Widerklänge von Nesuki (Echos aus dem Wolfskloster) ================================================================================ Kapitel 2: Heimkehr ------------------- Es war mitten in der Nacht, als Kai von etwas geweckt wurde. Durch die halb zugezogenen Vorhänge vor dem Fenster drang fahles Licht in den Raum und ließ die Konturen der Betten und ihrer Taschen erkennen, deren Inhalt verstreut auf dem Boden lag. Er hörte Boris am anderen Ende des Raumes schnarchen, aber er war sich sicher, dass es nicht das war, was ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Da war es wieder. Das Bettgestell bebte für einen Moment, als wäre ihm ein Schauer überkommen. Und da war ein hartnäckiges Rascheln von Laken unter ihm, das ebenso lange anhielt. Dann war wieder alles still. Einen Moment lang kostete es ihn Überwindung, dann beugte er sich über das flache Geländer seines Bettes und versuchte etwas unter sich zu erkennen, jedoch war dort nichts zu sehen, außer tiefe Schwärze. Bloß Yuriys Handrücken und Finger konnte er im schwachen Schein des Lichts erkennen, welches der Mond auf den äußersten Rand der Matratze warf. Da war das Beben schon wieder, diesmal begleitet von einem leisen Wimmern, das bald wieder abebbte. Kai kletterte aus seinem Bett herunter, bedacht darauf, dies möglichst leise zu tun, und trat in gebückter Haltung an Yuriy heran. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er konnte erkennen, dass sein Freund halb zugedeckt auf dem Rücken lag. “Yuriy…” flüsterte Kai ihm zu, doch eine Antwort blieb aus. Stattdessen kam die nächste Welle und diesmal war das Zittern heftiger und das Wimmern deutlicher. Kai ging in die Hocke, stützte einen Arm vom Laken ab und streckte die andere Hand nach ihm aus. “Hey…” setzte er erneut an und in dem Moment, als seine Fingerspitzen die kühle Haut des Anderen berührten, schnappte dieser schlagartig nach Luft und schreckte hoch. Von der plötzlichen Reaktion selbst ein wenig erschrocken, wich Kai ein Stück zurück. Yuriy atmete heftig, sein Gesicht lag halb im Schatten, die Augen hatte er weit aufgerissen und seine Pupillen waren nichts als kleine Punkte, als er sich umsah. “Was-!? Kai…” Als Yuriy ihn erkannte, entspannten sich seine Gesichtszüge merklich “Scheiße…” Er ließ sich zurück auf das Kissen sinken und legte einen Arm über sein Gesicht. Kai legte seine Hände auf Yuriys, die noch auf dem Laken ruhte. Sie war klamm und kalt. “Was war los?” "Ich konnte mich nicht bewegen", hauchte er und war hörbar erschöpft. Situationen wie diese waren für Kai nicht neu, aber das letzte Mal war Jahre her. Er hob die Decke an und kroch in das für zwei Personen eigentlich viel zu schmale Bett. Yuriy machte ihm Platz, so gut er konnte, und Kai bedeutete ihm, sich ihm abgewandt auf die Seite zu legen. Kai fädelte den unteren Arm unter Yuriys Kissen entlang, den Oberen legte er über ihn. Schlanke Finger nestelten sich in Kais und drückten seine Hand. Kai zog ihn etwas fester an sich und schmiegte seine Wange an die des Anderen. Er lauschte, wie Yuriys Atem langsam wieder gleichmäßiger wurde. Er schien wieder einzuschlafen und Kai tat es ihm gleich. “Boris kriegt man echt nicht platt getrunken” bemerkte Kai, als er am nächsten Morgen zu Yuriy in die Küche trat und feststellte, dass der stärkste Trinker von ihnen schon längst wieder auf den Beinen