorgen.«[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Nicht lange nach diesem Telefonat stand Platan vor Julies Wohnungstür – und das wesentlich länger als er sich selbst zugestand.[/LEFT] [LEFT]Hier war sein neu erwachter Mut verschwunden, als er gerade hatte klopfen wollen. Vertrieben von all den kalten Zweifeln, die an den Rändern seines Verstands gelauert hatten, bis er in dieser Situation war, allein, ohne Kukui oder Mähikel, die ihm Mut zusprechen könnten.[/LEFT] [LEFT]Was, wenn Julie ihn gar nicht sehen wollte, ihn vielleicht nicht einmal hereinließ? Oder wenn sie gerade nicht allein war?[/LEFT] [LEFT]Gleichzeitig war er so nah bei ihr, dass seine Sehnsucht von ihm verlangte, dass er diese Furcht ignorierte und klopfte. Dieses Mal, so die Hoffnung in seinem Inneren, würde alles gut gehen.[/LEFT] [LEFT]Auch wenn diese Stimme wesentlich leiser war als der Zweifel, gewann sie schließlich, weil er wieder daran dachte, dass es Schicksal sein musste, dass sie sich begegnet waren – und dem Ruf des Schicksals konnte auch er sich nicht entziehen.[/LEFT] [LEFT]Er klopfte.[/LEFT] [LEFT]Und wartete.[/LEFT] [LEFT]Nichts.[/LEFT] [LEFT]Also klopfte er ein weiteres Mal.[/LEFT] [LEFT]Und wartete erneut.[/LEFT] [LEFT]Wieder nichts.[/LEFT] [LEFT]Vielleicht war sie wirklich nicht da, dann war das hier umsonst. Oder sie wollte niemanden sehen.[/LEFT] [LEFT]Aber er wollte nicht riskieren, doch wieder seinen Mut zu verlieren, deswegen klopfte er ein drittes Mal. Diesmal erklang ein Geräusch aus dem Inneren, das ihn an Fiaro, Julies Partner-Pokémon, erinnerte. Im nächsten Moment näherten sich Schritte der Tür.[/LEFT] [LEFT]Gleich würde er Julie wieder gegenüberstehen. Julie, die in ihn verliebt war. Und in die er verliebt war. Sein Herz schlug so schnell und intensiv wie noch nie zuvor in seinem Leben. Alle Worte und Sätze, die er sich zurechtgelegt hatte, wurden von der Aufregung durcheinandergewirbelt, wie Blüten während eines Sturms.[/LEFT] [LEFT]Die Tür öffnete sich und sofort war es Platan, als gewinne die Welt ihre strahlenden Farben zurück. Plötzlich erschien ihm alles so offensichtlich, dass er sich fragte, wie er es zuvor nicht hatte erkennen können.[/LEFT] [LEFT]Julie senkte den Blick, nachdem sie ihn erst ungläubig gemustert hatte. »W-was ist los, Professor? Gibt es doch Probleme im Labor? Habe ich etwas vergessen?«[/LEFT] [LEFT]Ihre Stimme war so unsicher und verletzlich, dass er ihr am liebsten sofort versichert hätte, dass alles vollkommen in Ordnung war und sie ihre Gefühle nicht mehr verstecken müsste. Aber zwischen Tür und Angel war einfach nicht der richtige Ort dafür.[/LEFT] [LEFT]»Nein, nur keine Sorge«, beruhigte er sie deswegen. »Ich wollte nur noch mal nach dir sehen.«[/LEFT] [LEFT]»Während der Arbeitszeit?«, fragte sie misstrauisch.[/LEFT] [LEFT]Er hob die Arme ein wenig, lächelte. »Darf ich reinkommen?«[/LEFT] [LEFT]Sie schwieg nachdenklich, er befürchtete schon, dass sie ihn doch abweisen würde, aber dann ging sie einen Schritt beiseite. »Natürlich.