Love against all Reason von Ukiyo1 (Liebe gegen jede Vernunft) ================================================================================ Kapitel 23: ------------ Mimi Drei Stunden nachdem wir gelandet sind, sind wir im Four Season Hotel angekommen. Ich bin mehr als überrascht gewesen, als ich mitbekommen habe, dass Joe und ich uns ein Zimmer teilen. Ein Bett. Ich weiß nicht, ob ich das kann und will. Auch wenn Joe sogar angeboten hat, auf der Couch zu schlafen, aber sind wir nicht hier um unsere Verlobung zu feiern? Werden wir uns nicht zwangsweise näher kommen? Warum also nicht mal sehen, wie ein tatsächliches Zusammenleben mit Joe aussehen könnte? Irgendwann werde ich zu ihm ziehen und dann? Immer noch frage ich mich, wie Kaori das damals geschafft hat. Meine Aufregung steigt wieder mit jeder Minute. Der ganze Flug war einfach zu viel für meine Nerven. “Alles okay, Mimi?” Joe steht vor mir und hat soeben sein letztes Hemd akkurat in dem Kleiderschrank aufgehangen, während mein Koffer immer noch unberührt an Ort und Stelle steht. Ich stand ewig unter der Dusche und musste dringend erstmal einen klaren Kopf bekommen. Beinahe hätten wir uns verbrannt. Beinahe, hätte Tai mich geküsst und beinahe hätte ich es zugelassen, weil ein Teil von mir ihn anflehen wollte, mich endlich zu erlösen und ein anderer Teil, ihn am liebsten geohrfeigt hätte, weil wir das einfach nicht tun dürfen. “Ja, ich möchte nur endlich meine Eltern sehen.” Das ist nicht mal eine Lüge. Ich will sie sehen. Ich habe sie so vermisst in den letzten Wochen und weiß nicht, wann ich sie das nächste Mal wiedersehen werde. “Wir können sofort los. Mein Vater erwartet uns.” Klar, tut er das. Oh Gott, warum muss er überhaupt dabei sein? Sie sind in New York City, macht Sightseeing oder so etwas, aber als würde Haruiko sich das entgehen lassen mein Vater nachher vorzuführen. Unten angekommen warten bereits alle auf uns. “Und wie gefällt euch euer Zimmer?”, fragt Frau Kido gleich nach und sieht uns ganz erwartungsvoll an. Wahrscheinlich weil das Zimmer unendlich romantisch geschmückt war, aber nur weil das Zimmer vor Romantik so protzt, verliebe ich mich nicht gleich in Joe. Zumal er direkt anfing zu niesen und alle Rosen sofort entfernen ließ. Ja, so romantisch ist er. “Es ist wirklich wundervoll.” Sie nickt eifrig und ich steige in die Limousine ein. Ich will einfach nur noch losfahren und meine Eltern sehen. Tai sitzt bereits in der Limousine und gleich treffen sich unsere Augen. In diesen paar Sekunden liegt so viel Sehnsucht, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte und doch sieht er dann wieder schnell aus dem Fenster und beachtet mich nicht mehr. Vorhin im Flugzeug waren wir uns noch so nah und jetzt? Jetzt ist es, als wäre eine Mauer zwischen uns. Auch die anderen steigen ein und wir fahren los. Mein Herz pocht und ich versuche ruhig und gleichmäßig zu atmen. Die Übelkeit nimmt wieder zu und ich muss mich unbedingt beruhigen. Es wird schon alles werden. Wir fahren circa eine halbe Stunde bis die Limousine zum Stehen kommt. Der Chauffeur öffnet die Wagentüre. "Mimi?", höre ich die Stimme meiner Mutter. Sofort reiße ich den Kopf um, dränge mich an allen vorbei, ich glaube sogar, ich bin Haruiko auf den Fuß getreten, aber das ist mir egal. Ich stürme aus der Limousine und laufe zu meiner Mutter. “Mama”, wimmere ich und falle in ihre Arme. Tränen sammeln sich in meinen Augen und am liebsten würde ich alles aus mir rauslassen, aber ich muss mich so unendlich zusammenreißen. Auch die anderen haben mittlerweile die