war. Er stellte seine Bialetti auf den Küchentisch, die er in weiser Voraussicht mitgebracht hatte und lehnte sich gegen die Wand neben dem Fenster, steckte dabei die Hände in die Taschen seiner Jogginghose. Draußen regnete es Katzen und Hunde. Boris hatte sich bereits vor einiger Zeit zusammen mit Sergej auf den Weg in den nächsten Ort gemacht, um einzukaufen. Ivan schlief noch. Er wandte sich vom Fenster ab und schaute zu Yuriy, der ihm gegenüber mit verschränkten Armen gegen die Küchenzeile lehnte, seine Augen ins Nichts gerichtet. “Yuriy?” Ihre Blicke trafen sich “Was ist los?” hakte er nach. “Hmm” Yuriy nahm sich einen Moment lang Zeit, schaute zum Boden hinab und sortierte seine Beine, bevor er antwortete: “Die Nacht hat mich einfach enorm abgefuckt. Ich habe so eine weirde Scheiße gesehen, Kai.” Er rieb sich mit der Hand durchs Gesicht, so als wollte er die Bilder fortwischen, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatten. “Es war wieder dieses Ding… Ich war wach, aber konnte mich nicht bewegen und da war…” Er zögerte kurz und blickte durch seine Finger zu Kai auf “Ich habe Wolborg gesehen. Sie stand da, halb im Schatten. Ein riesiger Wolf und ihre Augen… brannten… aber waren gleichzeitig so kalt… und dann…” Yuriy hob die Schultern und senkte den Kopf, sodass sein Gesicht bis über die Nasenspitze in dem Stehkragen seines schwarzen Pullovers verschwand. Kai gab ihm geduldig die Zeit, die er brauchte, bis ihm die passenden Worte einfielen. “Damals, als ich während der Kämpfe ihren Novae Rog einsetzte, habe ich eine Frau gesehen. Das habe ich dir doch schon mal erzählt, oder?” Kai nickte. “Was ich dir nicht erzählt habe - Du hältst mich bestimmt für komplett bescheuert wenn ich dir das jetzt sage” er lachte ein leises, falsches Lachen, bevor er sich überwinden konnte weiterzusprechen “Manchmal hat sie mich angesehen, kurz bevor der Angriff los ging. Und das Gesicht… irgendwie undeutlich aber… Ich dachte immer wieder, sie sieht aus wie meine Mutter. Aber sobald ich genauer hinsah, war es wieder weg. Als wäre es nur so ein kurzes Flimmern gewesen. Das hat mich damals fast in den Wahnsinn getrieben.” Eine kurze Pause folgte und Yuriys Blick wanderte zum Fenster. Der Wind warf den Regen in Böen gegen die Scheibe “Und genau zu dieser Frau wurde der Wolf letzte Nacht.” “Shit…” war alles, was Kai in dem Moment hervorbringen konnte. “Scheiß drauf” Yuriy richtete sich auf und fuhr sich mit beiden Händen durch Gesicht und Haare. Oben auf seinem Kopf angekommen, hielt er für einen Moment inne und schien in Gedanken. Als er dann zu Kai herüber sah, legte sich ein müdes Lächeln auf seine Lippen. “Hey…” Er kam auf Kai zu, strich ihm die Haare aus dem Gesicht und legte seine Hände auf die Wangen seines Freundes, liebkoste sie dabei mit seinen Daumen. Seine Hände waren kühl, wie immer, aber sanft. Kai erwiderte Yuriys Blick und schaute in diese klaren, eisblauen Augen, die ihm gleichzeitig so viel Wärme gaben. “Mach dir keinen Kopf” sagte Yuriy und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn “Ich springe eben unter die Dusche.” Kai nahm das Prasseln aus dem Badezimmer nebenan kaum wahr. Er war in der Küche geblieben und dachte über das nach, was Yuriy ihm soeben offenbart hatte. So viele Jahre hatte er es für sich behalten, obwohl es ihn offensichtlich sehr belastete. Und