«[/LEFT] [LEFT]Dankend trat er ein. Es war das erste Mal, dass er ihre Wohnung besuchte, deswegen konnte er sich nicht beherrschen, sich nicht eingehend umzusehen. Der kleine fensterlose Flur war düster, aber dennoch erkannte er ein kleines Schuhregal und eine Garderobe, an der auch der Mantel und der Schal hingen, mit denen sie im Winter immer ins Labor kam. Daneben lehnte ein farbloser Schirm und wartete darauf, wieder einmal gebraucht zu werden.[/LEFT] [LEFT]Das lichtdurchflutete Wohnzimmer war schon eher ein Ort, den er mit Julie verbunden hätte: Nicht nur hingen Fotos von ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester an den Wänden (bestimmt hatte sie extra darauf geachtet, dass kein Bild dabei war, auf dem sie auch zu sehen wäre), neben dem weißen Sofa mit den rosa Kissen stand eine Stange, auf der gerade Fiaro saß und Platan neugierig betrachtete. Eneco erhob sich miauend aus ihrem kleinen Bett und strich Platan wie üblich zur Begrüßung um die Beine, bis Ohrdoch irgendetwas zu ihr sagte, worauf Eneco fast schon beleidigt abließ und durch eine andere Tür verschwand. Dort klagte sie einem der Pokémon von Julie, die gerade nicht im Wohnzimmer waren, ihr Leid.[/LEFT] [LEFT]Julie stand ein wenig verloren neben ihm, bis Ohrdoch auch zu ihr etwas sagte, dann erwachte sie ein wenig aus ihrer verlorenen Starre: »Ach ja, bitte, setzen Sie sich, Professor.«[/LEFT] [LEFT]Platan setzte sich auf das Sofa, worauf Julie am anderen Ende Platz nahm, tunlichst darauf bedacht, ihn nicht zu lange anzusehen. Ohrdoch und Fiaro folgten Eneco schließlich in das andere Zimmer und schlossen tatsächlich die Tür hinter sich. Wie rücksichtsvoll von ihnen, sie allein zu lassen, dabei wussten sie nicht einmal, worum es ging.[/LEFT] [LEFT]»Wie Sie sehen, geht es mir gut«, sagte Julie abwehrend. »Sie hätten nicht extra kommen müssen. Während der Arbeitszeit.«[/LEFT] [LEFT]Irgendetwas daran schien sie wohl ziemlich unzufrieden zu stimmen. Vielleicht trug sie ihm seine Pflichtvergessenheit nach. Aber daran konnte er nun nichts ändern.[/LEFT] [LEFT]»Um ehrlich zu sein«, begann er, »wollte ich eigentlich mit dir reden.«[/LEFT] [LEFT]Sie stieß ein leidendes Stöhnen aus. »Ich bin bestimmt gefeuert, oder?«[/LEFT] [LEFT]Ihm blieb nicht einmal die Gelegenheit, sie zu fragen, wie sie darauf kam, da fuhr sie schon fort: »Man schreibt nicht einfach nachts nach einer Flasche Wein seinem Chef seltsame Nachrichten und wird dann nicht gefeuert. Es ist okay, ich habe es verdient. Ich geh einfach zu meiner Mutter nach Paldea und-«[/LEFT] [LEFT]»Nein, nein«, unterbrach er sie rasch, ehe sie sich noch in Verzweiflung redete. »Ich will dich wirklich nicht feuern. Eigentlich geht es mir um etwas ganz anderes.«[/LEFT] [LEFT]Julie sank ein wenig tiefer auf dem Sofa, wie ein kleines Häuflein Elend. Am liebsten hätte er ihr direkt gesagt, dass er auch in sie verliebt war. Aber alle seine zurechtgelegten Sätze waren bei diesem traurigen Anblick einfach fort. Und er wollte sie auch nicht bedrängen, indem er sie einfach umarmte.