Limousine verlassen und ich umarme meinen Vater. “Ach Mimi”, flüstert er mir ins Ohr. Ich löse die Umarmung zu meinem Vater und sehe wie meine Eltern sich bereits vor den Kidos verbeugen. Meine Mutter ist die erste, die das Wort erhebt und sich aufrichtet. “Wie schön, dass Sie den ganzen Weg auf sich genommen haben, damit wir bei der Verlobung unserer Tochter dabei sein können. Sie wissen nicht, was uns das bedeutet.” “Es ist ja nicht so, als hätten wir eine Wahl gehabt”, knirscht Haruiko mit den Zähnen. “Wir bitten um Verzeihung und gleichzeitig möchten wir unseren herzlichen Dank ausdrücken, dafür, dass Sie meinem Mann geholfen haben.” “Dem kann ich mich nur anschließen. Habt Dank”, spricht mein Vater weiter und verbeugt sich immer noch. Mein Vater hat sich noch vor niemanden so klein gemacht. Ich kenne das gar nicht von ihm. “Es wäre sicher für alle besser gewesen, uns von Anfang die Wahrheit zu sagen und uns nicht so einen Ballast zu schicken. Das hätte uns ruinieren können.” Ballast? Ich? Als wäre ich nur billige B-Ware. “Zum Glück konnte unser PR Agent noch alles ins rechte Licht rücken, sonst Keisuke, wäre das Gefängnis dein geringstes Problem gewesen.” Woah. Es ist noch viel unangenehmer, als ich es mir je vorgestellt habe. “Wir stehen tief in eurer Schuld”, sagt mein Vater ganz reumütig und ich stehe fassungslos daneben. “Korrekt. Jedoch sind wir auch bald eine Familie. Unsere Kinder werden heiraten und damit seit ihr zunächst begnadigt." Begnadigt! Ist er der verdammte Präsident oder was bildet er sich ein? Egal, ich darf mir nichts anmerken lassen. Denk an deine Fassade Mimi. Lächeln. “Und Mimi macht sich sehr gut in unserer Familie.” Er meinte wohl eher, dass die Presse im Moment ganz gut auf mich zu sprechen ist. “Sie ist unser ganzer Stolz.” Ach Papa. Wie lieb von dir. “Na los, verlassen wir die Einfahrt und bitte, kommen Sie herein.” Meine Mutter bittet alle einzutreten. Ich lasse alle an mir vorbeigehen und warte auf Tai. Ich suche seinen Blick, doch er weicht mir aus und geht einfach an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Ich verstehe das nicht. Warum ist er plötzlich so kalt? Okay, wir haben vorhin im Flug beinahe die Grenze übertreten, aber es ist doch nicht dazu gekommen, warum können wir also nicht wieder Freunde sein? Warum behandelt er mich wie Luft oder wie am Anfang, als würde er mich nicht leiden können? Niedergeschlagen schließe ich die Haustüre und folge den anderen. Zum Glück kann sich unser Haus sehen lassen und man sieht, dass ich im Grunde auch aus gutem Hause komme. Na, vielleicht haben Joe und ich eine Gemeinsamkeit gefunden. “Sie haben ein wirklich schönes Haus”, sagt Frau Kido versöhnlich “Oh, vielen Dank. Wir lieben es auch sehr.” Im Esszimmer haben meine Eltern den großen Tisch ausgezogen und feierlich geschmückt. Als alle Platz genommen haben, fällt mir auf, dass ein Platz noch frei ist. “Mama, ich glaube, ihr habt euch verzählt.” “Nein, haben wir nicht. Ich habe noch einen kleinen Überraschungsgast für dich eingeladen.” Überraschungsgast? Jetzt bin ich aber neugierig. “Was? Aber wer?” Auch die Familie Kido sieht neugierig aus. Es klingelt an der Türe und ich drehe meinen Kopf gleich in die Richtung. “Öffne sie ruhig. Das müsste ohnehin sein Überraschungsgast sein”, meint mein Vater und ich gehe aufgeregt zu unserer Haustüre. Ich öffne sie und kreische gleich drauf los, als ich erkenne, wer hinter der Türe steht. "Sally." Sofort reiße ich meine beste Freundin an mich. “Hi Mimi, was machst du nur für Sachen.” Sally und ich sind schon seit acht