jetzt schienen ihn die Bilder wieder heimzusuchen. Was war der Auslöser hierfür? Die Haustür wurde aufgeschlossen, doch das schnitt Kai nicht mit. Zu sehr war er darin vertieft zu versuchen, sich einen Reim auf das eben Gesagte zu machen. Ebenso wenig nahm er Notiz von Sergej und Boris, die voll gepackt und nass bis auf die Knochen die Datscha betraten. “Ich dachte immer, Wimpern und Brauen sind dafür da, damit einem die Suppe nicht in die Augen läuft", nölte Boris, während er sich freihändig seine nassen Stiefel abstreifte und anschließend über eben diese Richtung Küche stolperte. Wütend kickte er einen der Stiefel davon. “Nur bis zu einer gewissen Literzahl” entgegnete Sergej, der mit einem eleganten Hüftschwung die Tür ins Schloss stieß. “Die Wand steht auch von alleine, Hiwatari. Pack’ mal mit an” sagte Boris, als er die Küche betrat und sich unbeholfen zum Tisch manövrierte. “Heh, bist du taub? Zu viel Geld in den Ohren, oder was?” raunte er nun, als Kai sich nicht regte, und stellte die Einkäufe ab. In diesem Moment gab eine der durchweichten Papiertüten auf und ihr Inhalt platzte aus ihr heraus. Kai blinzelte. Ihm war, als wäre er gerade aus einer Trance erwacht. Gerade noch so gelang es ihm, zwei Konservendosen im Flug aufzufangen, die bereits über die Tischkante gerollt waren. “Sorry. Der Geruch nach nassem Hund hat mich gerade wohl einfach kurz überwältigt” entgegnete Kai und begann, die Einkäufe zu sortieren, während sich Boris mit beiden Zeigefingern durchs Gesicht wischte und dabei eine beachtliche Menge Wasser mit einem lauten Platschen zu Boden ging. “Du trägst heute die Haare offen. Steht dir.” Boris quittierte den Spruch mit einem finsteren Blick und hielt in seiner Bewegung inne, sich durch seine klatschnasse Kurzhaarfrisur zu fahren, die er seit jeher trug. “Witzig” murrte er und zog die nasse Jacke aus. Nun gesellte sich auch Yuriy zu ihnen, blieb im Türrahmen stehen und trocknete die roten, strähnigen Haare mit einem Handtuch. Sergej klimperte unterdessen im Hintergrund herum und räumte die Lebensmittel in die Schränke ein. “Was ist los, Yura? Du siehst aus wie ein Eimer Hundefutter" stellte Boris fest, nachdem er ihn einmal von oben bis unten gemustert hatte. “So fühle ich mich auch” kam als Antwort. Unter dem Deckmantel des Sortierens-und-Einräumens fand Kai zwischen den Einkäufen endlich das, was er gesucht hatte. Boris hatte also daran gedacht! Mit leuchtenden Augen zog er ein längliches Behältnis hervor und las die Aufschrift. Das Leuchten in seinen Augen verschwand. Instant-Kaffeepulver. Seine Reaktion blieb nicht unbemerkt. “Was ist? Kriegst du gleich wieder einen Blondie-Flipout? Kaffee ist Kaffee.” Kai ließ die Kaffeedose sinken und erwiderte Boris’ Blick. Seine Empörung über diese bäuerliche Äußerung schmeckte bitter, als er sie herunter schluckte. Immerhin waren Sergej und Boris heute Morgen früh aufgestanden und hatten für alle eingekauft - Trotz des Starkregens. Das rechnete er ihnen hoch an. “Alles klar, wenn OG Barista-Boris das sagt, wird es wohl stimmen.” Diese Worte lässig klingen zu lassen, kostete ihn all seine Selbstbeherrschung. Sergej unterbrach für einen Moment seine Einräumerei um ein schelmisches Grinsen in die Runde zu werfen und widmete sich dann wieder seiner selbst auferlegten Aufgabe. “Borya, kriege ich den Autoschlüssel? Ich will