[/LEFT] [LEFT]»Wegen der Nachricht«, begann er deswegen zurückhaltend, »also … sie war wirklich für mich, oder?«[/LEFT] [LEFT]Sie nickte bedrückt. »Natürlich wollte ich sie nicht absenden, das war nur ein Versehen, weil ich diesen Wein getrunken habe und … na ja, ich trinke normalerweise nicht, also war ich davon wohl ein bisschen übermannt.«[/LEFT] [LEFT]»Deswegen wollte ich-«[/LEFT] [LEFT]»Und ich weiß, dass das eine echt dumme Idee war«, unterbrach sie ihn. »Es tut mir wirklich leid. Wenn Sie mich also doch feuern wollen, verstehe ich das vollkommen.«[/LEFT] [LEFT]»Julie, ich-«[/LEFT] [LEFT]»Ich kann auch einfach kündigen, wenn das für Sie leichter ist.«[/LEFT] [LEFT]»Nein, darum-«[/LEFT] [LEFT]»Wer sollte schon mit einer so dummen Assistentin wie mir zusammenarbeiten wollen?«[/LEFT] [LEFT]Er wartete kurz, um sicherzugehen, dass sie nichts mehr sagen wollte, dann setzte er wieder dazu an, nur damit sie ihm direkt das Wort abschneiden konnte: »Außerdem dürfte es ja auch extrem unangenehm für Sie sein, nach dieser Nachricht weiter mit mir zusammenzuarbeiten.«[/LEFT] [LEFT]Für einen Moment überlegte er, noch einmal zu versuchen, etwas zu sagen, aber sie war so angespannt, dass er wusste, dass es sinnlos war. Sie wollte unbedingt verhindern, dass er sie abwies, so kam es ihm vor, und deswegen ließ sie ihn einfach nicht zu Wort kommen. So könnte sie aber auch nicht hören, dass er nicht einmal im Entferntesten daran dachte, sie abzuweisen.[/LEFT] [LEFT]Da er nichts mehr sagte, schwieg sie auch und starrte stattdessen auf ihr Handy auf dem Wohnzimmertisch, als wäre es für alles Schlechte verantwortlich. Daher kam Platan auf den Gedanken, einfach Kukuis Idee auszuprobieren.[/LEFT] [LEFT]Er griff nach seinem Handy, wählte das Video der beiden Liebiskus und schrieb noch einen kurzen Satz dazu: Das könnten wir sein.[/LEFT] [LEFT]Dann schickte er beides an Julie. Ihr Handy erwachte vibrierend zum Leben, so konnte er auch erstmals sehen, dass ihr Lockscreen ein Bild von ihm war. Ohne das Wissen, dass sie verliebt in ihn war, hätte er das nur als schmeichelhaft empfunden, aber unter den gegebenen Umständen setzte es wieder unzählige Vivillons in ihm frei, die es kaum erwarten konnten, dass sie die Nachricht las.[/LEFT] [LEFT]Julie runzelte die Stirn, den Blick auf das Display gerichtet, selbst als es wieder dunkel wurde, machte aber keine Anstalten, das Telefon in die Hand zu nehmen. Wahrscheinlich rechnete sie ohnehin nur damit, dass er ihr die Zurückweisung nun so geschickt hatte.[/LEFT] [LEFT]Lächelnd nickte Platan hinüber. Da sie dem wohl nicht widersprechen wollte – er war immerhin ihr Chef –, nahm sie das Handy seufzend an sich und entsperrte es, um sich die Nachricht und das Video anzusehen. Während sie auf das Display fixiert war, beobachtete Platan ihr Gesicht und die einzelnen Facetten, die sich darin widerspiegelten. Angefangen von ihrer gerunzelten Stirn, die sich sofort glättete, als ihre Augen sich verwirrt weiteten, über ihre Lippen, die leise etwas murmelten, bis zu einem tiefen, immer noch ungläubigen Durchatmen.