Jahren beste Freundinnen. Wir haben uns an unserer alten High School kennengelernt, waren beide Cheerleader und haben schon eine ganze Menge miteinander erlebt. Zwischendurch hat sie mich auch in L.A besucht und ich sie in Seattle, wo sie Pädagogik studiert hat. “Was machst du denn hier?”, kreische ich immer noch ganz aufgeregt. “Na, ich kann es mir doch nicht nehmen lassen, deinen Verlobten kennenzulernen. Also wer ist das Sahneschnittchen?” Oh man, ich muss Sally unbedingt zügeln, so Sprüche kommen bei Familie Kido nicht so gut an. Auch wenn das ein ganz normales Gespräch zwischen uns Beiden ist. Sally ist einfach einmalig. Sie hat blonde Haare, blaue Augen, eine schlanke Figur und eine üppige Oberweite. Mit anderen Worten, sie ist wohl der amerikanische Traum vieler Männer und es fiel ihr auch nie schwer, Männer den Kopf zu verdrehen. Dennoch trägt sie ihr Herz am rechten Fleck und ist einfach eine gute Seele. “Ich stelle sie dir gleich alle vor.” Ich ziehe sie hinter mir her. “Hey, ich möchte euch gerne meine beste Freundin Sally vorstellen.” Die Familie Kido nickt und lächelt. Natürlich verbeugt sich Sally nicht, solche Sitten kennt sie schließlich nicht. “Also wer ist dein Verlobter für den du einfach das Land verlassen hast?” Gleich geht ihr Blick zu Tai und ich weiß nicht, was sie denkt, aber da erhebt sich Joe schon von selbst und hält entgegen seiner Erziehung Sally die Hand hin. “Joe, ich bin Mimis Verlobter und es freut mich, eine so gute Freundin von Mimi kennenzulernen.” “Hört, hört, so förmlich, ist ja richtig niedlich.” Oh man, Sally, sei leise. Sally umarmt ihn stattdessen und lässt sich auf den freien Platz neben mir nieder. Im Grunde bin ich ganz genauso wie sie. Hoffentlich niest sie gleich nicht. “Freut mich, dich kennenzulernen. Auch wenn es krass ist, dass meine beste Freundin deinetwegen das Land verlassen hat.” “Na ja, es ist ja meine Entscheidung gewesen, aber erzähl wie geht es dir? Lebst du noch in Seattle?", funke ich dazwischen. Themenwechsel, ganz schnell. “Oh man, ich hab dir so viel zu erzählen …” Sally ist wahrscheinlich der einzige Grund, warum an diesem Tisch keine peinliche Stille herrscht und während ich Sally mehr oder weniger aufmerksam zuhöre, driftet mein Blick immer mal wieder zu Tai, doch der hört lieber Sally zu und lacht sogar ständig auf, obwohl Sally nicht mal witzig ist. Oh nein, nicht noch einer der Sally verfallen ist. Auch alle anderen hören meiner besten Freundin aufmerksam zu, aber wahrscheinlich auch, weil sonst keiner was zu sagen hat. Zwischendurch mustert der Professor meinen Vater sehr genau, der wiederum sehr ruhig ist und sich scheinbar unwohl in seiner Haut fühlt. Verständlich. Joe und Jim sind wie immer höflich und Kaori ist viel zu tadellos, als dass man nur ansatzweise weiß, was sie gerade denkt. Frau Kido und meine Mutter stellen das Essen auf den Tisch und die Beiden scheinen sich tatsächlich gut zu verstehen. Was mich wirklich freut. Meine Mutter hat alles selbst zubereitet. Normalerweise hätte sie so ein Essen liefern lassen, aber wo kein Geld ist, musste etwas preisgünstigeres her. “Ich hoffe es schmeckt allen. Guten Appetit.” “Ja, guten Appetit.” Ich bin so froh, wieder gewohntes Essen zu essen und nachdem ich fast einen ganzen Tag lang nichts gegessen habe, mir nur übel war und ich mich sogar übergeben musste, ist das gerade wie Balsam für meine Seele. Nachdem Essen helfe ich meiner Mutter den Tisch abzuräumen. Auch Tai und Sally helfen. Ich versuche ein paar Mal was zu Tai zu sagen, aber er geht so schnell wieder weiter, dass