nochmal los.” Es war Yuriy, der das Wort ergriff. “Wieso das?” fragte Boris, fing aber gleichzeitig schon an, in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel zu fischen. “Du hast ja keine Ahnung, wie er drauf ist, wenn er nicht auf dem richtigen Stoff ist” sagte er und nickte zu Kai. Boris blickte von einem zum anderen und wieder zurück. Dann zuckte er die Achseln und warf Yuriy den Schlüssel zu. “Ich habe die Macken gezählt. Ich merke, wenn neue dazukommen!” “Okay, ich ziehe mich an” sagte Kai und Yuriy machte schon Anstalten zu intervenieren, darum fügte er noch rasch hinzu “Später kaufst du noch Koffeinfreien.” Er würde sich nicht abwimmeln lassen. Yuriy seufzte. “Ich warte im Auto.” Sie passierten den nächstgelegenen Ort und seinen kleinen Einkaufsladen, ohne dass Yuriy seinen Fuß auch nur einen Deut vom Gaspedal hob. Kai ließ sich keinen Bären aufbinden, also versuchte Yuiry auch gar nicht weiter, diesen Trip für etwas zu verkaufen, was er nicht war. Kai würde trotzdem auf dem Rückweg darauf bestehen, sich das Geschäft auch nochmal von innen anzuschauen, beschloss er. Fürs Erste gab er sich mit dem Schwarztee aus Yuriys Thermobecher zufrieden, den sie sich teilten, und mit den Broten, die sie sich als “Frühstück auf die Hand” mitgenommen hatten. Sie folgten der Landstraße für ca. eine Stunde immer weiter, bis Yuriy irgendwann langsamer fuhr. Das Wetter hatte sich kaum gebessert und die schlechten Sichtverhältnisse erschwerten es ihnen, die Stelle wiederzufinden, die sie suchten. “Hier muss es irgendwo gewesen sein…” sagte er und sie hielten die Augen offen. “Da!” bemerkte Kai und deutete auf ein Schild, das von dieser Seite so von Pflanzen verschlungen war, dass man es nicht mehr lesen konnte. Yuriy nickte daraufhin nur und bog in die Einfahrt ein. Die Straße war gerade so groß, dass ein Fahrzeug Platz hatte. “Das ist eine alte Versorgungszufahrt” erklärte Yuriy “Früher war hier eine Schranke. Ich hatte überhaupt nicht auf dem Schirm, dass wir ihr so nah sind. Ich meine… Ich wusste ja auch nicht wirklich, wo diese Datscha sein würde.” “Sankt Peters Kloster…”(1) wiederholte Kai den Namen der Einrichtung, doch der Groschen war schon längst gefallen. “So hieß der Laden früher, vor Volkov” erklärte Yuriy “Und danach auch wieder. Sie hatten ja versucht, diese Bruchbude wieder groß aufzuziehen, aber so zugewuchert wie das Schild vorne ist, hat das wohl nicht so geklappt.” “Ja, das hattest du damals schon mal erzählt” Kai pausierte kurz bevor er weitersprach “Yuriy? Warum sind wir hier?” Sie erreichten ein schweres, doppelflügiges Eisentor, flankiert von hohen Mauern, und das Fahrzeug kam zum Stehen. Jemand schien sich gewaltsam Zutritt verschafft zu haben, denn einer der Flügel hing nur noch halb in den Angeln. Yuriy ließ die Hände vom Lenkrad in den Schoß sinken und hielt den Blick geradeaus gerichtet. So verharrte er einige Augenblicke, bevor er sich zu Kai umwandte und ihm direkt in die Augen sah. “Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.” Mit diesen Worten zog er sich seine Jacke an, schnappte sich seinen Rucksack und stieg aus. Kai tat es ihm gleich. Regentropfen prasselten gegen ihre Kapuzen. Kai hob den Blick gen Himmel. Es machte nicht den Anschein, als ob es sich bald wieder aufklären würde. Sie stiegen über ein am Boden liegendes Schild mit der