[/LEFT] [LEFT]Schließlich sah sie ihn direkt an. »M-meinen Sie das ernst?«[/LEFT] [LEFT]Mit einem sanften Lächeln erwiderte er ihren Blick. »Ich liebe dich, Julie.«[/LEFT] [LEFT]Es auszusprechen war noch großartiger als es nur zu denken. Durch die Worte nahm das Konzept eine Form an, wurde zu einer unabänderlichen Wahrheit, die sein Herz unfassbar schnell schlagen ließ und ihr die Röte ins Gesicht trieb.[/LEFT] [LEFT]»H-haben Sie gerade wirklich …?«[/LEFT] [LEFT]»Es war mir bis vorhin auch nicht bewusst«, sagte er. »Aber dafür ist es mir nun umso klarer, wie ein stiller Bergsee im Sonnenschein, bei dem man bis auf den Grund sehen kann. Ich liebe dich~.«[/LEFT] [LEFT]Sie sah ihn immer noch ungläubig an. Aber da machte er ihr keinen Vorwurf; wenn sie wirklich schon so lange verliebt war, wie Kukui meinte, hatte sie sich diesen Moment bestimmt oft vorgestellt und war sich nun nicht sicher, ob er überhaupt wirklich passierte.[/LEFT] [LEFT]»Professor ...« Ihre Stimme brach ein. »D-das … Sie ...«[/LEFT] [LEFT]Sanft legte er eine Hand auf ihren Arm. »Du musst mich nicht mehr Siezen oder Professor nennen. Selbst wenn du dir keine Beziehung mit mir vorstellen kannst-«[/LEFT] [LEFT]»Nein!«, unterbrach sie ihn überraschend energisch. »Ich meine … also, ich hätte nie gedacht, dass das wirklich passiert, aber natürlich kann ich mir eine Beziehung mit Ihnen … mit dir vorstellen!«[/LEFT] [LEFT]Der Rotschimmer auf ihrem Gesicht wurde noch ein wenig dunkler. »Jedenfalls, wenn Sie, du, das auch kannst.«[/LEFT] [LEFT]Platan atmete auf. Bei seinem letzten Geständnis war er an dieser Stelle gescheitert, aber Julie wollte mit ihm zusammen sein. Sie hatte nicht einmal gezögert, ihm das zu versichern.[/LEFT] [LEFT]Erleichtert schloss er sie in die Arme. »Ich bin so froh. Da ich meine Gefühle nun kenne, will ich sie nie wieder verlieren oder verleugnen müssen.«[/LEFT] [LEFT]Julie schmiegte sich ein wenig an ihn und für einen kurzen Moment war alles einfach perfekt. Sie liebte ihn und wollte ebenfalls eine Beziehung mit ihm, ganz anders als seine erste Liebe, die der Meinung gewesen war, eine Beziehung mit ihm stelle sie sich furchtbar vor.[/LEFT] [LEFT]Aber Julie war anders, sie war voller Hoffnung auf eine Zukunft mit ihm. Das war geradezu fantastisch und ließ sein Herz allerlei Lieder anstimmen.[/LEFT] [LEFT]Und dann bemerkte er, dass Julie zu weinen begonnen hatte. Sofort wurde seine Stimmung wie von einer Wolke getrübt.[/LEFT] [LEFT]Er löste sich vorsichtig von ihr, damit sie sich die Tränen wegwischen konnte.[/LEFT] [LEFT]»Was ist los?«, fragte er. »Habe ich dich doch zu sehr bedrängt oder dich überrumpelt?«[/LEFT] [LEFT]Müde lächelnd schüttelte sie mit dem Kopf. »Nein, nein. Ich bin nur traurig, weil ich weiß, dass das hier ohnehin ein Traum ist. Und sobald ich aufwache, wird nichts hiervon je passiert sein. Immerhin ist das zu verrückt, es kann unmöglich sein, dass du jemanden wie mich liebst. Ich meine, ich bin absolut unbedeutend, hab nicht mal meine Trainerreise bis zum Ende geschafft und sehe auch gar nicht besonders aus. Wenn ich nicht wäre, hättest du einfach eine andere Assistentin.