ich einfach nur mit offenem Mund stehen bleibe. “Und Tai, welche Aufgabe genau erfüllst du hier?”, fragt Sally bei Tai direkt nach. Er bleibt vor ihr stehen, die Beiden schauen sich an. Ein Grinsen liegt auf Taichis Lippen und mein Herz hält das kaum aus. “Ich bin hier der, der alles am Laufen hält.” “Klingt, als seist du ein Mann, den Frau besser an ihrer Seite haben sollte.” Oh nein, flirten die etwa miteinander? “Da kannst du dich drauf verlassen”, grinst er und mustert sie auffällig. Tai checkt meine beste Freundin ab. Okay, mir wird wieder schlagartig schlecht. Ich verstehe nicht, warum Tai mir gegenüber so abweisend ist und Sally so viel Aufmerksamkeit schenkt. Natürlich ist mir klar, dass wir hier nicht vor allen flirten und uns nah kommen dürfen, aber wir können doch wohl noch miteinander reden, oder? Joe kommt zu mir und stellt sich direkt vor die Beiden. “Hey, meine Eltern würden sich gerne verabschieden. Ich kann natürlich verstehen, wenn du noch bleiben möchtest.” “Ja, zumindest noch ein bisschen. Ich habe sie lange nicht gesehen.” “In Ordnung, wir bleiben noch ein wenig, aber der Rest kann ja schon zurück. Ich denke, alle sind ziemlich müde.” “Du kannst ruhig auch schon fahren.” “Nein, ich bleibe noch.” Wie war das: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? “Tai, die Limousine steht bereit.” “Ich glaube, wenn ihr noch bleibt und Sally auch, würde ich auch noch etwas bleiben.” Joe lächelt Tai an, auf eine Art, die mir überhaupt nicht gefällt. Mir gefällt überhaupt gar nichts mehr hier. Plötzlich zieht Sally mich zur Seite und kommt sehr nah an mich heran. “Also jetzt ernsthaft, geht es dir gut?” Nein. Was soll ich sagen? “Na ja, du weißt ja sicher, dass ich nicht aus Liebe heirate, oder?” “Ja, ich habe das alles von deinen Eltern erfahren, nachdem ich das von deinem Vater gehört habe. Warum hast du dich nicht gemeldet?” Es klingt ein wenig Vorwurf mit in ihrer Stimme und sie hat auch jedes Recht dazu. Ich hab mich gar nicht mehr bei ihr gemeldet. “Ich wusste nicht, wie. Ich wollte einfach meiner Familie helfen und du weißt ja, wie meine letzten Beziehungen waren, ich dachte mir, ein netter Arzt, ist doch gar nicht so schlecht.” Sally kauft mir das keine Sekunde ab und zieht eine Augenbraue misstrauisch nach oben. “Und wie gefällt dir Joe? Und Tai?” Sofort sehe ich sie ungläubig an. "Äh bitte?” “Mimi, ich kenne dich und dein Beuteschema.” Sally kennt mich natürlich, aber ich muss sie einfach ablenken. Sie soll nicht auch noch mitbekommen, wie verkorkst alles bei mir ist. “Joe ist sehr nett und höflich. Er ist großzügig und …” hat mich Wochenlang wie Abschaum behandelt … “behandelt mich gut.” Wieder. “Okay, klingt ein bisschen so, als hättest du es auswendig gelernt und Tai?” “Tai und ich sind Freunde. Er ist Joes Freund und Assistent.” “Und ist er Single?” Warum will sie das wissen? Sie soll ihre Finger von ihm lassen. “Ja, nein, also nicht so richtig.” “Hä? Versteh ich nicht. Er sieht ja mega gut aus. Er wirkt nicht, als hätte er eine Freundin.” Was soll das denn heißen? Als könnte man so etwas mit einem Blick sehen. “Das bleibt unter uns, weil die Kidos das nicht wissen.” Sofort nickt Sally und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann. “Tai und Kaori waren mal ein Paar.” “Kaori ist doch das Model, was die ganze Zeit den Mund nicht aufkriegt oder?” “Sally … Sie ist wirklich nett und hat mir sehr geholfen, aber ja, ist sie.” “Und weiter?” “Und na ja, Tai ist noch nicht über sie hinweg und deshalb hat auch keine eine Chance bei ihm.” Oh man, warum mache ich