Aufschrift “Privatgelände”, welches wippte und Schlamm unter sich hervor presste, als sie ihren Fuß darauf setzten. Sie kletterten durch die Lücke im Tor und fanden sich im hinteren Teil des weitläufigen Klostergartens wieder. Die Natur hatte weitestgehend zurückerobert, was vor langer Zeit ihr gehört hatte und die einst penibel abgesteckten und gepflegten Beete waren nur noch vage vom Rest der Vegetation zu unterscheiden. Kai folgte seinem Freund, der zielstrebig den äußeren Rand der Beete entlang ging und dann auf den Kiesweg Richtung Hauptgebäude einbog. Auf Höhe einer Scheune hielt er inne und musterte sie. Das Dach war schon halb eingefallen und hie und da fehlten ein paar Bretter. Das kleine Holzgebäude diente seinerzeit als Stall, daran erinnerte er sich. Und er erinnerte sich an zwei schwere, schwarze Pferde, die für die Landwirtschaft eingesetzt worden waren. Wie waren ihre Namen noch gleich? Mit einem Knarzen der Scharniere schob Yuriy die Tür auf und sie traten ein. Ein Dachbalken war abgestürzt und hatte eine der Boxenwände zerschlagen. Durch den Regen, der durch das undichte Dach herein tropfte, hatten sich große Pfützen auf dem Boden gebildet. An der Wand gegenüber hingen Kummet und anderes landwirtschaftliches Gerät, von der Zeit gezeichnet und durchgerostet. Am Rahmen neben der Tür entdeckte Kai zwei Holzschilder, verschmutzt und aufgequollen. Die Aufschrift, ungleichmäßig und unbeholfen wie durch Kinderhände eingeritzt, war noch lesbar: “Artjom” und “Suchoi”. Obwohl das kleine Gebäude so heruntergekommen war, gab es dennoch ein Gefühl der Sicherheit und lud zum Verweilen ein. Kai konnte sich nicht recht erschließen, warum. Hier herrschte eine andere Energie, so war ihm fast. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Yuriy, der sich zielstrebig zur gegenüberliegenden Wand bewegte. Geschickt suchte er sich einen Weg, um möglichst trockenen Fußes auf die andere Seite zu gelangen. Auf einem hervorstehenden Balken lehnte ein großes, rostiges Hufeisen mit auffallend ausgeprägten Stollen. Yuriy griff danach, hielt es vor sich und betrachtete es von allen Seiten. Dann schien er Kais Blick auf sich zu bemerken und lächelte ihm zu. “Ein Andenken” sagte er und hob das Eisen an, um es zu präsentieren bevor es in seinem Rucksack verschwand “Wenn die Straßen im Winter so zugeschneit waren, dass die Fahrzeuge nicht mehr fahren konnten, haben wir mit den Pferden die Grenzen kontrolliert. Boris und ich haben das ein paar Mal gemacht.” Seine Augen suchten den Boden ab nach einem sicheren Weg zurück zu Kai “Die waren echt faul, aber es war wie ein Stückchen Freiheit nur für uns.” (2) Er setzte zum Sprung an und erreichte knapp trockenen Boden, verlor das Gleichgewicht und fing an, mit den Armen zu rudern. Kai packte ihn am Arm und zog ihn auf seine sichere Insel an sich ran. Sie standen nun dicht an dicht und Kai musste den Hals recken, um Yuriy ins Gesicht zu schauen. “Oha. Klingt ja nach richtiger Cowboy-Romantik” Kai grinste: "Seepferdchen wolltest du jetzt auch noch machen oder was war das gerade?” Auf Yuriys Gesicht machte sich dieses wölfische Grinsen breit, welches Kai so sehr liebte. “Na, na. Nicht so frech…” sagte er ruhig, aber bestimmt und fuhr mit den Fingerspitzen Kais Kieferpartie entlang, seine blauen Augen folgten seiner Bewegung dabei. “Sonst was?” forderte Kai ihn heraus und schenkte seinem Gegenüber ein schiefes Grinsen. Mit diesen Worten festigte sich plötzlich der Griff an seinem Unterkiefer und sein Kopf wurde angehoben, was ihn dazu zwang, sich aufzurichten. Nun kam er nicht mehr drum herum, tief in diese funkelnden Raubtieraugen zu blicken, die ihn fixierten, als wäre er ein Kaninchen. Er bemerkte einen goldenen Kranz um seine Pupillen. Das war vorhin doch noch nicht gewesen? Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch im nächsten Moment wurde er zurückgedrängt, bis er die Holzbalken der Wand durch den Stoff seiner Jacke deutlich spürte. Seine Nackenhaare stellten sich auf und in seiner Magengegend loderte es - Suzaku reagierte. Ein aufregendes Gefühl. Yuriys Blick wanderte zu seinen Lippen, über die er mit seinem Daumen strich und damit einen Deut öffnete. Als nächstes spürte er Yuriys Lippen auf seinen, fordernd und bestimmt ging er in einen innigen Kuss über, gierig, fast so, als wollte er ihn verschlingen. Kai hielt dem stand und erwiderte den Kuss, krallte sich in den feuchten Stoff an Yuriys Ärmeln. Mit seiner freien Hand griff Yuriy nach Kais Hüfte und zog ihn mit einem Ruck an seine während er den Kuss fortführte. Ein plötzlicher, ohrenbetäubender Knall ließ sie beide hochfahren. Eine starke Windböe hatte gegen die Tür geschlagen, welche mit einem lauten Scheppern gegen den Rahmen gekracht war. Der Wind pfiff durch die Scheune, rüttelte bedenklich an den Wänden und spie ihnen feine Regentropfen ins Gesicht. Sie lösten sich voneinander und verließen rasch die Hütte, an die so viele positive Erinnerungen geknüpft waren. Draußen wartete das Hauptgebäude auf sie, das bedrohlich zum mit dunklen Wolken bedeckten Himmel empor ragte, wie ein Mahnmal aus längst vergangener Zeit. Wie viele Kinder hatte dieses Monster wohl schon verschlungen? Unter dem unaufhörlichen Trommeln der Regentropfen auf ihren Jacken beschleunigten sie ihre Schritte, bis sie das schützende Vordach des Hintereingangs erreichten. Die Tür war verschlossen, wie zu erwarten war. Diese Tatsache schien Yuriy nicht sonderlich zu beeindrucken und so wandte er sich prompt wieder ab, während er wachen Blickes den Boden absuchte bis er schließlich fündig wurde: Ein Trampelpfad führte von der Hintertür aus um die Ecke und endete an einem eingeschlagenen, schmalen Fenster, das direkt über den Boden ragte. “Hm. Wir sind wohl nicht die Ersten hier” stellte Kai fest, als er sich nochmals umsah. Yuriy ging in die Hocke und leuchtete mit seinem Handy ins Dunkel des Kellers. Es war nicht das Geringste zu erkennen. “Vielleicht sind schon andere Ex-Abteikids vor uns auf die Idee gekommen. Oder-” setzte er an und drückte Kai grinsend seinen Rucksack in die Arme “Oder es haben sich hier ein paar Obdachlose gemütlich gemacht.” Kai sah zu, wie sich Yuriy Füße voran durch das schmale Fenster zwängte und nach einer nach seinem Geschmack viel zu langen Pause mit einem Platschen auf dem Boden aufkam. “Dein Ernst?” stöhnte Kai. “Willst du lieber draußen bleiben?” Ja, war die ehrliche Antwort. Er warf Yuriy den Rucksack entgegen, bevor er kurz entschlossen ebenfalls durch das Kellerfenster kletterte. Denn noch weniger als die Vorstellung, das Gemäuer selbst zu betreten, mochte er den Gedanken, Yuriy alleine dort unten zu wissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)