«[/LEFT] [LEFT]Er wollte ihr so gern erklären, dass sie nicht im Mindesten unbedeutend und auch nicht einfach zu ersetzen wäre, dass er ja eigentlich nicht einmal eine weitere Assistentin benötigt hatte, bis sie ihm im Café aufgefallen war. Sie war so viel mehr als sie sich selbst zugestand und er wollte ihr all das zeigen, am liebsten für den Rest seines Lebens.[/LEFT] [LEFT]Aber bevor er etwas sagen konnte, setzte sie schon seufzend nach: »Irgendwie deprimierend, dass ich nicht mal in einem Traum einfach glücklich sein kann, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Das kann ich so nicht stehenlassen«, erwiderte Platan. »Aber bevor ich dir ausführlich schildere, warum deine auf dich bezogenen Thesen keiner Überprüfung standhalten, sollten wir sicherstellen, dass du auf jeden Fall wach bist und es sich hierbei nicht um einen Traum handelt.«[/LEFT] [LEFT]Um dem nachzugehen, legte er eine Hand unter ihr Kinn und hob vorsichtig ihr Gesicht an. Die letzten Tränen glitzerten noch in ihren Augen und ließen sie fast noch schöner erscheinen. Dennoch würde er dafür sorgen, dass sie nie wieder aus Traurigkeit weinen müsste. Er wollte ihre Augen nur noch vor Glück glitzern sehen.[/LEFT] [LEFT]Mit diesem Entschluss überwand er die Distanz zwischen ihnen, bis er ihren warmen Atem auf seinen Lippen spüren könnte, das Gefühl erzeugte eine wohltuende Gänsehaut.[/LEFT] [LEFT]Dann küsste er sie – und gleichzeitig kam es ihm vor, als erblühte eine farbenprächtige Blumenwiese in seinem Inneren, die lange unter einer dichten Schneedecke gelegen hatte. Als Julie den Kuss erwiderte, wirbelten auch unzählige rosa-farbene Blütenblätter durch diese Vorstellung hindurch.[/LEFT] [LEFT]Sie liebte ihn. Und sie wollte mit ihm zusammen sein. Es musste wirklich Schicksal gewesen sein, dass sie sich an jenem Tag begegnet waren. Das Glück, das er bei diesen Gedanken empfand, ließ sein Herz regelrecht überlaufen.[/LEFT] [LEFT]So schien der Moment ewig anzudauern und doch nur eine Sekunde lang gewesen zu sein, als sie sich wieder voneinander lösten. Während er sich einfach nur selig fühlte, wirkte Julie gleichzeitig aufgeregt und fassungslos.[/LEFT] [LEFT]»Na?«, fragte er zwinkernd. »Denkst du immer noch, dass du nur träumst?«[/LEFT] [LEFT]Sie atmete tief durch, dann schmunzelte sie. »Nun … was wäre ich für eine Assistentin eines Wissenschaftlers, wenn ich die Theorie nicht mindestens zweimal überprüfen würde?«[/LEFT] [LEFT]Abwartend sah sie ihn an, fragte sich womöglich, ob er verstand, was sie meinte.[/LEFT] [LEFT]Er nickte lächelnd. »Stimmt, eine weitere Überprüfung ist auf jeden Fall angebracht.«[/LEFT] [LEFT]Damit küsste er sie noch einmal – und diesmal sah er sie beide auf dieser Blumenwiese in seiner Vorstellung, glücklich lachend über das Schicksal, das sie zusammengebracht hatte.[/LEFT] [LEFT]Und das sie niemals wieder voneinander trennen würde.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)