das nur? Es ist so bescheuert, aber wenn Tai wie alle anderen Männer auch, auf Sallys Annährungsversuche reinfällt, dann halte ich das nicht aus. Das ertrag ich nicht. Auch wenn ich überhaupt kein Recht dazu habe. “Achso”, grinst Sally und ich weiß genau, was das zu bedeuten hat. “Bitte Sally, lass ihn einfach.” “Ach Mimi, keine Sorge …” Kurz atme ich erleichtert aus. “Ich will ihn ja nicht heiraten, sondern nur etwas Spaß haben.” Ich könnte ausrasten. Würde Tai sich darauf einlassen? Oh Gott, ich kann mir das nicht mal vorstellen. Tai Ich weiß, dass Mimi heute mehrmals versucht hat, Kontakt zu mir aufzubauen, aber ich darf es aktuell einfach nicht zulassen. Ich stehe unter ständiger Beobachtung, ausgerechnet von der Mutter meines Freundes. Es fällt mir selber schwer, sie so zu behandeln. Auf Abstand zu gehen, obwohl ich sie doch nur festhalten will, aber es geht nicht anders. Sie ist nicht meine Freundin. Sie ist die Verlobte von Joe und meine Gefühle dürfen einfach nicht ständig alles kaputt machen. Mimi wird das sicher verstehen. Was bleibt uns auch sonst übrig? Sally, Mimis Freundin ist einfach perfekt als Alibi. Sie ist tatsächlich ganz hübsch, aber an Mimi reicht sie nicht ran. So kann ich zumindest vor den Kidos zeigen, dass Mimi mich als Frau nicht interessiert. Nachdem der Rest des Kido Clans zurück ins Hotel gefahren ist, schaue ich mich in Mimis Haus ein wenig um. Überall hängen Bilder von Mimi. Aus ihrer Kindheit, als sie ihren Abschluss in der Tasche hatte, selbst als Cheerleader sehe ich ein Bild. Sie war einfach immer schon eine Augenweide. Mimis Eltern erzählen Joe wie es mit Mimi als Tochter ist und auch da höre ich mit einem Ohr mit. Sie lieben sie wirklich sehr, auch wenn sie als Teenager ganz schön rebelliert hat, dass fällt mir nicht schwer zu glauben. Bei dem Gedanken, wie Mimi hier Türen knallt, die Musik aufdreht und nachts aus dem Fenster abhaut, lässt mich schmunzeln. Wieder ein Stückchen mehr, als ihrer Vergangenheit. "Und Tai, warum genau arbeitest du als Assistent?" Ich blicke wieder zu Sally und schenke ihr wieder meine Aufmerksamkeit. Immerhin sollen ja alle denken, ich würde mich für sie interessieren. Also erzähle ich von meinem Hauptjob als Stuntman und warum ich ebenfalls als Assistent arbeite. "Eine Weltreise? Wow, ja das ist doch wirklich mal ein Traum für den es sich lohnt, so hart zu arbeiten." "Ja, es wäre natürlich noch schöner, die Weltreise zu zweit, anstatt alleine zu machen, aber na ja …" Mit Mimi wäre eine Weltreise, doch ein unglaubliches Abenteuer, ob sie auch bereit wäre zu campen? "Klar, aber ich denke auch, dass es eine ganz schöne Beziehungsprobe sein kann. Man hängt ja auch ständig aufeinander." "Ja, aber wenn es die Richtige ist, dann wird auch das klappen, da bin sicher." "Muss sicher hart sein …" murmelt Sally und sieht mich irgendwie an, als hätte sie Mitleid. "Was meinst du?" "Na ja, eine Frau die du magst, ständig mit jemand anderem zu sehen …" Jetzt bin ich mehr als überrascht, hat sich Mimi Sally anvertraut? Kurz sehe ich zu ihr rüber. Sie sieht zu mir, ich merke, dass sie mich die ganze Zeit beobachtet und schaue direkt wieder zu Sally. "Man muss mit Dingen abschließen und das tue ich." Was soll ich sonst antworten? Sally tratscht viel zu viel und redet ohne groß darüber nachzudenken. Besser, wenn sie auch glaubt, dass ich keine Gefühle für Mimi habe. "Das ist die richtige Einstellung, Tai." Sally boxt mich gegen die Brust und ich lache auf. Wenn das alles so einfach wäre, würde ich mich nicht die ganze Zeit so mies fühlen. Noch immer spüre ich Mimis Atem an meinem Mund. "Tai? Sally? möchtet ihr auch noch etwas?" Satoe, Mimis Mutter hält uns nochmal das Dessert vor. Ich nicke, während Sally ablehnt. "Also es schmeckt so köstlich, wenn ich niemanden etwas wegesse, dann sehr gerne." "War klar, dass du das sagst", lacht Joe. "Achso, ist Tai ein Essensliebhaber?" "Das kann man so sagen." Ich setze mich wieder an den Tisch, direkt gegenüber von Mimi, die selber auch nichts mehr anrührt. "Mich freut es sehr und es ist so viel, bevor ich es wegwerfen muss." "Oh nein, also das wäre eine Schande", sage ich, während ich einen großen Löffel Tiramisu in den Mund schiebe. "Mimi kocht und backt auch für ihr Leben gerne …" "Mama." Es scheint Mimi unangenehm zu sein, dass ihre Mutter so von ihr schwärmt, dabei finde ich das wirklich süß. "Das habe ich schon festgestellt. Mimi hat für das Kinderfest im Krankenhaus selber gebacken und alle fanden es köstlich." Mimi rutscht die ganze Zeit hin und her. Warum fühlt sie sich denn so unwohl? "Und wie läuft es mit der japanischen Kultur?", fragt Mimis Vater nach. Joe sieht zu mir und deutet mit dem Löffel auf mich. "Er hat sie die ganze Zeit unterrichtet." Ich nicke und schlucke runter. "Sie hat sich wirklich sehr angestrengt, wenn man bedenkt, wie die erste Begegnung war und wie sie sich jetzt verhält." Und so erzählen wir wie Mimis erster Eindruck war und nach diesem Auftritt grenzt es wirklich an ein Wunder, dass sie noch hier ist oder besser gesagt wir jetzt hier. Nach einem schönen Abend verabschieden auch wir uns von Mimis Eltern. In zwei Tagen wird die große offizielle Verlobungsfeier sein. Keine Ahnung was ich da machen soll. Es ist einfach falsch, dass sie bei Joe ist, aber spätestens seit der Begegnung zwischen Haruiko und Keisuke ist klar geworden, dass Mimi gar keine andere Wahl mehr hat. Sie ist der Preis, den Mimis Eltern jetzt zahlen müssen. Wie bitter. Morgen werden wir alle erstmal unseren Jetlag ausschlafen. Mimi, Joe und ich teilen uns ein Taxi und fahren zurück ins Four Season Hotel. New York schläft wirklich nie, aber meine Lider sind mehr als schwer, auch Joe schläft während der Fahrt immer mal wieder ein. Mimi hingehen hat den Blick immer noch starr auf mich gerichtet. Ich öffne mein rechtes Auge halb, weil ich spüre, wie sie mich anstarrt. "Was ist?", sage ich daher nur. Natürlich weiß ich ganz genau, was ist, ich bin ja nicht bescheuert. Joe richtet sich auf und schaut zu Mimi. "War was?" "Wir sind jetzt da", antwortet Mimi nur. "Endlich." Ich steige als erstes aus, dann Joe und zum Schluss Mimi. Sie verharrt an der Tür, sieht zu mir. Wir stehen wieder mal viel zu nah beieinander. Am liebsten würde ich meine Hand an ihr Gesicht legen und ihr sagen: dass alles gut wird, aber leider weiß ich nicht, ob das stimmt. So setze ich mich in Bewegung, schließe die Türe, während Joe das Taxi bezahlt. Wir steigen in den Fahrstuhl und fahren in das 38. Stockwerk. Wir sind alle auf diesem Stockwerk unter gekommen und es ist doch sehr bizarr, dass mein Zimmer ausgerechnet neben Mimi und Joes liegt. Ich schaue noch einmal zu ihr rüber, auch sie sieht zu mir, während Joe die Karte durch das Türschloss zieht. Sie lächelt mir zu und auch ich öffne die Türe. Ein kurzer Blick zu Mimi und dann sehe ich sie nicht mehr. Mich nervt schon der bloße Gedanke, dass Mimi jetzt mit Joe in einem Bett liegt. Ob sie sich dabei näher kommen? Ich putze mir so schnell in kann die Zähne und will endlich ins Bett fallen, da leuchtet mein Smartphone auf und ich erkenne, dass Mimi mir eine WhatsApp geschrieben hat.